Die Geburt eines neuen Feinds

Es zischte, als der Pfeil durch die Luft flog. Aber bevor der Pfeil traf, sprang das riesige Biest zur Seite. Toxodera bewegte sich so schnell, dass Tom nur einen grünen Wirbel sah, der durch das Gestrüpp raste – direkt auf …

„Elenna!“, schrie Tom. Das Biest war hinter den Baum gesprungen, wo sich Elenna versteckte.

Tom rannte los und bog in dem Moment um den Baum, als Toxodera Elenna den Köcher vom Rücken fegte. Pfeile regneten zu Boden. Elenna stand wie zur Salzsäure erstarrt da und blickte mit weit aufgerissenen Augen zu dem Biest hoch. Toxodera ragte über ihr auf und hob eine Klaue, um Elenna in zwei Hälfen zu teilen.

Tom hechtete vor und packte Elenna am Handgelenk. Er zog sie mit sich und sie rollten beide über den Boden. Toxoderas Klaue krachte auf den Baumstamm und bohrte sich tief hinein. Das Biest schrie verärgert auf und zog an seiner Klaue, aber sie steckte zu fest. Mit aller Macht zog Toxodera erneut an der Klaue, die sich schließlich aus dem Baumstamm löste. Splitter flogen durch die Luft.

„Das hätte ich sein können“, flüsterte Elenna entsetzt.

Tom sah sich verzweifelt nach einem neuen Versteck um. Er entdeckte einen niedrigen, dichten Busch mit roten Beeren und Blüten. „Sehr gut“, murmelte er. Elenna sah immer noch wie versteinert zu dem Biest, das nun zu seinen Eiern stapfte.

„Komm“, befahl Tom. Er schnalzte mit der Zunge nach den Tieren und rannte geduckt zu dem Busch. Er schob einen Ast zurück und trat zwischen die Zweige. „Hier findet dich Toxodera nicht“, sagte er zu Elenna. Silver kroch in das Gebüsch und Storm versteckte sich, so gut es ging, hinter einem Baum. Die Tiere hatten verstanden, dass sie nicht gesehen werden durften.

„Du bleibst mit Silver und Storm hier“, sagte Tom zu Elenna.

„Aber du kannst doch nicht allein gegen Toxodera kämpfen“, entgegnete Elenna trotzig.

„Wenn du dich versteckst, wird sie sich nur auf mich konzentrieren und dann kannst du einen Überraschungsangriff starten“, erklärte Tom. „Du hast gesehen, wie schnell sie sich bewegen kann. Sie wird uns töten, wenn wir nicht aufpassen.“

„Ich verstehe“, meinte Elenna und kniete sich neben Silver. „Aber sei vorsichtig.“

Tom lächelte grimmig. „Das bin ich.“ Er reichte Elenna seinen Schild. „Wenn Toxodera dich angreift, dann schütze dich damit.“

Tom holte tief Luft, dann kroch er aus dem Gebüsch.

Toxodera hatte sich über ihre Eier gebeugt und prüfte, ob mit ihnen alles in Ordnung war. Tom stand ganz still und wartete darauf, dass sein Körper unsichtbar wurde. Das Biest schnupperte plötzlich in die Luft und richtete sich auf. Der gepanzerte Körper glänzte im Sonnenlicht und die langen, muskulösen Beine wirkten, als könnten sie Tom mit einem Tritt erledigen. Sie bewegte ihren Kopf hin und her und suchte zwischen den Bäumen nach ihm. „Sie versucht, mich zu wittern“, dachte Tom.

Er zwang sich stillzustehen. Es kostete ihn Mühe, ruhig zu atmen. Sein Bein begann vor Anspannung zu zucken und er legte die Hand darauf, um es zu beruhigen. Schon diese kleine Bewegung hob die Unsichtbarkeit für einen kurzen Moment auf. Doch zum Glück entdeckte Toxodera ihn nicht.

Das Biest setzte sich in Bewegung und stapfte über Büsche und Gestrüpp. Es war jetzt ganz nah und Tom konnte die kleinen Widerhaken an seinen Klauen sehen. Die Haut war leuchtend grün, doch die eine Klaue schimmerte besonders grellgrün.

„Da steckt das Gift“, dachte Tom. Die grüne Farbe stammte von Velmals Zauber und war das Zeichen seines Banns über das Biest.

Toxodera trat auf eine kleine Lichtung direkt vor Tom. „Beweg dich nicht“, ermahnte er sich selbst. „Zeig dich nicht.“ Er wartete geduldig und beobachtete das riesige Biest. Toxodera blickte über ihre Schulter. Tom musste schnell handeln. Es wurde Zeit, seine Unsichtbarkeit aufzugeben.

Er zog sein Schwert aus der Scheide und das Geräusch zischte durch die Bäume.

Toxoderas Kopf wirbelte herum und senkte sich. Tom hob sein Schwert und schlug mit dem Griff seitlich gegen ihren Kopf. Toxodera fiel zu Boden, ihre Beine zuckten und zitterten. Tom wich ihren strampelnden Stachelbeinen aus. Langsam ließen die Tritte nach und das Rieseninsekt schloss die Augen. Zögerlich trat Tom einen Schritt näher und sah dem Biest ins Gesicht. „Habe ich es bewusstlos geschlagen?“, überlegte er. „Oder Schlimmeres?“

Da schoss ein Bein vor und die Stacheln mit den Widerhaken bohrten sich in Toms Wade. Er schrie auf und zog sein Bein zurück. Die Stacheln zerfetzten sein Fleisch. Das hinterhältige Biest war überhaupt nicht verletzt, es hatte nur so getan! Toxodera sprang wieder auf. Sie hob den Kopf und stieß ein markerschütterndes Brüllen aus. Im selben Augenblick ertönte unter den Bäumen noch ein anderes Geräusch. Es klang, als würde etwas zerbrechen …

„Oh nein!“, rief Tom. „Die Eier!“

Kracks!

Das Aufbrechen der Eierschalen erfüllte den Dschungel mit lautem Knistern. Kurz danach gesellte sich ein weiteres Geräusch dazu – leises, schnelles Flügelschlagen.

Tom sah entsetzt und wie versteinert zu, als aus den lilafarbenen Eiern Hunderte kleiner Insekten schlüpften und sich in die Luft erhoben. Wie eine dunkle Wolke schwebten die Insekten zwischen den Bäumen.

Hinter sich hörte er Toxodera vor Zufriedenheit zirpen. Dann schoss die Wolke vor und umkreiste Tom, bevor er flüchten konnte.

Er spürte den ersten Stich, als das Bein eines kleinen Insekts seine Haut berührte. Tom warf die Hände schützend über den Kopf und duckte sich auf den Boden. Das Geräusch der Flügel dröhnte in seinen Ohren und die Stacheln pieksten schmerzhaft in seine Haut.

„Weg mit euch!“, schrie Tom und schlug um sich. Er sah Toxodera, die durch den Schwarm auf ihn zukam. Mit einem kraftvollen Tritt schleuderte sie Tom zu dem Busch, hinter dem sich Elenna versteckt hielt. Als er auf den Boden krachte, wich alle Luft aus seinem Körper. Einen kurzen Moment lang konnte er nicht atmen oder rufen. Er hörte Toxodera erfreut aufschreien und das Summen der Insektenwolke.

Aus ihrem Versteck heraus beobachtete Elenna ihn hilflos, er konnte ihre besorgten Augen sehen.

„Mein Plan hat nicht funktioniert“, gestand Tom sich ein und holte mühsam Luft. Aber er würde nicht aufgeben. Wackelig stand er auf und wandte sich der Wolke Minibiester zu. „Ich werde einen Weg finden!“