DREI JAHRE UND ACHT MONATE ZUVOR

JASPER, 17 JAHRE ALT

Die Dämmerung hat bereits eingesetzt, als ich mit meinen Teamkollegen den Platz verlasse.

»Du hast sie niedergemetzelt«, johlt Oliver.

»Nein, wir haben sie niedergemetzelt«, erwidere ich.

»Jeder weiß, dass du die Spiele für uns gewinnst. Ohne dich wären wir nur mittelmäßig.«

»Jeder Spieler ist nur so gut, wie das Team hinter ihm. Allein gewinnt man keine Spiele«, widerspreche ich Conrad. Ich kann es nicht ausstehen, wenn man mich auf einen Thron setzt, der uns allen gebührt. So funktioniert Cricket nicht, es ist ein Mannschaftssport. Und doch bin ich der Einzige aus dem Team, der es zu den Profis schaffen könnte.

»Anderson, dein Vater will dich sprechen«, brüllt der Coach unserer Gruppe entgegen.

Ich entdecke ihn neben der Eingangstür der Sporthalle. Elijah Anderson verzieht wie immer keine Miene, als sich unsere Blicke treffen. Wie ein Fels steht er im schwarzen Anzug in der Abenddämmerung. Dieses Schauspiel verleiht ihm etwas Bedrohliches. Und genau das ist die Wirkung, die er erzielen will. Es funktioniert.

Ganz automatisch lässt meine Körperspannung nach und verwandelt mich in ein zusammengesunkenes Häufchen Elend, das den Kopf einzieht. Der Kerl, der auf dem Spielfeld seine Gegner niederringt, ist nur noch ein Schatten. Jeder hat einen Endgegner, der sich nicht bezwingen lässt. Meiner steht in wenigen Sekunden vor mir, weil ich es niemals schaffen werde, ihn zu besiegen oder vor ihm davonzulaufen.

Wenn mein Vater sich die Mühe macht, persönlich hier aufzutauchen, dann bleibt mir nur eine Möglichkeit: in Deckung gehen und abwarten, bis der Sturm vorüber ist. In den vergangenen Jahren gab es keine Begegnung zwischen uns, die freudige Emotionen hervorrief. In der Regel bleibt nichts als Wut und Enttäuschung übrig, sobald sich unsere Wege wieder trennen. Und Erleichterung. Sehr viel Erleichterung. Ich kann in seiner Nähe nicht atmen. Weil er jeden erstickt, der sich seinem Willen nicht beugt.

»Dad«, sage ich nahezu tonlos.

»Was soll der Unfug, Jasper?«, erwidert er streng und zieht ein Stück Papier aus der Innentasche seines Jacketts.

Deswegen ist er also hier. Vor wenigen Wochen hat mich ein Club ins Visier genommen und inzwischen meine Eltern darüber informiert.

»Es ist kein Unfug! Es ist, was ich will.«

»Du erwartest hoffentlich nicht, dass ich diesem Hirngespinst zustimme? Denn das werde ich nicht. Du wirst an das Waterbury College gehen.« Um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, zerreißt er das Dokument vor meinen Augen und lässt es zu Boden fallen. Ich kann nicht verhindern, dass ich bei dem Anblick zusammenzucke. »Muss ich dich daran erinnern, wer deine Ausbildung bezahlt und zu welchem Zweck.« Das ist keine Frage, sondern vielmehr eine Erinnerung, dass ich ohne ihn nichts bin. Aber ich wäre lieber ein Nichts, das sich mit Aushilfsjobs über Wasser hält, als nach seiner Pfeife zu tanzen.

»Ich werde in ein paar Monaten achtzehn.«

»Und dann? Schwingst du den Schläger für weniger als fünfzigtausend im Jahr? Sei nicht albern«, spottet er. Für Elijah ist das nicht mehr als Taschengeld. Allein die Schule plus Internat kosten ihn jährlich über dreißigtausend.

»Was wäre so schlimm daran?«

»Du bist ein Anderson!«

»Ist das so? In den vergangenen Jahren habe ich davon wenig mitbekommen.«

Seine Miene verfinstert sich, während er die Hände zu Fäusten ballt. Manchmal ertappe ich mich bei dem Gedanken, wie weit ich es treiben muss, bis er zuschlägt. Würde das etwas ändern? Nein. Die Wahrheit ist, er braucht mir keine Ohrfeige zu verpassen, um mir Schmerzen zuzufügen. Der gezielte Einsatz von Worten ist ebenso effektiv wie ein Faustschlag.

»Dein Platz ist der an meiner Seite.«

»Danke, ich verzichte. Wenn du mich jetzt entschuldigst, das Team wartet auf mich«, beende ich die Unterhaltung und gehe auf den bereitstehenden Bus zu.