31.

JASPER

Wenn ich mir zweier Dinge zu hundert Prozent bewusst bin, dann dass das hier keine gute Idee ist und ich es um ihretwillen unterbinden sollte. Stattdessen umklammere ich Abbies Hand wie ein Ertrinkender. Lasse mich von ihr durch die dunklen Straßen von Manhattan führen, in der Hoffnung, am Ende könnte irgendwo ein Licht auf mich warten. Eins, das all das Grau verschwinden lässt, das mich antreibt. Den Hass, der mein Betriebssystem zwar am Laufen hält und doch dafür sorgt, dass ich immer nur einen Klick davon entfernt bin, dass es sich endgültig aufhängt. Das Bedürfnis nach Rache, das sich wie ein Virus durch meine Festplatte frisst.

Abbie mit in mein Chaos zu ziehen, ist nicht fair. Mein Verstand weiß, dass dies der ungünstigste Moment ist, sie in mein Leben zu lassen, ohne ihr eine Hintertür anzubieten. Denn die gibt es nicht. Keine Backdoor, die sie notfalls auf einen sicheren Server umleitet. Wenn ich abstürze, dann fällt sie mit mir.

Wie ich darauf komme? Ich habe es in ihren Augen gesehen. Diese Entschlossenheit, alles auf eine Karte zu setzen. Der alte Jasper schäumt über vor Glück, weil sich dieses nette Mädchen trotz allem für ihn interessiert. Der neue macht sich höchstwahrscheinlich aus dem Staub, bevor es brenzlig wird. Und ich habe keine Ahnung, welcher von beiden sich am Ende durchsetzen wird. Diese Ungewissheit macht mich wahnsinnig.

Dennoch halte ich Abbie nicht auf, als sie auf einen Hauseingang zugeht und im nächsten Augenblick den Code zum Öffnen der Tür eintippt. Keine Sekunde später finde ich mich in einem Flur wieder. Ich sehe mich um. Antike Möbel aus dunklem Holz. Parkettboden im Fischgrätdesign und auf Hochglanz poliert. Eine silberne Vase mit frischen Blumen steht auf einer Kommode. Ein gerahmtes Foto der Westings aus alten Tagen hängt darüber.

Abbie entzieht mir ihre Hand und lenkt damit meine Aufmerksamkeit auf sich, weil ich nicht will, dass sie mich loslässt. Sie schält sich aus dem Sakko. Mein Blick gleitet über sie. Ihr Gesicht ist von der Kälte leicht gerötet. Unsicher lächelt sie mich an. Letzte Chance, um einen Rückzieher zu machen. Die Distanz zwischen uns auf dem Level zu lassen, auf dem es um einiges sicherer ist.

»Hast du Hunger? Es ist noch was vom Mittag da. Ich könnte es uns schnell warm machen«, plappert sie so hastig, dass ich Mühe habe hinterherzukommen. Vermutlich hat sie ihren Entschluss, mich aus der U-Bahn zu zerren, nicht bis zum Schluss durchdacht. Wenn ich ihr eines nicht zutraue, dann, Kerle für ein bisschen Spaß abzuschleppen. Damit wäre sie bei mir allerdings an der richtigen Adresse.

Das, was hier gerade abläuft, ist nicht mein Ding. Andererseits kann ich das gar nicht wissen, weil ich es noch nie ausprobiert habe. Dafür war ich in den vergangenen Jahren zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Für mehr hatte ich keinen Platz. Alles, was meine Gefühlswelt durcheinanderbringen könnte, hätte gleichzeitig bedeutet, einen Teil der mühsam zurückerlangten Kontrolle abzugeben. Aber ich habe aufgehört zu ignorieren, dass Abbie meine Gedanken immer wieder in eine andere Richtung wandern lässt. Eine, die mir ein Bild von ihr und mir ins Hirn projiziert. Damit meine ich nicht, dass sie nackt auf mir sitzt. Okay, das auch. Aber nicht ausschließlich. Es ist eher eine Vorstellung, die ich dank Cam und Aspen permanent vor Augen habe. Vermehrt erwische ich mich dabei, dass ich neidisch auf das bin, was die beiden haben. Wobei neidisch der falsche Ausdruck ist. Es ist eine Art unterschwellige Sehnsucht nach Vertrautheit.

»Essen klingt super«, sage ich und lasse damit die Option zur Flucht verstreichen. Ich mache einen Schritt auf Abbie zu, die erleichtert aussieht, als hätte sie eine andere Reaktion erwartet. Dabei sollte ihr längst klar sein, dass ich ihr mit jedem Atemzug mehr verfalle.

»Gut, dann hier entlang.«

Die High Heels an ihren Füßen erzeugen hallende Laute auf dem Parkettboden, als sie durch den Flur in die Küche geht. Mit etwas Abstand folge ich ihr und schaue mich um. Ich bleibe an einer Pinnwand stehen, an der unzählige Postkarten hängen. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Abbie nach links abbiegt. Ich entferne eine der Pinnnadeln und drehe die Karte um. Sie ist von ihrem Dad, der liebe Grüße aus seiner Heimat schickt und sich freut, sie bald wieder in die Arme schließen zu können. Laut Poststempel hat er sie vor zehn Jahren abgeschickt.

»Warst du schon mal auf den Philippinen?«, ertönt Abbies Stimme hinter mir. Sofort befestige ich die Karte wieder an der Stelle, wo ich sie weggenommen habe.

»Nein. Sorry, ich wollte nicht neugierig sein«, sage ich und könnte mich selbst ohrfeigen, weil es respektlos ist herumzuschnüffeln. Aber Abbie lächelt einfach nur und stellt sich neben mich.

»Mein Dad hat es geliebt, Postkarten von seinen Reisen zu schicken.« Sie tippt auf eine der Karten. »Die hier ist aus Parang, da kommt seine Familie ursprünglich her. In den Sechzigern sind sie in die Staaten gekommen, um sich hier eine Zukunft aufzubauen.«

»Warst du schon mal dort?«, frage ich sie.

»Ja, Mom und ich fliegen jedes Jahr rüber und besuchen meine lola … ähm … meine Grandma zu ihrem Geburtstag. Du kannst dir nicht vorstellen, was da los ist. Das ganze Dorf ist eingeladen. Statt Geschenken bringt jeder etwas zu essen mit. Mein Onkel sorgt für musikalische Unterhaltung. Niemand verhaut so zielsicher die Töne wie Carlos. Trotzdem ist er in Parang so was wie der DJ für alle Veranstaltungen.«

In ihren Worten schwingt so viel Liebe für ihre Familie mit. Wenn ich an meine denke, ist da diese unüberwindbare Kluft, die mir mit jedem Tag größer erscheint. Zu groß, um jemals auf die andere Seite zu gelangen.

Ich sehe zu Abbie, die lächelnd die Pinnwand betrachtet und dennoch traurig wirkt, weil in diesem Augenblick ein ganzer Schwall an Erinnerungen freigesetzt wird. Gerne würde ich sagen, dass ich weiß, wie sie sich fühlt, aber so ist es nicht. Die Erinnerungen an ihren Dad sind herzlich, die an meinen zerstörerisch.

Bevor die Stimmung gänzlich kippt, lege ich eine Hand auf Abbies Rücken. Fühle ihre warme und zarte Haut unter meinen Fingern, weil das Kleid über einen Ausschnitt verfügt, der bis zu ihrer Taille reicht. Der Anblick hat mich vorhin schon aus dem Konzept gebracht, als ich am Buffet hinter ihr stand. Nur mit Mühe habe ich der Versuchung widerstanden, mit den Fingerspitzen ihre Wirbelsäule nachzufahren, um herauszufinden, wie sie auf meine Berührung reagiert. Stattdessen habe ich ihr Dinge zugeflüstert, die der Wahrheit entsprechen, aber absolut unangebracht waren. In meiner Fantasie habe ich die Hand unter den Stoff geschoben. Bin mit den Fingern ihren Oberschenkel hinaufgewandert, bis sie in ihrem Slip verschwanden. Es war die reinste Folter, genau das nicht tun zu können. Aber jetzt kann ich nicht widerstehen.

Sanft streiche ich über ihre Haut. Einmal. Zweimal. Sie zuckt leicht zusammen, dreht ihren Kopf und mustert mein Gesicht. Ihr Blick fixiert meine Lippen. Als Reaktion darauf beschleunigt sich mein Puls. Ich hätte wirklich nichts dagegen einzuwenden, sie an mich zu ziehen, zu küssen und ihren Körper aus dem Kleid zu befreien. Aber mein Verstand hat diesbezüglich noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Eins weiß ich mit Sicherheit: Ich will diese Frau. Aber ich habe keinen Schimmer, wie sich die Sache am Ende gestalten wird. Oberflächlich oder tiefergehend.

»Wie war das mit dem Essen?«, zögere ich es weiter hinaus und schiebe sie in die Richtung, die sie vor wenigen Minuten eingeschlagen hat. Langsam setzt sie einen Fuß vor den anderen. Ich ziehe die Hand zurück, vergrabe beide in meinen Hosentaschen, um nicht doch schwach zu werden.

Wir betreten einen großzügigen Wohn- und Essbereich. Der Stil des Flurs setzt sich auch hier fort. Abbies Mom scheint ein Faible für Antiquitäten zu haben. Ich würde auf Barock tippen, darauf festnageln kann ich mich allerdings nicht. Die Einrichtung trifft nicht unbedingt meinen Geschmack, wirkt aber gemütlich. Die Küche hingegen ist modern und passt somit keinesfalls ins Gesamtbild.

Abbie hängt das Sakko im Vorbeigehen über eine Stuhllehne, dann öffnet sie den Kühlschrank und nimmt eine Dose heraus. Anschließend holt sie zwei Teller aus einem der Hängeschränke.

»Kann ich dir irgendwie behilflich sein?« Unschlüssig stehe ich im Raum und beobachte sie.

»Setz dich einfach hin. Ich mach nur schnell das Pancit warm«, weist sie mich an.

»Das was?«

»Pancit ist das philippinische Nationalgericht. Die Geschichte besagt, dass die Nudeln einem ein langes Leben versprechen. Daher wird es zu Geburtstagen serviert.«

»Also hat heute jemand Geburtstag?«, frage ich. Abbie ist es nicht. Ihrer ist erst im Juni.

»Nein, meine Mom kocht es jeden Samstag, weil es ihr Lieblingsgericht ist.«

»Wenn du mir verrätst, wo ich das Besteck finde, kümmere ich mich darum.«

»Du hast wirklich ein Problem damit, dich bedienen zu lassen«, erwidert sie und lacht leise. »Die oberste Schublade neben dem Herd.« Sie verteilt das Nudelgericht auf die Teller, bevor sie den ersten in die Mikrowelle stellt. »Gläser befinden sich im Schrank darüber.«

Während ich den Tisch decke, erwärmt Abbie das Essen. Die Situation ist surreal. Ich kann mich nicht erinnern, je mit einer Frau mitgegangen zu sein, die mich verköstigt, statt mich in ihr Bett zu zerren. Es überrascht mich, dass mir das gefällt, weil es eine andere Basis von Vertrautheit schafft. Weniger oberflächlich. Und dann spüre ich, worauf das mit Abbie hinausläuft. Auf alles oder nichts. Irgendwas dazwischen, ausgeschlossen.

Eine Mischung aus Angst und Mut macht sich in mir breit. Angst, weil es schiefgehen könnte. Mut, weil ich das Risiko eingehen werde.

Ich setze mich an den Küchentisch. Mein erster Gedanke, als Abbie den Teller vor mir abstellt, ist: Fuck . Mein zweiter: Reiß dich zusammen . Vielleicht hätte ich vorher erwähnen sollen, dass ich weder Fleisch noch Fisch esse, denn ich erspähe Garnelen zwischen den Nudeln.

»Alles okay?«

»Sieht lecker aus.« Das ist nicht gelogen, wenn man die Zutaten mag. Aber wenn einem jemand als Kind Fischinnereien in den Rucksack kippt und das Gesicht mit Schweineblut beschmiert, entwickelt man zwangsläufig ein gestörtes Verhältnis zu Tieren, auch wenn sie absolut nichts dafürkönnen und selbst Opfer des Ganzen sind.

»Warum guckst du dann, als wolle ich dich vergiften?«

»Ich bin kein Freund von Meerestieren«, gebe ich zu.

»Oh!«

»Ich esse einfach drum herum. Kein Problem.« Allein bei dem Gedanken wird mir übel. Die Garnelen auszusortieren, hätte nur einen geringfügigen Effekt auf mein Wohlbefinden. Ich will das nicht essen. Aber ich möchte auch nicht wie ein undankbares Arschloch rüberkommen, nachdem Abbie sich die Mühe gemacht hat, etwas auf den Tisch zu zaubern.

»Oder wir gehen direkt zum Nachtisch über.«

Mir ist klar, dass sie die Worte nicht so meint, wie sie gerade bei mir ankommen, dennoch sorgen sie dafür, dass mir ein Schauer über den Rücken läuft und ein ganz bestimmter Körperteil schlagartig seine Chance wittert.

Bevor ich darauf antworten kann, steht Abbie von ihrem Stuhl auf, nimmt die Teller und räumt sie wieder ab. Großartig, jetzt verzichtet sie meinetwegen auf das Essen. Abbie öffnet den Kühlschrank, bückt sich und verschwindet damit aus meinem Sichtfeld, weil die Kücheninsel im Weg ist. Als sie sich wieder aufrichtet, hält sie einen Becher in der Hand. Auch auf die Entfernung erkenne ich die Eispackung. Ganz automatisch schleicht sich ein Grinsen in mein Gesicht. Im nächsten Moment zieht sie die Besteckschublade auf und nimmt zwei Löffel heraus. Sie sieht zur Mikrowelle.

»Mitkommen«, sagt sie fordernd, lächelt aber.

»Wohin?«, frage ich irritiert.

»Nach oben. Meine Mom kommt jeden Augenblick zur Tür herein. Sie hält nie länger als bis eins durch.«

Kurz sehe ich auf die Uhr, dann stehe ich auf, schnappe mir mein Jackett und bedeute Abbie mit einer Kopfbewegung, dass sie vorangehen soll. Die sicherere Variante wäre, den Abend genau an diesem Punkt zu beenden. Dass ich es nicht tue, würde ich gerne darauf schieben, scharf auf die Eiscreme zu sein. Allerdings entspricht das nicht der Wahrheit. Fakt ist, ich mag Abbies Gesellschaft. Weil ich nicht das Gefühl habe, ihr etwas beweisen zu müssen. Ein weiterer Fakt ist, ich will sie nach wie vor aus dem Kleid schälen. Ich bin so richtig am Arsch, würde Cam sagen. Ausnahmsweise würde ich nicht widersprechen, denn genau so ist es. Die Frau hat mich am Haken und ich bin mir sicher, sie ahnt es nicht einmal.

Ich folge ihr die Treppe nach oben und schließlich in ihr Zimmer. Flüchtig sehe ich mich um. Es ist ordentlich. Nicht so akribisch aufgeräumt, wie ich es von mir selbst gewohnt bin, aber bei Weitem nicht so chaotisch wie bei Cam, der seine Kleidung überall herumliegen lässt. Abbie mag Grün, denn egal, wo ich hinsehe, findet sich diese Farbe. Vorhänge. Die Wand hinter dem Bett. Der runde Teppich vor dem Kleiderschrank. Die Möbel hingegen sind weiß und schlicht. Auf dem Nachtschrank steht dasselbe Foto wie in Waterbury.

Ich sehe zum Schreibtischstuhl, werfe das Sakko darauf und blicke Abbie unschlüssig an. »Und jetzt?« Grundsätzlich wüsste ich genau, wie der weitere Ablauf aussieht. Ich würde die Lücke zwischen uns schließen, mit beiden Händen ihr Gesicht umfassen. Sie küssen, bis sie mehr einfordert. Meine Finger würden ihre Haut erkunden und das Kleid von ihrem Körper streifen. Ich würde sie bis zur Wand zurückdrängen, während ich den Knopf meiner Hose öffne. Als Nächstes würde ich ihr unter den Po fassen, sie auf meinen Hüften platzieren und –

Sofort ziehe ich den Stecker für das Kopfkino und atme einmal tief durch. Wenn es um Abbie geht, hangle ich mich von einer Situation zur nächsten, statt ein paar Etappen zu überspringen.

Sie stellt die Eispackung auf dem Nachtschrank ab, bevor sie aus den High Heels schlüpft und sich anschließend auf das Bett setzt. Mit dem Rücken lehnt sie sich an das Kopfteil und streckt die Beine auf der Matratze aus. Dann klopft sie auf die andere Betthälfte.

»Essen wir Eis.« In ihrem Blick liegt ein Funkeln, das ich ganz klar als Vorfreude einordnen würde. Sie greift sich den Becher und nimmt den Deckel ab. Genau wie ich in den Hamptons hält sie mir einen Löffel entgegen. Eine Sekunde zögere ich, dann nehme ich ihn ihr ab und gehe um das Bett herum. Ich kicke mir die Schuhe von den Füßen und setze mich. Rutsche so weit zurück, bis ich auf Widerstand stoße.

Wortlos hält sie mir den Becher entgegen, während der Löffel in ihren Mund wandert. Ein Seufzen entfährt ihr, was diesmal kein Lächeln bei mir auslöst, sondern ohne Vorwarnung zwei Etagen tiefer einschlägt. »Verrat es nicht meiner Mom, aber das hier ist tausendmal besser als Pancit.«

In meinen Ohren klingt dieser genüssliche Laut wie ein leises Stöhnen. Und gerade bin ich neidisch auf die Eiscreme, weil ich dafür verantwortlich sein möchte, dass sie solche Geräusche von sich gibt.

»Ich schweige wie ein Grab«, erwidere ich und tauche den Löffel ebenfalls in den Becher.

»Halt mal.« Sie hat es kaum ausgesprochen, da drückt sie mir die Packung in die Hand. Etwas umständlich verändert sie ihre Position und krabbelt auf allen vieren ans Fußende. Der Anblick, den sie mir damit auf ihren Hintern bietet, ist Folter, weil mein Kopfkino schlagartig ein paar weitere nicht jugendfreie Bilder abspielt. Und es wird nicht besser, als sie sich flach auf den Bauch legt und nach der Fernbedienung hangelt, die auf dem Sideboard liegt.

»Was wird das?«, frage ich.

»Irgendwo läuft sicher eine Reportage, die dir ein Lächeln ins Gesicht zaubert«, antwortet sie angestrengt, während sie wie ein Fisch auf dem Trockenen zappelt. Ich kann mir bei ihrem Anblick ein leises Lachen nicht verkneifen, allerdings verstumme ich schlagartig, als ihr Kleid verdächtig nach oben rutscht und ich unfreiwillig einen Blick auf weiße Spitze erhasche.

Fuck! Hat sie überhaupt eine Ahnung, dass sie mich gerade quält? Nein, Abbie versucht nicht mich scharfzumachen. Das passt nicht zu ihr. Leider bezweckt diese Unschuld, dass meine Selbstbeherrschung massive Risse bekommt.

Um das Ganze zu beenden, stehe ich vom Bett auf, gehe zum Sideboard und greife nach der Fernbedienung. »Hast du es darauf abgesehen?« Grinsend stelle ich mich vor sie.

Womit ich nicht gerechnet habe, ist, dass sie sich auf das Bett kniet, langsam den Blick hebt und mich ansieht, als hätte sie es auf mich abgesehen. Das Verlangen, das in ihren Augen lodert, schlägt ohne Verzögerung auf mich über. Eine gewaltige Abrissbirne rammt meine Selbstbeherrschung und legt sie in Trümmer. Sind wir ehrlich, dieses Knistern liegt seit unserer ersten Begegnung penetrant in der Luft. Wir haben es laienhaft eingedämmt. Bis jetzt. Denn gerade bäumt es sich zu einem unbändigen Gewitter auf. Wir sehen einander an. Warten darauf, dass einer von uns den ersten Schritt macht. Am Ende übertreten wir beide die Grenze.

Sie streckt die Hand nach mir aus, ergreift den Bund meiner Hose und zieht mich zu sich heran – wofür sie nicht viel Kraft aufwenden muss, weil ich bereits im Begriff war, die Lücke zwischen uns zu schließen. Mit den Fingerspitzen fahre ich die Kontur ihres Kiefers entlang, bevor ich sie in ihren Nacken schiebe. Sie lässt den Kopf nach hinten sinken. Als sie sich sehnsüchtig über die Lippen leckt, verfalle ich ihr endgültig. Fuck! Noch nie habe ich eine Frau so sehr gewollt wie die, die vor mir kniet. Abbie. Alles von ihr. Jeden verfluchten Zentimeter.

Ich beuge mich herab, bis mein Gesicht vor ihrem schwebt. »Wenn ich dich jetzt küsse, gibt es kein Zurück mehr. Weil ich dich schon den ganzen Abend aus diesem Kleid schälen will, um mit der Zunge die Innenseite deiner Schenkel zu erkunden. Ich will wissen, wie du schmeckst. Dich unter meinen Fingern anfühlst. Aber am meisten will ich, dass du meinetwegen stöhnst und nicht wegen einer Packung Eiscreme.«

Ein leises Keuchen entfährt ihr, als ich federleicht mit den Lippen über ihre streiche.

»Letzte Chance, um zu kneifen.«

»Okay«, haucht sie und verwirrt mich damit.

»Okay was?« Ich rücke ein winziges Stück von ihr ab, um sie anzusehen.

Abbie krallt die Hände in mein Hemd und zieht mich wieder zu sich heran, dann liegen ihre Lippen auf meinen. Nicht so sanft, wie ich erwartet habe, aber ich werde mich nicht beschweren, wenn sie den Teil der zaghaften Annäherung überspringt. Das hier ist nicht unser erster Kuss und irgendwie ist er es doch. Weil sich seitdem ein paar Dinge verändert haben. Mit ihrer unbeschwerten Art hat sie den alten Jasper hervorgeholt, von dem ich dachte, er käme nie wieder ans Licht. Noch bin ich mir nicht sicher, ob ich die Wandlung mag, aber in diesem Moment bin ich froh, dass er die Oberhand hat. Das zwischen Abbie und mir wird kein weiterer oberflächlicher Fick. Das hier fühlt sich nach so viel mehr an.

Als Abbie den Kuss vertieft und mit ihrer Zunge nach meiner tastet, lege ich die Hände unter ihren Po und hebe sie vom Bett. Ihre Arme legt sie um meinen Hals, ihre Finger vergräbt sie in meinen Haaren, gleichzeitig schlingt sie die Beine um meine Taille. Langsam sinke ich auf die Knie, ohne unseren Kuss zu unterbrechen, und setze sie auf der Bettkante ab. Ich greife nach Abbies nackten Oberschenkeln, löse ihre Umklammerung und lasse anschließend meine Finger abwärts zu ihren Waden und dann wieder hinauf wandern. Abbie stöhnt in meinen Mund, als sich meine Hände unter den Stoff des Kleides schieben. Sanft beißt sie mir in die Unterlippe, während ich die weiche Spitze ihres Slips nachfahre. Ihr Körper drängt sich mir entgegen, verlangt nach mehr.

Ich beende den Kuss, lasse mich auf die Fersen sinken und sauge ihren Anblick in mich auf, denn jetzt bin ich es, der zu ihr aufsieht. Mit verhangenem Blick schaut sie zu mir herab. Mir gefällt der Gedanke, dass ich für ihre geschwollenen, feuchten Lippen, die geröteten Wangen und diesen verträumten Ausdruck in ihren Augen verantwortlich bin. Meine Hände umfassen ihre Knie, üben gerade so viel Druck aus, dass sie versteht, was ich vorhabe, und von selbst die Beine weiter spreizt.

Für einen Moment halte ich inne, suche ich in ihrem Blick nach etwas, das mich zurückhält. Ich finde nichts dergleichen. Was ich aber erkenne, ist Verlangen, Anspannung und Neugier. Und plötzlich bildet sich in meinem Kopf die Frage, ob sie auf diese Weise bereits jemand berührt hat.

»Wurdest du hier schon einmal geküsst?« Federleicht platziere ich meine Lippen auf ihrem rechten Knie, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen.

Sie schüttelt leicht den Kopf. Dachte ich mir.

»Und hier?« Mit der Zungenspitze fahre ich wenige Zentimeter über die Innenseite ihres Schenkels.

Ein leises Stöhnen entfährt ihr, während sie erneut verneint. Ich gebe zu, es macht mich an, dass ich gerade auf jungfräuliches Terrain stoße. Mit einem Schmunzeln schiebe ich das Kleid höher, bis es weiße Spitze entblößt.

»Wenn du jetzt sagst, dass das hier dein erstes Mal wird, bringst du mich um.« Ich bin definitiv der Falsche, um ihr die Unschuld zu rauben, und doch reizt mich die Vorstellung.

Als ich keine Antwort bekomme, hebe ich mahnend eine Augenbraue und rücke etwas von ihr ab.

»Hängt davon ab, worauf genau sich deine Frage bezieht.« Auf ihren Lippen liegt plötzlich ein freches Grinsen, während ihre Augen herausfordernd funkeln und eindeutig sagen: Find es selbst heraus!

Okay, damit ist die Jungfrau-Theorie vom Tisch. Stattdessen öffnet sie die Schenkel noch etwas weiter für mich. Mein Blick heftet sich auf den feuchten Fleck zwischen ihren Beinen, der einer Einladung gleichkommt. Eine, die ich mit dem größten Vergnügen annehme.

Erneut platziere ich die Lippen auf ihrem Knie. Diesmal auf dem linken. Ich küsse mich ihren Oberschenkel hinauf. Langsam. Behutsam. Lasse das eigentliche Ziel aus. Ignoriere sowohl ihren köstlichen Duft als auch den protestierenden Laut, den Abbie von sich gibt, als ich die Seite wechsle und die süße Folter von vorn beginne, um den Moment, in dem ich sie auf meiner Zunge kommen lasse, noch etwas hinauszuzögern. Ich genieße das hier gerade zu sehr, um es jetzt schon zu Ende zu bringen. Immer wieder lecke, küsse und sauge ich an ihrer Haut, die unter meinen Lippen zu glühen scheint.

Als Abbie wiederholt frustriert aufstöhnt und ich Gefahr laufe, dass sie mein Gesicht packt, um es auf ihre Mitte zu pressen, kürze ich die Sache ab. Mit beiden Händen umfasse ich ihre Kniekehlen und ziehe sie mit einem Ruck näher zu mir heran, bis ihr Po über der Bettkante schwebt. Abbie sackt nach hinten, als ich mit der Zungenspitze die feuchte Spitze ihres Höschens erkunde. Ich kann ihre Hitze auf der Zunge spüren. Sie wimmert leise und hebt ihr Becken an. Drängt ihre Scham gegen mein Gesicht. Stöhnt, als ich mehr Druck auf die Stelle ausübe, die unter meiner Berührung anschwillt und zu pulsieren scheint.

»Jasper«, haucht sie immer wieder.

O ja, das hier ist ganz nach meinem Geschmack. Ich stehe darauf, dass Abbie die Kontrolle verliert und sie mir überlässt. Verdammt, das ist der einzige Kick, den ich wirklich brauche. Das ist besser als jeder Hack.

Um das störende Stück Stoff loszuwerden, dass sich zwischen ihr und mir befindet, hake ich die Finger in den Bund. Mein Blick heftet sich auf die Stelle, die feucht glänzt und nur darauf wartet, dass ich ihr Lust, aber vor allem Befriedigung verschaffe. Und nicht weniger als das habe ich vor. Ich will ihr dabei zusehen, wie sie durch meine Berührungen zum Höhepunkt kommt.

Gerade als ich das Höschen über ihre Oberschenkel ziehen will, klopft es an der Tür.

»Fuck!«, entfährt es mir leise.

Bevor ich reagieren kann, stößt Abbie mich von sich. Sofort komme ich auf die Füße.

»Schatz, alles okay da drinnen? Ist dir immer noch schlecht?«, ertönt die Stimme ihrer Mom gedämpft aus dem Flur.

Panisch starrt Abbie mich an. Ganz nachvollziehen kann ich es nicht. Sie ist angezogen, ich bin es ebenfalls. Sollte ihre Mom zur Tür hereinkommen, sähe sie nichts Verwerfliches. Wobei ich gerne noch ein paar Minuten mehr zur Verfügung gehabt hätte, um unanständige Dinge mit ihrer Tochter zu tun. Macht mich das zu einem Arschloch? Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

»Ich liege schon im Bett«, erwidert Abbie hektisch und springt auf. In der nächsten Sekunde schiebt sie mich in Richtung Kleiderschrank. Ihr Ernst? Sie öffnet ihn und deutet mit einem Nicken an, was ich befürchtet habe. Ich soll mich verstecken. Wie alt sind wir, fünfzehn? Dennoch mache ich, was sie verlangt, und quetsche mich zwischen die Kleiderbügel. Dann wird es um mich herum dunkel. Ich kann hören, wie Abbie durch den Raum hastet und in der nächsten Sekunde unter die Decke kriecht.

»Ich koche dir einen Tee. Wir haben auch noch irgendwo Magentropfen«, höre ich ihre Mom nun deutlicher. Höchstwahrscheinlich steht sie jetzt im Zimmer.

»Nicht nötig. Ich will einfach schlafen«, versucht Abbie sie abzuwimmeln.

»Dein Gesicht ist ja ganz rot. Hast du Fieber?«

Ein Grinsen schleicht sich auf meine Lippen.

»Mom, mir geht es gut.«

Das hoffe ich doch. Immerhin war ich gerade dabei, an diesem katastrophalen Abend wenigstens für einen Höhepunkt zu sorgen.

»Du hast dir sicher was eingefangen. Soll ich den Arzt anrufen?«

»Nein. Ich bin wirklich müde.«

Als ich mir der Situation bewusst werde, in der ich mich gerade befinde, unterdrücke ich ein Lachen.

Ich hocke mit einem Ständer in der Hose in einem Kleiderschrank. Das ist eindeutig mein ganz persönliches Highlight des Abends.