Wenn Regenwürmer reisen

Wenn wir viele Tausend Jahre in die Vergangenheit zurückblicken, dann sehen wir unter unseren Vorfahren sicher keine Förster. Waldwirtschaft hat damals niemanden interessiert, und dennoch haben Menschen immer schon die Art der Wälder massiv beeinflusst. Allerdings meist indirekt, und zwar über die Tierwelt. Bevor ich mich den kleineren Mitgeschöpfen wie Regenwürmern (ja, Regenwürmer verändern Wälder!) zuwende, möchte ich noch ein wenig bei den Säugetieren verweilen.

Bäume könnten in vielen Fällen auf Vierbeiner prima verzichten. Diese hatten sie über Hunderte von Jahrmillionen nicht auf dem Plan. Schließlich hat diese Tierklasse erst nach dem Aussterben der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren ihren Siegeszug angetreten und große Pflanzenfresser hervorgebracht, die auch Laub und Zweige vertilgen. Seitdem gibt es Wechselwirkungen zwischen ihnen und den Bäumen, was auch für unsere eigene Art gilt. Und weil schon unsere Vorfahren Feuerholz hackten, ist die gemeinsame Geschichte Mensch/Baum ebenfalls uralt. Das ist deshalb von Bedeutung, weil die Wälder der nördlichen Hemisphäre vergleichsweise jung sind, was mit der letzten Eiszeit zusammenhängt, oder vielmehr mit dem Ende der letzten Kaltzeit. Denn Eiszeit bedeutet, dass die Polkappen gefroren sind – ein Zustand, der ja bis heute anhält, sodass wir uns also immer noch mitten in dieser vergletscherten Phase befinden. Schwankungen innerhalb der Eiszeit werden mit Kalt- oder Warmzeit bezeichnet, und die letzte Kaltzeit endete in Europa je nach Landstrich vor rund 10 000 Jahren.

Wo einst die Eismassen kilometerdick über den Boden schrubbten, konnte sich kein höheres Leben halten. Nach dem Abschmelzen blieb Sand und Geröll zurück, welches sich erst wieder mühsam begrünen musste. Selbst in den Gebieten, in die das Eis nicht vorgedrungen war, blieben die Temperaturen so niedrig und damit die Winter so lang, dass an Baumwachstum nicht zu denken war. Lediglich Flechten, Moose und Zwergsträucher ermöglichten Wollmammuts und Rentieren das Überleben.

Das Eis war weg, die Bäume kehrten aus ihren südlichen Refugien zurück. Natürlich nicht die Individuen, die der Eiszeit gewichen waren, sondern Nachkommen der Bäume, deren Samen Vögel nach Süden transportiert und dadurch der Population das Überleben ermöglicht hatten.

Jahr für Jahr, Kilometer für Kilometer rückte der Wald dem weichenden Eis nach Norden nach, doch gleichzeitig erschienen auch Menschen auf der Bildfläche. Sie waren ja schon Zehntausende von Jahren auf dem Kontinent unterwegs, auch während und kurz nach der Eiszeit. Ackerbauern waren sie nicht, stattdessen hatten sie fleißig gejagt, vor allem die großen Pflanzenfresser.

Zwar sind sich die Wissenschaftler noch nicht ganz einig, ob die große Aussterbewelle unter den Säugetieren während dieser kalten Phase wirklich allein durch den Menschen verursacht wurde, doch vieles deutet darauf hin, dass unsere Vorfahren zumindest stark daran beteiligt waren. So verschwand in Europa das mächtige Wollhaarmammut vor 10 000 Jahren, ebenso das Wollnashorn und zahlreiche andere große Pflanzenfresser. Auch in anderen Erdteilen geschah das Gleiche: Das Eis wich, und der Mensch trat auf. In Nordamerika hauchten so neben den Mammuts die letzten Wildpferde und Kamele ihr Leben aus.

Den zurückkehrenden Eichen und Buchen wurde also im wahrsten Sinne des Wortes Schützenhilfe durch unsere Vorfahren geleistet. Die Sämlinge der meisten Baumarten sind ein beliebtes Futter für Pflanzenfresser, was bis heute zur Offenhaltung von Heidelandschaften genutzt wird. Dort würde von Natur aus Wald wachsen; das wird jedoch per Verordnung ausgeschlossen – schließlich soll das romantische Bild einer vorindustriellen Agrarlandschaft erhalten werden. Also treibt man Schafe hinein, die dasselbe machen wie früher Wildpferde oder Auerochsen: Sie fressen die Schösslinge von Buchen und Co. und verhindern damit die Wiederbewaldung.

Möglicherweise wäre das großflächig auf der Nordhalbkugel der Fall gewesen, hätten unsere Vorfahren nicht so viel Appetit auf Fleisch gehabt. Daraus leiten Jäger heute ab, dass große, waldzerstörende Pflanzenfresser sehr wohl zur Natur unserer Breiten gehören. Ohne den Menschen würde es demnach gar keine riesigen, geschlossenen Laubwälder geben, gliche die mitteleuropäische Landschaft mehr einer Savanne. Das ist in meinen Augen jedoch viel zu kurz gesprungen. Gehörten unsere speertragenden Vorfahren nicht zur Natur? Ist die Natur der letzten 100 000 Jahre überhaupt ohne den Menschen vorstellbar? Die Frage ist natürlich deshalb so kniffelig, weil wir bei einer Verneinung auch unsere heutige Präsenz und Beeinflussung der Umwelt als ein natürliches Phänomen betrachten könnten. Ich ziehe die Grenze dort, wo der Mensch aktiv seine Umwelt umgestaltet, also mit Beginn des Ackerbaus. Diese umgestaltete Landschaft ist definitiv keine Natur mehr, genau wie forstwirtschaftlich intensiv genutzte Wälder. Von beidem konnte vor 10 000 Jahren keine Rede sein.

Andere unbeabsichtigte Waldveränderungen fanden wesentlich später ebenfalls durch Tiere statt, deren Populationen Menschen beeinflussten. In diesem Fall geht es aber nicht um die Jagd und die Reduzierung von Populationen, sondern um das genaue Gegenteil. Allerdings sind die Tiere erheblich kleiner und gehören nicht zu unserem Nahrungsspektrum: Es handelt sich um den Regenwurm. Er genießt bei uns ein einwandfreies Image. Regenwürmer verbessern den Boden, indem sie tote organische Substanz, meist Blätter von Bäumen und abgestorbene Pflanzenreste, auffressen. Da sie gleichzeitig immer ein wenig Erde mit in den Mund bekommen, verlässt ihren Darm ein fruchtbares Gemisch aus Regenwurmkot und Mineralien. Dieser krümelige Boden speichert perfekt Wasser und ist zugleich Lebensraum einer Vielzahl von Kleinstorganismen. Seine mit Schleim ausgekleideten Gänge durchlüften den Boden und sorgen dafür, dass selbst Gewittergüsse gut versickern. Für Gärtner darf er sogar als Wappentier gelten, und ein sorgsam gepflegtes Gemüsebeet zeichnet sich durch eine Vielzahl dieser tierischen Helfer aus.

Das sieht in Nordamerika allerdings ganz anders aus. Dort ramponiert der Regenwurm große Waldgebiete und sorgt sogar dafür, dass viele Pflanzen- und Tierarten gefährdet werden. Wie kann das sein?

Gerade die nördlichen Wälder sind nach der letzten Eiszeit nicht mehr von Regenwürmern besiedelt worden. Ihr Ökosystem hat sich ganz auf die Abwesenheit dieser Bodentiere eingerichtet. Kennzeichnend ist eine watteweiche Schicht aus halb verrottetem Laub, in dem angepasste Bakterien, Pilze und Milben vor sich hin wuseln. Diese dicke Schicht fressen die europäischen Invasoren ratzekahl auf und entziehen damit nicht nur den kleinen Bodentieren die Grundlage. In der Folge verschwinden nämlich auch Pflanzen, die auf diesen »Waldkompost« angewiesen sind. Zudem verspeisen die Regenwürmer nicht nur tote Substanz, sondern auch Samen und Sämlinge. Wie sich die Wälder langfristig verändern werden, ist noch nicht ganz klar, da diese Invasion ja gerade erst vonstattengeht. Dass sich die Wälder ändern werden, steht allerdings bei einer solch massiven Veränderung des Bodenlebens fest.

Und wie reist so ein Regenwurm? Ganz einfach: In der Erde von Pflanzenwurzeln, die Siedler schon vor Jahrhunderten mit in die neue Heimat brachten. Dabei müssen es nicht einmal die Würmer selbst sein, nein, es reichen schon ihre Eier, die überaus widerstandsfähig sind. Heute kommen die Angler hinzu, bei denen europäische Regenwürmer als beliebte Lebendköder gelten. Was nicht gebraucht wird, wird hinterher einfach in die Botanik geschüttet. Im Norden Amerikas haben die so Freigelassenen leichtes Spiel, weil es dort keine heimischen Regenwürmer gibt und im Boden keine Verteilungskämpfe stattfinden. Das Problem existiert mittlerweile allerdings auf allen Kontinenten. Denken Sie etwa an günstige Zimmerpflanzen aus dem Supermarkt – in deren Töpfen können Regenwürmer sehr bequem beispielsweise von China nach Europa reisen. Wenn am Ankunftsort bereits ein Ökosystem mit Regenwürmern besetzt ist, haben es die Zugereisten aber offenbar schwerer, Fuß zu fassen oder gar massive Änderungen herbeizuführen. Je gestörter allerdings die Landschaft, je mehr zum Beispiel Wälder gerodet und in landwirtschaftliche Fläche überführt wurden, desto einfacher können sich die Invasoren breitmachen.47

Noch eine Nummer kleiner als der Regenwurm sind Pilzsporen. Grundsätzlich gilt: Je kleiner, desto leichter werden fremde Arten eingeschleppt – ein Prozess, der existiert, seit Menschen reisen. Winzigste Partikel heften sich wortwörtlich an die Fersen der Weltenbummler und erreichen so Gebiete, die sie sonst niemals besiedelt hätten. Da wäre beispielsweise ein Pilz, der ursprünglich in Korea beheimatet war. Ob in Exportgut oder an den Schuhen von Trekkingtouristen, die Sporen dieser Art schafften es bis nach Neuseeland und dort auf die Nordinsel.

Hier stehen im Waipoua Forest beeindruckende Koniferen. Es sind Kauribäume, uralt und mächtig. Der dickste unter ihnen, Tane Mahuta genannt, hat einen Durchmesser von knapp 4,5 Metern. Sein Alter ist entsprechend hoch: Mindestens 2 000 Jahre steht er nun schon dort, doch wie lange noch, ist ungewiss. Denn der koreanische Pilzimport schickt sich an, den neuseeländischen Riesen das Lebenslicht auszublasen. Er zerstört die Wurzeln und damit den ganzen Baum, eine Hilfe durch »Baumdoktoren« ist leider nicht möglich.

Dabei hatte erst alles so gut ausgesehen. Nachdem die weißen Siedler nur wenige Kauriwälder übrig gelassen hatten, wurden diese im 20. Jahrhundert unter Schutz gestellt. Die Europäer hatten es einst nicht nur auf das Holz, sondern auch auf das wertvolle Harz abgesehen. Früher nutzten die Ureinwohner Neuseelands, die Maoris, dazu die Wurzeln abgestorbener Exemplare, in denen genug Harzklumpen enthalten waren. Sie machten Kaugummi daraus oder Farbe zum Tätowieren. Den Siedlern reichte das für ihre Geschäfte allerdings nicht; um Lack und Kleber für den Schiffbau herzustellen, ritzten sie die Bäume und schwächten sie dadurch.

Vor der Erfindung synthetischer Farbstoffe oder des Terpentins aus Erdöl galt Harz als Rohstoff der ersten Wahl – entsprechend begehrt war dieses Naturprodukt. Hinzu kam die boomende Schiffs- und Sägewerksindustrie, sodass ein Gigant nach dem anderen zu Fall gebracht wurde. Immerhin stehen die letzten Kauriwälder nun unter Schutz, zumindest was das aktive Handeln von uns Menschen angeht. Aber da wären ja noch die zugereisten Pilze mit dem sperrigen lateinischen Namen Phytophthora taxon agathis oder umgangssprachlich Kauri dieback. Sie wurden erstmals 2008 als Übeltäter entlarvt, der die Bäume befällt und zum Verwelken bringt. Besonders auffällig: Die Infektion der Bäume breitet sich entlang der Wanderwege aus. Diese Wege führen vielfach direkt über die Baumwurzeln, und als ob das nicht schon genug wäre, versuchen die Gemeinden, den Tourismus durch die Anlage weiterer Wege und Mountainbike-Parcours anzukurbeln. Da wirkt das Bemühen der Ranger, die Wanderer zum Reinigen ihrer Schuhe anzuhalten, fast schon naiv. Die Gäste gehen an den Waschstationen oft achtlos vorbei, und selbst die, die sie nutzen, mindern das Problem kaum. Pilzsporen messen zwischen 0,003 und 0,2 Millimeter, haben also Staubkorngröße. Wie sollen Touristen, die es wahrscheinlich kaum abwarten können, endlich loszuwandern, ihre Schuhe so gründlich reinigen, dass sie wirklich nichts unter die wertvollen Bäume verschleppen? Die einzige wirksame Maßnahme wäre die Sperrung der letzten Kauriwälder für Besucher, doch das lehnen Stadtverwaltungen wie die von Auckland ab – sie befürchten einen Einbruch der Einnahmen.

Mittlerweile gibt es rund um den Globus ähnliche Berichte; nur die Pilzart und die Bäume wechseln. So geht es in unseren Gefilden aktuell der Esche an den Kragen. Der Übeltäter hat sogar schon einen deutschen Namen: Falsches Weißes Stängelbecherchen. Die Sporen wurden mit dem globalen Warenhandel aus Ostasien importiert und befallen seit der Jahrtausendwende die Gemeine Esche. Über die Blätter wandert der Pilz in die Triebe und später ins Holz. Das befallene Gewebe stirbt ab, sodass zunächst dünnere Zweige und später ganze Kronenpartien verdorren.

Viele Förster beginnen nun hektisch, die befallenen Exemplare zu fällen. Das dient allerdings nicht der Bekämpfung, denn die ist schlichtweg unmöglich: Die Pilze bilden ihre Fruchtkörper auf den Rippen abgeworfener Blätter des letzten Jahres. Dort streuen die kleinen Becher ihre Sporen in die Umgebung in der Hoffnung, auf frischen, grünen Eschenblättern zu landen.

Die Baumfällungen sind der verzweifelte Versuch, wenigstens das Holz in verwertbarer Qualität zu retten. Manche Kollegen lassen sogar völlig gesunde Stämme ernten, weil sie ganzen Eschenbeständen keinerlei Chancen mehr einräumen. Damit beschleunigen sie allerdings den Niedergang der Baumart. In jedem Bestand wird ein geringer Prozentsatz gesunder oder nur schwach befallener Eschen beobachtet. Lässt man wenigstens diese robusteren Bäume stehen, dann können sie sich vermehren und ihre Nachkommen wieder gesunde Wälder hervorbringen. Doch die Sorge um die Einnahmen, verbunden mit den Angriffen des aggressiven Neuankömmlings, lassen die Eschen mehr und mehr verschwinden.

Der Doppelklang Geld/Pilz tönt damit ähnlich wie auf Neuseeland, der Charakter der Wälder ändert sich. Denn es betrifft ja nicht nur die jeweiligen Bäume, sondern ganze Lebensgemeinschaften, die ihre Grundlage verlieren. So verschwindet etwa das Weiße Stängelbecherchen, das dem Falschen Weißen Stängelbecherchen bis aufs Haar gleicht und nur über die Sporen zu unterscheiden ist. Auch der Kleine Bunte Eschenbastkäfer steht auf der Verliererseite, obwohl er das noch nicht gemerkt hat. Er befällt wie alle Borkenkäfer nur geschwächte Exemplare, und die findet er jetzt in Hülle und Fülle. Doch wenn die meisten Eschenbestände dereinst verschwunden sein werden, dann ist auch sein Schicksal besiegelt.

Mich beschleicht angesichts solcher Berichte ebenfalls ein schlechtes Gewissen. Wenn ich ferne Wälder bereise – selbst wenn es dazu dient, Umweltschützer vor Ort zu unterstützen –, bin ich dann nicht auch ein Reisevehikel für Kleinstorganismen? Immerhin benutze ich überall dieselben Wanderschuhe, und klinisch sauber sind sie nach der Rückkehr in mein heimatliches Revier definitiv nicht. Hinzu kommt, dass es ja nicht nur um Pilze geht. Sie stehen nur stellvertretend für unzählige Kleinstorganismen, die für unser Auge zwar nicht sichtbar, aber dennoch ausschlaggebend für das Funktionieren großer Ökosysteme sind.

Wie wenig wir darüber wissen, zeigt der New Yorker Central Park. Hier entnahm ein Team um Dr. Kelly Ramirez von der Colorado State University alle 50 Meter Bodenproben und untersuchte sie auf Bakterien und ähnlich kleine Wesen. Da eine Unterscheidung unter dem Mikroskop kaum möglich gewesen wäre, erfolgte eine genetische Analyse. Zu ihrer Überraschung fanden die Forscher allein 122 081 Bakterienarten, die meisten davon unbekannt.48

Gut, es sind »nur« Bakterien. Doch die Bedeutung von Arten im Ökosystem nimmt mit abnehmender Größe zu. Kleinstwesen im Boden sind die erste Stufe der Nahrungskette, vergleichbar mit dem Plankton der Meere. Wenn davon ein großer Teil noch nicht entdeckt, geschweige denn erforscht wurde, dann können Sie sich vorstellen, wie wenig wir eigentlich über Ökosysteme wissen.

Dummerweise sind diese Bakterien sehr klein und haften sogar noch besser an Schuhen als Pilzsporen. Durch den Warenhandel und den Fernreisetourismus werden täglich Arten kreuz und quer über den Globus verteilt und mischen dort die Karten des Lebens neu.

Bevor Sie nun ein allzu schlechtes Gewissen bekommen: So etwas macht auch die Natur. Fernreisen? Ja, neben unseren Fluggesellschaften gibt es auch tierische Airlines. Es sind die Zugvögel, die riesige Strecken zurücklegen und sich vor dem Start natürlich nicht die Füße reinigen. Dazu kommt ein anderes Verhalten, welches selbst größeren Organismen weite Reisen ermöglicht: das Staubbaden. Vögel lieben es, mit aufgeplusterten Federn Staub und Humus aufzuwirbeln und ihn dabei zwischen die Federn zu befördern. Das dient dazu, Parasiten loszuwerden, die zusammen mit der Erde wieder herausgeschüttelt werden. Dabei bleiben allerdings nicht nur Pilzsporen und Bakterien, sondern auch Bodentierchen wie Springschwänze hängen. Sie verdanken diesen Namen ihrer Fertigkeit, sich mithilfe ihres Schwanzes hochzukatapultieren. Pro Quadratmeter Waldboden können mehr als 100 000 Exemplare davon herumwuseln. Hinzu kommen Heerscharen weiterer Arten, wie etwa Hornmilben oder Borstenwürmer. Da können sich schon einmal ein paar der Wichte zwischen die Vogelfedern verirren. Sie fliegen auf dem Vogelzug mit und werden am Ankunftsort beim nächsten Staubbad wieder abgeladen.

Manchmal werden auf diese Art und Weise auch Ökosysteme komplettiert, wie ich im eigenen Revier erfahren habe. Dort untersuchten Studenten eine ältere Fichtenplantage. Sie wollten schauen, wie sich die Artenzusammensetzung ändert. Die auf Buchen spezialisierten heimischen Springschwänze mögen Fichten nun mal nicht und sollten daher kaum zu finden sein. Grundsätzlich stimmt das auch, doch unter den Nadelbäumen tauchten Arten auf, die an Koniferen angepasst sind, mithin nicht heimisch sein können – von Natur aus gibt es bei uns nur Lauburwälder. Die einzige Erklärung für das Auftauchen nicht heimischer Springschwänze ist der Lufttransport per Vogel. Und dieser Lufttransport kann sogar Fische mitnehmen.

Ich habe im Rahmen meines Forstwirtschaftsstudiums einmal ein Pumpspeicherkraftwerk im Schwarzwald besichtigt. Dabei handelt es sich um einen künstlichen See, dessen Wasser durch Rohre ins Tal abgelassen werden kann und dabei Turbinen antreibt, die Strom erzeugen. Das wird immer dann gemacht, wenn der Strombedarf im Netz plötzlich stark ansteigt. Ist zu viel Strom in den Netzen, wird mit einem Teil davon das Wasser wieder nach oben gepumpt und so die Energie gespeichert. Ab und zu werden diese Becken geleert und gereinigt. Dabei, so berichtete mir der Leiter, fallen Tonnen von Fischen an. Doch wie sind die dort überhaupt hineingekommen? Ganz einfach: Ihre Eier reisten per Zufall im Gefieder von Enten mit, die irgendwann den See als ihr Revier entdeckten und dabei die blinden Passagiere abluden.

Sie sehen also, dass nicht nur der Mensch fremde Arten einführt. Der Unterschied zu tierischen Mitgeschöpfen ist allerdings, dass wir in Zeiten des globalen Handelns und Reisens die Taktrate so erhöht haben, dass sich die Natur nicht schnell genug darauf einstellen kann. Globaler Handel ist hier das Stichwort. Weil dieser spätestens seit den Amerikafahrten des Christoph Kolumbus im Jahre 1492 sprunghaft anstieg, rechnet man erst seit diesem Jahr zugereiste Arten als gebietsfremd.

Knapp 3 000 Pflanzen-, Tier- und Pilzarten sind laut Bundesamt für Naturschutz (BfN) seitdem hier heimisch geworden.49 Dazu zählen auch absichtliche Importe, wie etwa Kartoffeln, Mais oder Kürbis. Sie spielen in der Natur allerdings keine Rolle, da sie sich ohne unsere ackerbauliche Unterstützung hier nicht halten könnten. Bei rund 800 Arten sieht das allerdings anders aus. Waschbär, Marderhund oder das Sibirische Streifenhörnchen sind nur drei eher harmlose Beispiele aus dem Tierreich. Über an den Schuhen mitreisende Pilzsporen oder ausgekippte Regenwürmer, die Wälder viel massiver verändern, habe ich schon berichtet. Das Ganze wird überlagert durch Tierwanderungen, die zwar natürlichen Ursprungs sind, aber nur stattfinden, weil wir die Landschaft so stark verändert haben. Rote Waldameisen, eigentlich im hohen Norden oder in den Gebirgen beheimatet, fassen in den Ebenen nur Fuß, weil es dort angepflanzte Nadelwälder gibt. Hier ist auch der Fichtenkreuzschnabel anzutreffen, auf Zapfen spezialisiert und sicher kein Freund heimischer Buchenwälder.

Die Ökosysteme in Europa und auch weltweit erfahren aktuell ein wildes Durchmischen mit unbekanntem Ausgang. Irgendeine Form neuer Natur wird sich einpendeln, sobald der globale, ungewollte Reiseverkehr von Tieren und Pflanzen aufhört. Doch was für eine Natur das ist, kann man heute noch nicht vorhersagen.

Lassen Sie mich noch einmal auf die großen Pflanzenfresser zurückkommen. Auch heute noch durchstreifen sie die Wälder, obgleich ihre Körpergröße nicht mehr an die der Mammuts und Wollnashörner heranreicht: Rehe, Hirsche und neuerdings auch ein paar Wisente und Elche. Allein aufgrund ihrer schieren Anzahl ist ihr Einfluss auf den Wald noch ebenso stark wie in grauer Vorzeit. Geschätzte 50 Tiere tummeln sich auf einem Quadratkilometer Wald, sicher deutlich mehr als die Menge, die früher in den Urwäldern unterwegs war. Auf die Gründe für diese »Bevölkerungsexplosion« komme ich noch zu sprechen, doch zunächst möchte ich kurz das Thema Jagd anschneiden.

Der Abschuss der Tiere gilt als Mittel der Wahl, um ihrer Flut Herr zu werden. Und ich gebe zu: Auch ich habe diese Herangehensweise lange befürwortet. Bereits im Studium wurden wir mit den Unheil bringenden Auswirkungen der hohen Schalenwildbestände bekannt gemacht. Sie verdanken ihren Namen den zwei Hornklauen an den Füßen, die in der Jägersprache als Schalen bezeichnet werden. Unter diese Kategorie fallen Wildschweine, Hirsche und Rehe. Vor allem die letzten beiden bereiten vielen Förstern Sorgen, denn sie mögen Bäume. Blätter, Triebe und Rinde verschwinden in ihren Mägen und schädigen dabei nicht nur den einzelnen Baum. Da die Tiere Lieblingsspeisen haben, fressen sie bevorzugt wenige Arten wie Eichen, Buchen oder Ahorn und lassen Koniferen wie Kiefern und Fichten links liegen – zumindest deren spitze Nadeln. Dadurch breiten sich diese bei uns großflächig nicht heimischen Arten stärker aus, obwohl Buchen und Eichen sich hier viel besser durchsetzen könnten. Doch sie werden von Reh und Hirsch ständig zurückgebissen und verlieren irgendwann schließlich das Rennen.

Was liegt also näher, als einfach mit ein paar Kugeln die Waage wieder zugunsten der Laubbäume auspendeln zu lassen? So zumindest habe ich es lange Zeit gesehen und auch vehement befürwortet, obwohl ich mich dabei gleichzeitig sehr unwohl gefühlt habe. Tiere zu erschießen ist schließlich sehr brutal, und trotz aller Beteuerungen werden etliche nur angeschossen und leiden dann für Stunden oder gar Tage schwer verwundet. Mittlerweile habe ich meine Meinung geändert und denke, dass man auf die Jagd komplett verzichten könnte. Und um es ganz klar zu sagen: Das liegt nicht am Wolf! Gewiss, er und andere Beutegreifer wie der Luchs kehren in immer mehr Wälder zurück, haben Hunger auf Wildschweine, Rehe und Hirsche, doch sie allein vermögen die Flut nicht zu reduzieren. Am besten können das Jäger bezeugen, die in Gebieten mit hoher Wolfsdichte jagen. Die tierische Konkurrenz hat entgegen der Befürchtungen keineswegs dazu geführt, dass sich die Beute für bewaffnete Menschen verringerte. So berichtet das »Kontaktbüro Wölfe in Sachsen«, dass seit der Rückkehr der Wölfe keine Schwankungen der Wildbestände auf die grauen Jäger zurückzuführen seien. Zumindest die Abschusszahlen durch Jäger sind laut Statistik dieser öffentlichen Einrichtung nicht zurückgegangen.50 Wölfe können Wildbestände danach weder ausrotten noch ansatzweise regulieren.

Wenn Sie mein Buch »Das geheime Netzwerk der Natur« gelesen haben, dann sind Sie jetzt vielleicht ein wenig irritiert. Habe ich dort nicht das wunderbare Beispiel vom Yellowstone-Nationalpark beschrieben? Dort hatten Wölfe durch ihr bloßes Auftauchen bewirkt, dass sich das ganze Flussökosystem positiv veränderte. Es war in den Jahrzehnten ohne Wölfe durch den Fraß großer Rudel von Wapiti-Hirschen stark beschädigt worden. Als die grauen Jäger zurückkehrten, bekamen es die Hirsche mit der Angst zu tun. Sie mieden fortan die Flussufer, die sich daraufhin wieder begrünten. Mit den Bäumen kehrten auch Biber und Wasservögel zurück, eine Wirkung, die sich durchaus auch hier bei uns ergeben könnte. Könnte. Denn Yellowstone ist ein fast 10 000 Quadratkilometer großes Schutzgebiet, ein intaktes Ökosystem, in dem der Mensch kaum stört. Wälder, Seen, Flüsse und ein paar Flecken mit mageren Präriegräsern, darauf baut sich die ganze Nahrungskette auf. Und die Nahrung ist es, die die Anzahl der von ihr abhängigen Tiere bestimmt. Wälder ohne Forstwirtschaft sind am Boden karg; es wachsen im Sommer nur wenige Gräser und Kräuter. Entsprechend gering ist die Anzahl großer Pflanzenfresser pro Quadratkilometer wie etwa Wapiti-Hirsche, die sich dort halten können.

Bei uns hingegen gleicht die Landschaft einem Flickenteppich, und was wir als Wald bezeichnen, sind in Wahrheit winzige Schnipsel, die in große Agrarlandschaften eingebettet sind. Diese Agrarlandschaften mögen ökologische Wüsten sein, doch sie bieten Hirsch, Reh und Wildschwein Futter in Hülle und Fülle. Getreide, Mais, Raps oder Kartoffeln, all dies mundet auch unseren vierbeinigen Mitbewohnern. So überstehen sie den Sommer bestens, die Zeit, in der sie für die Aufzucht der Jungtiere besonders viel Energie benötigen. Zum Winter hin sinkt der Bedarf, und Reh und Co. verdösen energiesparend die Tage. Dennoch müssen sie hin und wieder einen Happen fressen. Und hier helfen zwei Parteien kräftig weiter: Jäger und Förster. Beide stehen sich eigentlich unversöhnlich gegenüber. Förster möchten so viel wie möglich an jungen Bäumchen durchbringen, ohne dass diese abgefressen werden. Denn wenn der Gipfeltrieb im Rehmagen endet, dann wird aus dem beschädigten Bäumchen zwar noch ein großer Baum, allerdings ohne wertvollen Stamm. Nach dem Wildfraß muss nämlich ein Seitentrieb die Führung übernehmen, der diese Aufgabe jedoch oft nur unzureichend erledigt. Das Resultat ist ein krummer Stamm, der den Baum zwar seine ökologische Aufgabe unbeeinträchtigt erfüllen lässt, im Sägewerk hingegen nur Stirnrunzeln erzeugt: Aus einem krummen Stück Holz kann man schließlich keine geraden Bretter sägen.

Also machen die staatlichen Forstverwaltungen ordentlich Druck auf die Jägerschaft, so viel wie möglich der schädlichen Säugetiere zu schießen. Bis zu einem gewissen Grad zeigt das auch Wirkung, wie man bei Rehen, der häufigsten Schalenwildart, gut sehen kann. So erhöhten sich die Strecken (so nennt man die Zahl der getöteten Tiere) seit Jahrzehnten ständig. Waren es 1980 um die 750 000 Rehe, die ihr Leben lassen mussten,51 so stieg die Zahl 2018 auf 1,2 Millionen.52

Müssen wir nun Angst um unsere Tierwelt haben? Müssten bei diesem gewaltigen Aderlass nicht eines Tages die gejagten Kreaturen auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten stehen? Sicher nicht, ganz im Gegenteil: Speziell die Bestände dieser bejagten Waldbewohner haben sich stark erhöht. Denn um die Tiere im Revier zu halten, ja sie überhaupt zu Gesicht zu bekommen, wird landauf, landab gefüttert. Und weil jedem Beteiligten klar ist, dass mehr Futter die Bestände erhöht, wird das Ganze einfach anders deklariert.

Wildschweinfütterungen heißen Kirrungen. Sie dienen nach offizieller Lesart der Anlockung, damit man besser schießen kann. Dazu reichen kleine Mengen (man will ja nicht füttern!), pro Futterstelle und Tag ungefähr ein Kilogramm. Da jedes Revier im Durchschnitt mehrere solcher Kirrungen betreibt, kommen pro Jahr und Quadratkilometer locker eine Tonne und mehr zusammen. Auf das Kilogramm Wildschweinfleisch umgerechnet taxierte der ökologische Jagdverband Rheinland-Pfalz die Menge auf über zwölf Kilogramm – das ist ein Mehrfaches dessen, was die Massentierhaltung zur Fleischproduktion benötigt.53

Ohne diese Kirrungen wäre das von den Förstern und Behörden geforderte Abschussergebnis kaum zu erzielen, wodurch wiederum die Wildbestände kräftig steigen. Denn das ist eine eiserne Regel: Jede Tierart setzt reichlich vorhandenes Futter sofort in Reproduktion um. Als ob das nicht genug wäre, beteiligen sich auch noch die Förster indirekt an der Futterbeschaffung. Wie bitte? Ja, hier musste selbst ich in den letzten Jahren umdenken, habe ich doch lange genau so argumentiert wie meine Kollegen. Dabei bin ich völlig betriebsblind durch den Wald beziehungsweise riesige Futtermengen gestapft, die, wie um auf sich aufmerksam zu machen, bisweilen sogar kräftig an meinen Hosenbeinen zogen. Es waren die Brombeeren, welche mich zum Umdenken bewogen. Sie sind für Rehe und Hirsche sehr nahrhaft, und vor allem: Sie sind auch im Winter grün. Während die meisten Bodenpflanzen entweder unterirdisch in der Wurzel oder zumindest laublos dem Frühling entgegenschlummern, behält die Brombeere ihre grünen Blätter. Sie bietet damit Pflanzenfressern gerade in der Engpasszeit im Winter eine Notnahrung. Damit hilft sie, hohe Populationen auch in der kalten Jahreszeit zu erhalten.

Doch was haben Förster und Brombeeren miteinander zu tun? Das Bindeglied ist das Licht. In einem heimischen Urwald herrscht aufgrund des dichten Kronendachs der alten Buchen nur Dämmerung am Boden. Dort wachsen kaum Gräser und Kräuter. Höchstens wenn ein Baumriese stirbt, erreichen durch die Lücke Sonnenstrahlen den Boden, können für ein paar Jahre inselartig andere Pflanzen gedeihen. Durch Forstwirtschaft mit regelmäßigen Baumfällungen entstehen alle paar Meter solche Lücken. In der Folge begrünt sich der Waldboden flächig, entstehen prächtige Gras- und Krautfluren. Hinzu kommt die Plantagenwirtschaft. Bäume in Reih und Glied, mit durch Pflanzung beschädigten Wurzeln sind nicht stabil. Speziell die Fichte wird so häufig ein Opfer der Stürme, dass weit über 50 Prozent der Bestände als ungewollte Kahlfläche enden. Und eine Kahlfläche ist die beste Wildweide überhaupt. In der heißen Sonne bauen Bakterien und Pilze den Humus ab und setzen viele Nährstoffe frei, unter anderem den Superdünger Stickstoff. Die Bodenvegetation ist dadurch besonders nährstoffreich, wie eine bestens gedüngte Weide. Hier finden sich nun alle großen Pflanzenfresser ein und weiden ab, was in den Magen geht.

Wie groß die Bedeutung dieser forstwirtschaftlich verursachten Auflichtungen ist, zeigte eine Untersuchung von Studenten in meinem Revier. Der Verbiss an jungen Bäumen durch Rehe und Hirsche ist auf Kahlflächen um das 120-Fache höher als in benachbarten alten Buchenwäldern. Da erst klingelte es bei mir, registrierte ich, dass ich mit regelmäßigen Durchforstungen selbst dafür sorgte, dass die Wildbestände immer weiter anstiegen. Damals war für mich die logische Konsequenz, die Bejagung zu verschärfen, also möglichst viele Tiere abschießen zu lassen. Neben der Tatsache, dass dies sehr viel Arbeit macht, führt es in den meisten Fällen eben auch nicht zu sinkenden Wildbeständen. Denn Rehe reagieren auf solche Bedrohungen sofort, indem sie statt ein zwei Kitze gebären und zudem das Geschlechterverhältnis verschieben: Es kommen mehr weibliche als männliche Kitze zur Welt, was die Reproduktionsrate weiter anheizt.

Für mich heißt der Königsweg heute: Die Wälder müssen wieder ursprünglicher werden. Heimische Laubbäume sind nicht so sturmanfällig und produzieren keine Kahlschläge. Weniger Durchforstungen belassen der Natur mehr Biomasse, bewirken gesündere Wälder, die durch höhere Baumzahlen dunkler werden, sodass der Bodenbewuchs zurückgeht. Und dann? Dann könnte meiner Meinung nach großflächig auf die Jagd verzichtet werden. Wir sind gegen den Abschuss von großen Meeresssäugern wie den Walen, doch gleichzeitig findet an Land die schärfste Jagd aller Zeiten auf Großsäuger statt. Rund zwei Millionen Rehe, Hirsche und Wildschweine enden allein in Deutschland im Kugelhagel.54 Wenn sich der Wildbestand wieder selbst reguliert, indem man die Arbeit der Futterverknappung den Bäumen überlässt, wäre Jagd überflüssig. Die landwirtschaftlichen Flächen, oft als weitere Futterquellen genannt, fallen in der winterlichen Notzeit aus, weil dann die Äcker brachliegen.

Ich finde, es käme auf einen Versuch an, wie etwa im Schweizer Kanton Genf. Dort entschied sich die Bevölkerung schon in den 1970er-Jahren gegen die Jagd. Wenn dann noch Wolf und Luchs ihren Job machen, dann können die meisten kleinen Laubbäume völlig unbehelligt und schön langsam im Schatten ihrer Mutterbäume groß werden.

Und noch etwas anderes würde durch eine solche Abschaffung verändert: das Verhalten von Hirschen, Rehen und Wildschweinen. Viele Menschen glauben, diese Arten wären nachtaktiv. Das sind sie jedoch mitnichten, sie haben bloß Angst, sich bei Tageslicht auf den Wiesen zu zeigen. Wissen sie doch ganz genau, dass wir Zweibeiner dann am besten sehen und somit auch schießen können. Daher verbringen die Tiere die Zeit bis zum Abend, da unsere Sichtmöglichkeiten schwinden, lieber im dichten Wald. Dort schieben sie kräftig Kohldampf und vergreifen sich in ihrer Not am Baumnachwuchs. Das wiederum ärgert die Förster, die noch mehr Druck auf die Lodenfraktion ausüben – ein Teufelskreis. Und ein besonders bizarres Beispiel dafür, wie eine bewusste Beeinflussung einzelner Naturkomponenten zu einer unbewussten Beeinflussung des gesamten Systems führt.

Das Verschleppen von Pilzen und Bakterien zeugt davon, dass wir die Konsequenzen durch unsere globalen Handels- und Reisetätigkeiten noch nicht ernst genug nehmen. Das Wildtier- und Waldmanagement durch Jäger und Förster hingegen ist von anderer Qualität. Hier glauben zwei Nutzergruppen, die heimischen Ökosysteme so gut verstanden zu haben, dass sie es besser regeln können als die Natur selbst.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass uns ein wenig der Respekt vergangener Zeiten fehlt. Zeiten, in denen Bäume und Natur generell für unser kulturelles Leben eine viel wichtigere Rolle spielten.