März 1890
Die heftigen Blutungen hören einfach nicht auf. Schon die zweite Woche Bettruhe, und ich fühle mich als Mutter zunehmend unzulänglich. Clara und Madame Joseph kümmern sich um den Kleinen und bringen ihn mir nur zum Stillen. Theo schleppt jeden Tag neue Bilder an, vermutlich um meine Kreativität zu stimulieren. Ich nannte das heutige Bild hässlich und meinte, ich würde es nicht in unserem Heim hängen haben wollen. Vielleicht habe ich das Wort aus persönlicher Frustration benutzt, aber was folgte, war eine mehr als einstündige Debatte, die mich dazu brachte, über Kunst und mich selbst auf eine Weise nachzudenken, wie ich es noch nie zuvor getan habe.
Theo meinte, ich würde das Wort »hässlich« häufig benutzen. Zum Beispiel um Eiffels Turm zu beschreiben. Und auch Vincents Roulin-Baby hätte ich als hässlich bezeichnet.
»Habe ich das?«, fragte ich zurück. Ich dachte oft an dieses Porträt und war entsetzt, dass ich offenbar auf diese Art über ein Kind gesprochen habe.
Theo bat mich, noch einmal über das Bild vor uns nachzudenken. Es stammte von einem der modernen Maler.
Er fragte: »Weshalb ist es hässlich?«
Ich antwortete, der Künstler hätte sein Modell bewusst so ausgesucht und mit Kostüm in eine Umgebung platziert, die die Hässlichkeit verstärkte.
Theo: »Oder hat der Künstler einfach nur dargestellt, was da war, vor seinen Augen, voller Ehrlichkeit? Vielleicht stellt das, was du hässlich findest, für einen Maler nur die Wahrheit dar.«
Das warf mich völlig aus der Bahn. Ich schwieg mindestens eine Minute lang, ehe ich ihn bat, den Gedanken weiter auszuführen.
Daraufhin erklärte mir Theo, dass seine Arbeit und seine Erfahrungen in der Kunstwelt ihm ermöglichten, das »hässliche« Bild zu schätzen, denn es zwinge ihn dazu, über sein eigenes Unbehagen nachzudenken. Er sagte, obwohl ich das hässliche Werk ablehnte, würde mein Blick immer noch davon angezogen werden. Ich wäre trotzdem in seiner Traurigkeit und Unerfreulichkeit gefangen, denn es enthielte ein Versprechen von etwas, wovor ich Angst verspürte.
»Und das«, verkündete Theo voller Begeisterung, »ist wahre Kunst.«
Endlich – die Erklärung, nach der ich gesucht habe!
Er beschrieb, dass das, was ich geschmacklos oder vulgär fand, in Wirklichkeit meine Seele angesprochen habe, ich mir aber nicht zugestehen könne, eine Verbindung zu diesem Werk zu formulieren, aus Angst, was das über mich enthüllen würde.
»Wenn wir Kunst betrachten, dann sucht unser Gehirn nach Vertrautem und nach Klarheit«, sagte er. »Verbindung bringt Wahrheit zutage, und wer wäre schon mutig genug, auszusprechen, dass er eine solche Hässlichkeit in sich trägt?«