Kapitel 5
Seitdem sie das erste Mal hier aufgetaucht war, konnte ich Kaycee nicht aus meinem Kopf bekommen. Sie machte mich zu einem kranken Idioten, der alle seine sorgfältig getroffenen Sicherheitsvorkehrungen über Bord zu werfen drohte. Ich wurde unvorsichtig, machte Fehler und das Schlimmste: es war mir egal. Das Einzige, was ich wollte, war sie. Wie ein Schatten folgte ich ihr, beobachtete sie, belauschte sie. Ich war süchtig nach dem nächsten Aufeinandertreffen. Auf der oberen Etage hatte ich eben den besten Blick auf ihren tanzenden Körper gehabt, den ich mir hätte wünschen können. Sie, wie sie sich im Takt der Musik bewegte, ihren heißen Arsch umherschwang und diese Wildheit, die sie ausstrahlte. Kaycee rief all das Schlechte in mir zum Vorschein, doch ich konnte und wollte nicht von ihr ablassen.
Vor wenigen Minuten hatte ich die beiden tuscheln sehen und Wortfetzen aufschnappen können. Ein wenig war ich sauer auf Stella, darüber, dass sie so unverhohlen über mich ausplauderte. Aber der Ausdruck in Kaycees grünen Augen machte es wieder wett. Offenbar brachte mich das Getratsche sogar ein Stück weiter.
Als Charlie mir von ihrer Freundin erzählt hatte und davon, wie sie ihr jeden Mann ausspannte, war ich neugierig geworden. Damals hatte ich noch nicht eins und eins zusammenzählen, nicht erkennen können, dass es sich bei ihr um die Frau vom Friedhof handelte. Denn hier im Club hatte ich sie noch nie gesehen. Charlie kam oft her, aber nie mit ihr
. Sie war ein ganz anderes Kaliber als vermutet. Auf dem Friedhof hatte sie wie ein Häufchen Elend gewirkt, doch hier zeigte sie mir mehr Seiten von sich, die mich faszinierten. Bei unserem ersten Treffen hatte ich Schmerz, Verzweiflung und Trauer in ihren Augen gesehen. Jetzt wurde mir jedoch bewusst, dass es dort noch viel mehr zu entdecken gab. Da war diese Abhängigkeit, genau die gleiche, die auch ich besaß. Sie erinnerte mich an mich selbst: eine gebrochene Seele. Diese Frau war mein Ebenbild. Verzweifelt und süchtig nach der Dunkelheit. Sie schien die Düsternis allerdings noch unterdrücken und verbergen zu wollen. Ihr Blick, mit dem sie meinen vorhin erwidert hatte, rief meine Dämonen auf den Plan, die sich zähnefletschend auf sie stürzen wollten. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Und das, obwohl sie mich nicht mal erkannt haben konnte. Meine innere Verzweiflung wuchs ins Unermessliche.
Ich kannte solche Schlampen wie Charlie. Ich kannte verlorene Menschen wie Stella. Ich kannte kranke Leute wie meinen Vater und Jason. Vieles hatte ich bisher gesehen. Aber noch einmal in die gleiche Seele wie meine eigene zu schauen? Das kannte ich nicht. Und es war das Beste, was ich je erlebt hatte.
Ich hatte ihr keinen Job aus Nächstenliebe gegeben. Mir waren alle Menschen außer meiner Familie egal und doch verfolgte ich eine Absicht: Ich wollte sie und ich würde sie bekommen. Um jeden Preis.