Phelan nannte dem jungen Officer an der Pforte seinen Namen. Entweder hockte Fontenot auf dem Klo oder er war zu Hause und marinierte Flugsaurierflügel in Zwiebeln, Knoblauch und Chilipulver. Der junge Officer winkte ihn durch, und Phelan spürte seinen Onkel an seinem Schreibtisch auf. Er konnte es einfach nicht lassen, was?

E. E. hob den Kopf und funkelte ihn an, als würde Phelan das Glöckchen der Heilsarmee schwingen.

Phelan senkte den Blick und fragte geradezu unterwürfig, ob sein Onkel schon dazu gekommen sei, seine Mutter anzurufen.

»Bin ich. Ich hatte vergessen, dass sie früher mal in einigen Läden im Quarter an Weihnachten beim Geschenkeverpacken ausgeholfen hat. Ihr gefiel das hübsche Geschenkpapier so gut. Noch besser gefällt es ihr, über diese Läden zu schwadronieren.« E. E. musste unwillkürlich lächeln. »Oh ja, sie redet wirklich gern über années passées, das kann ich dir sagen. Ist eine Weile her, dass ich meine Mutter so hab kichern hören.«

E. E.s Lächeln war wie ein warmer Sonnenstrahl. Seltsam, manche Leute hatten keine Ahnung, wie sie auf andere wirkten. Wenn man mit E. E. redete, musste man immer zurücklächeln und mitlachen und man spürte ein sanftes Ziehen in der Brust, weil man so gerne mit ihm zusammen war oder so sein wollte wie er. E. E. wusste nicht, dass er diese Macht auch über seinen Neffen ausübte, der E. E.s Kinder immer beneidet hatte. Phelan konnte sich sehr gut vorstellen, dass die Mutter seines Onkels sich freute, wenn sie endlich mal so lange mit ihm telefonieren konnte, wie sie wollte.

E. E. hatte ihre Erinnerung auf Läden gelenkt, die alte Sachen verkauften – Pistolen, Säbel, seltene Münzen, Möbel –, nein Mama, nicht die Itaker-Gemüsehändler, nicht die Künstler mit ihren komischen Klamotten oder die Maler mit den fleckigen Kitteln, die Teegeschäfte und ach, das Essen, oh, die Cafés, cher, les restaurants … Er lieferte eine liebevolle Parodie von Mrs Estelle Guidry, die in Erinnerungen schwelgte, wenn sie auch nicht immer ganz exakt waren. Hin und wieder wechselte er ins Französische und Phelan musste sich das Gesagte zusammenreimen. Zu spät holte er einen Notizblock heraus.

Ja, ihre gute Bekannte Miz Smith hat viele Jahre einen Laden geführt, in dem sie Möbel aus Nachlässen verkaufte, außerdem Schmuck, goldgerahmte Gemälde und hundert andere Sachen. Gott sei ihrer Seele gnädig, diesen Sommer war sie gestorben, allerdings hatte sie das Geschäft schon lange vorher aufgegeben. Eine nette Person … Nother hatte Münzen und Säbel und solches Zeug verkauft, er hatte einen Sohn, der ordengeschmückt aus dem Krieg heimkam, dem ersten Krieg … aber an Daddys Vornamen konnte sie sich nicht erinnern. Ein unangenehmer alter Mann mit riesigem Wanst und Hochwasserhosen – der Name würde ihr schon wieder einfallen. Dann war da Mr Wertman, ein Jude. Georges Athene, ein Junggeselle, ein ganz ein Schlimmer, oh, war der hinter den Frauen her, aber nur den verheirateten, vor den ledigen nahm er Reißaus. Und Anton Hebert, mit dessen Frau Eugenie war sie befreundet gewesen. Seiner ersten Frau. Er hatte nämlich zur gleichen Zeit noch eine zweite Frau, Vera, und keine von beiden hatte sich daran gestört. Ein tüchtiger Geschäftsmann, der Monsieur Hebert. Was waren diese marchands alle hinterm Geld her!

Dann fragte seine Mutter ihn lange über die Enkel aus. Als sie schließlich auf das eigentliche Thema zurückkamen, schimpfte sie über die vielen Läden, die nur noch Touristenplunder verkauften. Sie erzählte noch, dass es zwei der Geschäfte, das von Mr Chamberlain und das von Mr Hadfield, nach wie vor gab und dass sie inzwischen von deren Kindern geführt wurden. Mr Wertman war mit seinem Laden weggezogen, während des Kriegs oder gleich danach, irgendwann um den Dreh, nach Texas, sie glaube, Beaumont, wo E. E. jetzt war. Dann war da noch der arme Teufel, der sich erhängt hatte, aber der hatte eine Schneiderei. Sie fragte ihn, ob er sich für Schneidereien interessierte. Und wann er endlich mal wieder zu Besuch käme.

E. E. kam hinter seinem Schreibtisch hervor und reichte Phelan ein Blatt von dem Notizblock mit dem Motto des Beaumont Police Department: Hingabe Rechtschaffenheit Ehre. Fünf Namen waren draufgekritzelt. »Hier bitte. Jetzt muss ich wieder was arbeiten.« Dann nahm er Phelan einen kurzen Moment liebevoll in den Schwitzkasten.

Phelan erwiderte die Umarmung.

Fröhlich pfeifend kehrte er ins Büro zurück, wo Delpha immer noch über ihren Listen saß, und erklärte ihr, er würde gleich wieder losziehen, um die Hauskäufer aufzusuchen. Nachdem er das Blatt mit den Hinweisen von Mrs Guidry aus seinem Block gerissen und es ihr zusammen mit dem von seinem Onkel gegeben hatte, ging er zur Tür. Wandte sich dort halb um.

»Nicht verlieren«, sagte er und sah, wie sie die Augen verdrehte. Er grinste.

Er wusste genau, dass Delpha Wade keine Notizen verlor, sie würde sie in einen Aktendeckel legen, den Aktendeckel beschriften und in dem grauen Aktenschrank an der richtigen Stelle im Alphabet einsortieren. Als er die Treppe hinunterging, hatte er kurz ein schlechtes Gewissen. Wenn er eine Liste der Dinge anfertigen müsste, die für ihn Freiheit bedeuteten, dann wäre Büromaterial sicher nicht dabei.