Drei Uhr morgens, und er war nicht in Mexiko. Vielmehr kauerte er hinter hohem struppigem Gras und einem Haufen kaputter Lattenkisten und sah zu, wie Ballen Marihuana von einem Kutter geladen wurden.

Jeder Faden, den Phelan am Leib hatte, war von der nahen Gischt durchnässt und der scharfe Wind drang ihm bis in die Knochen. In der Wade drohte der nächste Krampf und er musste erneut die Position wechseln. Er ließ sich auf den Hintern sinken, zog die Beine an und rieb das eine. Irgendwo in der Nähe mussten E. E.s Männer sein. Vorausgesetzt, sie hatten die Stelle gefunden. Sein Plan lautete: Warten, bis die Cops sich zu erkennen gaben, dann durch geschickte Überzeugungsarbeit Frank aus den Fängen der Polizei befreien, entweder gleich hier an der Anlegestelle oder auf dem Revier. Wenn Franks Komplizen die Befreiungsaktion mitbekamen, würde ihn das nicht gut aussehen lassen. Sollte E. E. hier sein, konnte er Frank vielleicht in dem allgemeinen Tohuwabohu wegbringen. Für den Fall, dass die Cops nicht kamen, würde er Frank nach Hause folgen und ihn sich in der Einfahrt vorknöpfen, damit er in Zukunft verdammt noch mal die Pfoten von solchen Jobs ließ.

Wo blieben die eigentlich? Was war hier los?

Vielleicht lauerten sie auf die Dope-Transporter wie eine fette alte Spinne auf dumme brummende Fliegen, um sich einen nach dem anderen zu schnappen und den Kutter in gelbes Polizei-Absperrband einzuspinnen. Der, soweit er das mit seinem Fernglas erkennen konnte, mit einem einzigen Palstek festgemacht war. Phelan dämmerte langsam, dass es gut gewesen wäre, sich vor dem heutigen Abend mit E. E. zu besprechen. Vielleicht hätte er das ja auch getan, wenn da nicht dieser Streit gewesen wäre. Gemeinsam hätten sie einen Plan entwerfen können, in dem Phelan natürlich nur eine winzige Rolle gespielt hätte, aber … Aber dann hätte er wenigstens gewusst, wie der Plan aussah.

Er runzelte die Stirn.

Er musste näher ran, wenn er sich Frank schnappen wollte, sobald es so weit war, aber die Schmuggler hatten einen Spähposten abgestellt, ungefähr zwanzig Meter von der Stelle entfernt, wo die Transporter neben dem Heck eines Sattelschleppers standen. Der Sattelschlepper ragte aus dem riesigen Tor einer mobilen Lagerhalle und wurde beladen. Phelan wechselte noch einmal die Position und beobachtete den nicht enden wollenden Ladevorgang.

Gegen vier Uhr sprang der Motor des Sattelschleppers an. Der Fahrer musste ziemlich manövrieren, um ihn auf der schmalen Schotterstraße rückwärts rauszufahren. Ohne Sattelschlepper wirkte die leere, unbeschriftete Halle mit den Toren vorne und hinten wie eine überdimensionierte Kinderzeichnung. Sie war einfach an der improvisierten Anlegestelle zusammengeklatscht worden. An dem Kutter, der daran befestigt war, war ein Schriftzug zu erkennen, Phelan konnte ihn in der Dunkelheit nur leider nicht lesen, auch nicht mit Fernglas.

Der Fahrer drückte aufs Gas und bretterte mit einem Winken davon.

Phelan hatte sich auf fünfzehn Meter herangepirscht, jedes Mal, wenn der Spähposten in die andere Richtung gegangen war, war er ein Stück weitergerobbt. Wie Wile E. Coyote hatte er sich gefühlt. Hätten sie einen ruhigeren Mann als Spähposten abgestellt oder ihn sich vorher einen Joint reinziehen lassen, dann wäre er vielleicht auf seinem Posten geblieben, und dann säße Phelan immer noch in seinem Auto, halb im Schilf am Straßenrand versteckt und mit Schlamm beschmiert.

Er hob erneut das Fernglas an die Augen.

Männer kletterten auf den Fischkutter, schulterten in Sackleinen gewickelte Ballen, stiegen wieder runter und trugen sie die paar Schritte von der Anlegestelle zu den zwei Transportern, einen Pick-up mit Anhänger und einen Kastenwagen, hievten sie auf die Ladefläche, dann trotteten sie zurück zu dem Kutter, um den nächsten Ballen zu holen. Die meisten nahmen immer nur einen auf die Schulter, einer manchmal zwei. Das war der, der weder Hut noch Bandana auf seinem Blondschopf trug. Was wogen die Ballen wohl – zwanzig Kilo? Fünfundzwanzig? Wer kann, der kann, was, Frank?

Tonnen von dem Zeug wurden von dem Kutter getragen. Wie viel es war, konnte Phelan nicht mehr sagen, weil irgendwann die Rechenmaschine in seinem Kopf den Geist aufgegeben hatte. Egal. Was war überhaupt so schlimm an Gras? Es war schließlich kein Heroin. Deswegen klaute keiner seiner Oma das Radio oder trug das Hochzeitskleid seiner Schwester ins Pfandleihhaus.

Er hatte Jungs gekannt, die konnten dank eines Joints ihre Ausrüstung meilenweit über Reisfelder und Pfade schleppen. Bekifft wurde alles erträglich. Man fand plötzlich Sachen lustig, die man vorher gar nicht bemerkt hatte. Gras verschaffte einem eine kleine Auszeit, wie eine Einmannparty. Oder Zweimann. In der Hinsicht war es gut, dass es illegal war. Jeder Joint war ein Stinkefinger, den man der Army zeigte. Wäre einfach nicht dasselbe, wenn man es wie eine Schachtel Marlboro aus dem Zigarettenautomaten ziehen könnte.

Wobei das auch was für sich hätte.

Phelan fuhr sich mit dem Handrücken über die nasse Stirn. Rieb sich Wangen und Nase, um sie aufzuwärmen. Der Spähposten war losgezogen, um mit jemandem beim Kutter zu reden.

Was hatte er sich damals als Kind nur gedacht, als er zu diesem hochhaushohen Schiff in dem Wendebecken geschwommen war? Dass er hochklettern und dann in Italien oder Spanien, Griechenland oder Afrika über die Gangway runterspazieren würde, in eine Stadt, in der die Fahnen fremder Kontinente wehten? Er wäre komplett am Arsch gewesen, das wusste er jetzt, aber als Junge glaubte er an die heile Welt, in der er die Sprache der Matrosen lernen und zusammen mit ihnen Eintopf essen, das Deck schrubben oder sich um die Kessel kümmern würde, was Matrosen eben so machten. Dass er einer von ihnen wäre. Dachten diese texanischen Piraten genauso? Waren sie die Helden in ihrem Kumpels-fürs-Leben-Film? Oder hielten sie sich für Geschäftsleute mit Pistolen im Hosenbund?

Um Viertel vor sechs waren die Transporter weggefahren und die Männer beluden jetzt merklich langsamer den Anhänger. Phelan fühlte sich, als hätte die Marine seine Beine zum Knotenüben benutzt. Das Wasser schwappte immer noch gegen die Anlegestelle. Der Wind ließ nach. In den Bäumen zwitscherten Vögel und flogen in den allmählich grau werdenden Himmel.

Ein Brummen.

Phelan richtete sich auf seinem tauben, nassen Hintern auf.

Tatsächlich, ein Brummen.

Das Brummen wurde lauter, wurde zum Geräusch eines Motors, vieler Motoren. Das Ende der Schotterstraße verwandelte sich in eine rot pulsierende Wand, Bremsen quietschten und Cops sprangen aus Autos. Die Schmuggler stoben auseinander. Einer rannte an Deck des Kutters. Hustend sprang der Motor an. Ein Schnellboot der Küstenwache kam mit gleißend weißen Scheinwerfern über den Kanal gerauscht. Wow, gleich heben sie ab. In Rufweite des Kutters angelangt, bellte ein Crewmitglied knisternde Befehle über ein Megaphon.

Phelan kroch durch das Gebüsch aus seinem Versteck, um nicht selbst verhaftet zu werden, und humpelte mit steifen Beinen zu einem Cop, der an einem der vielen Streifenwagen stand. Police Department. Sheriff’s Department. Texas Department of Public Safety. Herrgott, es waren alle da außer dem Platzanweiser vom Jefferson Theatre. Den Autoknackern, Einbrechern und Schlägern, die heute in Beaumont unterwegs waren, musste es vorkommen, als würden Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen. Phelan ließ sich von dem aufgeregten Cop, der als Parkwächter zurückgelassen worden war, die Waffe abnehmen und abtasten. Er sagte ihm, wer er war, und vor allem, wer sein Onkel war, und konnte ihn schließlich dazu bewegen, seine Identität zu prüfen und ihm die Pistole zurückzugeben.

»Einen der Männer überlasst ihr mir«, sagte er. »Der Chief hat sein Okay gegeben.«

»Wenn’s so ist, dann ist es so, aber ich weiß von nichts.«

»Habt ihr alle Transporter gekriegt?«

»Sonst noch Fragen? Verziehen Sie sich, ich hab zu tun.«

Phelan hielt sich im Hintergrund. Die Rückbänke von Streifenwagen füllten sich langsam mit verschwitzten, gefesselten Männern, die er mit zusammengekniffenen Augen musterte.

Nein, kein Frank.

Die von der Küstenwache hatten den Kutter nicht gestürmt – warum eigentlich nicht? Sie hatten ihn zwischen sich und der Anlegestelle eingeklemmt, in gleißendes Scheinwerferlicht getaucht und bellten weiter ins Megaphon.

Eine schwarze Silhouette auf dem Deck des Fischkutters bellte zurück.

Seltsam.

Was der Mann sagte, ging in dem Geschrei der Wasserpolizei unter. Aber nicht seine Gesten. Der Mann hielt sich eine Hand über die Augen, um nicht von den Scheinwerfern geblendet zu werden, und deutete mit der anderen Hand hektisch nach unten, dann streckte er die Handfläche vor, als wollte er sagen: Bleibt weg. Oder Moment. Oder Kommt um Himmels willen nicht näher. Was war da unten?

Phelan erkannte zwei junge Streifenpolizisten, der eine schwarz, der andere weiß. Die beiden hatten ihre Gefangenen verstaut und waren zurückgekehrt, um zuzusehen, wie der Typ auf Deck die Küstenwache fernzuhalten versuchte. Phelan beschrieb ihnen Frank, aber sie zuckten nur die Achseln. Phelan sah wieder zu dem Kutter rüber, dann wechselte er einen fragenden Blick mit den beiden Cops und hob sein Fernglas.

Der Schmuggler brüllte einen Wasserpolizisten an und zeigte mit der Hand auf das Deck. Einer von der Küstenwache reichte das Megaphon weiter und sprang auf das Deck, während ihm zwei Kollegen Deckung gaben und ihre Pistolen auf den Schmuggler richteten. Ein weiterer Polizist mit einem Gewehr mit Zielfernrohr trat neben sie. Der Mann auf dem Deck des Fischkutters hob die Hände. Hoch.

Der Wasserpolizist brüllte den Piraten an und richtete seine Pistole nach unten.

Das »Neiiiiin« des Piraten hätte man bis Beaumont hören können. Der Mann stieß den Cop zurück, der seine Waffe fallen ließ und ihr dann hinterherhechtete.

Die ersten Strahlen der Morgensonne fielen auf den Schmuggler, einen Mann mit Pferdeschwanz. Er bückte sich und kam dann wieder hoch, im Arm ein großes, fettes, weißliches schildartiges Ding mit vier Ausstülpungen, fast wie Flügel. Er stolperte zum Heck. Der Cop hatte den Piraten eingeholt, brüllte ihn an und versetzte ihm einen Schlag in den Nacken. Der Pirat zog den Kopf ein und schaffte es weiterzutaumeln. Die Beute in seinen Armen mobilisierte offenbar seine letzten Kräfte.

Der Polizist rammte ihm das Knie in den Rücken, schubste ihn nach vorn und der Typ schrie ihn an.

Die Flügel des Dings schlugen.

Wenn der Cop sich nicht in den Kopf gesetzt hätte, den Piraten zu vermöbeln, hätten seine Kollegen ihn womöglich klar im Visier gehabt. Aber so erreichte der Pirat das Heck und beugte sich mit seiner Beute im Arm über die Reling. Dann stieß er sie mit einem lauten Grunzen, das zu einer Art Urschrei wurde, von sich weg. Das Ding drehte sich und hing einen kurzen Moment über dem Wasser. Seine Flügel, es waren vier – zwei lange und zwei kurze – waren gefleckt wie eine Giraffe, genau wie sein … Kopf. Ein Kopf. Kurz bevor es ins Wasser plumpste, fiel das Morgenlicht auf einen braungrünen Panzer.

Abwechselnd hatte Phelan sich nach Frank umgesehen und das Drama auf dem Kutter verfolgt. Jetzt starrte er wie gebannt auf das Wasser hinter dem Heck. Noch nie hatte er eine Schildkröte dieser Größe gesehen und noch nie hatte er eine Meeresschildkröte fliegen sehen. Die Schildkröte traf auf dem Wasser auf und kam für eine Millisekunde wieder hoch, ein dunkler Schatten im dunklen Wasser. Die beiden vorderen geschwungenen Flossen breiten sich wie Habichtsflügel aus, dann zogen sie das große Tier unter die Wasseroberfläche.

Phelan drehte sich um und sah zum Kutter. Der Schmuggler – verdammt, es war tatsächlich Ticker – hob beide Arme in die majestätische Morgendämmerung, dann warfen sich zwei Wasserpolizisten auf ihn und alle drei verschwanden aus dem Blickfeld. Zur Sicherheit jagte der Scharfschütze auf dem Schnellboot eine Salve in die Luft. Das M-16-Rattern durchzuckte Phelan.

Er drehte sich weg, sah sich um, entdeckte einen Cop, der einen der Schmuggler am Schlafittchen hatte, der wie ein großes, hübsches, unglückliches Heubündel aussah, und rannte zu ihnen. Phelan drängte sich zwischen den Cop und Frank, zückte seinen Privatdetektivausweis und erklärte dem Cop, welche Abmachung er mit seinem Onkel getroffen hatte.

»Hauen Sie ab«, sagte der Cop und schob ihn weg. »Der gehört mir.«

Frank presste seine zitternden Kiefer zusammen. »Wer sind Sie?«, fragte er.

Phelan sagte ihm, er solle die Klappe halten. »Ziemlich laut hier«, sagte er beschwichtigend zu dem Cop und erklärte ihm, wer sein Onkel war. Zu Frank sagte er: »Privatdetektiv. Sie haben uns hierher gelotst. Im Gegenzug darf ich Sie mitnehmen.«

Der Cop sah Phelan wütend an und hielt die Hände in die Luft. Phelan übernahm Frank.

Die Leute von der Küstenwache führten ihren Gefangenen vom Fischkutter, umrundeten Ballen, Kühlboxen, Kisten und einen Gitarrenkoffer und übergaben ihn ihren Kollegen. Phelan hielt Frank, der mit Handschellen gefesselt war, am Ellbogen fest und wartete im Matsch neben der Straße, während der starr geradeaus schauende Ticker an ihm vorbeigeführt wurde. Er sah einer Anklage wegen Drogenbesitzes, Drogenhandels und Widerstands gegen die Festnahme entgegen. Die Rettung einer Meeresschildkröte würde ihm wohl kaum zugutegehalten werden. Phelan sagte sich zwar, dass er durchaus auch hätte zusehen können, wie ein Leichensack an ihm vorbeigetragen wurde, aber das war kein besonderer Trost.

Als sie bei einem Streifenwagen ankamen, brüllte Ticker Hey, ihr Wichser, wartet! Sein Kopf drehte sich zum Morgenhimmel, von dem weißgoldene Strahlen auf das Wasser fielen. Er hielt den Blick darauf gerichtet, bis sie ihn in das Auto stießen.

Phelan schleifte den Mann seiner Mandantin zu dem Chevelle, der weiter oben an der Straße stand.

Franks blonde Haare waren schweißnass. An seinem Hals und seinem T-Shirt hing Gras.

»Moment, ich muss meinen Mustang holen. Könnten Sie mir vielleicht die Handschellen abnehmen, damit ich fahren kann? Dann ist das Auto da, wenn ich –«

»Sie haben keinen Mustang.« Frank roch wie ein verschwitzter eins neunzig langer Joint.

»Klar doch. Er steht direkt –«

»Ach ja? Sehen Sie ihn hier irgendwo?«

Phelan ließ ihn los, und Frank drehte sich erst in die eine Richtung, dann in die andere und einmal um die eigene Achse.

»Kommen Sie.« Phelan packte ihn wieder und verfrachtete ihn auf die Rückbank des Chevelle.

Frank drehte sich zum Seitenfenster und starrte auf der Suche nach dem Mustang hinaus. Als sie über einige Furchen fuhren, knallte seine Stirn gegen die Scheibe. »Wo ist er?« Seine Stimme klang jämmerlich.

»Der ist beschlagnahmt. Waren Sie mal bei einer der Versteigerungen, die die Polizei regelmäßig veranstaltet? Da kann man tolle Schnäppchen machen.«

»Die können mein Auto doch nicht einfach mitnehmen! Es gehört meiner Frau. Ich zahl noch den Kredit ab. Cops hin oder her, die können nicht einfach mein Auto klauen!«

Geduldig setzte Phelan ihm auseinander, warum sie das doch konnten. Dann unterrichtete er Frank noch über die neue Behörde, die hart gegen Drogendealer durchgreifen würde, wie genau, wusste man noch nicht, aber Phelan war sich sicher, dass die bestehenden Strafen verschärft werden würden. Warum? Ganz einfach. Nixon hatte es angeordnet. Und die neuen Uniformen, Büros, Briefköpfe, Schreibmaschinen, Dienstausweise und Autos mussten sich ja auszahlen. Die Leute mussten was zu tun haben. Sie mussten ermitteln, recherchieren, aufklären, konferieren. Der ganze Laden brauchte eine Legitimation, die Drogencops, die Hohlköpfe in Washington, Nixon. Frank sollte sich freuen. Er war nur vom Beaumont Police Department erwischt worden und nicht von den frisch erweckten Antidrogen-Kreuzzüglern. Und falls er nicht noch doofer war, als er sich hier aufführte, dann würde er vielleicht merken, dass er gerade nach Hause gebracht wurde.

Von der Rückbank grummelte es. Phelan sah hin und wieder in den Rückspiegel. Frank saß vornübergebeugt da, wegen der Handschellen konnte er sich nicht zurücklehnen. In seinem Filmstar-Gesicht arbeitete es, während er über seine missliche Lage nachdachte. Fünf oder sechs Querstraßen von seinem Haus entfernt platzte es aus ihm heraus: »Sie haben mir noch nicht gesagt, wie die Cops ausgerechnet auf mich gekommen sind. Ich hab niemandem was verraten. Ich hab nicht mal meiner …«

»Erst Sie. Reine Neugierde, aber sagen Sie mal, wie viel kriegen Sie pro Nacht?«

»Neuntausend.«

»Wow. So einen Job verliert man natürlich nicht gern. Gibt aber Schlimmeres.«

Dann erzählte er ihm, wie die Cops auf ihn gekommen waren. Er verdanke es seiner Frau, dass er frei sei, und wenn er schon Phelan Investigations nicht dankbar sei, dann wenigstens Cheryl Sweeney.

Phelan hielt neben dem alten Pick-up mit den neuen Reifen, half Frank aus dem Auto und schloss an der Tür, an der Cheryl schon wartete, die Handschellen auf und steckte den kleinen Schlüssel in die Tasche. Nickte Cheryl zu, die stumm Danke sagte.

Der Polsterer musste sich das überlegt haben, als Phelan den Schlüssel in seine Tasche gleiten ließ. Kaum hatte Phelan sich weggedreht, trat Frank ihm mit voller Wucht in die Kniekehlen. Phelan schrie auf, seine Beine gaben unter ihm nach und er landete in einem knorrigen, dornigen Busch. Cheryl brüllte Frank an. Unbeholfen rappelte Phelan sich wieder auf und humpelte drohend auf die Haustür der Sweeneys zu, aber Frank knallte sie mit einem Wumms zu. Dann machte es klick, und von drinnen war Geschrei zu hören, abwechselnd Sopran und Tenor.

Phelan löste die Fäuste, zu denen sich seine Hände automatisch geballt hatten. Humpelnd und ächzend ging er zu seinem Auto und stieg ein. An einer Drogerie hielt er an und kaufte eine elastische Binde und einen Beutel mit Eis. Während der Fahrt malte er sich aus, wie er Frank Sweeneys hübsche Wangenknochen mit dem Zweikilosack Eis zermalmte und ihn dann mit der Mullbinde strangulierte. Stattdessen schleppte er sich zu Hause angekommen in sein Badezimmer und ließ seine Kleider auf den Boden fallen. Es war kurz nach acht. Er wählte die Büronummer und gab Delpha eine Kurzzusammenfassung von der Razzia und der Gefangennahme von Frank Sweeney. Den Teil mit der Schildkröte und dem Dornbusch ließ er aus.

»Toll«, sagte sie. Bei dem Triumph in ihrer Stimme wurde ihm warm ums Herz.

»Ja. Ich hau mich kurz hin, dann knöpf ich mir Jim Anderson vor. Vielleicht schau ich vorher gar nicht erst im Büro vorbei.«

»Einen Moment. Der richtige Name von Anderson ist Sparrow. Demnach heißt Bell auch Sparrow, Tom.«

Phelan ließ sich vorsichtig ins Bett sinken, während er sich von Delpha eine kleine Geschichtsstunde erteilen ließ. Dann schluckte er vier Aspirin und legte auf. Er wickelte Eis in ein Handtuch, legte es auf sein heißes Knie, zog das Laken bis unters Kinn und nickte ein.