Das Jahr 1942 markierte in vielerlei Hinsicht einen tiefen Einschnitt in der Geschichte der deutschen Besatzungsherrschaft. Im Kontext des hartnäckigen Widerstandes der Roten Armee, der die Truppen der deutschen Wehrmacht in eine unerwartet dauerhafte militärische Auseinandersetzung zwang, wurden die Parameter der deutschen Besatzungspolitik sukzessive so verschoben, dass langfristige Pläne allmählich zugunsten mittel- und kurzfristiger Politikziele in den Hintergrund traten.1 In der Konsequenz liefen 1942 verschiedene längere, vielfach verflochtene Prozesse zusammen, die nicht auf ein einziges Jahr zu datieren sind, sondern teils bereits zuvor in Gang gesetzt wurden, teils erst ein wenig später. Dennoch bedeutet ‚1942‘ als Kulminationspunkt unterschiedlicher Entwicklungen eine Zäsur: Zunächst bündelten sich 1942 verschiedene Stränge der deutschen „Judenpolitik“ im Generalgouvernement zur nun systematischen Ermordung der polnischen Juden in den Vernichtungslagern Bełżec, Sobibór und Treblinka. Regionale Mordkampagnen aus dem Spätherbst 1941 und dem Frühjahr 1942 in den Distrikten Galizien und Lublin, wurden ab Sommer 1942 in ein räumlich umfassendes Mordprogramm überführt, dessen Realität durch Massenerschießungen, gewaltsame Ghetto-Räumungen und den Erstickungstoden in den Gaskammern der Vernichtungslager geprägt war.2 Ferner setzte in einem parallelen Gewaltkomplex ab Herbst 1941 in den Durchgangslagern auf dem gesamten Gebiet des Generalgouvernements ein intendiertes Massensterben der sowjetischen Kriegsgefangenen ein. Bis zum 15. April 1942 starben einer Aufstellung des Oberquartiermeisters beim Militärbefehlshaber im Generalgouvernement zufolge 292.560 sowjetische Kriegsgefangene an vollkommen unzureichender Ernährung, Infektionskrankheiten und bitterer Kälte. Weitere 17.256 Kriegsgefangene wurden „an den SD |195|übergeben“ und erschossen. Insgesamt verloren 85,7 Prozent aller sowjetischen Kriegsgefangenen in diesem Gebiet ihr Leben.3 Schließlich wurde die Zivilverwaltung des Generalgouvernements 1942 mit vehementen Forderungen verschiedener Berliner Zentralbehörden nach einer Steigerung des kriegswirtschaftlichen Beitrags des Generalgouvernements konfrontiert. 1942 lieferte das Generalgouvernement unter Anwendung brutaler Gewalt 398.959 Zwangsarbeiter, 504.000 Tonnen Getreide, 237.000 Tonnen Kartoffeln und 33.000 Tonnen Fleisch – mehr als jemals zuvor unter deutscher Herrschaft.4
In der Summe schraubten die Ausbeutungs- und Vernichtungsmaßnahmen des Jahres 1942 das Gewaltlevel der deutschen Besatzungsherrschaft im Generalgouvernement in neue Dimensionen. Für weite Teile der polnischen Zivilbevölkerung entwickelte sich dieser Radikalisierungsschub zu einer leidvollen und demütigenden Erfahrung von um sich greifender Verarmung, existenzieller Bedrohung und allgegenwärtiger Gewalt: Die Planziffern der „Erfassungsaktionen“ von Zwangsarbeitern konnten nur durch gewalttätige Polizeiaktionen und regelrechte Menschenjagden erreicht werden5, während die Lebensmittelzuweisungen an polnische Bürger so niedrig waren, dass in den Spitzengremien des Besatzungsapparates unverhohlen vom „absoluten Aushungerungsstatus“6 gesprochen wurde. Im Kontext des Massenmords an polnischen Juden und sowjetischen Kriegsgefangenen führte diese Herrschaftspraxis zu einer Veralltäglichung von Gewalt und einer Brutalisierung des Besatzungsalltags im Generalgouvernement.
Diese zugespitzte Situation im Jahr 1942 bildet den historischen Rahmen für das Auftreten größerer bewaffneter Gruppierungen in den Wäldern des Generalgouvernements. Es waren dies zunächst Flüchtlinge aus Lagern für sowjetische Kriegsgefangene, die sich ab Oktober 1941 flächendeckend über das Land erstreckten. In Anbetracht des gigantischen Massensterbens der Kriegsgefangenen nutzten Zehntausende die Chance zu fliehen und hielten sich in den Wäldern versteckt.7 Zu diesen geflohenen sowjetischen Kriegsgefangenen |196|stießen – verstärkt im Zuge der Auflösung der Ghettos und der Ermordung ihrer Insassen ab Sommer 1942 – ungefähr 50.000 polnische Juden, denen während der Ghettoliquidierungen und Deportationen in die Vernichtungslager die Flucht gelang.8 Diese Flüchtlinge der beiden großen Gewaltkomplexe waren zunächst reine Überlebensgruppen, die erst im Laufe der Zeit und auch nur in Teilen bewaffnete Partisanengruppen bildeten. Für viele junge Polen war hingegen 1942 die brutale Rekrutierung von Zwangsarbeitern das entscheidende Signal, sich in die Wälder abzusetzen, um einer Verschickung in das Reichsgebiet zu entgehen.9 Dort bildeten sie oder stießen sie auf kommunistische10 und bürgerliche11 Partisanengruppen, die zuweilen in scharfem Kontrast zueinander standen. Die Aktivitäten dieser unterschiedlichen Gruppierungen zielten in erster Linie darauf, die Handlungskompetenzen der deutschen Besatzungsverwaltung einzuschränken: Einrichtungen der Gemeindeverwaltungen wurden zerstört, das deutsche und polnische Verwaltungspersonal wurde zunehmend Opfer von Anschlägen, Kontingents- und Arbeiterlisten wurden ebenso vernichtet wie Steuerlisten und Strafbücher.12 Wirkliche militärische Bedeutung erlangten die bewaffneten Gruppen in den Wäldern des Generalgouvernements im Vergleich zur sowjetischen Partisanenbewegung in Weißrussland zu keinem Zeitpunkt. Dennoch stellten sie im Laufe der Zeit eine permanente Bedrohung der deutschen Herrschaft in bestimmten Regionen des Generalgouvernements dar, indem sie gezielt die deutschen Ausbeutungsmaßnahmen durch Attentate, Sabotageaktionen und Überfälle untergruben.13
In der Perspektive des deutschen Besatzungsapparates hatte sich so zur Jahreshälfte 1942 eine als bedrohlich empfundene Situation entwickelt, die kein zögerliches Verharren in der Passivität mehr erlaubte, sondern das sofortige Zeigen von Stärke, eine unmittelbare Demonstration von Macht verlangte. Das Auftreten immer stärker werdender bewaffneter Gruppen auf dem Gebiet des Generalgouvernements setzte die deutschen Stellen im Kontext eines Dauerkrieges gegen die Sowjetunion so unter ganz erheblichen, subjektiven Handlungsdruck, |197|wenn sie etwa Störungen im wichtigen Verkehrssystem vermeiden oder die Effektivität ihres Ausbeutungs- und Vernichtungssystems sichern wollten. Generalgouverneur Hans Frank forderte angesichts der zugespitzten Situation nachdrücklich: „Wir müssen um uns schlagen.“14 Insbesondere der deutsche Sicherheitsapparat im Generalgouvernement wurde durch diese Bedrohungsszenarien unter massiven Zugzwang gesetzt: „Vielleicht ist es jetzt auch eine Warnung, dass man ein wildes Land auf ‚feine Art‘ nicht regieren kann“, so formulierte es etwa Gottlob Berger, der Chef des SS-Hauptamtes, in einem Privatbrief an den Reichsführer-SS, Heinrich Himmler; Grundsatz des polizeilichen Vorgehens im Generalgouvernement müsse nun sein, „lieber zwei Polen zu viel als einen zu wenig zu erschießen“15.
In dieser spezifischen Konstellation des Jahres 1942 griff der Sicherheitsapparat auf die Gewaltmethoden der „Bandenbekämpfung“ zurück, die ab diesem Zeitpunkt zu einem alltäglichen Phänomen im ländlichen Raum werden sollten. Damit änderte sich dort auch das Szenario deutscher Herrschaft. Diese wird in den ländlichen Regionen Polens als vergleichsweise milde eingeschätzt, polnische Bauern gelten teilweise sogar als Besatzungsgewinner, da sie von der Intensivierung und Modernisierung der Landwirtschaft ebenso profitieren konnten, wie von hohen Lebensmittelpreisen auf dem Schwarzmarkt.16 Die „Bandenbekämpfung“ markiert vor diesem Hintergrund eine massive Ausdehnung von Gewaltpraktiken auf den ländlichen Raum, so dass sich ab 1942 das Leben in bestimmten Regionen des Generalgouvernements erheblich brutalisierte und kaum mit den ersten Jahren der deutschen Herrschaft vergleichbar ist.
Die folgenden Überlegungen zielen auf eine Rekonstruktion der destruktiven Wucht, mit der der ländliche Raum getroffen wurde. Dafür wird insbesondere das Spannungsfeld von Intention und Situation bei der Durchsetzung von Gewaltmaßnahmen ausgeleuchtet.17 Aufmerksamkeit soll hierbei den vielfältigen Rechtfertigungsmustern gewidmet werden, die den massiven Gewalteinsatz gegen Zivilisten erst ermöglichten. Dabei wird der Frage nachgegangen, welche Legitimationsstrategien der Ausübung und Dynamisierung von Gewalt Vorschub leisteten und jene Zone erlaubter Gewaltanwendung |198|schufen, in der kaum noch Rücksichten auf die Zivilbevölkerung genommen werden musste.18
Am 11. Mai 1942, im Rahmen einer Arbeitsbesprechung der Hauptabteilungspräsidenten, referierte Josef Bühler erstmals über die „gespannte Sicherheitslage“19. Er führte weiter aus, dass es sich seines Erachtens um „bewußte Sabotagetätigkeit“ handele, die fatale „Auswirkungen nicht nur auf das Transportwesen, sondern auch auf Landwirtschaft und Arbeitseinsatz“20 zeitige. Zentraler Schauplatz dieses „Bandenunwesens“, so Bühler, sei der Distrikt Lublin.21 Diese auf zentraler Ebene geäußerte Sorge um die „Sicherheit“ im Distrikt Lublin löste auf regionaler Ebene eine Vielzahl von Aktivitäten zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung aus. Es handelte sich dabei um die erste größere Aktion zur „Bandenbekämpfung“ seit dem Frühjahr 1940, die gleichsam die Weichen für die kommenden Jahre stellen sollte.22 Die Federführung dieser Aktion übernahm der regionale SS- und Polizeiapparat unter dem Kommando von SSPF Odilo Globocnik. Zur Befriedung des Raums zwischen Wieprz und Bug zog Globocnik alle verfügbaren Kräfte zusammen und unterteilte diese in zwei größere Gruppen, die jeweils unterschiedliche Aufgaben übernehmen sollten. Eine erste Gruppe hatte die Aufgabe, diesen Raum großräumig abzuriegeln: Hierzu zählten insbesondere die Polizeireiterabteilung III, das Reservepolizei-Bataillon 41, die SS-Reiterschwadron Cholm sowie 300 Trawniki-Männer.23 Innerhalb dieses abgeriegelten Raums sollten dann die lokalen Gendarmerie-Einheiten und die Posten der Polnischen Polizei aktiv gegen die bewaffneten Gruppen vorgehen. Ihnen zur Seite stellte Globocnik mehrere Sondereinsatzgruppen im „Zivilrock“, welche die Kampfweise der Partisanen imitieren und durch „bandenmäßiges Umherstreifen“ die polnischen „Banden“ aufspüren und vernichten sollten.24 Dabei gab Globocnik den im Innenraum eingesetzten Einheiten ein umfassendes Feindbild mit auf |199|den Weg: „Auf die Haltung der Ortsbewohner“, so Globocnik, „ist […] schärfstes Augenmerk zu legen. Auch hier ist jede Person, die irgendwie verdächtig erscheint, festzunehmen. […] Unter Begriff verdächtig ist weitester Maßstab anzulegen.“25 Vernehmungen Festgenommener seien „mit entsprechender Energie“ zu betreiben. Insbesondere wies Globocnik seine Einheiten jedoch darauf hin, dass „[b]ei jedem sich zeigenden verdächtigen Verhalten […] von der Schußwaffe Gebrauch zu machen“26 sei. Hier zeigt sich bereits eine grundlegende Tendenz nationalsozialistischer „Bandenbekämpfung“, die eben auch und vor allem auf die Zivilbevölkerung des ländlichen Raums zielt. Der entscheidende Hebel zur Ausdehnung der Kampfzone war dabei die Forderung nach einer besonders extensiven Auslegung des Begriffs „verdächtig“. Dies führte gleichzeitig dazu, dass auch die Erlaubnis zum Gebrauch der Schusswaffen entriegelt wurde: Bei jedem noch so verdächtigen Verhalten der polnischen Einwohner sollte unnachsichtig geschossen werden. In diesem Sinne ordnete auch HSSPF Krüger an: „Es ist auch bei Festnahmen von Schwerverbrechern und Banditen sofort von der Schußwaffe Gebrauch zu machen, wenn auch nur andeutungsweise der Versuch eines Widerstands gemacht wird oder Flutversuch vorliegt.“27 Ausdrücklich betonte er dabei, dass es „unerwünscht ist, erst nach mehrmaliger Aufforderung“28 zu schiessen.
Nach dem Abschluß dieses Planungsprozesses entfaltete sich ab dem 18. Mai 1942 die erste große Aktion zur „Bandenbekämpfung“ im Distrikt Lublin. Nachdem die Sperrkräfte den Ring um das „bandenverseuchte Gebiet“ zugezogen hatten, wurde es bis zum 31.5.1942 von Einheiten der Gendarmerie gemeinsam mit den Sondereinsatzgruppen wiederholt durchkämmt. Dabei gingen die eingesetzten Einheiten offenkundig mit massivem Gewalteinsatz gegen die Zivilbevölkerung vor und führten eine Vielzahl von größeren und kleinen Massakern durch.29 Die OFK 379 hielt in einem Bericht an den Militärbefehlshaber im Generalgouvernement fest, dass es lediglich „in 2 Fällen […] zu Schiessereien“ gekommen sei, „so dass eine durchgehende Bewaffnung nicht erwiesen erscheint“30. Allein an den ersten beiden Tagen erschossen die Einheiten mindestens 100 Menschen, nahmen etwa 400 weitere fest, steckten 70 Gehöfte in Brand, die – wie es in einem späteren Bericht hieß – „von den |200|Banditen oder ihrer [sic!] Helfershelfer bewohnt“31 waren. Die genaue Opferzahl ist nicht mehr zu rekonstruieren, es waren aber wahrscheinlich mehrere hundert Menschen, die dabei ermordet wurden: In seinem Abschlussbericht sprach Globocnik von „etwa 500 Personen“32, die im Zuge dieser Aktion erschossen worden seien. Unter ihnen befanden sich auch alle Einwohner des Dorfes Kryniczki, „das als Banditen [sic!] und Partisanennest bekannt war“33. Nach dem Massaker an den Einwohnern brannten die Gendarmerie-Einheiten das Dorf bis auf die Grundmauern nieder.34
Das gewaltsame Vorgehen der deutschen Einheiten unter Globocniks Führung wurde zunächst innerhalb der Zivilverwaltung durchaus wohlwollend aufgenommen. So verkündete Ernst Zörner, der Gouverneur des Distrikts Lublin, unter direkter Bezugnahme auf diese Aktion mit spürbarer Zufriedenheit, dass „[g]egen das Auftreten von Partisanen und Banditen […] mit dem nötigen Nachdruck eingeschritten“35 werde. Zuversichtlich betonte Zörner, dass nach dem Aktion Globocniks „[d]ie allgemeine Sicherheit […] in den meisten Teilen des Distrikts mehr oder weniger gewährleistet“36 sei. Doch wurde sein Optimismus keineswegs überall geteilt: Auf zentraler Ebene machten sich die Vertreter der Hauptabteilungen durchaus Sorgen wegen der „Verschechterung der Sicherheitslage im Distrikt Lublin und [dem] Auftreten von Partisanen“37. Offenkundig war es Globocnik nämlich nicht gelungen, die bewaffneten Gruppierungen im Distrikt Lublin zu vernichten. Vielmehr, so Generalgouverneur Hans Frank, habe eine „Übersteigerung von Exekutionsmaßnahmen“38 die Situation abermals verschärft. Auch diese Bemerkung verweist auf eine Grundstruktur nationalsozialistischer „Bandenbekämpfung“, die im Kern dysfunktional war: Schuf doch erst das gewalttätige Vorgehen gegen die ländliche Zivilbevölkerung den bewaffneten Gruppierungen ausgezeichnete Rekrutierungsmöglichkeiten, da sie jedermann den gewalttätigen Kern nationalsozialistischer Herrschaft drastisch vor Augen führte.
Deshalb kamen nur zwei Wochen später, am 18. Juni 1942, Vertreter der Regierung des Generalgouvernements und die Spitzen des SS- und Polizeiapparates im Generalgouvernement zu einer „Polizeisitzung“ zusammen, um über die mittlerweile als ernst empfundene Sicherheitslage zu diskutieren.39 In |201|einem Eingangsreferat skizzierte HSSPF Ost Krüger, die Situation „auf den ersten Blick“40 angesichts „zahlreicher Meldungen über Gewalttaten, Raubüberfälle etc.“41 als durchaus ernst, fügte aber hinzu, dass „ostwärts vom Generalgouvernement […] die Verhältnisse noch viel schlimmer“42 seien. Als Ursachen für diese Verschärfung der Sicherheitslage verwies Krüger auf die Flucht von sowjetischen Kriegsgefangenen, die „den Winter bei polnischen Bauern verbracht“ hätten. Aus der Perspektive des HSSPF stand die deutsche Herrschaft im besetzten Polen damit vor einer grundsätzlichen Herausforderung, die insbesondere dem Sicherheitsapparat gewaltige Anstrengungen und kluge Koordination abverlangen würde. Diese Konstellation wurde dabei in Krügers Perspektive durch zwei weitere Aspekte zusätzlich erschwert: Einerseits würde sich hier ein neues Problem entfalten, das nicht unter Rückgriff auf vergangene Lösungsansätze zu bewältigen sei. So sei es „natürlich nicht möglich“, so Krüger, „in einem Raum von dieser Ausdehnung eine Aktion durchzuführen, wie man sie seinerzeit im Frühjahr [1940, D. B.] bei Konskie durchgeführt habe“43. Die Probemkonstellation des Sommers 1942 sei nicht mit der des Jahres 1940 zu vergleichen, als lediglich „einige hundert Männer“44 der „Hubal-Bande“ zu überwältigen waren. In anderen Worten: Die Vergangenheit bot aus Perspektive des HSSPF nur bedingt Orientierung für die Gegenwart. Anderereits merkte Krüger an, dass man aufgrund der dünnen Personaldecke nicht über eine ausreichende Zahl von Polizeikräften verfüge, um „die Partisanen mit Stumpf und Stiel auszurotten“45.
Aus diesem Eingeständnis der eigenen Schwäche zog man im deutschen Sicherheitsapparat eine doppelte Konsequenz: Zum einen ordnete Heinrich Himmler eine Aufstockung des Sicherheitspersonals durch Verlegung diverser Polizeikräfte in das Generalgouvernement an. Per Schnellbrief befahl er so unter anderem die Aufstellung eines motorisierten Gendarmerie-Bataillons „zum vorübergehenden Einsatz im Generalgouvernement“46. Zusammengesetzt aus aktiven Beamten und Reservisten, die von Dienststellen der Gendarmerie aus dem gesamten Reichsgebiet abgeordnet worden waren, sollte das Bataillon als überregionale Exekutivkraft in verschiedenen Distrikten kleinere und größere Unternehmen zur Partisanenbekämpfung leiten. Unter dem Kommando des Majors der Gendarmerie, Erich Schwieger, rückte das Bataillon zumeist in Zug- oder Gruppenstärke zu einer Vielzahl von „Aktionen“ aus, um einzelne „bandenverseuchte“ Gebiete immer wieder zu durchkämmen.
|202|Zum anderen zielte der Sicherheitsapparat darauf, die eigene Orientierungslosigkeit durch die Entwicklung neuer Lösungen zu überwinden. Der SS- und Polizeiapparat versuchte, sich auf die neue Konstellation einzustellen, und suchte fieberhaft nach geeigneten Umgangsstrategien, mit denen die eingesetzten Truppen der Herausforderung durch größere bewaffnete Gruppierungen in den Wäldern des besetzten Polen erfolgreich begegnen könnten. Im Kern lassen sich hierbei zwei Ansätze unterscheiden, mit denen der SS- und Polizeiapparat seinen modus operandi der „Bandenbekämpfung“ entwickeln sollte. Auf der einen Seite zielten die Bemühungen darauf, Erfahrungen der Truppe bei laufenden Einsätzen abzuschöpfen. So waren die Einsatzführer im Sommer 1942 dazu „verpflichtet, Einsatzerfahrungen zu melden“47 und den jeweiligen Vorgesetzten „Vorschläge für Verbesserungen und Änderungen der Kampfweise im Einsatz gegen bewaffnete […] Banden […] zu unterbreiten“48. Dabei galten die im „Einsatz in Wald- und Sumpfgebieten gesammelten Erfahrungen“49 als besonders „wertvoll“50. Gleichzeitig sollten alle Einsätze in einer Manöverkritik ausgewertet werden, „d.h. mit der Truppe im Interesse der Ausbildung und weiteren Steigerung der Einsatzfähigkeit“51 unmittelbar nach Abschluss der Aktionen besprochen werden. Diesen internen Optimierungsversuchen korrespondierte dabei – auf der anderen Seite – der Einbezug von externen Ratschlägen und Hilfestellungen: Anfang Juli 1942 etwa verschickte der Kommandostab Reichsführer-SS, zu diesem Zeitpunkt Himmlers zentrale Koordinationsinstanz für die „Bandenbekämpfung“, Erfahrungsberichte über Aktionen zur „Bandenbekämpfung“ aus den besetzten sowjetischen Gebieten mit einem hohen Verteiler an den SS- und Polizeiapparat im besetzten Polen.52 Dies kann dabei als eine Form von Wissenstransfer gedeutet werden, bei dem „Bandenkampfwissen“ zwischen den verschiedenen Räumen des besetzten Europa zirkulierte: Die Gewaltdynamik der „Bandenbekämpfung“ im besetzten Polen stand somit auch in Zusammenhang mit der deutschen Gewaltpraxis in den besetzten sowjetischen Gebieten. Hier sind also wechselseitige Einflussnahmen zu verzeichnen, die Himmlers Imperium eng miteinander verzahnten |203|und eine gewisse Einheitlichkeit des deutschen Vorgehens sicherstellen sollten.53
Im August 1942 fand dieser Suchprozess seinen Abschluss: Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich bei der Auswertung von internen und externen Erfahrungsberichten ein spezifisches Set an Handlungsempfehlungen herauskristallisiert, das fortan der deutschen „Bandenbekämpfung“ ihr spezfisches Gepräge geben sollte. Drei Dimensionen sind dabei für die vorliegende Studie von besonderer Bedeutung.
(1) So etablierte der SS- und Polizeiapparat auf strategischer Ebene das „konzentrische Säuberungsverfahren“54 als Standardvorgehen deutscher „Bandenbekämpfung“. Im Kern handelte es sich dabei um den „gleichzeitigen Angriff mehrerer Einheiten aus verschiedenen Richtungen auf einen Mittelpunkt“55. Ein solches Verfahren wurde als „sehr zweckmäßig und erfolgversprechend“56 eingeschätzt, da bereits „sehr gute Ergebnisse damit erzielt“57 worden seien. Das „konzentrische Säuberungsverfahren“ beruhte auf der Einkreisung eines bestimmten Gebietes durch die eingesetzten Einheiten, denen jeweils bestimmte Sektoren des eingekreisten Raums zugewiesen wurden. Nach Angriffsbeginn war es nun Aufgabe der einzelnen Einheiten, sich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb ihres jeweiligen Sektors zum Mittelpunkt des eingekreisten Gebietes zu bewegen. Von allen Seiten strömten die Truppen also auf das Zentrum des Kreises zu und sollten dabei in ihren Sektoren eigenständig alle auf dem Weg liegenden Ortschaften möglichst lückenlos „durchkämmen“. Die Zielvorstellung war im Grunde ein engmaschiges Netz, das über einzelne Gebiete ausgeworfen wird.58
(2) Ferner zeichnete sich auf operativer Ebene der systematische Einbezug der Zivilbevölkerung in die Gewaltmaßnahmen als Handlungsprinzip nationalsozialistischer „Bandenbekämpfung“ ab. Diese Entgrenzung entfaltete sich auf der Grundlage von zwei Deutungsmustern, die eng miteinander verflochten |204|waren und im Kern auf eine Einebnung der substantiellen Unterscheidung zwischen Handeln und bloßem Sein hinausliefen. In diesem Zusammenhang ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Einwohner „jedes, auch des kleinsten Ortes […] für das Auftreten von Banditen in ihrem Ort oder in dessen näherer Umgebung unnachsichtlich zu Rechenschaft gezogen“59 wurden. Polnische Bauern wurden somit in Kollektivhaftung für „Bandenaktivitäten“ in der Umgebung ihrer Dörfer, Ortschaften und Weiler genommen: „Von sogenannten Banditen angerichtete Schäden an Deutschen oder deutschen Interessen dienenden Gütern und Objekten […] müssen die Einwohner des betreffenden Ortes […] mit dem Verlust […] ihres Lebens bezahlen.“60 Eng damit verbunden beruhte die deutsche „Bandenbekämpfung“ zum anderen auf einer umfassenden Feinddefinition, die um die deutungsoffenen Kategorien „Helfer“ und „Helfershefer der Banden“ kreiste. Die deutschen Einheiten konstruierten dabei einen umfassenden Generalverdacht und ein entgrenztes Feindbild, das potentiell keine Unschuldigen oder Unbeteiligten mehr kannte: „Jeder der Einheimischen“, so hieß es in einer entsprechenden Anordnung, „ist als Helfer oder Begünstiger verdächtig, soweit seine Parteinahme für uns nicht einwandfrei feststeht.“61 Im Grunde war damit die gesamte polnische Landbevölkerung „bandenverdächtig“ und damit vogelfrei. Denn insbesondere die „Helfer und alle diejenigen, die ihnen Schutz und Unterstützung“62 gewähren würden, seien, wie explizit hervorgehoben wurde, „rücksichtslos auszurotten“63. Die generelle Leitlinie nationalsozialistischer „Bandenbekämpfung“ formulierte HSSPF Krüger: So müsse sichergestellt sein, „dass die Gehilfen und Helfershelfer die gleiche Strafe trifft wie die Täter. Ob die betreffende Person aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen der Banditen“ gehandelt habe, „ist dabei unerheblich und kann nur ausnahmsweise die Schuld ausschließen“64. Im Kern liefen hier sowohl tradierte als auch situativ generierte Deutungsmuster zusammen: Vorstellungen von einer grundsätzlichen polnischen Gewaltaffinität, Hinterhältigkeit und Rücksichtslosigkeit amalgamierten in der Konstellation eines asymmetrischen Partisanenkrieges mit Gefühlen diffuser Angst und Bedrohung. Und beiden Aspekten, so läßt sich nur wenig vereinfachend sagen, versuchte der SS- und Polizeiapparat im besetzten Polen mit einer Ausdehnung der Zone erlaubter und gebotener Gewalt zu begegnen: „Jede Weichheit“, so hieß es, „wäre unserem Wollen schädlich“65.
|205|(3) Darüber hinaus verweisen diese beiden Strukturmerkmale – das „konzentrische Säuberungsverfahren“ und der systematische Einbezug der Bevölkerung in den Gewaltprozess – dabei auf ein weiteres Charakteristikum nationalsozialistischer „Bandenbekämpfung“. Denn in der konkreten Praxis öffneten sich durch ihr Zusammenwirken in doppelter Hinsicht große Entscheidungsspielräume für die Kommandeure und Truppenführer vor Ort. Einerseits gilt es in diesem Zusammenhang den spezifischen räumlichen Kontext nationalsozialistischer „Bandenbekämpfung“ im Blick zu halten: Schauplätze der Aktionen waren abgelegene Regionen an der Peripherie des deutschen Herrschaftsbereichs. Dies bedeutete eine gewisse Distanz zu den zentralen, befehlsgebenden Stellen und stattete die Kommandeure und Mannschaftsdienstgrade vor Ort mit einem nicht unbeträchtlichen Maß an Autonomie bei der Umsetzung und Planung von Aktionen aus.66 Andererseits – und eng damit verbunden – ist auch die spezifische Befehlstechnik nationalsozialistischer „Bandenbekämpfung“ in die Analyse einzubeziehen. Gewöhnlich gaben die SS- und Polizeiführer oder die Kommandeure der Ordnungspolizei allgemeine Befehle zur Wiederherstellung von „Sicherheit und Ordnung“ in bestimmten Gegenden aus und überprüften nachträglich die Ergebnisse der Aktionen anhand der eingereichten Tages- oder Wochenberichte ihrer Einheiten.
Vor Ort waren es deshalb die Einsatzführer, die solchen Rahmenbefehlen in ihrer aktuellen Umgebung durch Interpretationsleistungen Bedeutung verliehen und an die Bedingungen vor Ort anpassten. Im Sinne des Führungssystems der Auftragstaktik wurden so Entscheidungskompetenzen an die Kommandeure vor Ort delegiert, die mit einem situativen Ermessensspielraum den Befehlen in ihrem Bereich Sinn verliehen.67 Dies gilt insbesondere für das konkrete Vorgehen im Rahmen des „konzentrischen Säuberungsverfahrens“: Mit welcher Intensität Ortschaften überholt wurden, was das „Durchkämmen“ bestimmter Räume konkret meinte, wie genau bei der „Ermittlung, Feststellung und Auswahl von Banditen, Helfershelfern oder sonstigen verdächtigen und |206|unzuverlässigen Personen“68 vorgegangen wurde, wie weit oder auch eng die Begriffe „verdächtig“, „unzuverlässig“, „Helfer“ oder „Helfershelfer“ ausgelegt wurde – die Ausgestaltung all dieser Bestandteile von Aktionen zur „Bandenbekämpfung“ lag in der Entscheidungsmacht der einzelnen Kommandeure vor Ort, die so zu „Herren über Leben und Tod“ im ländlichen Raum des besetzten Polen wurden.69 Hier zeigt sich einmal mehr, dass das Handeln innerhalb hierarchischer Strukturen sich keineswegs in der Erteilung und Befolgung von Befehlen erschöpft, die eben nur selten eindeutig formuliert sind. Befehle – darauf ist bereits vielfach hingewiesen worden – müssen eben interpretiert und auf lokale Handlungszusammenhänge angepasst werden. In der Regel weisen sie einen unterschiedlich großen Deutungsspielraum auf, der von den Akteuren vor Ort dazu genutzt werden kann, innerhalb bestimmter Parameter durchaus eigenständig zu handeln. „In Umkehrung der sonst für Bürokratien typischen Zunahme von Ermessensspielräumen an der Spitze von Hierarchien“, so hat es Ralph Jessen einmal in einem anderen Zusammenhang formuliert, „verfügte der Polizeibeamte an der Basis, ‚vor Ort‘, über eine durch weite Generalklauseln und wenige Handlungsregeln kaum begrenzte ‚Definitionsmacht‘ der Situation.“70
In diesem Handlungsrahmen entfalteten sich ab Sommer 1942 unzählige Aktionen zur „Bandenbekämpfung“ im besetzten Polen, um „hart und rücksichtslos“ die von Himmler am 9. Juli 1942 geforderte „totale Befriedung der unter deutscher Verwaltung stehenden Gebiete“71 zu erreichen. Das Vorgehen gegen die bewaffneten Gruppen in den Wäldern des Generalgouvernements war dabei zunächst weitgehend eine übliche Aufgabe der über den ländlichen Raum verstreuten Truppen der Ordnungspolizei, die in kleineren Aktionen und alltäglichen Streifzügen „Bandenbekämpfung“ als Alltagspraxis ausübten. Dabei verübten sie zahllose kleinere und größere Massaker an der lokalen Bevölkerung. Insbesondere das motorisierte Gendarmerie-Bataillon überzog die entlegenen ländlichen Räume der Distrikte Radom und Lublin mit solch exzessiver Gewalt, dass bei anderen Einheiten geraunt wurde, „dass dieses Gendarmerie-Bataillon durch das Land fuhr und in rücksichtsloser Weise alles erschoss, was ihm vor die Flinte kam“72.
|207|Einen anschaulichen Bericht über die alltägliche Praxis des Bataillons im Distrikt Lublin liefern die Aufzeichnungen eines Funktrupps, der dem Kradschützenzug des Bataillons zugeordnet war und diesen in die Region Janów, nordostwärts des San gelegen, begleitete. Der dortige Einsatz erfolgte, „[d]a die Bewohner der in diesem Waldgebiet gelegenen Dörfer und Kolonien fast restlos mit den Banden zusammenhalten“73 würden. Aus diesem Grunde sei „eine strenge Überholung“74 aller Dörfer der Region durchzuführen: „Es muss erreicht werden, dass die Banden in den […] Gebieten keine Helfer und Helfershelfer mehr unterhalten können. Bandenunterschlüpfe sind abzubrennen und restlos zu vernichten.“75
Vor dem Hintergrund dieser Befehlslage sollte sich diese Aktion zur „Bandenbekämpfung“ entfalten. In atemloser Diktion notierte der Schreiber das Geschehen des 29. September 1942: „0700 Uhr Abfahrt nach Kolonie Osowek. Dort wurden alle Dorfbewohner zusammengeholt, und nach längerem Verhör etwa 15 Helfershelfer umgelegt. 1 Gehöft wurde in Brand gesteckt. Darauf um 1030 Uhr Abfahrt nach Osowek. Auch dort wurden die Dorfbewohner vor dem Haus des Soltys herangeholt und 14 verdächtige Personen und ein Bandit, der flüchtete, erschossen. Um 1240 Uhr erreichte uns der Befehl, drei näher bezeichnete Dörfer, die als Schlupfwinkel von Verbrechern bekannt wurden, niederzubrennen. […] Durch Funkspruch erhielt ich dort Weisung nach Kruczina weiterzufahren […]. Dort war beim Eintreffen des Funktrupps die Aktion bereits in vollem Gange. Die Zahl der Erschossenen ist nicht bekannt, es können etwa 10 gewesen sein. Das Dorf wurde vollständig niedergebrannt. […] Abfahrt nach Ort 014 [sic!]. Das Dorf war zu 2/3 von den Bewohnern verlassen, der Rest wurde erschossen, das ganze Dorf in Brand gesteckt. Eine weitere Aktion konnte anschließend nicht mehr durchgeführt werden, da der ganze Zug zur Bekämpfung eines Waldbrandes eingesetzt wurde. Um 1830 Uhr war jede Gefahr beseitigt, und der Zug rückte ins Quartier ein.“76 In einer Ergebnismeldung hielt Schwieger fest: „Im Abschnitt II hat der Kradschützenzug […] insgesamt 45 Helfershelfer und Flüchtende erschossen. Feindberührung hat der Zug nicht erhalten.“77 Außerdem seien bei diesem Einsatz |208|„ungefähr 15 bis 20 Gehöfte, die den Banden und Helfershelfern als Unterschlupf gedient haben, abgebrannt“78.
Dieses Beispiel demonstriert, dass die Gewalt nicht der Dynamik eines erbitterten Partisanenkrieges – im Sinne tatsächlicher Kampfhandlungen – entsprang, sondern einer bewusst vorab gewählten Option präventiver Gewalt entsprach.79 Auf bewaffnete Gruppen stießen die deutschen Truppen kaum: „Es handelte sich um einen sogenannten Partisaneneinsatz. Ich muss aber gestehen, daß wir wohl drei Tage lang Wälder durchkämmt haben, aber nicht einen einzigen Partisanen angetroffen haben.“80 Der SS- und Polizeiapparat legitimierte dabei dieses Vorgehen als eine in jeder Hinsicht notwendige Maßnahme: Stehe man doch in einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit „polnischen Banden“, die „mit Unerbittlichkeit, grausam und heimtückisch kämpfen“81 würden: „Sie sind darum nur mit ihren eigenen Methoden zu bekämpfen und rücksichtslos auszurotten.“82 Im Kontext dieser „Bandenbekämpfung“ vermischten sich vor Ort sukzessive die leitenden Begriffe „Bandit“, „Helfer“ und „Helfershelfer“, produzierten definitorische Uneindeutigkeiten, schufen Assoziationen allgegenwärtiger Bedrohung und erzeugten eine jederzeit abrufbare Gewaltbereitschaft.
Das Beispiel des kleinen Dorfes Bialka mag diese Dynamik demonstrieren: In den frühen Morgenstunden des 7. Dezember 1942 kreisten Truppen des I. motorisierten Gendarmerie-Bataillons in Zusammenarbeit mit dem Schützenzug Parczew und einem Jagdkommando des Polizeiregiments 25 das Dorf Bialka am Ostrand des großen, undurchdringlichen Parczewer Waldes ein.83 Dieser Wald galt in besonderer Weise als „bandenverseucht“, als Schlupfwinkel und Rückzugsort verschiedener bewaffneter Gruppen. In seinem Einsatzbefehl an die ihm unterstellten Truppen hielt der Hauptmann der Gendarmerie Kurt Rogall, der stellvertretende Kommandeur des Gendarmerie-Bataillons, apodiktisch fest: „Einwohner des Dorfes Bialka sind als Bandenbegünstiger festgestellt.“84 In das Fadenkreuz des Gendarmerie-Bataillons geriet das Dorf, da „Raubüberfälle an diesem Ort so gut wie nicht verübt worden“85 seien. Für Kurt Rogall und die Männer des Gendarmerie-Bataillons stand aufgrund dieser Beweislage fest, „dass es sich beim größten Teil dieser Bevölkerung um |209|Bandenbegünstiger, wenn nicht Banditen selbst handeln musste.“86 Gendarmerie und Schützenzug sollten die Häuser und Stallungen des Dorfes „überholen“, nach Partisanen, partisanenverdächtigen Personen und Helfershelfern fahnden, „Juden und Flüchtende sind zu erschießen“. Die Leitung der Aktion übernahm der Leutnant der Gendarmerie Ostleitner, der überfallartig mit seinen Männern in das Dorf eindrang, die Einwohner aus ihren Häusern trieb und zur Befragung auf dem Marktplatz versammelte. Bei Vernehmungen des Gendarmerie-Bataillons sollten stets „die schärfsten Mittel“ angewendet werden: Es galt als gesicherte Erfahrung, dass ein „Bandit“ häufig erst dann „gesprächig“ wird, wenn „neben ihm ein Helfershelfer erschossen“ werde.87 Im Zuge dieser Vernehmungen stellten Leutnant Ostleitner und seine Männer „einwandfrei“ fest, dass 101 Männer des Dorfes „Helfershelfer“ der „Banditen“ waren.88 Sie wurden im Anschluss erschossen. Hier deutet sich ein grundlegendes Problem nationalozialistischer „Bandenbekämpfung“ an: In den allermeisten Fällen gelang es eben nicht, die bewaffneten „Banden“ zu stellen, da sich diese vielfach vor dem deutschen Zugriff in die umliegenden Wälder abgesetzt hatten. „Bewaffnete Banden konnten nicht gestellt werden“89, hieß es etwa in einem Einsatzbericht des 1. Gendarmerie-Batallions (mot.). Ein Fehlschlag sei der Einsatz dennoch nicht gewesen: Schließlich habe man an nur einem Tag „81 örtliche Helfershelfer“90 erschiessen können.
Die Eskalation der Gewalt und die Brutalisierung des alltäglichen Lebens auf dem Lande, die zahllosen Dorfeinäscherungen und Massaker im Kontext der „Bandenbekämpfung“, sind vor diesem Hintergrund in erster Linie auf radikale Weisungen in Bezug auf vermeintliche „Helfershelfer“ der Banditen zurückzuführen. Diese Befehle wiesen dabei wiederum ein ambivalentes Verhältnis zur Gewaltentgrenzung auf: In der Regel handelte es sich hierbei um Ermächtigungen zur Gewaltanwendung, die sich explizit auch und vor allem gegen Zivilisten richten sollte. So wurden etwa die Männer der Polizei-Reiter-Abteilung III von ihrem Kommandeur aufgefordert, sich bei Kontakt mit verdächtigen Zivilisten am Grundsatz zu orientieren, „stets den ersten Schuss zu haben“91. Praktisch bedeute dies, so wurde weiter ausgeführt, „dass auch bei nur andeutungsweisem Versuch eines Widerstands von der Schusswaffe Gebrauch zu machen ist“92. Gleichzeitig wollte der Kommandeur jedoch verhindern, dass es zu einer unkontrollierten Eskalation der Gewalt kam. Deshalb schränkte er die Zone der Gewalt gleich wieder ein: „Andererseits ist das wahllose |210|Umlegen verdächtiger Peronen ein strafbarer und würdeloser Unsinn, den ich auf das schärfste verbiete. Ich verbiete jede sinnwidrige Schussabgabe überhaupt.“93 Allerdings hob er diese Gewaltschranke, die gerade erst eingezogen worden war, im folgenden Abschnitt wieder auf: „Bei der Eigenart des Partisanenkampfes kann die Forderung, nur gezieltes Feuer abzugeben, nicht erhoben werden.“94 Insbesondere zwei Aspekte sind bei diesen widersprüchlichen und ambivalenten Befehlen zur „Bandenbekämpfung“ von besonderer Bedeutung: Zum einen waren sie ein Angebot zur Gewaltinititative, eine Ermächtigung zur Gewaltanwendung, auf der anderen Seite bedeutete dies nicht, dass jede Form der Gewalt erlaubt gewesen wäre: „[W]ahllose Knallerei und Munitonsvergeudung“ waren verboten.“95 Zwar wurde die Zone erlaubter Gewaltanwendung im Kontext der „Bandenbekämpfung“ deutlich ausgedehnt, aber nicht jede Form von individueller Eigenmächtigkeit war damit gedeckt. Es wurde zu intensiver Gewaltanwendung ermuntert, die gleichwohl in den kollektiven Strukturen von Befehl und Gehorsam erfolgen sollte. Diese Befehle zielten also immer auf beides: Eskalation der Gewalt, bei gleichzeitger Kontrolle der Ausführenden.96 Zum anderen deuten sich in diesen ambivalenten Befehlen jene zunächst irritierenden Versuche an, im Kontext massenhaften Mordens auf Seiten der Täter eine Unterscheidung zwischen legitimem und illegitimem Verhalten einzuführen. So verbot der Kommandeur der Polizei-Reiter-Abteilung III seinen Männern im bereits erwähnten Befehl alle „Handlungen aus unsauberen Motiven und eigensüchtigen Beweggründen“97. Pointiert formuliert, ging es darum, die Kategorie der Rechtmäßigkeit in einer Konstellation des Massenmords zu etablieren. Die „Bandenbekämpfung“ öffnete einen Handlungsraum, in dem im Grunde alles erlaubt war, aber nur aus den „richtigen“ Motiven. Diese Befehle zielten dabei im Kern auf die Durchsetzung einer „SS-mäßigen“ Haltung, die eine Rücksichtslosigkeit gegenüber den Feinden des Dritten Reiches einforderte, aber Habgier, Eigensucht, Mordlust oder ähnliche Motivstrukturen ausschloss, die auf charakterliche Defizite hinweisen könnten. Keineswegs kreisten diese Überlegungen um die Situation der Opfer, die allen möglichen Formen von Gewalt ausgesetzt waren. Vielmehr versuchte man, das vermeintliche „Ansehen“ der Truppe zu sichern, den normativen Rahmen der Institution zu stabilisieren und die Funktionsfähigkeit des Gewaltaapparates zu garantieren. Allein die Notwendigkeit, in Befehlen zur |211|„Bandenbekämpfung“ immer wieder das Verbot „gewaltsamer Ausschweifungen“ in Erinnerung zu rufen, deutet dabei jedoch an, dass zwischen dem Idealbild vom „anständigen“ SS-Krieger und der Realität deutscher Gewaltpraxis Welten lagen.
Nichts verdeutlicht dies besser als der Umgang mit Frauen im Kontext einer „Bandenbekämpfung“, die zunehmend auch traditionelle Grenzen militärischer Auseinandersetzungen für irrelevant erklärte. Die deutsche „Bandenbekämpfung“ brach mit der „männlichen Matrix des Krieges“98, dem kulturellen Verständnis des Krieges als einer Auseinandersetzung zwischen Männern. Zunehmend verschoben sich diese traditionellen Parameter der Kampfführung, indem nun auch Frauen in eine radikalisierte Feindprojektion integriert wurden.99 Insbesondere alleinstehende Frauen gerieten in den Verdacht, als „Banditenbräute“ und „Flintenweiber“ den bewaffneten Gruppen Rückhalt, Unterstützung und Schutz zu geben. So stellte das I. Gendarmerie-Bataillon im Zuge diverser Streifgänge durch den ländlichen Raum gleich mehrere Frauen als „Banditenbräute“ fest, bei denen „größere Mengen Fleisch- und Wurstwaren gefunden“ wurden. Kommandeur Schwieger hielt zufrieden in seinem Diensttagebuch fest: „Ein Erfolg wurde durch die Unschädlichmachung von weiblichen Helfershelfern erreicht. 3 Frauen wohnten allein dicht am Waldrand in einem neu erbauten Haus. Hier hatten die Banditen mit den Frauen Vergnügungen abgehalten. Solche Nester müssen überall festgestellt und vernichtet werden, damit sie im kommenden Winter nicht wieder Unterschlupf für Banditen sein können.“100 Grundsätzlich war der Kommandeur der Auffassung, „dass sehr viele alleinstehende Frauen und junge Mädchen z.T. gezwungen und z.T. freiwillig in dieser Weise zu den Banditen halten. Es wird notwendig sein, die so festgestellten Unterschlüpfe der Banditen restlos zu verbrennen.“101 Schwieger mahnte an, dass „auf Frauen viel zu wenig geachtet“ werde, dabei seien „sie unter Umständen noch gefährlicher als die Männer“.102
Die Truppen der deutschen Ordnungspolizei durchstießen im Zuge der „Bandenbekämpfung“ letzte mentale Barrieren und entfesselten einen potentiell grenzenlosen Krieg gegen die polnische Landbevölkerung. Im Zuge einer Vernehmung durch das Hessische Landeskriminalamt gab ein Angehöriger des 1. Gendarmerie-Bataillons (mot.) Einblick in die Dynamik dieser Aktionen: „Alles was im Walde bei einer solchen Durchsuchung angetroffen wurde, ganz |212|gleich ob bewaffnet oder unbewaffnet, sehr alt oder sehr jung, Frau oder Mann, wurde von uns […] an Ort und Stelle erschossen.“103 Gelegentlich sah sich die Sicherheitspolizei sogar gezwungen, den Eifer ihrer Kollegen mit dem Hinweis abzubremsen, dass Gefangene nicht sofort erschossen, sondern zunächst als mögliche Träger wichtiger Informationen verhört werden sollten.104
Gleichzeitig rückte die „Bandenbekämpfung“ im besetzten Polen in jene „verhängnisvolle Nähe“105 zu allen wesentlichen Politikfeldern der deutschen Besatzungsherrschaft, die das Jahr 1942 prägten und wesentlich zur Dynamisierung der Gewalt im Rahmen von „Bandenkampfaktionen“ beitrugen. Im Folgenden soll darum die Verflechtung der Partisanenbekämpfung mit parallelen Gewaltkomplexen und Ausbeutungsmaßnahmen durch Seitenblicke in Ansätzen geschildert werden.
Auf die Verbindung von Partisanenbekämpfung und Judenmord ist von der Forschung vielfach hingewiesen worden.106 Die Aktionen zur „Bandenbekämpfung“ lieferten einen Rahmen, in dem zum einen in so genannten „Judenjagden“ untergetauchte und versteckte jüdische Flüchtlinge aufgespürt und ermordet wurden und zum anderen die noch existierenden Ghettos des ländlichen Raums im Zuge von Bandenkampfaktionen aufgelöst und deren Einwohner erschossen werden konnten.107
In der alltäglichen Praxis der „Bandenbekämpfung“ vor Ort hegte etwa das motorisierte Gendarmerie-Bataillon die Befürchtung, „dass die Banditen durch die entwichenen Juden erheblichen Auftrieb erhalten würden“. Das Bataillon hielt es daher für eine „vordringliche Aufgabe, endlich einmal klare Verhältnisse zu schaffen“.108 Ein Angehöriger des Bataillons erinnerte den Nexus von „Bandenkampf“ und „Endlösung“ folgendermaßen: „Es war damals so, dass jeweils vor dem Ausrücken zu einem Polizeieinsatz von dem Gruppenführer oder dem Zugführer, je nachdem, in welcher Stärke wir ausrückten, gesagt worden ist, dass bei eventuellen Durchsuchungen von Wäldern oder |213|Ortschaften nach Partisanen, Partisanenverdächtigen oder Waffen, angetroffene Juden ohne weiteres zu erschießen seien, ganz gleich, ob es sich um Männer, Frauen oder Kinder handelt, ob diese Juden nun Partisanen, partisanenverdächtig oder unverdächtig waren […]. Uns war allen klar, dass Juden, sobald sie angetroffen wurden, ‚umzulegen seien‘.“109
Ein Beispiel mag diesen Zusammenhang demonstrieren: So führten deutsche Polizeieinheiten am 12. Juli 1942 in dem Dorf Garbatka-Letnisko eine Aktion zur „Bandenbekämpfung“ durch, nachdem es in der Umgebung einen Anschlag auf einen Zug gegeben hatte. Über 300 Einwohner Garbatkas und der umliegenden Ortschaften wurden in einer „Sühnemaßnahme“ verhaftet und erschossen. Im Verlauf dieser Aktion drangen deutsche Polizisten auch in das Ghetto in Garbatka ein und töteten etwa 30 Juden an Ort und Stelle. Eine größere Gruppe von etwa 60 Juden wurde in den umliegenden Wälder erschossen; 74 Juden Garbatkas deportierten die Polizisten in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, wo sie innerhalb kürzester Zeit ermordet wurden.110 Rückblickend rationalisierte Heinrich Himmler diese „Aktionen“ in einer Rede vor Generälen in Sonthofen: „Die Ghettos waren, so abgeschlossen sie auch gewesen sein mögen, die Zentrale jeder Partisanen- und Bandenbewegung.“111
Das Auftreten kleinerer, bewaffneter Gruppen in den Wäldern des besetzten Polen machte den deutschen Entscheidungsträgern vor allem im Hinblick auf den kriegswirtschaftlichen Beitrag des Generalgouvernements große Sorgen. Um die massiven Forderungen der Berliner Zentralbehörden nach landwirtschaftlichen Produkten und Zwangsarbeitern erfüllen zu können, wurden die Aktionen der „Bandenbekämpfung“ zunehmend mit der Eintreibung von Kontingenten und der Zwangsarbeiterrekrutierung verknüpft. Hier entwickelte sich eine enge Kooperation zwischen dem SS- und Polizeiapparat und der Zivilverwaltung bei der Planung und Durchführung von Aktionen zur „Bandenbekämpfung“: So forderte beispielsweise Karl Naumann, der Leiter der Hauptabteilung Ernährung und Landwirtschaft, angesichts der erhöhten Forderungen zur Ablieferung von landwirtschaftlichen Kontingenten, „die Erfassung […] mit allen Ihnen zu Gebote stehenden Mitteln der Exkutive durchzusetzen“112. Dadurch erhielten bestimmte Maßnahmen im Rahmen der „Bandenbekämpfung“ aus der Perspektive der eingesetzten Truppen vermeintlich kriegswirtschaftliche Legitimität. Im Kontext dieses so legitimierten Gewalteinsatzes galt der Grundsatz, dass „von sogenannten Banditen angerichtete |214|Schäden an Deutschen oder deutschen Interessen dienenden Gütern und Objekten, insbesondere an Erntevorräten […], die Einwohner des betreffenden Ortes mit dem Verlust ihrer Heimat und ihres Lebens bezahlen [müssen]. Ausreden können wir nicht gelten lassen, da wir wissen, dass die Banditen und ihre Helfershelfer in den Ortschaften sitzen und der Bevölkerung bekannt sind.“113
So umstellten am 7. August 1942 das II. Bataillon des Polizeiregiments 25, der Reiterzug Jozefow und Teile des motorisierten Gendarmerie-Bataillons das Dorf Aleksandrow, etwa 15 Kilometer südöstlich von Bilgoraj.114 Wie später im Einsatzbericht festgehalten wurde, „lehnten [die Dorfeinwohner von Aleksandrow] es ab, den Deutschen Staat zu unterstützen, in dem sie sich weigerten, irgendwelche Kontingente abzuliefern.“115 Außerdem sei bekannt gewesen, dass die Dorfeinwohner Partisanengruppen in den Wäldern „weitgehendst“ unterstützen würden. Dadurch verloren sie in der Perspektive der deutschen Polizei ihre Funktion und in der Konsequenz ihre Existenzberechtigung. Das Dorf wurde umstellt, sämtliche Einwohner im Alter von 12 bis 60 Jahren evakuiert und in das Konzentrationslager Majdanek deportiert. Das Vieh, Getreide und sämtliche landwirtschaftlichen Geräte requirierten die deutschen Polizisten und verteilten sie auf die umliegenden Dörfer. „Nach der Räumung des Dorfes wurde Aleksandrow zur gleichen Zeit von allen Seiten in Brand gesteckt und dem Erdboden gleichgemacht.“116
Auch die Rekrutierung von Zwangsarbeitern wurde mit der „Bandenbekämpfung“ verbunden. Ab Mitte September 1942 kursierte in den Amtsstuben des Kommandeurs der Ordnungspolizei Lublin eine Weisung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, Fritz Sauckel, demzufolge das Generalgouvernement „bis Ende des Jahres [1942] 140.000 Arbeitskräfte für den Einsatz im Reich für Ernährungs- und Rüstungswirtschaft zu stellen“117 habe. Die deutschen Polizeikräfte verschleppten nun im Rahmen ihrer Aktionen zur Partisanenbekämpfung zunehmend junge Männer zur Zwangsarbeit. Freiwillige Meldungen zum Arbeitseinsatz kamen aufgrund jahrelanger Erfahrungen mit einer gewalttätigen deutschen Herrschaft kaum noch vor. In der Konsequenz versuchte der deutsche Besatzungsapparat, mit brutaler Gewalt die Berliner Vorgaben zu erfüllen. „Der jüngere Bevölkerungsteil fürchtet sich vor der Erfassung für den auswärtigen Einsatz“, hielt etwa Hermann Schwieger fest, „und zeigt damit, dass er nicht gewillt ist, an der zu leistenden Aufbauarbeit teilzunehmen. Darum bestanden auch keine Bedenken, derartige Elemente auf |215|der Flucht zu erschiessen.“118 Beim 1. Gendarmerie-Bataillon (mot.) etwa herrschte die Devise: „Was wegläuft, wird erschossen.“119
Noch Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Herrschaft in Polen wurden die dabei ergriffenen Maßnahmen von Angehörigen der deutschen Gendarmerie als durchaus verhaltensadäquat charakterisiert. Theodor M. beschrieb im Jahre 1962, wie er „mehrmals mit weiteren Kameraden zu einer Einheit abgestellt worden“ sei, „die junge männliche Polen zusammenholte, um diese zum Arbeitseinsatz nach Deutschland zu schicken.“120 M. erinnerte sich, dass Einheiten die entsprechenden Ortschaften „wie üblich bei derartigen Aktionen“121 umstellten, in das Dorf eindrangen und Männer in arbeitsfähigen Alter suchten: „Es war so, dass wir jeweils zu zweit in ein Haus gegangen sind und falls wir einen geeigneten Mann antrafen, wurde dieser aufgefordert, mitzukommen. Falls dies nicht freiwillig erfolgte, musste er trotzdem mitgenommen werden.“122 Auf Nachfrage des ermittelnden Kriminalbeamten, ob es hierbei zu Ausschreitungen, Misshandlungen oder anderen Gewalttätigkeiten gekommen sei, antwortete M.: „Nein. Wenn so ein Pole einmal einen Schuhtritt in den Arsch gekriegt hat, so ist das für mich noch keine Mißhandlung.“123 Und auch bei solchen Aktionen galt in seiner Erinnerung das grundsätzliche Handlungsprinzip der Einheit im „Bandenkampf“: „Geschossen wurde bei jeder Aktion.“124
Die Anfänge der „Bandenbekämpfung“ fielen zeitlich zusammen mit einem bedeutsamen Radikalisierungsschub der deutschen Besatzungspolitik, der gekennzeichnet war durch die Ermordung der polnischen Juden, das intendierte Massensterben der sowjetischen Kriegsgefangenen, eine intensivierte Ausbeutung der polnischen Landwirtschaft und massenhafte Zwangsarbeiterrekrutierungen. Die Entwicklung von Partisanengruppen war eng mit dieser besatzungspolitischen Brutalisierung verbunden und schuf auf Seiten des deutschen Besatzungsapparates ein Gefühl unmittelbarer Bedrohung, dem mit den Gewaltmethoden der „Bandenbekämpfung“ begegnet wurde. Dabei verzahnte sich die „Bandenbekämpfung“ mit den radikalisierten Politikbereichen des Jahres 1942 und bildete einen entgrenzten Handlungsrahmen für ein breites Spektrum von Gewalt gegen Zivilisten im ländlichen Raum. Systematisch ist die deutsche Partisanenbekämpfung innerhalb der vielfach verflochtenen Strukturen von Gewalt gegen verschiedene Opfergruppen zu verorten und erfasste neben jüdischen und sowjetischen Flüchtlingen der großen Gewaltkomplexe des Jahres 1942 auch und vor allem die polnische Landbevölkerung. Auf |216|Grundlage einer radikalen Feindprojektion entwickelte sich die „Bandenbekämpfung“ zu einer Vielzahl kleinerer Feldzüge gegen die polnische Landbevölkerung, in deren Rahmen zur Wiederherstellung von „Sicherheit“ Gewalt gegen alle potentiellen Unruhestifter angewendet wurde. In der Praxis führte dieses Vorgehen zu einer ausgreifenden Veralltäglichung von Gewalt im ländlichen Raum, der laut einer Statistik des Befehlshabers der Sicherheitspolizei bis zum Jahresende 1942 17.386 „Banditen“ zum Opfer fielen.125
Ein wesentliches Kennzeichen nationalsozialistischer Herrschaft in Polen – darauf wurde in dieser Studie bereits hingewiesen – war das Spannungsverhältnis zwischen der Fortführung des staatlichen Gewaltmonopols und seiner doppelten Entgrenzung: einer Ausdehnung und Privatisierung staatlicher Gewalt gegen „Fremdvölkische“. Dazu installierten die Nationalsozialisten eine spezifische Ordnung der Gewalt, die eine weitreichende Unterscheidung einführte: Sie differenzierte zwischen jenen, die Gewalt anwenden und von ihr profitieren durften, und denen, die Gewalt nicht ausüben durften, sondern sie erleiden mussten. In den ersten beiden Jahren der deutschen Herrschaft lief diese Trennlinie weitgehend entlang ethnischer Kriterien: Während die Volksdeutschen mit umfangreichen Gewaltlizenzen ausgestattet und zur Gewaltanwendung ermächtigt wurden, entzog man den Polen jegliches Recht zur Gewaltausübung und erklärte sie zu legitimen Zielen von Gewalthandlungen.
Auch in dieser Hinsicht markierte „1942“ eine Zäsur: Verschoben sich doch im Kontext der „Bandenbekämpfung“ – zumindest in Ansätzen – die Parameter dieser nationalsozialistischen Gewaltordnung, die das Recht zur legitimen Ausübung von Gewalt bislang bei den Reichs- und Volksdeutschen monopolisiert hatte. In bestimmten Situationen und unter spezifischen Bedingungen, so läßt sich nur wenig vereinfachend sagen, richteten die Nationalsozialisten ab 1942 vielfältige Beteiligungsangebote und -aufforderungen an die polnische Bevölkerung des ländlichen Raums.126 So wurden die polnischen Einwohner vielfach „zur Mitfahdnung im Interesse der Bandenbekämpfung“127 aufgefordert. |217|In jedem kleinen Dorf wurden Plakate aufgehängt, „die zur gemeinsamen Bandenbekämpfung“128 aufforderten: „Duldet keine Kriegsgefangenen, keine Banditen, keine Verbrecher, keine politischen Rädelsführer und keine Faulenzer in Euren Gehöften und Dörfern. […] Meldet sie sofort der Polizei und helft der Polizei, sie zu ergreifen.“129 Dabei wurden die polnischen Einwohner auch zu Eigeninitiative angeregt, zur Selbstjustiz ermuntert und zu eigenständigen Tötungen von „Banditen“ ermächtigt: „Bewaffnet Euch mit Knüppeln, Sensen, Äxten usw., bildet Ortswachen und bewacht Euer Eigentum. Wehrt Euch gegen die Verbrecherbanden und ruft die Polizei zur Hilfe. Wer einen Verbrecher totschlägt, handelt in Notwehr und ist straffrei.“130 Gleichzeitig wurde in diesem Zusammenhang auch die Aussicht auf Belohnung gegeben: „Wer der Polizei in dieser Weise hilft, wird auch von uns unterstützt. Wer Hinweise gibt, die zur Ergreifung von Banditen und ihren Helfern führen, wird von uns belohnt. Wer Banditen und Helfer ergreift oder unschädlich macht, wird besonders unterstützt werden.“131
Hier zeichnen sich die Konturen eines Interaktionsverhältnisses ab, das von deutscher Seite angesichts des notorischen Personalmangels auf unterschiedliche Weise forciert wurde. Im Grunde schien der Einbezug der polnischen Landbevölkerung in die „Bandenbekämpfung“ beinahe alternativlos: Nur dies versprach einen zielgerichteten Zugriff auf und eine erfolgreiche Bekämpfung der „Banden“. So eröffnete die Konstellation der „Bandenbekämpfung“ den polnischen Bauern neue Handlungsoptionen, schuf Möglichkeiten, aber auch Zwänge zur Teilnahme. Dadurch verschob sich – räumlich und zeitlich variierend – die Statik der nationalsozialistischen Gewaltordnung: Zwar blieben die polnischen Einwohner des ländlichen Raums in erster Linie zweifellos Objekte der Gewalt und Zielscheibe nationalsozialistischer „Bandenbekämpfung“. Jedoch eröffneten sich ihnen hierbei gleichzeitig vielfältige Gelegenheiten, punktuell selbst als Akteure der Gewalt aufzutreten. Dennoch ist diese Form staatlich legitimierter privater Gewalt nicht mit der Austeilung von Gewaltlizenzen an die Volksdeutschen im Jahre 1939 gleichzusetzen.
Während volksdeutsche Partizipation in der Regel einen hohen Grad an Freiwilligkeit aufwies, wird man sich dieser Frage im Falle der Beteiligung polnischer Bauern an der nationalsozialistischen „Bandenbekämpfung“ differenzierter und vorsichtiger nähern müssen. Hier ist ein fallweise jeweils unterschiedlich intensives Einschüchterungs- und Bedrohungspotential der deutschen Besatzungstruppen in die Bewertung einzubeziehen. So handelte es |218|sich aus deutscher Perspektive keineswegs um ein Angebot, das einfach ergriffen, ignoriert oder unterlaufen werden konnte. Vielmehr stand hinter diesen Bemühungen um eine aktive Teilnahme der Bevölkerung stets die nötigende Gewaltandrohung: „Wer das nicht tut, ist auch für uns ein Bandit.“132 Jede Weigerung, sich in der „Bandenbekämpfung“ zu engagieren, konnte daher als potentielle Unterstützung der „Banditen“ gedeutet werden: Schon eine verzögerte Meldung über die Anwesenheit von „Banden“ in der Nähe bestimmter Dörfer etwa konnte dazu führen, dass diese „in den Verdacht [gerieten, D. B.], mit den Banditen gemeinsame Sache zu machen“133. Unmissverständlich machten die deutschen Polizisten den polnischen Einwohnern dabei deutlich, welche Konsequenzen sie zu tragen hätten: „Alle, die ihnen helfen oder ihnen Kleidung, Nahrung, Waffen oder Unterkunft gewähren, werden erschossen. Ihre Höfe werden enteignet oder verbrannt.“134 Vielfach waren es genau diese Gewalterfahrungen, die dazu führten, dass sich die polnischen Bauern an den unterschiedlichen Aktionen zur „Bandenbekämpfung“ beteiligten: „Die Überholung dieser Ortschaften führte nunmehr zu dem Erfolg, daß sich die Einwohner äußerst aktiv an der Ergreifung der Banditen beteiligten.“135 Zuweilen wurde der Begriff des „Helfershelfers“ in diesem Kontext so weit gefasst, dass auch solche „Personen zu Rechenschaft zu ziehen“ waren, „die sich geweigert haben, gegen die Banditen vorzugehen“136.
Während die nobilitierende Kategorie der Volksdeutschen zu eigener Gewaltausübung ermächtigte und zugleich vor nationalsozialistischer Gewalt schützte, waren die Aufforderungen an die polnische Bevölkerung keineswegs mit einem umfassenden Sicherheitsversprechen verbunden. Die Beteiligung an der „Bandenbekämpfung“ bot lediglich punktuellen Schutz vor deutscher Gewalt: So entstand eine Situtation wiederholten Unsicherheit, in der die polnische |219|Bevölkerung immer wieder ihre Kooperationsbereitschaft beweisen musste. Ohne einen solchen wiederholten Nachweis drohte sie, erneut zu Objekten der Gewalt erklärt zu werden.
Die deutschen Versuche, die polnischen Bauern für eine Teilnahme an der „Bandenbekämpfung“ zu aktivieren, enpuppten sich also als Mischung aus Aufforderung und Zwang, Belohnung und Bedrohung. Jedoch waren aus der Perspektive der polnischen Bauern nicht nur die deutschen Integrationsversuche von Bedeutung. Vielmehr gilt es in diesem Zusammenhang auch auf die Aktionen der bewaffneten Gruppierungen und des polnischen Untergrunds, die durchaus verhaltensnormierende Kraft entfalten konnten. So beklagten deutsche Einheiten wiederholt, die mangelnde Kooperationsbereitschaft polnischer Bauern: „Alle stehen unter einem starken Druck vor Rachemaßnahmen der Banditen.“137 Dies verweist auf einen bedeutenden Faktor, der das Verhalten polnischer Bauern im Kontext der „Bandenbekämpfung“ beeinflussen sollte: Die Angst vor Vergeltung durch die Denunzierten, die Furcht vor der normierenden Gewalt des polnischen Untergrunds, der immer wieder versuchte, bestimmte Formen der Kooperation mit den Besatzern zu unterbinden. Es war eine zunehmend ausweglose Situation, in der sich die polnischen Bauern befanden: Konfrontiert mit gewaltgestützten deutschen Beteiligungsaufforderungen und den Verhaltenserwartungen des polnischen Untergrunds, mussten die polnischen Bauern geschickt manövrieren, um nicht zwischen die Mühlsteine der Auseinandersetzung von deutschen Besatzungstruppen und bewaffneten Gruppierungen zu geraten.138
Vor diesem Hintergrund entfaltete sich die Partizipation der polnischen Landbevölkerung an der Bekämpfung jener bewaffneten Gruppierungen, die sich in den Wäldern des besetzten Polen verschanzt hatten. Im Folgenden sollen die unterschiedlichen Formen der Kooperation dargestellt werden, die zwischen individueller Beteiligung und institutioneller Einbindung changierte. Keineswegs kann es dabei um eine erschöpfende Behandlung dieses Themenkomplexes gehen: Vielmehr sollen die großen Linien identifiziert werden, um die grundlegenden Konstellationen polnischer Beteiligung an der „Bandenbekämpfung“ auszuleuchten.139
Zunächst sind an dieser Stelle die Formen institutioneller Kooperation von Bedeutung. Im Kontext der „Bandenbekämpfung“ spielten hierbei insbesondere zwei Formationen eine größere Rolle. Insbesondere sind in diesem Zusammenhang die Ortsschutzwachen zu nennen, die in jedem Dorf für Ruhe und Ordnung sorgen sollten. Es ist dabei bemerkenswert, dass diese Formationen von den Protagonisten der nationalsozialistischen „Bandenbekämpfung“ |220|auch als „Selbstschutz“ bezeichnet wurden.140 Dieser semantische Brückenschlag zum „Volksdeutschen Selbstschutz“ verweist nochmals auf die unterschiedlichen Dimensionen des Begriffs: Als Ermächtigungsbegriff legitimitert er die Anwendung von Gewalt zum eigenen Schutz, impliziert jedoch zugleich die Aufforderung, sich aktiv an der Herstellung von Sicherheit zu beteiligen. Die polnischen Bauern durften sich gewalttätig in der „Bandenbekämpfung“ engagieren, gleichzeitig wurde das aber auch von ihnen erwartet. Darüber hinaus verdeutlicht die Verwendung des Begriffs die strukturelle Verbindung zwischen beiden Ermächtigungsprozessen, die beide – allen bereits herausgearbeiteten Unterschieden zum Trotz – auf eine Etablierung staatlich legitimierter privater Gewalt hinausliefen. Unter dem Kommando lokaler Einheiten der Gendarmerie wurden die Einheiten des polnischen „Selbstschutzes“ mit „wirksamen Schlag- und Stichinstrumenten“141 ausgestattet und „zur aktiven Bandenbekämpfung von der Ordnungspolizei aufgerufen und eingesetzt“142. Ihr konkretes Verhalten während der Aktionen wiederum entschied über ihr Schicksal: „Tatkräftige Selbstschutzleute sind in wirtschaftlicher Hinsicht zu unterstützen. […] Wer vom Selbstschutz Verrat zu Gunsten der Banditen betreibt, wird erschossen.“143 Auch hier deutet sich das Drohpotential der deutschen Besatzungsmacht an, das ganz wesentlich zur Kooperationsbereitschaft beigetragen haben dürfte. Gleichwohl ist zu konstatieren, dass sich den Schutzmännern in der Praxis vielfältige Möglichkeiten boten, sich die Aktionen zur „Bandenbekämpfung“ eigensinnig anzueignen: In den Quellen findet sich beispielsweise eine Fülle von Hinweisen, dass Schutzmänner im Kontext der „Bandenbekämpfung“ immer wieder Diebstähle und Plünderungen durchführten. Die „Bandenbekämpfung“ war für sie also offenkundig eine günstige Gelegenheit zur individuellen Bereicherung.144
Darüber hinaus waren auch die Angehörigen der Polnischen Polizei aktiv an den Einsätzen im Rahmen der „Bandenbekämpfung“ routinemäßig beteiligt. Sie führten innerhalb ihres Postenbezirks eigenständig Erkundungsfahrten durch, waren überdies vielfach bestens vernetzt innerhalb der örtlichen Gemeinschaften und hatten so Zugang zu intimen Informationen und Gerüchten aus dem dörflichen Milieu. Dies war eine wichtige Ergänzung, aber auch Korrektur der deutschen Kenntnisse.145 Diese dienten vielfach ganz konkret zur Initiierung von größeren und kleineren Aktion zur „Bandenbekämpfung“. So informierte beispielsweise ein Postenführer der Polnischen Polizei in Ludwin, Podlecki, den Kommandanten der Gendarmerie in Lenschna über die Existenz |221|von zwei großen Banden in seinem Bezirk. Der Postenführer konnte dabei die Stärke, Bewaffnung und personelle Zusammensetzung der Banden referieren und schloss seinen Bericht mit der Forderung: „Nach meiner Meinung möchte es gut sein eine Großaktion durchzuführen, um die Banden zu vernichten und desto mehr jetzt, da die Ernte eingebracht wird. Gebe noch zu, daß in letzter Zeit die Banden sich verstärkten durch neue Kräfte, welche aus anderer Gegend kamen.“146 Dieser Forderung des polnischen Postenführers sollte kurze Zeit später das 1. Gendarmerie-Bataillon (mot.) nachkommen: Im Zuge dieses Einsatzes ermordeten seine Angehörigen 76 Menschen, „die der aktiven Beteiligung am Bandenunwesen und Helfershelfer beschuldigt wurden“147. Außerdem brannten sie fünf Höfe von polnischen Bauern bis auf die Grundmauern nieder, da sie „sich aktiv am Bandenunwesen beteiligt“148 hätten.
Für Podlecki hingegen sollte sich sein Engagement auszahlen: Nur ein halbes Jahr später, im Mai 1943, schickte der polnische Gemeindesekretär Ludwins einen regelrechten Hilferuf an den KdO Lublin. Podlecki und seine Männer der Polnischen Polizei hatten offenkundig im Gefühl eigener Unantastbarkeit ihre Machtposition ausgespielt: „Beim Streifendienst“, so berichtet der Gemeindesekretär, „erpresst die poln. Polizei von den Leuten das Letzte und läßt sich z.B. 10 Kg. Speck, 8 Kg. Butter, 100 Eier und 20 Hühner geben und dann Herzen frißt und säuft die ganzen Nächte durch. Im Morgengrauen gehen die Huren dann nach Hause und die Polizei schläft ruhig weiter und könnte daher sehr leicht entwaffnet werden. Statt der Polizei benützen die Bauern die Gewehre und schießen im dorf herum. […] Die Polizei ist mit dem Erpressen weit schlimmer als die Banditen. […] Ich bin gezwungen diese Anzeige zu machen, da die ganze Bevölkerung über diese Verhältnisse stark empört ist. Die Bevölkerung wünscht, daß die poln. Polizei […] wegkommt, weil diese […] Schweinerei ausüben.“149 Insbesondere der Postenführer Podlecki wird in diesem Brief als „wahnsinniger Mensch“150 bezeichnet, der jedem Kontrahenten „mit seiner Beseitigung“151 drohe. Jedoch stieß dieser Brief innerhalb des deutschen Besatzungsapparates auf wenig Resonanz: Podlecki galt hier „als eifriger Bandenbekämpfer“152, der sich „bei diesen Gelegenheiten […] schon persönlich hervorgetan“153 habe. Aus diesem Grunde, so der Führer des Gendarmerie-Postens Piaski, würde Podlecki „[v]on mißgestimmten Volksgenossen […] als |222|Mörder und Schuft benannt“154. Deshalb, so die abschließende Beurteilung des Kommandeurs des Gendarmerie-Zugs Lublin, handele es sich bei den „erhobenen Anschuldigungen […] mit großer Wahrscheinlichkeit [um, D. B.] einen Racheakt außenstehender [sic!]“155 an einem besonders „diensteifrigen Beamten“156.
Zwei Aspekte sind in diesem Zusammenhang von größerer Bedeutung: So ist es angesichts der deutschen Gewaltpraxis doch überraschend, dass sich ein polnischer Beamter im Jahre 1943 an eine deutsche Dienststelle wendete, um die Eigenmächtigkeiten und Exzesse eines polnischen Polizisten anzuklagen. Dies mag auf die besondere Hilflosigkeit angesichts des gewaltsamen Auftretens Podleckis hinweisen. Gleichzeitig könnte es aber auch darauf hindeuten, dass die alltäglichen Beziehungen zwischen Deutschen und Polen durch regelmäßigen Kontakt in lokalen Zusammenhängen enger waren als vielleicht vermutet, so dass die eingereichte Beschwerde keineswegs die Grenzen des Sagbaren überschritten hat.157 Andererseits ist die Argumentationsstruktur der deutschen Dienststellen ebenso bemerkenswert: Offenkundig wurden besonders engagierte „Bandenbekämpfer“ zuweilen mit einer „carte blanche“ ausgestattet, so lange sie aktiv an der „Bandenbekämpfung“ teilnahmen. Das Verhalten außerhalb der Konstellation der „Bandenbekämpfung“ spielte dann womöglich nur eine untergeordnete Rolle. Das resultat- und effizienzorientierte Denken des SS- und Polizeiapparates deutet ebenso in diese Richtung wie das eigene promille- und exzessaffine Verhalten deutscher Polizisten.158 Dieses Beispiel demonstriert besonders anschaulich die Handlungsspielräume polnischer Polizisten in der Konstellation der „Bandenbekämpfung“.159
Allerdings ließen sich gegenläufige Beispiele anführen, die von einer engen Kooperation der Polnischen Polizei mit den bewaffneten Gruppierungen zeugen. Vielfach waren die deutschen Polizisten unzufrieden mit den Angehörigen der Polnischen Polizei, die – wie bereits erwähnt – in besonderer Weise im Fokus des polnischen Untergrunds standen: So wurden von deutscher Seite immer wieder Forderungen nach einer „Säuberung der poln. Polizei von unzuverlässigen |223|Elementen“160 vorgetragen. Diese Zweifel an der Zuverlässigkeit der Polnischen Polizei intensivierten sich im Zeitablauf und schlugen insbesondere nach dem breiten Widerstand gegen die „Aktion Zamość“ in blankes Mißtrauen um: „Die polnische Polizei ist meines Erachtens vollständig unzuverlässig“, hielt der Kommandeur des 1. Gendarmerie-Bataillons ernüchtert fest. „Es ist ausgeschlossen, daß kein polnischer Polizist von den Aufstandvorbereitungen etwas gemerkt hat. Ich glaube vielmehr, daß diese Männer teilweise aktiv mitgewirkt haben. Für besonders unzuverlässig halte ich die immer noch vorhandenen polnischen Polizeioffiziere. Aus diesem Gebiet müssen die polnischen Polizeioffiziere restlos entfernt werden. […] Für die Bekämpfung einer Aufstandsbewegung sind sie [die polnischen Polizisten, D. B.] jedenfalls denkbar ungeeignet. Die im Einsatzraum während des Einsatzes eingesetzten polnischen Polizeikräfte haben meines Wissens auch nicht den geringsten Erfolg gehabt.“161
Von diesen Formen institutionalisierter Kooperation ist die individuelle Zusammenarbeit zwischen Besatzern und Besetzten im ländlichen Raum zu unterscheiden. So nutzten viele polnische Bauern ihr lokales Wissen, um vermeintliche „Banditen“ oder „Helfershelfer“ bei Einheiten der deutschen Polizei zu denunzieren. Solche Eingaben bei Gendarmerieposten waren Legion: Aus einer Fülle von Beispielen sei an dieser Stelle eine Eingabe zitiert, die im Mai 1942 bei der Polizeiwache in Lubartow einging: Darin informierte ein anonymer Denunziant die deutschen Polizisten über Vorgänge im kleinen Dorf Jedlanka Nowa. Hier, so schrieb der Denunziant, wohne „ein Bonifacy Zawistawski, er ist in der Getreide Kommission [sic!]“162. Der Denunziant gab dabei folgendes über Zawistawski zu Protokoll: „Bei ihnen verweilen oft polnische Offiziere, die mit Hoffnung leben, daß am 20. Mai 1942 müssen sie einen großen Partisanen Aufruhr machen. […] Ich bitte Euch, es ist alles die Wahrheit, was ich schreibe. Die Offiziere kommen jedes Monat zu ihnen gefahren und bleiben ein paar Tage und fahren weiter und der Bonifacy sagte immer, daß schon nicht lange!“163 Ob es die Angst vor Vergeltungsschlägen, die Möglichkeit, alte Rechnungen zu begleichen, oder die Aussicht auf materielle Belohnung war – die Motivstrukturen dieses Denunzianten sind nicht mehr zu rekonstruieren. Aber diese und zahllose weitere Denunziationen verdeutlichen, dass polnische Bauern zumindest punktuell bereit waren, sich an den deutschen Gewaltmaßnahmen zu beteiligen. Aus deutscher Perspektive war diese Denunziationspraxis eine wichtige Ergänzung des eigenen Handelns: Boten die denunziatorischen Eingaben doch Einblicke in lokale Verhältnisse, die den |224|nur spärlich über den ländlichen Raum verteilten Polizisten ansonsten verwehrt geblieben wären.
In eine ganz ähnliche Richtung zielte dabei auch der Aufbau eines Netzwerks von V-Leuten, die von Truppen der deutschen Ordnungspolizei gezielt angeworben wurden. Sie sollten wichtige Aufklärungsarbeiten im Vorfeld von Aktionen zur „Bandenbekämpfung“ leisten, die „Banden“ und ihre „Helfershelfer“ lokalisieren, mögliche Fluchtwege identifizieren, um einen möglichst zielgerichteten Zugriff zu ermöglichen. Den V-Leuten sollten dabei von deutscher Seite „unauffällig wirtschaftliche Vorteile gewährt, Geldbeträge gegeben und Versprechungen für später gemacht werden“. Sollten Geldbeträge nicht zur Verfügung stehen, „sind sie von den Judenräten und denjenigen poln. Stadtgemeinden, die nicht unter dem Bandenwesen zu leiden haben, beizutreiben“164. Eine Quantifizierung dieser polnischen Denunziationspraxis im Kontext der „Bandenbekämpfung“ ist rückblickend kaum noch seriös durchzuführen. Die Quellen verweisen vielfach auf Unmutsbekundungen von deutscher Seite: „Aus der Bevölkerung war verhältnismäßig wenig Aufklärungsmaterial zu erhalten.“165 Gleichzeitig deutet die Fülle an überlieferten Eingaben darauf hin, dass es sich keineswegs um ein marginales Phänomen handelte. Nun steht dieser Befund in einem gewissen Spannungsverhältnis zu jahrzehntelang kolportierten Vorstellungen über „das polnische Dorf“ als ein „Hort des Widerstands“.166 Keineswegs besteht Anlass zur Generalrevision: Vielmehr geht es um Nuancierungen, um das Ausleuchten von Grauzonen und letztlich um ein komplexeres, aber vermutlich realitätsnäheres Bild vom Leben und Sterben polnischer Bauern unter nationalsozialistischer Herrschaft.167
1 Freilich gilt diese Feststellung nicht absolut, deutet aber eine grundlegende Tendenz an. Siehe vor allem: Christian Gerlach: Die Bedeutung der deutschen Ernährungspolitik für die Beschleunigung des Mordes an den Juden 1942. Das Generalgouvernement und die Westukraine, in: ders.: Krieg, Ernährung, Völkermord. Forschungen zur deutschen Vernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg, Hamburg 1998, S. 167–257, hier: S. 252ff.
2 Nach aktuellem Kenntnisstand wurden bis Ende des Jahres 1942 etwa 1,7 Millionen polnischer Juden unter diesen grauenhaften Umständen ermordet. Siehe als Überblick: Dieter Pohl: Die Ermordung der Juden im Generalgouvernement, in: Ulrich Herbert (Hrsg.): Nationalsozialistische Vernichtungspolitik 1939–1945. Neue Forschungen und Kontroversen, Frankfurt/M. 1998, S. 98–121.
3 Das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen im Generalgouvernement ist kaum erforscht. Siehe jedoch die Hinweise bei: Christian Streit: Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941–1945, Bonn 1997, S. 134; siehe auch: Wiesław Marczyk: Jeńcy radzieccy w niewoli Wehrmachtu na ziemniach polskich w latach 1941–1945, Opole 1987.
4 Łuczak, Polska i Polacy, S. 175–182; ders.: Polityka ludnościowa, S. 400.
5 Zu diesem Komplex jetzt: Roth, Herrenmenschen, S. 119–151.
6 Siehe die Ausführungen Hans Franks am 14.12.1942, in: Präg/Jacobmeyer, Diensttagebuch.
7 Streit, Keine Kameraden, S. 134; im September 1942 vermerkte man im deutschen Sicherheitsapparat zerknirscht: „Wenn im Winter 1941/42 diese Posten rechtzeitig und energisch gegen die massenweise Unterbringung der entwichenen Kriegsgefangenen in den Dörfern eingeschritten wären, hätten sich diese nicht so lange halten und zum Banditentum übertreten können.“ Siehe: 1. Gend. Batl. (mot.), Einsatzbericht, 19.9.1942, AIPN, GK 104/284, Bl. 34.
8 Siehe zu den jüdischen Partisanen grundsätzlich: Shmuel Krakowski: The War of the Doomed. Jewish Armed Resistance in Poland, 1942–1944, London/New York 1984.
9 Wolfgang Jacobmeyer: Die polnische Widerstandsbewegung im Generalgouvernement und ihre Beurteilung durch deutsche Dienststellen, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 25 (1977), S. 658–681.
10 Gontarczyk, Polska; Meyer, Ideologie, S. 39–58.
11 Vgl.: Borodziej, Politische und soziale Konturen.; ders.: Geschichte Polens, S. 210–216.
12 Vgl. auch die resümierenden Betrachtungen des deutschen Besatzungspersonals: Präg/Jacobmeyer, Diensttagebuch, S. 668–678 (Eintrag vom 28.5.1943).
13 Insbesondere nachdem zur Jahreswende 1942/43 im Zuge des siedlungspolitischen Großprojekts „Aktion Zamość“ die zunächst kleinen bewaffneten Gruppen des bürgerlichen und kommunistischen Widerstands und die teilweise in diese Gruppen integrierten jüdischen und sowjetischen Flüchtlinge stärkeren Zulauf erhielten.
14 Präg/Jacobmeyer, Diensttagebuch, S. 611.
15 Berger bezog sich in seinem Brief vom 17.6.1942 auf die Abberufung des Sonderkommandos Dirlewanger aus dem Distrikt Lublin wegen diverser disziplinarischer Vergehen. Zitiert nach: Enwurf eines Schreibens des Chefs SS-Hauptamt an RFSS, 17.6.1942, BAB, NS 19/1671, Bl. 27; siehe auch: Hellmuth Auerbach: Die Einheit Dirlewanger, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 10 (1962), S. 250–265, hier: S. 265.
16 Vgl. etwa: Klaus-Peter Friedrich: Über den Widerstandsmythos im besetzten Polen in der Historiographie, in: 1999. Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 13 (1998), S. 10–60; Rajca, Walka.
17 Siehe die Beiträge in: Timm C. Richter (Hrsg.): Krieg und Verbrechen. Situation und Intention: Fallbeispiele, München 2006.
18 Jan Philipp Reemtsma: Tötungslegitimationen. Die mörderische Allianz von Zivilisation und Barbarei, in: Gertrud Koch (Hrsg.): Bruchlinien. Tendenzen der Holocaustforschung, Köln 1999, S. 85–103; ders.: Vertrauen.
19 Fünfte Arbeitsbesprechung der Hauptabteilungspräsidenten, 11.5.1942, in: Präg/Jacobmeyer, Diensttagebuch, S. 494f. (Eintrag 11.5.1942).
20 Ebd.
21 Ebd.
22 Diesen Ursprungscharakter der Aktion betont auch: Zygmunt Mańkowski: Strategicznie znaczenie Lubelszczyzny i polityka represyjna okupanta, in: Zeszyty Majdanka IV 1968, S. 9–17, hier: S. 13ff.
23 KdO Lublin, Einsatzbefehl für die Befriedung des Distriktsbereichs westlich des Bugs, 13.5.1942, AIPN, GK 104/119 (KdG Lublin), Bl. 1ff.
24 SSPF Lublin, Merkblatt für das Zusammenwirken der im Innenraum eingesetzten Polizeikräfte mit den Sondereinsatzgruppen, 13.5.1942, AIPN, GK 104/119 (KdG Lublin), Bl. 16ff.
25 Ebd.
26 Ebd.
27 HSSPF Ost, Betr.: Verbrecherbekämpfung, 25.5.1942, AIPN, GK 104/99 (KdG Lublin), Bl. 7.
28 Ebd.
29 Mit Hinweisen auf die massenhafte Gewalt: Mańkowski, Strategiczne znaczenie, S. 13.
30 OFK 379 an MiGG, Betr.: Bericht des SSPF über Banditenbekämpfung im Distrikt Lublin, 31.5.1942, BA-MA, RH 53–23/37, Bl. 3.
31 3. Gendarmeriehauptmannschaft Radzyn, Grosseinsatz zur Bandenbekämpfung, o.D. [Anfang Juni 1942], AIPN, GK 104/52 (KdG Lublin), Bl. 80ff.
32 SSPF Lublin, Abschlußbericht, 31.5.1942, BA-MA, RH 53–23/37, Bl. 4ff.
33 Ebd.
34 Ebd.
35 Sitzung im Distriktgebäude Lublin, 31.5.1942, in: Präg/Jacobmeyer, Diensttagebuch, S. 500 (Eintrag 31.5.1942).
36 Ebd.
37 Hauptabteilungsleitersitzung, 1.6.1942, in: Ebd., S. 501 (Eintrag 1.6.1942.).
38 Sitzung, 31.5.1942, in: Ebd., S. 500 (Eintrag 31.5.1942).
39 Polizeisitzung, 18.6.1942, in: Ebd., S. 506ff. (Eintrag vom 18.6.1942).
40 Ebd., S. 507.
41 Ebd.
42 Ebd.
43 Ebd., S. 508.
44 Ebd.
45 Polizeisitzung, 18.6.1942, in: Ebd., S. 507.
46 RFSS, Befehl zur Aufstellung eines motorisierten Gendarmeriebataillions, 24.6.1942, BAL, B 162/6092, Bl. 19ff.
47 KdO Lublin, Betr.: Feuerabgabe beim Durchkämmen von Wäldern, 3.6.1942, AIPN, GK 104/99 (KdG Lublin), Bl. 5.
48 Ebd.
49 Ebd., S. 6.
50 Ebd.
51 Ebd.
52 Kommandostab Reichsführer-SS, Chef des Stabes, Erfahrungsbericht, 9.7.1942, AIPN, GK104/287 (KdG Lublin), Bl. 23ff. Der Befehlshaber der Ordnungspolizei wies seine Truppenkommandeure explizit an, diese Berichte nicht nur zur Kenntnis zu nehmen. Vielmehr sollten sie „Verwertung bei der Ausbildung“ finden. Siehe: BdO, Betr.: Erfahrungen bei Unternehmen in Rußland, 27.7.1942, AIPN, GK 104/287 (KdG Lublin), Bl. 57.
53 Eine Studie, die solche Transfers von Gewaltmethoden über verschiedene Besatzungsgebiete hinweg mit Blick auf Radikalisierungsprozesse analysiert, ist ein Desiderat der NS-Forschung.
54 II./Pol. 25, Sonderanordnung, Betr.: Konzentrisches Säuberungsverfahren, 23.8.1942, USHMM, RG-15.011M, Reel 21.
55 Ebd.
56 Ebd.
57 Ebd.
58 Auf diese Mechanik der „Bandenbekämpfung“ verwiesen Angehörige des 1. Gendarmerie-Bataillons (mot.) vielfach in ihren Nachkriegsaussagen: „Das Waldgebiet wurde zuerst umstellt und danach rückten die Polizeikräfte vor und ‚drückten‘ den Kessel langsam zusammen. Bei dieser Aktion wurden in dem Wald eine große Anzahl Erdbunker gefunden, die sofort von uns zusammengeschossen wurden. Anschließend fand auf einem großen freien Platz in dem Dorf eine Erschießung von polnischen Zivilisten statt. Erschossen wurden etwa 80 bis 100 Personen.“ Siehe: Vern. Rudolf H., 24.5.1963, BAL, B 162/6033, Bl. 964.
59 KdG Lublin, Sonderanordnung, 23.8.1942, AIPN, GK 104/284, Bl. 19ff.
60 Ebd.
61 Polizei-Reiter-Abteilung III, Abschnittsbefehl, 15.7.1942, BAL, Dokumentensammlung Polen 365w.
62 Ebd.
63 Ebd.
64 HSSPF Ost, Betr.: Banditenbekämpfung, Standgerichte [o.D.], BAL, Dokumentensammlung Polen 365 x.
65 Polizei-Reiter-Abteilung III, Abschnittsbefehl, 15.7.1942, BAL, Dokumentensammlung Polen 365w.
66 Siehe: Jürgen Matthäus: What about the „Ordinary Men“?: The German Order Police and the Holocaust in the Occupied Soviet Union, in: Holocaust and Genocide Studies 10 (1996), S. 134–150; Mallmann, „Aufgeräumt und abgebrannt“; Ders., Türöffner.
67 „Im Führungssystem der Auftragstaktik werden die Befehlshaber dazu erzogen, ihren Untergebenen zu befehlen, was sie zu tun haben, aber nicht, wie das zu geschehen hat.“ Zitiert nach: Martin van Creveld: Kampfkraft. Militärische Organisation und Leistung der deutschen und amerikanischen Armee 1939–1945, Graz 2005, S. 51ff.; in diesem Zusammenhang ist ferner eine Beobachtung von Ralph Jessen aufschlussreich, der darauf aufmerksam gemacht hat, dass Sicherheit und Ordnung „durch unberechenbar viele Einzelereignisse bedroht werden konnten, deren vorausschauende kasuistische Regelung unmöglich“ waren. Auch aus diesem systematischen Grund waren die Männer vor Ort auf ihr eigenes Ermessen angewiesen. Siehe: Ralph Jessen: Polizei und Gesellschaft. Zum Paradigmenwechsel in der Polizeigeschichtsforschung, in: Klaus-Michael Mallmann/Gerhard Paul (Hrsg.): Die Gestapo. Mythos und Realität, Darmstadt 1995, S. 19–43, hier: S. 32.
68 II./Pol. 25, Sonderanordnung, Betr.: Konzentrisches Säuberungsverfahren, 23.8.1942, USHMM, RG-15.011M, Reel 21.
69 Brewing, „Wir müssen um uns schlagen“, S. 510.
70 Jessen, Polizei, S. 32.
71 Siehe die Besprechung Himmlers mit Spitzenvertretern diverser SS- und Polizeiapparate aus den besetzten Gebieten Osteuropas. Unter den Anwesenden befanden sich auch Krüger, der Befehlshaber der Sicherheitspolizei, Dr. Eberhard Schöngarth und der SSPF Lublin, Odilo Globocnik. Siehe: Peter Witte/Michael Wildt/Martina Voigt/Dieter Pohl/Peter Klein/Christian Gerlach/Christoph Dieckmann/Andrej Angrick (Hrsg.): Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941/42, Hamburg 1999, S. 482ff.
72 Aussage Wolfgang H., 1.2.1963, BAL, B 162/6029, Bl. 110ff. (hier: Bl. 114.); Jochen Böhler: Totentanz. Die Ermittlungen zur „Aktion Erntefest“, in: Klaus-Michael Mallmann/Andrej Angrick (Hrsg.), Die Gestapo nach 1945, Darmstadt 2009, S. 235–254, hier: S. 241.
73 1. Gend. Batl. (mot.), Einsatzbefehl Nr. 1, 28.9.1942, AIPN, GK 104/284, Bl. 74.
74 Ebd.
75 Ebd.
76 Einsatzbericht des Funktrupps 9, zugeteilt dem Kradschützenzug von Leutnant Schuster, AIPN, GK 104/285, Blatt 96.
77 I. Gend.-Batl. (mot.) an das Pol.–Rgt. 25, 30.9.1942, Ergebnismeldung, AIPN, GK 104/284, Blatt 62.
78 Ebd.
79 Mit ähnlichem Befund für die besetzten sowjetischen Gebiete: Mallmann, „Aufgeräumt und abgebrannt“, S. 507.
80 Vern. Walter B., 22.5.1963, BAL, B 162/6033, Bl. 895.
81 Polizei-Reiter-Abteilung III, Abschnittsbefehl, 15.7.1942, BAL, Dokumentensammlung Polen 365w.
82 Ebd.
83 I./Pol.-Regt. 22, Einsatz-Befehl Nr. 4, 6.12.1942, AIPN, GK 104/284, Blatt 99.
84 Ebd.
85 Ebd., Bl. 100.
86 Ebd.
87 I. Gend.Batl. (mot.), Einsatzbericht, 23.8.1942, AIPN, GK 104/284, Bl. 13.
88 I./Pol.-Regt. 22, Einsatz-Befehl Nr. 4, 6.12.1942, Ebd., Bl. 99.
89 I. Gend.Batl. (mot.), Einsatzbericht, 23.8.1942, Ebd., Bl. 14.
90 Ebd.
91 Polizei-Reiter-Abteilung III, Abschnittsbefehl, 15.7.1942, BA L, Dokumentensammlung 365w Polen.
92 Ebd.
93 Ebd.
94 Ebd.
95 Ebd.
96 Jürgen Matthäus hat jüngst auf die Bedeutung dieses Begriffspaars für die Analyse nationalsozialistischer Gewaltprozesse hingewiesen. Siehe: Jürgen Matthäus: Controlled Escalation. Himmler’s Men in the Summer of 1941 and the Holocaust in the Occupied Soviet Territories, in: Holocaust and Genocide Studies 2 (2007), S. 218–242.
97 Polizei-Reiter-Abteilung III, Abschnittsbefehl, 15.7.1942, BAL, Dokumentensammlung Polen 365w.
98 Der Begriff wurde geprägt von: Lutz Klinkhammer: Der Partisanenkrieg der Wehrmacht 1941–1944, in: Rolf-Dieter Müller/Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Die Wehrmacht. Mythos und Realität, München 1999, S. 815–836, hier: S. 833ff.
99 Analoge Entgrenzungsprozesse sind auch für den Balkan, die besetzten Gebiete der Sowjetunion und Westeuropa festzustellen. Siehe u.a.: Manoschek, „Serbien ist judenfrei“; Gerlach, Kalkulierte Morde; Lieb, Repercussions, S. 820; Gentile, Wehrmacht.
100 1. Gend.Bat. (mot.), Diensttagebuch 1942, AIPN, GK 104/284, Bl. 28–40.
101 Ebd., Bl. 43.
102 Ebd., Bl. 44.
103 Vern. Wilhelm H., 13.5.1963, BAL, B 162/6032, Bl. 689f.
104 KdO Lublin, 21.9.1942, Betr.: „Vernehmung festgenommener Banditen“, BAL, Dokumentensammlung Polen 365w; AIPN, GK 104/78, Bl. 1.
105 Zitiert nach: Ingo Loose: Kredite für NS-Verbrechen: die deutschen Kreditinstitute in Polen und die Ausraubung der polnischen und jüdischen Bevölkerung 1939–1945, München 2007, S. 416.
106 Christopher R. Browning: „Judenjagd“. Die Schlußphase der „Endlösung“ in Polen, in: Jürgen Matthäus/Klaus-Michael Mallmann (Hrsg.): Deutsche, Juden, Völkermord. Der Holocaust als Geschichte und Gegenwart, Darmstadt 2006, S. 177–189; auch: ders.: Ganz normale Männer, S. 165–178; zuletzt: Grabowski, Judenjagd.
107 Zur Bedeutung des antisemitischen Feindbildes als „Kompass“ im Rahmen der Partisanenbekämpfung siehe: Mallmann, Türöffner, S. 445ff.
108 AIPN, GK 104/284, Bl. 61.
109 Vern. Theodor M., 24.4.1963, BAL, B 162/6031, Bl. 585ff. u. 593ff.
110 Sebastian Piątkowski: Garbatka-Letnisko, in: Martin Dean (Hrsg.): The United States Holocaust Memorial Museum Encyclopedia of Camps and Ghettos, Vol. II, Bloomington 2011, S. 220–221.
111 Bradley F. Smith/Agnes F. Petersen (Hrsg.): Heinrich Himmler. Geheimreden 1933–1945, Frankfurt/M. 1974, S. 203 (Rede vom 24. Mai 1944).
112 HA Ernährung und Landwirtschaft, 26.11.1942, BAB, R 187/570, Bl. 22.
113 1. Gend. Batl. (mot.), Einsatzbericht, AIPN, GK 104/284, Bl. 29.
114 Kommandeur der Gendarmerie Lublin, Einsatzbericht über den Einsatz vom 6.8.–8.8.42 im Raume Aleksandrow, AIPN, GK 104/285, Bl. 11f.
115 Ebd.
116 Ebd.
117 Kommandeur der Gendarmerie Lublin, Wochenbericht, 17.9.1942, AIPN, GK 104/284, Bl. 70.
118 1. Gend. Batl. (mot.), Einsatzbericht, 19.9.1942, AIPN, GK 104/284, Bl. 44.
119 Vern. Wilhelm H., 13.5.1963, BAL, B 162/6032, Bl. 694.
120 Vern. Theodor M., 24.4.1963, BAL, B 162/6031, Bl. 596.
121 Ebd.
122 Ebd.
123 Ebd.
124 Ebd.
125 Schöngarth nannte diese Zahl ohne Aufschlüsselung der Opfergruppen. Siehe: Präg/Jacobmeyer, Diensttagebuch, S. 611ff.
126 Von der Forschung ist diese Partizipation polnischer Bauern an nationalsozialistischen Gewaltprozessen zuletzt im Hinblick auf die Verfolgung und Ermordung polnischer Juden ausgeleuchtet worden. Im Zentrum standen dabei Studien zu den sogenannten „Judenjagden“, dem Aufspüren untergetauchter Juden durch Einheiten der deutschen Ordnungspolizei. Es konnte in diesem Zusammenhang nachgewiesen werden, dass sie dabei tatkräftig von polnischen Bauern unterstützt wurden, die nach Schätzungen Jan Grabowskis zehntausende Juden auslieferten. Siehe hierzu die ausgezeichneten Studien der jüngeren polnischen Holocausforschung: Grabowski, Judenjagd; Engelking-Boni, Jest taki piękny słoneczny dzień
127 1. Gend. Batl (mot.), Einsatzbericht, 23.8.1942, AIPN, GK 104/284.
128 Ebd.
129 KdO Lublin, Betr.: Ansprache an die versammelte Einwohnerschaft überholter Dörfer, 19.9.1942, USHMM, RG-15.011M, Reel 2.
130 Ebd.
131 I. Gend. Batl. (mot.), Schluß-Ansprache des Einsatzführers an die Bevölkerung eines überholten Dorfes, [o.D., Sommer 1942], AIPN, GK 104/284, Bl. 9.
132 Ebd.
133 KdO Lublin, Betr.: Ansprache an die versammelte Einwohnerschaft überholter Dörfer, 19.9.1942, USHMM, RG-15.011M, Reel 2; dass die Meldewege über „Bandenüberfälle“ vielfach zu lang waren, entpuppte sich als ein großes Problem nationalsozialistischer „Bandenbekämpfung“, da stets zu viel Zeit verging, bis deutsche Einheiten vor Ort waren. „Um diesem Übel abzuhelfen, muß mit radikaleren Mitteln als bisher vorgegangen werden. Jedem Soltys muß auferlegt werden, das in seiner Gemeinde festgestellte Vorhandensein von Banditen auf dem kürzesten und schnellsten Wege dem nächsten erreichbaren deutschen oder polnischen Posten mitzuteilen, auch des nachts. Erfolgt diese Mitteilung verspätet, so ist die Gemeinde dafür in eine für alle fühlbare Strafe zu nehmen. Die bisher gemachten Meldungen der Bevölkerung sind unklar, ungenau, entstellt, übertrieben, teilweise unglaubwürdig und meines Erachtens zu 50 % vorsätzlich falsch. Auch dieser Übelstand muss beseitigt werden.“ Zitiert nach: 1. Gend. Batl. (mot.), Einsatzbericht, 23.8.1942, AIPN, GK 104/284.
134 KdO Lublin, Betr.: Ansprache an die versammelte Einwohnerschaft überholter Dörfer, 19.9.1942, USHMM, RG-15.011M, Reel 2.
135 I./Pol. 22, Zwischenbericht, 11.11.1942, AIPN, GK 104/284, Bl. 88.
136 Einsatzbefehl II./Pol.Rgt. 25, 25.8.1942, AIPN, GK 104/285.
137 1. Gend. Batl. (mot.), Einsatzbericht, 23.8.1942, AIPN, GK 104/284.
138 Mazur, Widerstand, S. 406f.
139 Eine umfassende Behandlung dieses Themas ist ein Desiderat der Forschung.
140 Siehe etwa: 1. Gend. Batl. (mot.), Einsatzbericht, 23.8.1942, AIPN, GK 104/284.
141 Ebd.
142 Ebd.
143 Ebd.
144 Siehe beispielsweise die Berichtsammlung: Niemieckie władze okupacyjne, Meldunki o zwalczaniu partyzantki, 8.12.1942–17.7.1944, AAN, 214/IV-7.
145 Siehe umfassend: Hempel, Policja.
146 Poln. Polizeiposten Ludwin, Betr.: An den Herrn Kommandanten der Gendarmerie in Leschna 13.8.1942, AIPN, GK 104/285, Bl. 32.
147 1. Gend. Batl. (mot.), Einsatzbericht, 23.8.1942, AIPN, GK 104/284, Bl. 5ff.
148 Ebd.
149 Gemeindesekretär der Gemeinde Ludwin, Betr.: An den Herrn Kreiskommandanten in Lublin, 3.5.1943, USHMM, RG-15.011M, Reel 15.
150 Ebd.
151 Ebd.
152 Gendarmerie-Posten Piaski, Betr.: Bericht, 2.6.1943, Ebd.
153 Ebd.
154 Ebd.
155 Gend.-Zug Lublin, Betr.: Bericht, 3.6.1943, Ebd.
156 Ebd.
157 Eine Untersuchung des alltäglichen Mit- und Gegeneinanders im ländlichen Raum ist ein Desiderat der Forschung.
158 Himmlers Wunsch, dass „die Exekutionskommandos nach der Exekution einer Zerstreuung mit geistig wertvollem Inhalt zuzuführen sind“, erwies sich als Illusion. Zitiert nach: Cüppers, Wegbereiter, S. 59; siehe zu den Ausschweifungen am lokalen Beispiel: Lehnstaedt, Okkupation.
159 In den Quellen finden sich zahllose Beispiele, die belegen, dass Angehörige der Polnischen Polizei für „umsichtiges und tatkräftiges Verhalten bei der Banditenbekämpfiung“ finanziell belohnt worden sind. Siehe etwa: Kreishauptmann Radom-Land, Amt für Polizeiangelegenheiten, 12.5.1944, AIPN, GK 633/3, Bl. 195; Kriminalkommissariat Busko, Betr.: Belohnung für poln. Polizeibeamte, 17.9.1940, AIPN, GK 639/68, Bl. 1.
160 1. Gend. Batl. (mot.), Einsatzbericht, 23.8.1942, AIPN, GK 104/284, Bl. 11.
161 1. Gend. Batl. (mot.), Erfahrungsbericht, 16.2.1943, AIPN, GK 104/84, Bl. 15ff.
162 KdG Lublin, Betr.: An die Gendarmerie Lubartow, 6.5.1942, USHMM, RG-15.011M, Reel 9.
163 Ebd.
164 Ebd.
165 1. Gend. Batl. (mot.), 29.8.1942, AIPN, GK 104/284.
166 Zuletzt: Mazur, Widerstand.
167 Eine Studie, die sich umfassend diesen Fragen widmet, ist ein Desiderat der Forschung. Sie könnte wichtige Ansatzpunkte für eine Gesellschaftsgeschichte deutscher Herrschaft in Polen liefern.