Kapitel Sieben
Kaum hatte Jeff die Haustür hinter sich geschlossen, da klingelte sein Handy. Er wusste sofort, dass es Amy war: Sie rief ihn jedes Wochenende an, verlässlich wie ein Uhrwerk. Er hatte schon bei Madame Tussaud‘s drei verpasste Anrufe von ihr gesehen, sich aber gedacht, dass er zurückrufen konnte, wenn er zu Hause war.
„Hallo. Bin gerade reingekommen.“ Er stellte das Telefon auf Lautsprecher und legte dann Mantel und Schal ab.
„Hast du heute gearbeitet?“
„Nein, erst morgen. Wie geht es dir?“ Sie hatte vor ein paar Wochen die Grippe gehabt, und es hatte sie wirklich umgehauen.
„Es geht mir besser, danke. Aber warum ich anrufe, ich wollte mal fragen, ob du schon Pläne hast für Ende des Monats.“
Jeff stellte sich dumm. „Du meinst für Weihnachten?“
Amy knurrte. „Du weißt genau, wovon ich spreche. Sagt dir das Datum einundzwanzigster Dezember etwas? Heute in zwei Wochen?“
Jeff zog sich die Stiefel aus. „Nicht wirklich. Warum, ist an dem Tag was Besonderes los?“ Er grinste. Nichts war leichter, als Amy auf die Palme zu bringen.
„Du bist ein Idiot, weißt du das? Okay. Dann werde ich brutal sein. Du wirst dreißig. Wie beabsichtigst du, dieses Ereignis zu feiern?“
„Wer sagt, dass ich feiern werde? Und seit wann feiern wir überhaupt meinen Geburtstag?“ So kurz vor Weihnachten Geburtstag zu haben, hatte schon immer den Nachteil gehabt, dass der Tag übergangen oder gleich ganz ignoriert worden war. Jeff war es gewöhnt, zu Weihnachten Geschenke zu
bekommen, auf denen stand Frohe Weihnachten und alles Gute zum Geburtstag.
„Jeff.“ Amy klang schockiert. „Du kannst nicht nicht
deinen Dreißigsten feiern. Selbst wenn es nur mit Pizza und mir ist.“
„Ich überlege es mir.“ Wenn er Glück hatte, hatte Amy die Idee mit dem Feiern schon wieder vergessen, wenn sein Geburtstag kam.
„Hups. Ich muss los. Ich ruf dich gleich wieder an.“ Und sie war weg.
Jeff lachte und ging durch seine Wohnung zum Schlafzimmer. Er konnte seine Zeit nicht mit Plänen für seinen Geburtstag verschwenden, nicht, wenn es sehr viel schönere Dinge gab, über die er nachdenken konnte.
Zum Beispiel Dave Hayland.
Der Morgen war wunderbar gewesen, und der größte Teil des Nachmittags ebenfalls. Mit Dave und Chris unter einem Heizpilz auf einer Terrasse zu sitzen, Paninis zu essen und tolle Musik zu hören … Hin und wieder hatte Jeff einen verstohlenen Blick auf Dave geworfen. Die Fältchen um seine Augen hatten Jeff eine Menge verraten. Er lacht gern. Oder vielleicht hat er gern gelacht.
Dave hatte beim Besuch im Wachsfigurenkabinett offensichtlich viel Spaß gehabt: Er hatte fast während des ganzen Rundgangs durch die Ausstellung gelächelt. Und Jeff hatte nicht umhinkönnen zu bemerken, wie Chris immer wieder stehengeblieben war und zu seinem Vater hinübergeschaut hatte, so als ob er sichergehen wollte, dass er okay war.
Vielleicht tut er das tatsächlich.
Jeff wusste nur, dass Chris‘ Gesicht jedes Mal aufgeleuchtet hatte, wenn er Dave lächeln gesehen hatte. Dave bringt mich auch zum Lächeln.
Er schnappte sich einen Haufen Wäsche und ging in die Küche, um alles in die Waschmaschine zu stopfen. Als
er diese eingeschaltet hatte, setzte er sich aufs Sofa, um eine Einkaufsliste zu schreiben. Besser, das gleich zu erledigen.
Aber seine Gedanken wollten nicht aufhören, um Dave zu kreisen.
Ob er mich anruft?
Sein letzter, kurzer Satz hatte Hoffnung in Jeff aufflammen lassen. Vielleicht ist es wirklich kein Abschied gewesen
.
Jeff hatte seit zwei Jahren keine Beziehung mehr gehabt. Mit seinem letzten Freund war er für ein paar Monate zusammen gewesen, bis beiden klargeworden war, dass sie keine Zukunft hatten. So lange hatte es gedauert, bis sich Lukes wahrer Charakter gezeigt hatte. Sie waren sich in einer Schwulenbar begegnet und miteinander im Bett gelandet, und Luke hatte schließlich zugegeben, dass es ihm dabei nur darum gegangen war, sich unters gemeine Volk zu mischen, wie er es nannte. Es hätte ihn einfach gereizt, mit einem derben, ungeschliffenen Bauarbeiter Sex zu haben. Na ja, davon abgesehen traute Jeff jemandem, der nicht über Bill Hicks oder George Carlin lachte, sowieso nicht über den Weg. Sie hatten sich getrennt, und seitdem war Jeff mit niemandem mehr zusammen gewesen.
Dave hingegen war … perfekt.
Okay, noch hatte er den Lackmustest nicht bestanden. Er hatte Sinn für Humor, aber ob er über dieselben Sachen lachen konnte wie Jeff, musste sich erst noch herausstellen.
Hoffentlich bekomme ich die Chance, es herauszufinden.
Er setzte den Kessel auf und löffelte etwas Instantkaffee in einen Becher. Seine Einkaufsliste war beinahe fertig. Und wenn er vom Einkaufen zurückkam, würde seine Wäsche ebenfalls fertig sein und er würde sie in den Trockner stecken können.
Gerade als er den ersten Schluck Kaffee nahm, klingelte sein Handy. „Hallo, Amy. Reden wir jetzt weiter, wo wir aufgehört haben, oder können wir das Thema wechseln?“
„Dein Geburtstag ist organisiert.” Amy klang sehr zufrieden mit sich.
„Was? Was soll das heißen?“
„Deine Geburtstagsfeier. Ich habe alles organisiert.“
O Gott.
„Willst du mir vielleicht wenigstens verraten, was du vorhast?“ Es würde ganz offensichtlich keine Überraschungsparty sein.
„Ich habe in einem Restaurant einen Tisch reserviert. Direkt am Fluss. Und das Essen ist super. Es gibt Gerichte für Vegetarier, Veganer, Leute mit Laktoseintoleranz … Jeder kann bestellen, was er möchte. Ich zahle.“
„Jeder? Von wie vielen Leuten redest du?“ Sie hatte von einem Tisch gesprochen. Das klang nicht allzu schlimm.
„Vier. Du, ich und zwei Gäste deiner Wahl. Also … wen wirst du einladen? Weil, du solltest dir besser jemanden einfallen lassen. Ich habe keine Lust, dort anzukommen und zu entdecken, dass nur du und ich da sind. Und ich lasse nicht
zu, dass du dort sitzt wie Billy Ohne-Freunde.“ Sie unterbrach sich, um Luft zu holen. „Gibt es irgendjemand Besonderen, den du einladen möchtest?“
Jeff war kein Idiot. Sie wollte wissen, ob er zurzeit mit jemandem liiert war. Und der erste Mensch, der ihm einfiel, war Dave.
Ich kann ihn nicht fragen.
Er würde nicht kommen.
Aber was, wenn doch?
„Vielleicht?“
Einen Moment lang war es still. „Wer ist es?“, fragte Amy.
„Mhm. Ich sage nichts, nicht, bevor ich ihn nicht gefragt habe.“
„Das kannst du nicht machen. Du kannst mich nicht erst neugierig machen und mich dann so hängen lassen. Wie heißt er? Wie alt ist er? Sieht er gut aus? Was macht er? Details, ich brauche Details.“
Jeff lachte. „Oje, das ist wirklich schade, denn von mir kriegst du keine. Okay, willst du mir verraten, wo wir hingehen?“
„Das Restaurant heißt Giraffe. Es liegt in der Nähe vom Southbank Centre. Warst du schon mal da?“
„Ja, ein- oder zweimal.” Gott sei Dank hatte sie in einem Restaurant reserviert, das er tatsächlich mochte. Giraffe war ein cooles Lokal, und das Essen war großartig.
„Okay, gut. Du hast zwei Wochen Zeit, dich zu überwinden, diesen Typ zu fragen, ob er mitkommt. Mir macht es nichts aus, wenn wir nur zu dritt sind. Das ist immer noch wesentlich besser, als wenn ich mit meinem kleinen Bruder allein essengehe.“
Zwei Wochen …
„Bist du sicher, dass du mir nichts über diesen mysteriösen Mann erzählen willst? Ach komm, Jeff. Du weißt
, dass du saumäßig schlecht darin bist, Geheimnisse für dich zu behalten.“
Manche
Geheimnisse würde er sein Leben lang hüten, wie zum Beispiel, was sich ein kleiner Junge zu Weihnachten gewünscht hatte.
„Du machst Druck. Wenn du das nicht lässt, werde ich nicht kommen.“
Eine Pause. „Okay. In dem Fall hoffe ich, dass er Ja sagt. Also, was machst du gerade?“
„Ich wollte gerade einkaufen gehen, deshalb muss ich jetzt leider Schluss machen. Telefonieren wir nächstes Wochenende wieder?“
„Okay. Ich wünsch dir eine gute Woche. Bring keine Kinder um. Und arbeite weiter an deinen Ho-ho-hos.“
Er lachte und legte auf. Die Liste für den Supermarkt lag neben ihm auf dem Sofa, aber er dachte nicht übers Einkaufen nach.
Dadurch, dass Amy auch dabei sein wird, klingt es vielleicht weniger wie ein Date.
Er wollte nicht, dass Dave einen falschen Eindruck bekam. Es ist nur ein Abendessen, für meinen Geburtstag. Nur ich, meine Schwester … und der Mann, an den ich immerzu denken muss.
Ja, es klang genau wie ein Date.
Achter Dezember
„Dad? Darf ich dich was fragen?“
Dave sah auf. Er saß auf dem Sofa, mit seinem Laptop auf den Knien. Chris saß vor einem aufgeschlagenen Schulbuch am Esstisch. „Das kommt drauf an. Hast du deine Hausaufgaben erledigt?“
Chris verzog das Gesicht. „Noch nicht.“
Dave verbiss sich ein Lächeln. Chris bekam nie viele Hausaufgaben auf, aber seine Lehrerin machte mit den Schülern ein Projekt über Umweltschutz und hatte sie alle aufgefordert, über den Klimawandel zu recherchieren. Dave hatte das Tablet geholt und die Seite National Geographic Kids
geladen.
Das war ein schweres Thema. Vielleicht war
es Zeit für eine Pause.
Dave stellte den Laptop zur Seite, stand auf und ging in die Küche. Er öffnete den Kühlschrank und nahm eine Packung Milch heraus, dann goss er zwei Gläser voll. Er brachte sie zum Tisch und setzte sich Chris gegenüber. „Hier. Okay, heraus mit deiner Frage.“
Chris griff nach seinem Glas und trank es in einem Zug halb leer. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Weißt du, wie man Mince Pies macht?“
Dave blinzelte. „Ja. Möchtest du, dass ich zu Weihnachten welche backe?“
Chris schüttelte den Kopf. „Ich
möchte sie backen. Lucy Stephens hat ewig davon erzählt, dass ihre Mutter ihr gezeigt hat, wie man Jam Tarts bäckt, und dass sie welche in die Schule mitbringen wird, damit wir alle sehen können, wie toll
sie ist.“ Für einen Zehnjährigen verstand sich Chris perfekt darauf, mit den Augen rollen.
Dave lachte in sich hinein. „Ist Lucy das Mädchen, das bei Tests regelmäßig besser abschneidet als du?“
„Sie schneidet besser ab als alle.
Sie hat mehr Sternchen in der Klassentabelle als irgendjemand sonst. Deshalb dachte ich, ich könnte Mince Pies backen. Kannst du es mir beibringen?“
„Okay, aber du darfst nicht alle mit in die Schule nehmen. Ein paar musst du für uns aufheben.“
Chris strahlte. „Klar. Und dann können wir Jeff fragen, ob er kommt und welche mit uns isst.“
Ich bin direkt hineingetappt, nicht wahr?
Dave legte den Kopf schief. „Du magst Jeff, oder?“
Chris nickte. „Er ist nett.“ Er legte die Stirn in Falten. „Magst du ihn nicht auch?“
Mehr, als ich sagen kann
. „Ja, aber … Er hat sein eigenes Leben, seine Arbeit. Vielleicht hat er keine Zeit, zu uns zu kommen, um mit uns Mince Pies zu essen.“
Chris lächelte erfolgsgewiss. „Ich wette, wenn du ihn anrufst und fragst, sagt er Ja.“
Sie befanden sich auf einmal auf schwierigem Terrain.
„Vielleicht schon, ja, aber … nicht, weil er es möchte.“
Chris runzelte die Stirn. „Warum würde er Ja sagen, wenn er es nicht möchte?“
„Na ja … vielleicht will er nicht, dass du gekränkt bist, wenn er Nein sagt. Oder weil er einfach höflich ist.“
Chris biss sich kurz auf die Unterlippe. Dann schnaubte er. „Das kannst du nicht wissen, wenn du ihn nicht fragst.“
Dave konnte sein Lächeln nicht verbergen. Chris verstand sich aufs Argumentieren ebenso gut wie aufs Augenrollen. „Guter Punkt.“
Chris‘ Augen leuchteten auf. „Ich habe eine bessere Idee. Frag ihn, ob er mir beim Backen hilft.“
Jeff von oben bis unten mit Mehl bestäubt zu sehen, war eine sehr reizvolle Vorstellung, aber er hatte hier der Erwachsene zu sein. „Er arbeitet an den Wochenenden.“
Chris‘ Stirnrunzeln war wieder da. „Gestern hat er nicht gearbeitet, oder? Und wenn du ihn jetzt anrufst, kann er es so einrichten, dass er nächsten Sonntag auch frei hat.“
Dave versuchte, nicht zu lächeln. „Ach, wir backen also am Sonntag?”
„Ja“, erwiderte Chris entschieden. „Also rufst du ihn am besten gleich an und sagst ihm Bescheid.“ Dann riss er die Augen auf. „Wann holen wir den Weihnachtsbaum?“
„Nächstes Wochenende, habe ich gedacht.“ Dave unterdrückte ein Grinsen. „Nur, ich habe mir überlegt, dass wir dies Jahr mal etwas anderes machen. Ich könnte einen Baum aus Pappe ausschneiden und draußen auf die Auffahrt stellen,
mit ein paar Lichterketten drüber. Das würde reichen, oder? Mehr brauchen wir nicht.“ Er setzte sich zurück und wartete auf die Explosion.
Chris enttäuschte ihn nicht. Er starrte Dave schockiert an. „Einen Baum aus Pappe
? Das ist fürchterlich. Und draußen? Dad, du verwandelst dich in Scrooge.“
Dave brach in Gelächter aus. „Würde ich dir das antun? Wenn du am Freitag aus der Schule kommst, fahren wir zum Gartencenter und suchen uns einen richtig schönen Baum aus.“
Chris lächelte. „So, wie wir es früher immer mit Papa gemacht haben?“
Dave nickte. „Du darfst den Baum sogar auswählen – vorausgesetzt, du nimmst keinen, der drei Meter hoch ist.“
„Und Jeff kann uns helfen, ihn zu schmücken. Nachdem wir die Mince Pies gebacken haben“, verkündete Chris.
Dave verschränkte die Arme vor der Brust. „Sieht aus, als ob du heute alle Entscheidungen triffst.“ Nicht, dass die Idee ihm nicht gefiel.
„Ach, bitte, Dad?“ Wie auf Knopfdruck erschienen der Welpenblick und die zitternde Unterlippe.
„Schön.“
Chris hopste auf seinem Stuhl herum. „Super. Jetzt ruf ihn an. Aber sag ihm noch nichts vom Weihnachtsbaum. Das wird eine Überraschung.“
„Ich kann ihn nicht anrufen. Er ist bei der Arbeit.“ Und es war keine Arbeit, bei der er ans Telefon gehen konnte.
„Dann schick ihm eine SMS.“
Wenn Chris eines war, dann lösungsorientiert.
„Gut. Ich
werde ihm eine SMS schicken – du
machst deine Hausaufgaben fertig.“
Chris‘ entnervter Seufzer ließ ihn viel älter klingen, als er war.
Werd‘ nicht zu schnell groß, Liebling.
Dave wollte, dass Chris so lange ein Kind blieb wie nur möglich. Nur zu bald würde er erwachsen sein, mit all dem Druck und Stress, der dazugehörte. Halte diese Zeit fest, Chris.
Er ging hinüber zum Sofa, wo sein Handy auf einem Kissen lag, und schrieb eine kurze Nachricht.
Ruf mich an, wenn du Zeit hast? Danke.
Dann kehrte er wieder zu seinem Laptop und dem Buch zurück, das er gerade übersetzte. Abgesehen von den kleinen Seufzern und schniefenden Geräuschen, die ab und zu von Chris kamen, war es still im Haus. Eine halbe Stunde später klingelte das Handy, und Daves Puls beschleunigte sich, als er sah, dass es Jeff war. „Bist du für heute fertig, oder hast du eine Pause?“, fragte er.
„Pause. Hab noch zwei Stunden vor mir. Was ist los?“ Im Hintergrund konnte Dave die Schreie und den Lärm vom Rummelplatz hören.
„Nächsten Sonntag. Falls du eventuell nicht
arbeitest? Es ist nur, Chris will lernen, wie man Mince Pies bäckt, und er möchte gern, dass du ihm dabei hilfst.“
Eine Pause trat ein. „Ich kümmere mich drum. Mal sehen, was sich machen lässt. Übrigens, du wirst es mir auch beibringen müssen. Ich habe noch nie in meinem Leben gebacken.“
Dave lachte in sich hinein. „Auf die Daumen kommt es an.“
„Entschuldigung?“
„Das hat meine Mutter immer gesagt, als sie mir gezeigt hat, wie man bäckt. Ich gebe nur ihre Weisheit wieder.“ Vom Tisch kam ein neuerlicher Seufzer, und er lächelte. „Chris hat es nicht leicht gerade. Er recherchiert im Internet über die Umwelt. Anscheinend hat seine Lehrerin sie alle für ein Projekt zum Thema Rettung des Planeten eingespannt.“ Er
senkte die Stimme. „Das Problem ist, alles, was mir dazu einfällt, ist George Carlins Tirade zu dem Thema. Hast du ihn mal gehört?“
Wieder schwieg Jeff für einen Moment, dann sagte er: „Ja, ein paarmal. Ich habe ihn im Fernsehen und auf YouTube gesehen.“
„Na ja, es gibt diesen tollen Monolog von ihm, in dem es um die Umwelt geht. Ich kann ihn direkt hören. ‚Rettet die Bäume, rettet die Bienen. Rettet die Wale und die Sardinen.‘ Und er hat dieses klassische Zitat geprägt. Ich glaube, er sagte: ‚Der Planet ist okay. Die Menschen sind am Arsch.
‘“ Das letzte Wort flüsterte er.
Jeff brach in Gelächter aus. „Ich liebe diese Rede. Das ist einer meiner Lieblingsauftritte von ihm. Hast du vielleicht auch schon mal Bill Hicks gehört? Ein amerikanischer Komiker. Er ist schon tot, aber er war einfach großartig.“
Dave hatte ein breites Grinsen im Gesicht. „Ich liebe seine Sachen. Ich habe drei von seinen DVDs im Regal stehen.“ Spontan fügte er hinzu: „Vielleicht kannst du mal abends herkommen und wir machen uns eine Bill-Hicks-Nacht. Ich mache Popcorn.“
„Das wäre toll. Hoppla. Santas Wichtel guckt mich ganz böse an. Ich muss wohl wieder zurück auf meinen Stuhl. Ich sage dir Bescheid, ob ich am Sonntag freinehmen kann.“ Und damit beendete er das Gespräch.
Dave legte das Handy zurück auf das Kissen, immer noch lächelnd.
„Du musst Geld in Papas Glas tun“, murmelte Chris.
Verdammt.
Chris war auf jeden Fall nicht schwerhörig. Das Einmachglas stand auf einem Regal neben dem Kamin. Chris hatte vor vielen Jahren ein Schild darauf geklebt: Papas Flüche-Glas
. Dave hatte in den Wochen und Monaten nach Matts Tod sehr oft etwas hineingesteckt, meistens wenn er
sich wieder einmal darüber aufgeregt hatte, wie ungerecht alles war. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal in Chris‘ Gegenwart geflucht hatte.
„Du hast recht. Das hätte ich nicht sagen sollen.” Dave stand auf und ging zum Glas hinüber. Mit schlechtem Gewissen zog er sein Portemonnaie hervor, nahm eine Fünf-Pfund-Note heraus und steckte sie durch den Schlitz, den Matt in den Deckel geritzt hatte. Dann blickte er Chris an.
Er lächelte. „Also kommt Jeff?“
„Er sagt uns Bescheid.“ Dave verengte die Augen. „Hausaufgaben.“ Als Chris die Unterlippe vorschob, gab er nach. Chris hatte sich wirklich viele Notizen gemacht. „Schön. Noch zehn Minuten, dann darfst du eine DVD aussuchen, und wir gucken den Film vor dem Abendessen.“
Die Wochenenden gehörten sowieso ihm und Chris.
Chris strahlte. „Danke, Dad.“ Glücklich vor sich hin summend, machte er sich wieder an seine Notizen.
Dave fuhr seinen Laptop herunter. Für heute war er fertig. Außerdem konnte er sich nicht wirklich konzentrieren.
Er dachte die ganze Zeit an Jeff.