Gegen Ende der zweiten Woche waren Lexies Nerven zum Zerreißen gespannt. Sicherlich, weil Cesar jeden Tag am Set erschien. Manchmal meinte sie seine Blicke wie tatsächliche Liebkosungen zu spüren.
An so etwas war sie nicht gewöhnt. An dieses stete, quälende Anwachsen von Verlangen und Frustration. Sie hasste Cesar dafür, dass er solche Macht über sie hatte, und gleichzeitig wünschte sie sich, er würde zu ihr kommen, sie in seine Arme reißen und küssen.
Es war jedoch nicht nur das. Er war ihr unter die Haut gegangen. Sie konnte nicht fassen, dass sie schon wieder Gefahr lief, sich derart verwundbar zu machen, auch wenn das hier etwas ganz anderes war als mit Jonathan Saunders.
Das Wochenende und Madrid rückten immer näher. Die Ironie an der Situation entging ihr nicht. Da spielte sie die Rolle eines leichten Mädchens, und sie selbst hatte nicht die geringste Ahnung, wie so etwas sein könnte. Sie war eine Betrügerin. Glücklicherweise war es bisher niemandem aufgefallen.
Nach diesem Wochenende wirst du wissen, wie das ist, meldete sich eine listige Stimme in ihrem Hinterkopf.
Als schließlich auch die letzte Szene für den Tag im Kasten war, wartete Cesar persönlich mit dem Golfbuggy auf sie, um sie zum Castello zurückzufahren.
„Gibt es nicht irgendeinen Regierungschef, mit dem du dich treffen musst?“, zischte sie ihm zu. Dass er so völlig gelassen blieb, frustrierte sie noch mehr.
Er stieg aus, um ihr auf die Sitzbank zu helfen. „Ich bin doch dein ergebener Liebhaber, schon vergessen?“
Gerade noch rechtzeitig unterdrückte sie das Schnauben und wickelte sich den weiten Rock um die Knie. Bei ihrem Caravan angekommen, half Cesar ihr aussteigen, doch bevor sie im Innern verschwinden konnte, hielt er sie bei der Hand fest. „Morgen muss ich für den Tag nach London, aber am Samstag bin ich wieder hier. Am Mittag fahren wir los.“
Er legte die Hand an ihren Nacken und zog sie an sich. Die Berührung und das Wissen, dass er sie jetzt küssen würde, ließen ihren Puls in die Höhe schnellen. Dabei war es ein flüchtiger Kuss, der genauso schnell vorbei war, wie er begonnen hatte.
Lexie wollte mehr.
„Dann bis morgen.“ Er ließ sie los.
Lexies Herz klopfte zum Bersten. Das war der Moment – der richtige Zeitpunkt für den Rückzieher. Sie sollte es ihm jetzt sagen. Um auf der sicheren Seite zu bleiben.
Sie öffnete den Mund … und schloss ihn wieder, ohne ein Wort hervorgebracht zu haben. Abenteuerlust hatte sie erfasst, drängte sie, die Chance beim Schopf zu fassen.
Die anderen kamen vom Set zurück, und Lexie holte tief Luft. „Gut, bis morgen. Ich werde pünktlich fertig sein.“
Am Samstag wartete Lexie in bequemer Garderobe, die gepackte Reisetasche für das Wochenende in der Hand, in der riesigen Empfangshalle des Castillo auf Cesar. Angestrengt bemühte sie sich, den Schwarm Schmetterlinge in ihrem Magen zu ignorieren und nicht genauer darüber nachzudenken, was das Wochenende bringen würde.
Also sah sie sich in der Halle um und musste daran denken, wie völlig anders doch Cesars modernes Apartment im Castillo war. Sie fragte sich, wie es gewesen sein musste, hier aufzuwachsen … und warum seine Mutter ihn zurückgelassen hatte.
Etwas am Ende des Ganges erregte ihre Aufmerksamkeit, und so stellte sie die Tasche ab und machte sich auf den Weg dorthin. Sie landete in einem lang gestreckten Raum, dessen Wände mit unzähligen Porträts behangen waren. Unwillkürlich erschauerte sie, als sie die gemalten Gesichter betrachtete. Sie sahen alle so streng und verhärmt aus – genau wie die Haushälterin hier im Castillo.
Sie ging die Reihe entlang, bis sie zu den letzten Gemälden kam. Das mussten Cesars Großeltern sein. Sie sahen strenger und unnachgiebiger aus als alle anderen Familienmitglieder zusammen. Lexie erschauerte leicht.
„Ist dir kalt?“
Abrupt schwang sie herum. Cesar lehnte lässig am Türrahmen und beobachtete sie. In schwarzer Hose und am Kragen offen stehendem Hemd sah er faszinierend gut aus. Umwerfend.
„Du hast mich erschreckt.“
Er kam in den Raum, die Hände in die Hosentaschen geschoben – was sie sich minimal sicherer fühlen ließ. Und ein dumpfer Schmerz, dessen sie sich nicht einmal wirklich bewusst gewesen war, ließ nach. Sie hatte Cesar tatsächlich vermisst. Nach nur einem Tag.
Sie lenkte den Blick wieder auf die Porträts zurück. „Sind das deine Großeltern?“
Er stellte sich hinter sie, und sofort spürte sie ein sehnsuchtsvollen Ziehen im Unterleib. „Richtig.“ Er klang grimmig.
„Wie waren sie?“, fragte sie neugierig.
„Kalt, grausam, snobistisch. Besessen von der Familiendynastie.“
Sie schnappte leise nach Luft, als sie sich zu ihm umdrehte. Wie hart und kalt seine Züge geworden waren. „Was haben sie dir nur angetan?“
„Die Frage sollte lauten: Was haben sie mir nicht angetan? Meine Großmutter liebte es, mich alle Zeitungsartikel über meine Mutter und meine Halbbrüder sammeln zu lassen. Damit ich auch ganz sicher begriff, dass sie nichts mit mir zu tun haben wollten.“
Sprachlos vor Entsetzen starrte Lexie ihn an. Kein Wunder, dass er jedes Mal abblockte, wenn die Rede auf seine Familie kam. Und doch war er zu der Hochzeit gegangen … In seinen Augen jedoch erkannte sie die Warnung: Dieses Thema war tabu. Wundern tat Lexie sich nur darüber, dass sie Wut in sich aufwallen spürte. Wut über das, was man ihm als kleinen Jungen angetan hatte.
„Was ist mit deinem Vater passiert? Stimmt es, dass er Torero war?“
Cesar wandte das Gesicht ab, und Lexie glaubte schon, er würde nicht antworten. „Er hat rebelliert. Er wollte nur weg von hier, wollte nichts mit seinem Erbe zu tun haben. Stierkämpfer zu werden war die Garantie, dass die Familie ihn verstoßen würde. Was sie dann auch getan hat.“
„Und deine Mutter …?“
„Sie lebte in der kleinen Stadt im Süden, wohin mein Vater für seine Ausbildung ging. Sie stammte aus ärmlichen Verhältnissen. Er verliebte sich in sie, sie heirateten, dann kam ich zur Welt.“
„Wusste sie, wer er war?“
„Natürlich. Deshalb hat sie ihn ja auch auserkoren.“ Zynisch verzog er das Gesicht, wirkte dadurch älter. „Wäre er nicht umgekommen, hätte sie ihn wahrscheinlich überredet, reuig wieder nach Hause zurückzukehren, vor allem, weil ich auf der Welt war.“
Sie bemühte sich, ihre Bestürzung über diese Seite an ihm zu verbergen. „Das kannst du doch nicht wissen …“, gab sie zu bedenken.
„Das ist offensichtlich. Nachdem mein Vater verunglückte, brachte sie mich sofort hierher. Aber meine Großeltern wollten nichts mit ihr zu tun haben. Mit mir jedoch … mit mir hatten sie ihren Erben. Sobald meine Muter herausfand, dass es für sie nichts zu holen gab, ging sie.“
Bei seinen kalten Worten legte Lexie unwillkürlich die Hand auf ihren Bauch. Es musste unerträglich für seine Mutter gewesen sein, ihn aufzugeben, ganz gleich, was er behauptete. So grausam konnte die Frau nicht gewesen sein. „Aber sie kam doch zurück …? Du hast gesagt, dass sie zurückgekommen ist.“
„Ja, sie ist zurückgekommen. Vermutlich wollte sie es einfach noch einmal probieren. Aber da war es zu spät.“
„Wie alt warst du?“
„Fast sieben.“
Sie schnappte nach Luft. „Noch so klein. Warum bist du nicht mit ihr gegangen?“
Ihr wurde klar, dass Cesar nicht antworten würde. Aber sie ahnte den Grund. Seine Mutter hatte ihn zurückgelassen, als er noch so jung gewesen war, aber alt genug, um sich zu erinnern. In den Jahren ohne sie musste etwas in ihm zerbrochen sein, sodass er nicht mehr mit ihr hatte gehen wollen.
Cesar räusperte sich umständlich. „Wir sollten gehen. Das Flugzeug wartet.“ Mehr sagte er nicht.
Die Privatmaschine, die startbereit auf dem kleinen Flughafen stand, machte Lexie erneut klar, mit was für einem wohlhabenden Mann sie es zu tun hatte.
Aber dieser Mann hatte ihr soeben auch einen Blick auf seine tiefen inneren Narben gestattet, und sie konnte nichts gegen den Druck tun, der seitdem auf ihrer Brust lag. Selbst wenn er kein Wort sagte … sie wusste, dass auch nur das geringste Anzeichen von Mitleid oder der Versuch, etwas Tröstendes zu sagen, seinen Zorn hervorrufen würde.
Cesar hatte den Landrover selbst gefahren, er hielt an und kam um den Wagen herum, um Lexie galant beim Aussteigen zu helfen. Der Pilot begrüßte sie vor der Bordtreppe, um das Gepäck kümmerte sich ein Steward. Und dann traten sie auch schon in eine Welt voller Luxus ein, wie Lexie sie noch nie gesehen hatte. Doch sie war noch zu aufgewühlt von Cesars Eröffnung, als dass sie diese neue Erfahrung wirklich hätte genießen können.
Der Steward führte sie zu ihren Sitzen, Cesar nahm Lexie gegenüber Platz und streckte die langen Beine aus. Da es keine anderen Passagiere außer ihnen gab, rollte die Maschine direkt zum Start an.
„Was für ein Anlass ist das denn heute Abend?“, fragte sie Cesar.
„Eine Dinnerparty im Haus des italienischen Botschafters“, antwortete er ihr lässig.
Ihr wurde mulmig. „Ich habe noch nie einen Botschafter getroffen. Ich weiß ja gar nicht, was ich sagen soll …“
„Sie teilen keine Fragebögen aus, um zu sehen, ob du für das Dinner qualifiziert genug bist, keine Sorge.“
Lexie hasste die Unsicherheit, die sie jedes Mal überfiel, weil sie die Schule nicht abgeschlossen und zudem auch noch mit Legasthenie zu kämpfen hatte. „Sie werden sich über Politik und Wirtschaft und die EU unterhalten, und …“
„Und du wirst nicht weniger wissen als sie, dessen bin ich mir sicher. Es sind auch nur Menschen, Lexie, keine intellektuellen Superhirne.“
„Nun, du bist eines …“ Dass er kleine Kreise mit dem Daumen an ihrem Handgelenk beschrieb, lenkte sie maßlos ab.
Jetzt jedoch runzelte er die Stirn. „Wie kommst du darauf?“
„Du gehörst zu den erfolgreichsten Männern der Welt … Du wirst zu internationalen Wirtschaftsforen eingeladen … und all die Bücher in deinem Arbeitszimmer und deiner Wohnung …“
Er verzog den Mund. „Die im Arbeitszimmer gehören meiner Familie. Ich behalte sie nur, falls ich mal etwas nachschlagen muss – und um Eindruck zu schinden. Ich selbst lese lieber einen guten Krimi.“
Plötzlich erwachte so etwas wie Zärtlichkeit in Lexie.
„Das Lernen in der Schule ist mir nicht leicht gefallen“, fuhr er fort. „Um gute Noten zu bekommen, musste ich richtig büffeln. Als meinen Großeltern das klar wurde, haben sie sofort den Klassenstreber angeheuert, damit er mir Nachhilfe erteilt. Juan Cortez ist heute der Bürgermeister von Villaporto.“
Das zärtliche Gefühl wurde immer stärker. „Seid ihr Freunde geworden?“
Er lächelte eines seiner seltenen Lächeln. Lexie musste sich zusammennehmen, um ihn nicht zu berühren.
„Ja. Aber erst, nachdem wir uns fast gegenseitig umgebracht hätten. Da waren wir beide zehn.“
„Wieso?“, hakte sie nach.
Zerknirscht verzog er das Gesicht „Ich konnte es nicht ertragen, dass jemand schlauer war als ich.“ Er hielt kurz inne. „Im Grunde bin ich ein Spieler, Lexie. Ich gehe zu diesen Meetings und Foren, weil ich ein riesiges Vermögen geerbt habe und es profitabel verwalte. Lange hatte ich mir überlegt, ob ich diesem Erbe nicht den Rücken kehren soll, wie mein Vater es getan hat, aber dann wurde mir klar, dass ich mir damit nur aus Sturheit ins eigene Fleisch schneiden würde. Ich bin gerne Unternehmer, und ich bin gut darin. Und seit dem Tod meiner Großeltern kann ich mit dem Geld endlich etwas Gutes tun.“
„Wie alt warst du, als sie starben?“
Seine gelöste Stimmung schwand. „Fünfzehn bei meinem Großvater, achtzehn bei meiner Großmutter.“
Lexie nahm schweigend seine Hand. Sie fühlte mit ihm, wenn sie sich vorstellte, welch große Verantwortung er so jung auf sich genommen hatte. Dass er als kleiner Junge ohne Liebe hatte aufwachsen müssen, ließ ihr Herz bluten. Sie wusste genau, wie sich das anfühlte – auch wenn sie es unter anderen Umständen erlebt hatte.
Die Liebe in ihrer Familie war nach einem schrecklichen Ereignis zugrunde gegangen und hatte nie wiederbelebt werden können.
Der Steward kam mit Erfrischungen, danach beschränkte sich die Unterhaltung auf harmlose Themen, wofür Lexie dankbar war. Und schon nach kurzer Zeit befanden sie sich im Landeanflug auf Madrid. Aufgeregt blickte Lexie auf die Metropole hinunter.
Ein Wagen wartete auf sie, als sie von Bord gingen, der sie zu Cesars Apartment brachte.
„Wir stellen des Gepäck ab“, sagte Cesar, „und dann zeige ich dir die Stadt.“
Als er ihre Hand nahm, stieg eine wunderbare Leichtigkeit in ihr auf, die sie nicht genauer analysieren wollte.
Seine Wohnung lag im obersten Stockwerk eines prächtigen Altbaus an einer breiten Allee. Es überraschte Lexie nicht, dass Design und Einrichtung ähnlich modern waren wie in seiner Wohnung im Castillo. Antike Möbel und moderne Kunst schufen eine perfekte Symbiose von Luxus, Klasse und Stil.
Ihre Reisetasche in der Hand, öffnete er eine Tür und bedeutete ihr, in den Raum zu gehen. „Das ist dein Zimmer.“ Er stellte die Tasche auf dem Fußende des Betts ab.
Zu dem Zimmer gehörten auch ein eigenes Bad und ein kleiner Ankleideraum, eingerichtet im gleichen Art Déco-Stil wie der Rest der Wohnung. Lexie liebte es. Mit klopfendem Herzen drehte sie sich zu Cesar um.
„Du weißt, dass ich dich begehre, Lexie. Aber das hier ist dein privater Raum.“
„Danke“, brachte sie dankbar heraus.
Einige Stunden später wartete Cesar im Salon auf Lexie. Die Hände hielt er bewusst tief in den Hosentaschen verborgen. Er wollte erst gar nicht in die Versuchung kommen, zu viel Nähe zuzulassen. Die letzten Stunden waren Himmel und Hölle zugleich für ihn gewesen.
Gemeinsam waren sie zu der versprochene Stadtrundfahrt aufgebrochen. Lexie hatte ihm gestanden, dass sie am liebsten mit einem dieser Sightseeingbusse ohne Verdeck fahren würde. Selbst Cesar kannte diese nur vom Sehen und hatte die fröhlichen Menschen auf diesen Touren immer ein wenig beneidet.
Lexie freute sich wie ein Kind, sie strahlte regelrecht. Und Cesar entpuppte sich als besserer Tourguide als der eigentliche Reiseleiter, sodass sich eine kleine Traube um ihn versammelt hatte und alle gebannt seinen Ausführungen lauschten.
Sie amüsierte sich königlich, als ein paar amerikanische Touristen darauf bestanden, ihm ein Trinkgeld zu überlassen – ihm, einem der reichsten Männer der Welt. Und in dem Moment, als er sie so laut herauslachen sah, spürte Cesar ein schwindelerregendes Gefühl, das ihm eigentlich fremd war und welches er mit ungläubigem Erstaunen als Glück identifizierte.
In diesem Moment fühlte er sich schwerelos und leicht und empfand nichts als pure Freude. Die Dunkelheit, seine ständige Begleiterin, war verschwunden. Die Freude hatte auch weiter angehalten, als Lexie unbedingt zu Fuß zur Wohnung zurückkehren wollte, weil es ja nicht weit wäre und das Wetter so schön. Unterwegs kehrten sie noch für ein Stück Kuchen in ein kleines Café ein, und Cesar musste zugeben, dass er noch mit niemandem eine so gute Zeit verbracht hatte.
Selbst jetzt noch hielt das Glücksgefühl an, schien ihm wie eine verführerische Liebkosung. Doch in ihm gab es einen Teil, der sich strikt weigerte, das für bare Münze zu nehmen. Der ihn drängte, diesem Gefühl nicht zu trauen.
Alles, was sich auch nur ansatzweise ähnlich anfühlte, war ihm schon als Kind entrissen worden. Und das hier schien ihm schlicht … zu einfach.
Als er ein Geräusch hörte, drehte er sich um, und es traf ihn wie ein Schlag in den Magen. Seine Reaktion war tatsächlich so körperlich, als er Lexie in der Tür stehen sah.
Er hätte nicht genau sagen können, was sie trug, nur dass es schwarz war und sich um jede ihrer perfekten Kurven schmiegte. Ihre Schultern waren nackt, das Haar hatte sie aufgesteckt, was ihren schlanken Hals zur Geltung brachte.
Eine Göttin.
Cesar ging zu ihr, bevor die Lust ihn unberechenbar machen und er sie beide hier in der Wohnung einschließen und wieder und wieder lieben würde. Er hatte tatsächlich Angst, sie anzufassen, weil er sich sonst in ein wildes, animalisches Wesen verwandeln könnte.
„Der Wagen wartet schon.“
Sie lächelte, doch Cesar sah die Nervosität in ihren Augen. Weil sie sich bei der Aussicht auf das Dinner unsicher fühlte? Der Beschützerinstinkt meldete sich wieder, genau wie das Verlangen nach ihr stetig anwuchs, viel zu schnell und zu stark. Er wollte nicht darüber nachdenken.
Er ließ sie vorgehen, ihr frischer blumiger Duft stieg ihm in die Nase, ihre Hüften wiegten sich bei jedem Schritt, das Kleid schwang ihr um die Knie, und er schickte ein Stoßgebet zu dem Gott, den er schon so lange nicht mehr um Hilfe gebeten hatte, ihm genügend Selbstbeherrschung zu verleihen, um ein zivilisiertes Verhalten an den Tag zu legen.
Lexie entspannte sich endlich. Vermutlich hatte das auch mit dem zweiten Glas Wein zu tun, aber dieses Dinner war lange nicht so einschüchternd, wie sie erwartet hatte, auch wenn es sich bei dem „Haus“ des Botschafters um einen ehemaligen Palast im Zentrum Madrids handelte, überwältigend in seiner Pracht.
Sie hatte damit gerechnet, dass die Gespräche sich ausschließlich um Politik und Wirtschaft drehen würden, doch man war offensichtlich viel interessierter daran, von ihr alles über das Filmbusiness und die berühmten Stars zu erfahren.
Irgendwann legte sich eine Hand auf ihren Schenkel, und vor lauter Sehnsucht zuckte Lexie zusammen. Sie verschränkte ihre Finger mit Cesars und hielt seine Hand fest. Ihr Körper und ihr Geist schienen sich an zwei verschiedenen Orten zu befinden …
„Alles in Ordnung mit dir?“, flüsterte er ihr zu.
Sie nickte. „Ich musste dem griechischen Botschafter gerade detailliert erklären, was er sich auf jeden Fall mit seinen Kindern ansehen sollte, wenn sie den nächsten Monat in Los Angeles verbringen.“
Lächelnd drückte Cesar einen leichten Kuss auf ihre Lippen, und zu gern hätte Lexie sich an ihn geschmiegt. Auf ihrem Schenkel spürte sie seine Finger. Ja, sie war bereit. Ihr Herz klopfte härter, auch wenn die Fangarme der Angst aus der Vergangenheit sich nach ihr ausstreckten.
Cesar lehnte sich zurück. Seine Augen glühten dunkelgrün. „Nach dem Dinner gibt es eine kleine Vorführung. Wir brauchen aber nicht zu bleiben, wenn du nicht möchtest.“
Und Feigling, der sie war, ergab Lexie sich dieser Angst, schob das Unvermeidliche noch weiter auf. „Doch, ich würde es mir gern ansehen.“
So wechselte man in den Saal über, in dem die Darbietung stattfand. Lexie jedoch fühlte sich wie in einem Nebel aus Sehnsucht und Hitze. Alle ihre Sinne waren auf Cesars Nähe ausgerichtet.
Schon der Nachmittag mit ihm im Bus war wie eine süße Folter für sie gewesen. Auch war er keineswegs so misanthropisch, wie er von sich behauptete, im Gegenteil. Mit seiner freundlichen Art hatte er alle Anwesenden gefesselt. Lexie fragte sich, ob ihm das überhaupt bewusst war.
Eine Flamencotänzerin, nur von einem Gitarristen begleitet, eröffnete die Vorstellung. Als Lexie irgendwann zu Cesar sah, fand sie seinen intensiven Blick auf sich liegen. Hitze breitete sich in ihr aus, und nur mit Anstrengung schaffte sie es, den Blick wieder nach vorn auf die wunderschöne schwarzhaarige Frau in dem tiefroten Kleid zu wenden, die sich graziös und temperamentvoll zugleich bewegte. Sinnlich.
Der Rhythmus der Musik, das Staccato der tanzenden Füße, die Nähe des Mannes neben ihr … das alles hallte durch Lexies Körper. Cesar hatte etwas in ihr entfesselt, etwas Mächtiges und Machtvolles. Etwas, zu dem sie in diesem Moment wieder eine Bindung herstellen konnte.
Die eigene Sexualität.
Sie hatte geglaubt, ihre Sinnlichkeit vor langer Zeit unwiederbringlich verloren zu haben. Wie gerne hätte sie Cesar angesehen, doch sie fürchtete, dass er dann das Verlangen nach ihm in ihren Augen erkennen würde.
Die Musik wurde schneller, der Tanz wilder. Schweiß schimmerte im Licht der Scheinwerfer auf der Haut der Tänzerin, deren Miene konzentrierte Leidenschaft zeigte. Lexie spürte, wie auch auf ihre Haut ein leichter Schweißfilm zog. Das Trommeln der Schuhabsätze drang ihr bis ins Mark. Cesar verschränkte seine Finger mit ihren, als könnte er fühlen, was der Tanz und die Musik in ihr auslösten.
Jede Zelle in ihrem Körper vibrierte, alles in ihr war lebendig vor Verlangen nach dem Mann an ihrer Seite. Als der Tanz endete, brandete begeisterter Applaus auf, und noch immer wagte Lexie es nicht, Cesar anzusehen.
„Lexie?“
Endlich wandte sie ihm das Gesicht zu, ihre ganze Welt bestand nur noch aus diesem Moment und diesem Mann. Sie begehrte ihn mit brennender Leidenschaft.
Der nächste Künstler trat ins Scheinwerferlicht, aber Lexie sagte impulsiv: „Würde es dir etwas ausmachen, jetzt zu gehen?“
Cesar schüttelte den Kopf. Ein Ausdruck trat in seine Augen, als wisse er genau, was sie dachte, als könne er ihr Verlangen spüren. „Nein. Lass uns gehen, bevor die nächste Nummer anfängt.“
Auf dem Weg nach draußen atmete Lexie einige Male tief durch. Es half ihr, etwas von ihrer Fassung zurückzuerlangen, aber noch immer bebte sie innerlich. Noch nie hatte jemand eine so mächtige Wirkung auf sie gehabt wie dieser Mann.
Als sie aus dem Haus traten, fuhr der Wagen vor. Der Chauffeur öffnete die Tür für Lexie, und Cesar stieg auf der anderen Seite ein. Ohne zu zögern, zog er sie an sich, und Lexie schlang sehnsüchtig die Arme um seinen Hals.
Es war ein gieriger, verzweifelter Kuss, in dem sich ihre Münder trafen. Bis sie bei Cesars Apartment ankamen, saß Lexie halb auf seinem Schoß, beide atmeten schwer. Sanft löste Cesar ihre Arme von seinem Nacken, als der Wagen parkte. Er stieg aus und streckte ihr seine Hand hin. Für einen verrückten Moment sah Lexie das Bild vor sich, wie sie die Wagentür zuzog und dem Chauffeur die Anweisung gab, zum Castillo zu fahren. Dort würde sie sich so lange in ihr Zimmer einschließen, bis ihr Körper sich wieder beruhigt hatte.
Doch sie tat es nicht. Sie hatte sich doch schon bewiesen, dass sie stark genug war, um auch das Schlimmste zu überstehen, was einer Frau zustoßen konnte. Dann würde sie auch genügend Kraft haben, um ihr Recht auf körperliche Freuden wieder zu beanspruchen.
Sie legte ihre Finger in Cesars Hand und ließ sich von ihm aus dem Wagen helfen. Keiner von ihnen beiden sprach ein Wort, aber die Luft um sie herum war schwer, angereichert mit dem Bewusstsein füreinander, erwartungsvolle Ungeduld vibrierte um sie beide herum.
Sobald die Tür des Apartments hinter ihnen ins Schloss fiel, schüttelte Cesar sich das Jackett von den Schultern und nahm die Fliege ab, ohne Lexie aus den Augen zu lassen. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie meinte, er müsse es hören. Nervös hielt sie die Finger um ihre Abendtasche geklammert, starrte auf Cesars Mund, wünschte sich, seine Lippen wieder auf ihren zu spüren.
Er kam zu ihr, nahm ihr das Täschchen aus den Händen und warf es zu seinem Jackett. „Bist du dir sicher?“
Nach einem kurzen Moment nickte Lexie. „Noch nie im Leben war ich mir bei etwas so sicher. Schlafe mit mir, Cesar.“