EPILOG

Anderthalb Jahre später

„Ich meine, sie sehen doch eigentlich ganz harmlos aus, oder etwa nicht?“

Cesar lächelte über Alexios ungläubigen Ton, und Rafaele, der auf seiner anderen Seite stand, seufzte herzhaft. Sie standen zusammen und beobachteten die drei Frauen, die auf dem Rasen vor dem Castillo an dem Picknicktisch saßen. Das Wasser des neuen Swimmingpools glitzerte einladend in der Sonne.

Von außen sah das prächtige Anwesen aus wie immer, doch innen war es komplett renoviert worden. Außer einigen Nischen, die erhalten worden waren, präsentierte sich das Innere hell und luftig, die Einrichtung war stilvoll luxuriös, ohne pompös zu wirken. Lexie persönlich hatte die Aufsicht übernommen, als die Gemälde der Ahnengalerie sehr behutsam und sehr sorgfältig verstaut worden waren – im tiefsten Kellergewölbe.

„Ich weiß“, stimmte Rafaele jetzt zu. „Und trotz all dieser Harmlosigkeit …“

„… haben sie uns besiegt“, beendete Cesar den Satz und klang glücklicher als die anderen beiden zusammen.

Die drei Frauen steckten die Köpfe zusammen, ein dunkler, ein blonder und ein rotblonder Schopf, dann lachten sie alle drei herzhaft auf.

Rafaele verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. „Warum macht mich das immer nervös, wenn die drei so loslachen? Als ob sie über uns reden würden …“

„Wahrscheinlich, weil sie genau das tun“, meinte Cesar seelenruhig.

Zwei grüne Augenpaare starrten ihn an. „Weißt du“, meinte Alexio lauernd, „würde ich jetzt ein Foto von dir schießen und es ins Netz stellen, wäre deine legendäre mystische Aura innerhalb von Sekunden dahin.“

Cesar lächelte. „Mach ruhig. Ich glaube, die habe ich schon beim ersten Windelwechseln verloren – zusammen mit meinem Geruchssinn.“

Das selige Lächeln fest auf den Lippen, sah er auf das winzige Bündel in seinen Armen hinunter. Zwei Monate war Lucita, seine Tochter, jetzt alt.

Ein kleines Mädchen tapste mit entschlossener Miene vom Tisch auf die Gruppe der Männer zu. Rotblonde Locken umrahmten ein engelsgleiches Gesichtchen, aus dem riesige grüne Augen strahlten. Die Kleine hatte jeden um den kleinen Finger gewickelt, einschließlich Cesars wortkarger Haushälterin.

Cesar schaute die Kleine an und stellte sich schon Lucita vor, wie sie ihre ersten Schritte tun würde. Sein Herz floss über.

Alexio beugte sich vor, ermunterte seine Tochter Belle, die letzten Meter zu ihm zu kommen, und mit einem fröhlichen Jauchzer ließ sie sich in seine Arme fallen. Er hob sie hoch, und sie lehnte vertrauensvoll den Kopf an seine Schulter, den Daumen fest im Mund.

„Die Titanen sind besiegt“, bemerkte Rafaele trocken und beobachtete Milo, seinen Fast-Fünfjährigen, der zusammen mit seinem neuen besten Freund – Juan Cortez’ Sohn im gleichen Alter – in den Pool sprang.

Belle hob sofort den Kopf, zeigte zum Pool und plapperte aufgeregt in Babysprache. Doch Alexio achtete viel mehr auf seine Frau, die, einen lockeren Kaftan über dem Bikini, jetzt ebenfalls zu der Männergruppe stieß.

Cesar wusste, dass sie mit dem zweiten Kind schwanger war, aber das Paar wollte es erst nach der Drei-Monats-Frist offiziell bekanntgeben. Nur … Sidonie hatte es Lexie anvertraut, und Lexie hatte es ihm weitergesagt. Cesar war ziemlich sicher, dass auch Sam Bescheid wusste, was automatisch bedeutete, dass Rafaele es wusste. Es war also kein Geheimnis mehr, nur taten alle so, als wüssten sie von nichts.

Der Blick, den Alexio und Sidonie tauschten, war definitiv sehr privat. Dann lächelte Sid, weil Belle unbedingt wieder auf den Boden gestellt werden wollte. „Dir ist schon klar“, sagte sie zu ihrem Mann, „dass sie keine Ruhe geben wird, bis sie mit Milo spielen kann.“

Alexio warf einen vorwurfsvollen Blick zu Rafaele, aber der hob nur eine Augenbraue. „Was? Es ist doch nicht meine Schuld, dass sie ihren Cousin heiß und innig liebt. Ich kann nur sagen, das Mädchen beweist schon jetzt einen ausgezeichneten Geschmack, was Männer anbelangt.“

Sidonie nahm Belle bei der Hand und warf einen zärtlichen Blick auf ihre kleine Nichte, die sich an Cesars Brust kuschelte. „Es ist Zeit für Lucitas nächste Mahlzeit, und Sam wollte sich eine Weile hinlegen. Ich passe auf die Kinder auf und gehe mit Belle in den Pool.“

„Ich komme mit“, erklärte Alexio sofort, und damit folgte er den beiden.

Samantha Falcone kam jetzt auf die verbleibenden beiden Männer zu. Obwohl sie im siebten Monat schwanger war, bewegte sie sich noch immer graziös. Sobald sie bei Rafaele ankam, murmelte er rau: „Wie ich höre, willst du dich eine Weile hinlegen?“

Sie nickte und sah ihn unschuldig an. „Du hast letzte Nacht nicht genug geschlafen, oder? Warum kommst du nicht mit und machst auch ein Nickerchen?“

Cesar musste sich das Lachen verkneifen, als Rafaele nur etwas Unverständliches knurrte und seine Frau praktisch ins Castillo zog. Rafaele hatte ihm gestanden, wie wichtig diese Zeit mit seiner schwangeren Frau ihm war, da er Sams Schwangerschaft mit Milo nicht miterlebt hatte.

Cesar sah zu Lexie, die es sich auf der Hollywoodschaukel im Schatten der Bäume bequem gemacht hatte. Lächelnd lockte sie ihn mit dem gekrümmten Zeigefinger zu sich. Als ob er groß ermuntert werden müsste …

Er ging hinüber und setzte sich zu ihr. Lucita quengelte leise, sie hatte Hunger.

Für einen Moment hielt Cesar seine Tochter noch und sah zärtlich in das kleine Gesichtchen. Sie starrte zurück. Sein Herz zog sich zusammen. War es überhaupt möglich, dass die Liebe mit jedem Mal, das er in diese hellen blauen Augen schaute, noch wuchs? Und dann lächelte das Baby, und die Frage wurde müßig, denn innerhalb einer Nanosekunde beantwortete sie sich von selbst.

„Sieh nur“, platzend vor Stolz übergab er Lexie seine Tochter, „sie hat mich angelächelt!“

Grinsend nahm Lexie das Baby an und legte es sich an die Brust. „Ich will dich ja nicht enttäuschen, aber … vermutlich war das nur ein kleiner Pups.“

Cesar sagte nichts, lächelte seine Frau selig an und schlang den Arm um sie. „Ich könnte den ganzen Tag zusehen, wie du sie stillst.“

Den Kopf an seiner Schulter, lächelte Lexie zu ihm auf. „Glücklich?“

Das Herz schwoll in seiner Brust, bis er meinte, es müsse vor Glück explodieren. „Glücklich trifft es nicht einmal annähernd.“

Er nahm ihre freie Hand in seine, die Hand, an der sie den Ring trug, und zog sie an seine Lippen. Dann gab er etwas zu, von dem er sich bisher geschämt hatte, es zu gestehen. „Weißt du, vor Lucitas Geburt hatte ich Angst, dass ich nicht noch mehr lieben könnte, als ich dich schon liebe.“

Lexies Augen begannen zu leuchten.

„Doch sobald sie auf der Welt war, begriff ich, dass Liebe unendlich ist. Liebe beschränkt sich nicht auf eine Person.“

„Ich weiß“, wisperte sie. „Mir ging es genauso.“

Für beide war die Zeit der Schwangerschaft und der Geburt sehr emotional gewesen, aber besonders für Lexie, hatte es sie doch an alles erinnert, was sie mit ihrem ersten Baby durchgemacht hatte. Cesar hatte ihr bei jedem Schritt zur Seite gestanden, er hatte ihr mehr Unterstützung geboten, als sie sich je hätte erträumen können. Er hatte sie auch dazu ermuntert, ihre Adresse bei der Adoptionsbehörde zu hinterlegen, sollte ihr Sohn jemals den Wunsch haben, sich mit ihr in Verbindung zu setzen.

Sie seufzte leise, dann lachte sie, auch wenn Tränen in ihren Augen standen. „Also, für jemanden, der ohne Liebe aufgewachsen ist, bist du erstaunlich gut darin, Liebe zu schenken.“

„Weißt du, heute kann ich sogar Mitgefühl für meine Großeltern empfinden.“ Leichte Trauer schwang in seiner Stimme mit. „Sie waren so verbittert und verhärmt.“

Wie immer, wenn die Sprache auf seine Großeltern kam, blitzte es angriffslustig in Lexies Augen auf, doch bevor sie etwas sagen konnte, hatte er schon seinen Mund auf ihre Lippen gedrückt, und als er den Kopf wieder hob, lag ein ganz anders geartetes Leuchten in Lexies Gesicht. „Du willst nur ablenken“, murmelte sie.

Lucita hatte ihre Mahlzeit beendet und es sich nach einem kräftigen Bäuerchen auf Lexies Arm für ein Nickerchen gemütlich gemacht. Lexie schaute ihren Mann forschend an. „Bist du bereit für morgen?“

Cesar schien ausschließlich von seiner Tochter gefesselt. „Morgen? Was ist denn morgen?“

Lexie lächelte. Er wusste genau, was für morgen geplant war. Trotzdem erinnerte sie ihn noch einmal. „Sidonies Tante aus Frankreich kommt, wir sollten es ihr so angenehm wie möglich machen. Es ist ihr erste große Reise, und sie ist schrecklich nervös, deshalb holt Alexio sie ja auch aus Paris ab. Rafaeles Vater und seine neue Frau Bridie reisen aus Mailand an. Und Juan und Maria Cortez wollen Miguel morgen abholen. Wobei sie wahrscheinlich dann doch über Nacht bleiben, weil es unhöflich wäre, sie nicht zum Grillabend einzuladen, wenn sie schon einmal hier sind.“

„Und weil Maria mit euch dreien dick befreundet ist“, fügte Cesar trocken hinzu.

So positiv Cesar auch klang, einen Rest Unruhe konnte Lexie nicht unterdrücken. Es war das erste große Familientreffen. Sie, Sidonie und Sam hatten sich auf Anhieb verstanden und waren praktisch innerhalb der ersten halben Stunde Freundinnen geworden. Und auch wenn Lexie wusste, dass Cesar seit jenem ersten Treffen in Rom in der Beziehung mit seinen Halbbrüdern Riesenfortschritte gemacht hatte, so war es für ihn doch noch immer ungewohnt, sich in einer großen glücklichen Familie zu bewegen, wenn er als Kind nur das genaue Gegenteil gekannt hatte. Es hatte den Heilungsprozess in ihm beschleunigt, als er von seinen Halbbrüdern erfahren hatte, dass ihr Leben mit ihrer Mutter keineswegs nur von Glück geprägt gewesen war.

Doch dann sah Lexie die Entschlossenheit in seinen Augen und schalt sich still, dass sie ihren Mann unterschätzte.

„Ob ich bereit für morgen bin?“ Er küsste sie ausgiebig, und dann erschien ein unbeschwertes Grinsen auf seinem Gesicht. „Solange du bei mir bist, bin ich zu allem bereit.“

„Das ist gut“, bekräftigte sie herzhaft. „Denn ich habe nicht vor, je von deiner Seite zu weichen.“

– ENDE –