In ihrer Suite marschierte Lexie unruhig auf und ab. Ihr war abwechselnd heiß und kalt, während sie ein weiteres Mal abwägte, ob sie sich mit Cesar in der Öffentlichkeit zeigen sollte oder nicht.
Sich mit ihm sehen zu lassen war wohl die bessere Wahl. Erst in den letzten Wochen war es stiller geworden um „Laszive Lexie – Ehebrecherin!“ Und wenn die Presse sie schon so bald wieder ins Rampenlicht zerren sollte, dann auf jeden Fall nicht als Opfer.
Cesar war ledig und ungebunden. Eine Affäre mit ihm würde schnell zu den eher unwichtigen Neuigkeiten gehören. Außerdem, gestand sie zynisch zu, solche Publicity konnte dem Film nicht schaden.
Ihr Blick fiel auf ihren Tabletcomputer. Obwohl sie sich dafür verachtete, startete sie das Internet und gab „Cesar Da Silva Freundinnen“ in die Suchmaschine ein.
Sicherlich keine große Überraschung, dass die Suchmaschine nur Fotos von ihm mit schönen und eleganten Frauen zu Tage förderte. Alle groß, alle dunkelhaarig, alle mit Klasse. Eine war UNO-Diplomatin. Eine andere Attaché eines Regierungschefs. Die nächste Anwältin für Menschenrecht. Dann gab es noch ein paar Fotos von Cesar Da Silva auf diversen Wirtschaftsgipfeln zusammen mit Präsidenten und Ministern.
Lexie fasste sich an den Hals. Sie bewegte sich eindeutig weit außerhalb ihrer Liga. Der Plan, als Liebespaar durchzugehen, schien ihr jetzt wie der pure Hohn. Wer würde schon glauben, er könnte ausgerechnet sie wählen?
Sie kam sich wie ein Stalker vor, doch die Neugier war stärker. Also suchte sie nach Berichten über ihn und seine Familie. Überraschenderweise fand sie einen aktuellen Zeitungsartikel mit einem Foto von ihm, heute aufgenommen auf einer Hochzeit in Paris. Sie stutzte. Wie konnte er so schnell von Paris auf sein Anwesen zurückgekommen sein? Dann erinnerte sie sich, dass sie am Vormittag das Donnern von Hubschrauberrotoren gehört hatte. Natürlich. Für jemanden wie Cesar Da Silva war es kein Problem, zwischen europäischen Metropolen zu pendeln.
Sie las den Bericht über die Hochzeit von Alexio Christakos und seine hübsche Braut Sidonie. Mehr oder weniger deutlich wurde über eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen Christakos und Da Silva spekuliert. Und noch zu einem weiteren Mann: Rafaele Falcone.
Lexie runzelte die Stirn. Dass Christakos und Falcone Halbbrüder waren, war allgemein bekannt. Genau wie jeder wusste, dass beide bis zu ihrer Hochzeit notorische Schürzenjäger gewesen waren. Und Cesar sollte mit den beiden verwandt sein?
Sie suchte weiter und fand eine kurze Information über Cesars Vater. Joaquin Da Silva war von seiner Familie enterbt worden, nachdem er die Laufbahn eines Stierkämpfers eingeschlagen hatte. Er hatte sich einen Namen gemacht, bevor er auf tragische Weise in der Arena von einem Stier getötet worden war.
Des Weiteren fand sie die Berichte über Cesars zahlreiche Errungenschaften, sein Name wurde auch auf der Liste der größten Philanthropen der Welt geführt.
Die Hochzeitsfotos zogen wieder Lexies Aufmerksamkeit an. Ja, die drei Männer ähnelten sich definitiv. Und sie alle hatten auffällige Augen – Grün, in verschiedenen Farbtönen. Sehr ungewöhnliche Augen.
Argwohn meldete sich. Für einen Mann, der jegliche Art von Publicity mied, hatte er viel zu schnell zugestimmt, sich mit ihr in der Öffentlichkeit zu zeigen. Natürlich war es aufregend und berauschend, sich einzubilden, er würde den Medienrummel über sich ergehen lassen, nur weil er sie in seinem Bett haben wollte, aber … vielleicht hatte er ja ganz andere Gründe. Vielleicht wollte er ja nur ablenken und verhindern, dass etwas über seine Familie ans Tageslicht kam? So wenig es ihr auch passte, sie hatte Verständnis dafür. Und sie war neugierig …
Als es klopfte, setzte ihr Herz einen Schlag lang aus. Hastig klappte sie das Tablet zu und ging zur Tür. Vor Enttäuschung hätte sie fast die Stirn gerunzelt, als Tom, der Produzent, davor stand.
Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Tom …“
Er hatte seinen eigenen Computer mitgebracht und hielt ihn ihr entgegen. Auf dem Bildschirm stand das Foto, das Cesar ihr vorhin gezeigt hatte, sie und er zusammen in eindeutiger Pose.
Ihr Magen zog sich zusammen. „Ah …“
„Genau, ah“, wiederholte der ältere Mann. „Ich wusste nicht, dass du Da Silva bereits kennst. Du hast nichts davon erwähnt.“
„Ich möchte wirklich nicht darüber reden, Tom.“
„Das sollte keine Beschwerde sein“, beruhigte er sofort. „So was ist fantastische PR für den Film. Ich meine, wenn ihr beide wirklich zusammen seid …“
Tom sorgte sich offensichtlich, dass eine unglückliche Affäre das Filmprojekt gefährden würde, weil Da Silva dann vielleicht alle des Geländes verwies. Was unsinnig war. Cesar Da Silva konnte die Filmcrew jederzeit von seinem Besitz jagen.
Lexie stellte sich vor, welche Furore es nächste Woche machen würde, wenn man sie zusammen auf der Wohltätigkeitsveranstaltung sah. „Ja …“ Sie musste die Worte herauszwingen, „… wir sind zusammen.“
Die Erleichterung auf dem Gesicht des Produzenten war nahezu komisch. „Gut. Wie schon gesagt, das ist die beste PR überhaupt. So viel Medienpräsenz hätten wir mit dem Film allein wohl nie erreicht, und wenn …“
„Tom“, lächelnd fiel sie ihm ins Wort. „Ich habe morgen einen anstrengenden Tag vor mir. Ich möchte das Wochenende nutzen, um mich vorzubereiten und mich auszuschlafen, damit ich am Montag voller Energie ans Drehen gehen kann.“
Abwehrend hob er die Hände. „Klar, verstehe. Dann gehe ich jetzt. Gute Nacht, Lexie.“
Sie schloss die Tür und ließ sich erschöpft mit dem Rücken dagegensinken. Eine Stimme aus der Vergangenheit hallte durch ihren Kopf – ihre Therapeutin. Lexie, eines Tages werden Sie jemanden treffen, bei dem Sie Verlangen verspüren. Und Sie werden sich sicher genug fühlen, um sich darauf einzulassen. Und dann werden all Ihre Wunden heilen …
Sie musste das hysterische Kichern unterdrücken. Verlangen hatte sie heute verspürt, aber sicher fühlte sie sich nicht, ganz im Gegenteil.
Das Bild von Cesars harten Zügen tauchte vor ihr auf, und Ärger meldete sich. Der Mann war offensichtlich daran gewöhnt, dass ihm die Frauen zu Füßen lagen. Natürlich ahnte er nicht, welche Narben sie in ihrem Innern trug. Unsichtbar für andere, aber Lexie fühlte sie jeden Tag, kämpfte jeden Tag dagegen an, damit sie normal leben und arbeiten konnte.
Mit einem schweren Seufzer drückte sie sich von der Tür ab. Arbeit. Auf den Film musste sie sich in den nächsten vier Wochen konzentrieren, nicht auf die kleine Showeinlage, die sie am Wochenende zusammen mit Cesar geben würde.
Allerdings sah sie dem mit sehr viel mehr Nervosität entgegen, denn sie befürchtete, dass ihr schauspielerisches Talent am kommenden Samstag überhaupt nicht beansprucht werden würde.
Mitte der folgenden Woche nutzte Lexie die Pause, um ihren Text über Kopfhörer auswendig zu lernen, während die Technikercrew in dem von einer Mauer umschlossenen Garten nicht weit vom Castillo entfernt, in dem sie gerade drehten, die Kameras aufbauten. Immer wieder jedoch musste Lexie an die Person denken, die seit Tagen ihre Gedanken beherrschte, obwohl sie sich alle Mühe gab, genau das zu unterbinden.
Wenn Cesar ab und zu beim Set vorbeischaute, brachte er Lexie allein durch seine Anwesenheit aus dem Konzept. Dass sie im freizügigen Kostüm einer Kurtisane aus dem neunzehnten Jahrhundert herumlief, half ihr nicht gerade, die Fassung zu wahren.
Gerade wollte sie dankbar aufseufzen, weil er sich heute nicht hatte blicken lassen, als er auch schon aus dem Nichts auftauchte, gerade so, als hätte ihre überhitzte Fantasie ihn herbeigerufen. Er kam direkt auf sie zu, und nirgendwo war Platz, um ihm auszuweichen. Die Crew war vollauf beschäftigt, niemand ahnte etwas von der erdbebengleichen Reaktion, die in ihr ablief, während Cesar sie in diesem abgeschiedenen Teil des Gartens einkesselte.
Ihr wurde heiß, ein Prickeln lief über ihren Rücken, als er genau vor ihr stehen blieb. Sie brachte kein Wort hervor, schien wie hypnotisiert von seinen Augen. Als er dann zu sprechen begann, riss seine Stimme sie endlich aus der Starre.
„Ich habe meine Assistentin angewiesen, Ihnen Kleider aus einer Boutique in Salamanca kommen zu lassen.“
Verständnislos blinzelte sie ihn an. „Kleider?“
„Für die Veranstaltung am Wochenende und für künftige Gelegenheiten.“
Jetzt begriff sie. Er spielte darauf an, dass sie nicht die Klasse seiner üblichen Begleiterinnen hatte. Was für eine Unverschämtheit! Sie brauchte keine Erinnerung daran, dass sie nicht in seiner Liga mitspielen konnte. „Das wäre nicht nötig gewesen“, sagte sie steif.
Cesar blieb unnachgiebig. „Nun, jetzt ist es zu spät, sie wurden bereits in Ihre Suite geliefert.“ Er hob die Hand, als sie den Mund zu einer Erwiderung öffnete. „Wenn Sie sie nicht nutzen wollen, soll es mir auch recht sein. Sehen Sie sich an, was da ist und was Ihnen gefällt. Es ist keine große Sache.“
Nein, für ihn natürlich nicht. Er brauchte ja nur mit den Fingern zu schnippen. Misstrauisch beäugte sie ihn. „Woher wussten Sie, welche Größe ich trage?“
Sie bereute die Frage, sobald sie sie ausgesprochen hatte, denn sein Blick glitt von Kopf bis Fuß über sie.
„Ich habe in der Garderobe nachgefragt, aber mit meiner Schätzung lag ich nicht weit daneben.“
In diesem Moment kam der Kameraassistent und machte Lexie ein Zeichen. „Ich muss gehen“, sagte sie, dankbar für die Unterbrechung. „Sie wollen weiterdrehen.“
Doch statt aus dem Weg zu gehen und sie vorbeizulassen, trat er vor sie, legte die Hand an ihren Nacken, beugte den Kopf und presste einen flüchtigen, aber gierigen Kuss auf ihre Lippen, bevor er zur Seite trat.
Ein Prickeln lief über ihren ganzen Körper, ihr schwindelte leicht. „Wozu war das gut?“
Cesar lächelte, doch seine Augen blieben kühl. Und wieder fragte Lexie sich unwillkürlich, wie ein echtes Lächeln sein Gesicht wohl verändern würde.
„Ich bin nur vorsichtig. Hier stehen schließlich überall Kameras“, lautete seine Antwort.
„Jetzt wird Celeste meine Lippen neu schminken müssen“, brachte sie schwach heraus.
Er zog die Mundwinkel in die Höhe. „Dann auf. Lassen Sie Celeste ihre Arbeit tun.“
Blinzelnd sah Lexie in sein Gesicht. Etwas Leichtes, Unbeschwertes schien für einen Moment zwischen ihnen aufzublühen, aber da drehte er sich auch schon um und ging, und sie kehrte ans Set zurück.
Und es war ihr unmöglich, die eindeutig neidischen Blicke nicht zu bemerken, die ihr galten.
Im Salon des Castillo wartete Cesar drei Tage später auf Lexie. Wenn er an die vergangene turbulente Woche zurückdachte, konnte er nur zu dem Schluss kommen, dass sein Verstand sich offenbar beim ersten Blick auf diese Frau in seinen Schritt verlagert hatte. Es behagte ihm überhaupt nicht.
Für viele Dinge war Cesar bekannt. Für seinen Reichtum, für seine diversen Wohltätigkeitsprojekte, für seinen brillanten Geschäftssinn, für das unnachgiebige Wahren seiner Privatsphäre, für seinen Erfolg. Und für seine Selbstbeherrschung. Schon seit jungen Jahren – seit sehr jungen Jahren – war er ein Meister in Letzterem.
Üblicherweise wählte er große brünette Frauen als Begleiterinnen. Elegante Frauen mit Stil und Klasse. Niemals kleine kurvige Blondinen mit riesigen blauen Augen, in denen man ertrinken konnte. Und erst recht keine Frauen, deren zweifelhafter Ruf in sämtlichen Klatschspalten breitgetreten wurde.
Immer hatte er peinlich genau darauf geachtet, nicht ins Rampenlicht zu geraten, so als könnten andere vielleicht etwas erkennen, das er selbst nicht aussprechen konnte – eine Dunkelheit, die schon so lange in ihm wohnte. Das Stigma von fehlender liebevoller Fürsorge und Zurückweisung haftete an ihm wie ein Brandmal.
Und doch … für jemanden, der für sein skandalfreies Leben bekannt war, schreckte die Aussicht, plötzlich zum Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu werden, ihn erstaunlich wenig ab. Ganz wohl war ihm natürlich nicht bei der Vorstellung, aber wirklich genervt war er auch nicht.
Er schenkte sich einen Drink ein und lächelte grimmig vor sich hin. Seine Bedenken wurden nämlich alle verdrängt von etwas völlig anderem – von Lexie Anderson. Eigentlich hätte er diese Woche an der Konferenz einer Hilfsorganisation in Nordafrika teilnehmen sollen, aber er hatte die Filmarbeiten auf seinem Anwesen als Entschuldigung angeführt, um nicht hinzufliegen.
Bisher war Cesar immer schnell dabei gewesen, die Filmindustrie als oberflächlich und narzisstisch zu bezeichnen, doch nach einer Woche musste er sein Urteil revidieren. Die Crew arbeitete unermüdlich jeden Tag zwölf, dreizehn Stunden, wenn nicht sogar mehr. Es überraschte ihn auch, wie schnell die Dorfbewohner durch die geduldigen Instruktionen der Crew zu einem Teil des Ganzen geworden waren.
Lexie arbeitete am härtesten. Ein Double hatte sie abgelehnt, bestand darauf, alle Szenen selbst zu spielen, so anstrengend sie auch waren. Ehrlich gesagt, Cesar hätte keine solch ausdauernde Arbeitsmoral bei ihr erwartet. Und sie war beliebt beim Team – vor allem bei den männlichen Kollegen. Er war noch nie eifersüchtig wegen einer Frau gewesen, und es machte keinen Spaß, dieses Gefühl jetzt zum ersten Mal zu erfahren.
Als er einen Laut hinter sich hörte, drehte er sich um.
Sexbombe. Das war das Wort, was ihm sofort in den Kopf schoss, als er die Frau in der Tür stehen sah. Sie hatte auch den gleichen Effekt auf ihn wie eine Bombe – sie explodierte in seinem Innern und steckte sein Blut in Brand.
Er konzentrierte sich auf die Details, weil das Gesamtbild zu überwältigend war. Schimmerndes blondes Haar wellte sich über eine bloße Schulter. Helle Haut. Nackte Arme. Das glamouröse Goldlamé-Kleid schmiegte sich um ihre Kurven und fiel in luxuriösen Wellen bis auf den Boden.
Ein eiskalter Vamp. Hätte er sie nicht geküsst, würde er ihr dieses Etikett verpassen, und damit wäre die Sache für ihn erledigt. Doch im Moment hatte er Mühe, sich an den eigenen Namen zu erinnern.
Ein feines Knacken drang an sein Ohr. Verdattert starrte er auf das Glas in seiner Hand. Er hatte die Finger so fest darum geklammert, dass das schwere Bleikristall einen Sprung bekommen hatte.
Sie kam in den Raum, und das Schwingen ihrer Hüften wäre fast sein Untergang gewesen. Eigentlich besaß er Finesse und war darin geübt, Frauen Komplimente zu zollen. Doch jetzt brachte er nur ein grimmiges: „Der Wagen wartet. Wir sollten gehen“, hervor.
Lexie kämpfte die Unsicherheit nieder, als sie ihm vorausging. Sie hätte gern eine Versicherung von Cesar gehört, dass ihr Aufzug nicht übertrieben war. Ihre Garderobe war sicherlich nicht die schlechteste, die gängigen Designermodelle, die ihr nach Fotosessions oder Filmpremieren überlassen wurden. Doch mit den fantastischen Kleidern, die er für sie hatte kommen lassen, konnte sich ihre Garderobe nicht messen.
Und sie war auch nicht auf die Wirkung vorbereitet gewesen, die sein Anblick im Smoking auf sie haben würde. Er füllte den maßgeschneiderten Anzug aus, wie sonst kaum ein Mann es schaffte. Und irgendwie ließ ihn das nicht elegant, sondern nur noch rauer und männlicher aussehen.
Sie musste sich zusammennehmen, um nicht zurückzuschrecken, als er seine Hand an ihren Ellbogen legte. Er führte sie zu der wartenden schwarzen Limousine, deren Tür vom Chauffeur bereits offen gehalten wurde. Als Cesar auf der anderen Seite einstieg, warf er ihr einen spöttischen Blick zu, bei dem sie sich komplett bloß und verwundbar vorkam.
„Es war Ihre Idee. Sie sollten nicht so aussehen, als würden Sie von der Planke springen.“
Verärgert wandte sie sich zu ihm. „Ich bereue meinen Vorschlag keine Sekunde. Es ist die beste Lösung.“
Er lehnte sich lässig in die Polster zurück und betrachtete sie großmütig wie ein Pascha. Lexies Haut begann zu prickeln. War es wirklich so heiß in dem Wagen, oder lag es an ihr? Und wann war die getönte Trennscheibe zum Chauffeur hochgefahren? Sie wünschte, Cesar würde sie verärgert anfunkeln so wie am ersten Tag. Mit Ärger konnte sie umgehen, der war ihr wesentlich lieber als diese wirbelnde elektrische Energie.
„Wir können nicht zehn Meter Abstand halten, Lexie, wir werden die anderen Zuneigungsbeweise sehen lassen müssen. Und natürlich können wir uns nicht länger siezen. Also …für dich als Schauspielerin dürfte das doch keine Schwierigkeit sein, oder?“
Das Flattern in ihrem Magen machte sie gereizt. „Ich bin nicht die Einzige, die eine überzeugende Show abzuliefern hat.“
Bevor sie reagieren konnte, hatte Cesar ihre Hand genommen und an seinen Mund geführt, um einen Kuss in ihre Handfläche zu setzen. Bei der intimen Geste schnappte Lexie nach Luft.
Seine Augen glühten. „Ist das überzeugend genug?“
Lexie wusste selbst, dass sie die Augen aufgerissen hatte, ihr Atem unregelmäßig ging und ihr Puls raste. Und dabei hatte der Mann nur ihre Hand geküsst! Sie zog sie zurück, bevor sie sich zu einer kompletten Närrin machte. „Sie … du siehst mir nicht aus wie jemand, der seine Zuneigung öffentlich zur Schau stellt.“
Cesar hielt sich gerade noch davon ab, sie um die schlanke Taille zu packen und sich auf den Schoß zu ziehen, damit sie genau erkennen konnte, wie zugeneigt er ihr war. Doch im Grunde hatte sie recht, und es ärgerte ihn, dass sie ihn so leicht durchschaute.
Um genau zu sein, er hasste öffentliche Zurschaustellung. Er bat seine Begleiterinnen sogar immer, es zu unterlassen. Er war kein körperbetonter Mensch. Liebevolle Zärtlichkeiten hatte es nicht gegeben, als er im Castillo aufgewachsen war, Körperkontakt hatte ausschließlich als Bestrafung gedient. Ein Ziehen am Ohr, wenn er etwas angestellt hatte, mehr, nachdem er sich mit Juan Cortez im Staub gewälzt hatte. Hakte eine Begleiterin sich bei ihm ein, musste er sich zusammennehmen, um nicht instinktiv zurückzuzucken. Jetzt jedoch war ihm nur der Abstand zwischen sich und Lexie hier im Wagen bewusst, und es frustrierte ihn.
Salamanca war nicht mehr weit, und allein aus dem Grund – redete er sich ein – sagte er: „Komm näher.“
„Komm du doch näher“, forderte sie ihn heraus.
Unerwartet zupfte eines der seltenen Lächeln an seinen Mundwinkeln. „Ich habe zuerst gefragt.“
Lexies Miene wurde trotzig, was Wirkung auf sein so oder so schon brodelndes Blut hatte. Es fuhr ihm direkt in den Schritt.
„Lexie“, knurrte er, „wenn du dich nicht einmal dazu bringen kannst, im Auto näher zu rutschen, wo niemand uns sieht, wie willst du es dann vor einer Meute Paparazzi glaubwürdig rüberbringen?“
Mit einem Schnauben rückte sie unwillig näher an ihn heran, aber noch immer ließ sie ein gutes Stück zwischen ihnen frei. Cesar war fasziniert. Sie gab sich spröde und unabhängig, und doch hatte er auch kurze Einblicke in eine ganz andere Seite an ihr erhascht. Eine Seite, die keineswegs so selbstsicher war.
Ihr dezentes Parfüm zog ihm in die Nase, und am liebsten hätte er sie gepackt und auf seinen Schoß gezogen. „Also … erzähl etwas von dir.“
„Und was?“ Ihre Stimme klang regelrecht scharf.
Erstaunlich. Jetzt schien sie nervös zu sein.
„Wie und wann bist du Schauspielerin geworden?“
Sie musterte ihn. Das Gefühl, dass dieser Mann mehr von ihr sehen konnte als alle anderen, behagte ihr nicht. All ihre Unsicherheiten und Geheimnisse schienen an die Oberfläche steigen zu wollen. Im Moment wäre es ihr sogar lieber, sich einer Meute von Reportern zu stellen, als mit diesem Mann hier eingeschlossen auf engstem Raum in dem dunklen Kokon zu sitzen, als der ihr der Wagen erschien. Ihr fiel wieder ein, dass er ihre Mappe mit den peinlichen Bildern auf dem Schreibtisch liegen gehabt hatte.
„Du meinst, in der umfangreichen Akte über mich stand nichts davon, wie ich mich im Business hochgeschlafen habe?“
Eine Bemerkung, die ihr nur ein abfälliges Zucken seiner Lippen einbrachte. Ganz offensichtlich hielt er nicht viel von ihrem Sarkasmus. „Ich möchte einfach wissen, wie du angefangen hast.“
Kritisch musterte sie ihn. Sein Interesse schien echt zu sein. Aber das hatte sie schon einmal geglaubt. Und als Resultat hatte sie sich in den Klatschblättern wiedergefunden, und ihr Name war mit Schmutz beworfen worden. Nur weil sie ihr Vertrauen in den ersten Menschen gesteckt hatte, der an der echten Lexie interessiert gewesen zu sein schien.
Eine wenig willkommene Erinnerung. Verzweifelt suchte sie nach einer schnippischen, oberflächlichen Antwort. Doch unter Cesars durchdringendem Blick brachte sie es nicht fertig.
„Ich arbeitete als Aushilfe in einem Laden. Ich war sechzehn, war gerade von Irland nach London gezogen …“
Er runzelte die Stirn. „Du stammst aus Irland?“
„Ursprünglich, ja.“ Sie nickte, verdrängte den alten Schmerz. „Wie gesagt, ich arbeitete in diesem Geschäft und bediente gerade einen Jungen. Mit einem Mal tauchte der Ladenbesitzer auf und beschuldigte den Jungen des Diebstahls. Ich verteidigte den kleinen Kerl, wusste ich doch, dass er nichts gestohlen hatte.“ Sie erinnerte sich auch noch genau an die lüsternen Blicke, mit denen der Alte sie immer bedacht hatte. Ihre Kurven hatten sich früh entwickelt. Sie schüttelte die unangenehmen Erinnerungen ab. „Auf jeden Fall wurde es ziemlich laut, und ich rief dem Jungen zu, er solle die Beine in die Hand nehmen und …“ Sie kam sich albern vor. „Das ist eine wirklich langweilige Geschichte.“
„Ich möchte sie hören.“
Lexie holte tief Luft. „Auf jeden Fall stand da plötzlich diese Frau. Sie sei verantwortlich für Filmcasting, sagte sie. Sie lud mich ein, zum Vorspielen für eine kleine Rolle in einem Kurzfilm zu kommen.“ Sie dachte an die trüben, armseligen Tage in London zurück, wie einsam sie gewesen war. Und fest entschlossen, es allein zu schaffen. „Also ging ich hin … und bekam die Hauptrolle. Der Kurzfilm erhielt einen Preis bei den Filmfestspielen in Cannes im nächsten Jahr.“ Sie zuckte mit einer Schulter. „So fing es an. Aber es war ein steiniger Weg. Es hat gedauert, bis ich die skrupellosen Agenten von jenen unterscheiden konnte, die meinen Erfolg im Auge hatten.“
Cesar schwieg lange, bevor er sagte: „Wahrscheinlich hättest du auf das Angebot, dich im Business hochzuschlafen, genauso reagiert wie bei dem Ladenbesitzer.“
Unerwartete Wärme machte sich in Lexie breit – die jedoch erkaltete, als sie an die Fotos dachte, die sie gemacht hatte. „Leider wusste ich nicht immer genau, wann ich hätte Nein sagen sollen.“
„Du hast nicht Nein gesagt, als ich dich im Stall geküsst habe.“
Schien es ihr nur, oder war der Abstand zwischen ihnen geschrumpft? War sie näher an ihn herangerutscht, oder er an sie?
Das Atmen fiel ihr immer schwerer. „Was nur beweist, dass ich auch mit zunehmendem Alter nicht weiser werde.“
War das erst eine Woche her seit diesem Kuss? Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Cesar schlang den Arm um ihre Taille und zog sie an sich, und sie ließ es geschehen. Köstliche Trägheit erfüllte sie, lockte sie, das Denken einzustellen und nur noch zu fühlen. Er würde sie küssen …
Sein Mund berührte ihren, sacht und verführerisch, ließ auch den letzten Rest des schwachen Widerstands schmelzen, den sie noch vorgegeben hatte. Lust flammte auf, als sein Kuss fordernder wurde, und sie öffnete die Lippen, gewährte seiner drängenden Zunge Einlass. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hob sie die Hand an seine Wange, schob dann die Finger in sein Haar.
Dann spürte sie seine Hand an ihrer Brust, aber sie war nicht alarmiert, empfand nur das Verlangen nach mehr. Sie drängte sich der Berührung entgegen und hörte das befriedigte tiefe Knurren in seiner Kehle.
Dann ließ er die Hand sinken und löste seinen Mund von ihren Lippen. Mit einem Seufzer der Enttäuschung hob sie die schweren Lider und sah nur die glühenden grünen Augen vor sich, in denen Strudel wirbelten, die sich bis in die Mitte ihres Leibes bohrten.
Er schob die Finger unter einen ihrer dünnen Träger und hob ihn ihr von der Schulter. Die ersten Anzeichen von Panik keimten auf.
„Cesar … ich …“
„Schh …“ Er schien genau zu wissen, wie er sie beruhigen konnte – er küsste sie einfach wieder, zog sie zurück in die brennende Hitze, fachte die Flammen des Verlangens noch mehr an.
Als ein kühler Hauch über ihre nackte Haut fuhr, zog sie schwer atmend den Kopf zurück. Auch Cesars Atem ging stockend. Er hielt den Blick auf ihre entblößte Brust gesenkt. Auf die Spitze, die sich pink und stolz aufgerichtet hatte.
„Dios, du bist wirklich göttlich.“ Mit dem Daumen rieb er über die harte Perle, Lexie musste sich auf die Lippen beißen, um nicht laut aufzustöhnen.
Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, wollte nur seinen Mund auf ihrem spüren, wollte seinen Geschmack kosten … Doch irgendetwas wollte zu ihr durchdringen … Vernunft? Selbsterhalt?
Abrupt zog Cesar sich von ihr zurück, richtete ihr Kleid … Und dann hörte auch Lexie es: das hartnäckige Klopfen an der Trennscheibe zum Chauffeur.
Während Cesar wirkte, als wäre nichts passiert und ein paar Worte in Spanisch zu seinem Fahrer sagte, kam Lexie vor Scham halb um. Durch die getönten Scheiben erkannte sie draußen die Menschenmenge, sah die Blitzlichter der Kameras. Sicherheitsleute drängten die Menge zurück, um den ankommenden Gästen das Aussteigen aus dem Wagen zu ermöglichen.
Kälte breitete sich in Lexie aus, als ihr die Erkenntnis kam. Das war alles geplant gewesen. Cesar hatte gewusst, dass sie in der Stadt waren, nur deshalb hatte er sie geküsst. Damit es authentisch wirkte.
Sie konnte ihn nicht ansehen, schreckte zurück, als er ihr Kinn fasste. „Was?“, fauchte sie. Sie war wütend auf sich, denn sie hatte keinen Grund, sich so verletzt zu fühlen. „Sehe ich jetzt derangiert genug aus, damit die Paparazzi glauben, dass wir wie die Teenager geknutscht haben?“
Ärger blitzte in seinen Augen auf. „Das war nicht geplant, Lexie. Aber jetzt, da du es erwähnst …“
Er presste den Mund auf ihre Lippen, ignorierte ihren anfänglichen Protest und brachte sie mühelos dazu, den Kuss zu erwidern. Nicht nur das, ihr Ärger fachte die Leidenschaft zwischen ihnen noch an.
Cesar merkte, dass ihm die Kontrolle entglitt, trotzdem konnte er Lexie nicht freigeben. Noch nie hatte er etwas so Süßes gekostet, etwas so Verführerisches. Er wollte sich in ihr verlieren, wollte jeden Zentimeter von ihr erkunden …
Endlich schaffte er es, sich von ihr zu lösen. Sein Puls raste. Er fiel nie auf dem Rücksitz eines Wagens über Frauen her. Er war immer kühl, gefasst, beherrscht.
Im Moment jedoch fühlte er sich alles andere als das. Sein Körper stand in Flammen. Und Lexie starrte ihn mit aufgerissenen Augen verletzt an. Sie glaubte, er hätte das alles nur inszeniert. In gewisser Hinsicht stimmte das, aber nicht so, wie sie meinte. Er hatte jeden Zweifel in ihr ausräumen wollen, wie er für sie fühlte.
Er umfasste ihr Kinn, entsetzt, dass seine Hand zitterte. Mit dem Daumen rieb er sacht über ihre vom Kuss geschwollenen Lippen. „Damit keine Missverständnisse aufkommen, Lexie … Ich will dich. Und nicht nur, um die Fotografen abzulenken. Glaube mir, schon bald werden wir ein echtes Liebespaar sein.“