25. Neue Feinde (I)


Die Troxanth waren keine besonders bemerkenswerte Spezies. Sie waren durchschnittlich. Ihr technologisches Niveau war durchschnittlich, die Größe ihres Sternenreiches war durchschnittlich und auch sonst zeichnete sie nichts vor anderen Spezies aus. Sie lebten und starben – meist in Frieden mit sich und ihren Nachbarn –, und das schon seit ein paar Zehntausend Jahren als raumfahrende Intelligenzwesen. Sie hatten keine größeren Kriege geführt, weder untereinander noch gegen andere Spezies, sie waren bescheiden und verspürten kein Verlangen nach Macht oder Einfluss in ihrer Galaxie. Die Troxanth existierten unbehelligt von anderen und kümmerten sich nicht um die Belange anderer Zivilisationen. Sie besaßen nichts, das für andere Rassen von Wert gewesen wäre, und verlangten nach nichts, was andere besaßen. Nur eines unterschied sie von den meisten Lebewesen ihrer Galaxie – sie waren überaus gläubig!

Bereits ihre erste Begegnung mit einer anderen Spezies hatte sie mit jenem Mythos konfrontiert, der sich um die Sphäre der Erleuchtung rankte. Die Idee von den 'Kreatoren' und ihrer Rolle bei der Erschaffung der Welt, besonders aber die einmalige Chance, tatsächlich mit diesen Göttern in Kontakt treten zu können, wenn man nur geduldig genug war, fiel auf fruchtbaren Boden. Die Troxanth waren Träumer und Idealisten – auf der Erde hätte man ihre Haltung eher als weltfremd und naiv bezeichnet – und schon nach wenigen Jahrhunderte hatte die neue Religion ihre gesamte Zivilisation beherrscht. Es gab für einen Troxanth nichts Erstrebenswerteres, als irgendwann dem Ruf der Erleuchtung zu folgen und den Kreatoren gegenüberzutreten. Zweien von ihnen war dies nun tatsächlich gelungen. Zumindest der erste Teil dieses sehnlichen Wunsches war in Erfüllung gegangen.

Sie wussten selbst nicht, wie sie es geschafft hatten, fünf Runden zu überstehen und unter die letzten vier Paare zu kommen. Natürlich sahen die beiden Troxanth dies als göttlichen Willen an und dankten den Kreatoren. Sie fühlten sich von ihren Göttern ausgezeichnet und berufen.

Ein Außenstehender hätte den beiden Troxanth sagen können, wie es ihnen gelungen war, die vorangegangenen Runden zu überstehen. Ihre Spezies war in einer Hinsicht einzigartig – sie waren verdammt schwer umzubringen.

Die Troxanth waren intelligente Pilze, deren erste Sporen sich unter unwirtlichen Umweltbedingungen und gegen jede Wahrscheinlichkeit auf ihrem Heimatplaneten entwickelt hatten. Stark säurehaltiger Regen und ständige Vulkanausbrüche, in deren Folge jahrtausendelange Wüstenhitze von Jahrhunderten eisiger Temperaturen abgelöst wurde, heftige Sonneneruptionen mit einem für Menschen tödlichen Schauer hochenergetischer Partikel und zu allem Überfluss eine stark exzentrische Bahn um einen Doppelstern, einer dieser Sterne zudem ein starker Gammastrahler, hätten eigentlich die Entstehung von Leben auf dem einzigen Planeten des Systems verhindern sollen. Doch trotz all dieser Hürden hatte sich Leben entwickeln können. Allerdings nur sehr einfaches Leben – Sporen und Pilze. In der Lotterie der vielfältigen Mutationen, die hierfür über Generationen notwendig gewesen waren, war diesmal keine Niete gezogen worden wie auf so vielen anderen Planeten mit ähnlichen Voraussetzungen.

Niemand hätte genau sagen können, warum sich Intelligenz entwickelt hatte, doch es war geschehen. Eine der einfachen Pilzarten hatte gelernt, sich an der Oberfläche zu bewegen, um die spärlichen Nahrungsquellen erreichen zu können. Auf hunderten fadenförmiger Beinchen waren sie langsam über das zumeist kahle Gestein gekrochen und hatten sich vermehrt.

Irgendwann hatte der Funke der Intelligenz gezündet. Die Troxanth hatten gelernt, Werkzeuge zu benutzen, Kolonien zu gründen, die viel später zu schutzgebenden Städten geworden waren, und über Jahrzehntausende schließlich eine Zivilisation errichtet. Später hatten sie den Weltraum erobert und Kolonien auf anderen Planeten gegründet, die sich so sehr von denen unterschieden, die von anderen Spezies benötigt wurden, dass Konflikte praktisch ausgeschlossen waren. Auch zwischen den Troxanth selbst gab es kaum Auseinandersetzungen. Die eingeschlechtlichen Pilzwesen lebten in friedlicher Harmonie miteinander. Als sie zum ersten Mal mit der Tatsache konfrontiert wurden, dass es bei anderen Spezies unterschiedliche Geschlechter gab, amüsierte sie dies in höchstem Maß. Im Umgang mit anderen Spezies bezeichneten sich die Troxanth stets als männlich, da sie sich durch Sporensamen vermehrten. Sie lebten vor sich hin, vermehrten sich bewusst und mit Bedacht und waren in den Augen der anderen Zivilisationen einfach durchschnittlich und langweilig.

Doch nun hatten zwei Vertreter der Troxanth die Runde der letzten vier Paare beim Ruf der Erleuchtung erreicht, womit sie selbst am wenigsten gerechnet hatten.

Kano öffnete das umlaufende Augenband. Die lichtempfindlichen Zellen vermittelten ihm einen perfekten Rundumblick, und was er sah, erschreckte ihn. Er richtete seinen annähernd kugelförmigen Körper mithilfe der vier Fadenarme auf, bis die vielen hundert Lauffäden Kontakt zum Boden hatten. Vor Aufregung verfärbte sich seine Haut dunkelbraun und sonderte Schleim ab. Kano glänzte plötzlich, als hätte man ihn mit Öl überzogen.

Roki stand nur eine Fadenlänge entfernt. Kanos Paladin hatte die Fadenarme eingezogen, und seine hellgelbe Farbe ließ darauf schließen, dass er angestrengt nachdachte. Rokis Haut war trocken. Er musste als Erster erwacht sein.

»Wo sind wir?«, piepste Kano. »Dieser Ort ist schrecklich!«

Sie befanden sich mitten in einem tiefen Krater, dessen Hänge von zu Glas erstarrtem Gestein überzogen waren. Die Oberfläche glänzte im Licht der hellgelben Sonne fast schwarz. Hier mussten extreme Temperaturen geherrscht haben.

»Die Kreatoren haben uns auf dem Schlachtfeld eines Krieges ausgesetzt«, vermutete Roki. Für einen Terraner hätte ihre Unterhaltung wie das Gezwitscher von Vögeln geklungen, aber ihre Stimmen passten zu den winzigen Körpern. Die Troxanth waren kaum größer als ein menschlicher Schädel.

»Hier könnte eine nukleare Waffe explodiert sein«, flötete Kano, nachdem er das geschmolzene Gestein begutachtet hatte.

»Dieser Krieg muss lange zurückliegen.« Roki kam auf Kano zu und betastete ihn mit einem ausgefahrenen Fadenarm. »Du bist aufgeregt.«

»Diese Umgebung macht mir Angst«, gestand Kano. »Hier kann es kein Leben mehr geben.«

»Das können wir nicht mit Sicherheit sagen«, widersprach Roki. »Wir müssen zunächst die Umgebung erkunden.«

»Irgendwo wird ein zweites Anwärterpaar erwacht sein. Wir müssen vorsichtig vorgehen.«

»Wir werden unsere Farbe der Umgebung anpassen. Das sollte uns Schutz geben.«

Sie fuhren ihre Fadenarme ein und begannen, den glasierten Boden hochzusteigen. Der Hang war steil, aber ihre vielen Füßchen gaben ihnen ausreichend Halt auf der glatten Oberfläche.

»Oh, ihr Kreatoren!«, rief Kano entsetzt aus, als er die zerstörte Stadt sah, die sich rings um sie erstreckte.

»Lass uns dort vorläufig Unterschlupf suchen.« Roki deutete mit einem Fadenarm auf ein halbwegs erhaltenes Gebäude, nur wenige Faden entfernt.

Die geschwärzte Fassade mit den leeren Fensteröffnungen und der herausgebrochenen Tür machte keinen einladenden Eindruck, doch es war zu gefährlich, lange auf offener Straße herumzustehen. Das andere Paar konnte sie entdecken und angreifen. Sie brauchten einen Platz, wo sie in Ruhe einen Plan schmieden konnten.

Der erste Raum, den sie betraten, war wie alles andere von Staub und Asche bedeckt. In der dicken Schmutzschicht zeichneten sich keine Fußabdrücke ab, sodass sie gewiss sein durften, dass sie hier ungestört sein würden.

Kano wollte gerade damit beginnen, eine Strategie zur Erforschung der Stadt auszuarbeiten, als plötzlich in einer Ecke des Raumes mitten in der Luft ein heller Punkt erschien, aus dem sich schnell eine silberfarbene Kugel entwickelte.

»Die Sphäre der Kreatoren«, trillerte Kano ehrfürchtig.

Dann überflutete eine durchdringende Stimme seinen Geist.