»Die anderen sind furchterregende Gegner«, flötete Roki, nachdem die silberne Kugel sich einfach aufgelöst hatte. »Die Kreatoren mögen uns beistehen!«
»Die anderen scheinen Betrüger zu sein.« Kanos Haut, die selbst ein Laserstrahl kaum durchdringen konnte, verfärbte sich erneut dunkelbraun vor Erregung. »Die Anschuldigungen waren nicht gegen uns gerichtet. Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen.«
»Umso mehr Ansporn, die Sphäre der Erleuchtung nicht durch wertlose Kreaturen beschmutzen zu lassen. Wir sind die letzten wahren Gläubigen, die noch verblieben sind.«
»Auf uns lastet eine große Verantwortung«, bestätigte Kano.
»Die Stimme sagte, der Zugang zum Megaversum, was wahrscheinlich die göttliche Ebene der Kreatoren ist, wäre in uns zu finden. Das verstehe ich nicht.« Roki nahm die leicht rötliche Farbe der Verwirrung an. »Gibt es dieses Mal kein silberfarbenes Objekt, das es zu finden gilt?«
»Ich kann es nicht sagen. In dieser Runde ist alles anders. Der Wille der Kreatoren wird sich uns offenbaren. Wir müssen Geduld haben.«
»Was sollen wir tun?«
»Zunächst müssen wir Näheres über unsere Umgebung erfahren. Vielleicht ergeben sich dann die nächsten Schritte von selbst. Die Kreatoren werden ein Zeichen hinterlassen haben. Wir müssen ihrer Weisheit vertrauen.«
»Es ist gefährlich, sich im Freien zu bewegen«, warnte Roki.
»Untätigkeit führt nicht zum Ziel!«, zitierte Kano einen Lehrspruch der Priester ihres Heimatplaneten.
Sie kamen überein, in dem Gebäude, das sie als Unterschlupf gewählt hatten, weiter nach oben zu steigen.
»Vielleicht gelingt es uns, auf das Dach zu gelangen«, piepste Kano.
Es dauerte länger, als sie gehofft hatten, doch schließlich standen sie auf dem Dach des Gebäudes, vielmehr auf dem, was davon übrig geblieben war.
Die Fläche wies eine gefährliche Neigung auf und war in der Mitte etliche Faden tief in sich zusammengesackt. Große Löcher, durch die ein Troxanth leicht gepasst hätte, machten den Aufenthalt hier zusätzlich zu einem Risiko. Jederzeit konnten weitere Brocken unter dem Gewicht ihrer Körper herausbrechen und sie in die Tiefe reißen. Sie arbeiteten sich vorsichtig zum höchsten Punkt vor. Unter ihnen gähnte ein Abgrund von vielleicht zwanzig Faden bis zur Straßenebene.
»Das ist nicht hoch genug«, stellte Kano fest. »Blas dich auf.«
»Du musst mich gut festhalten!« Roki war anzumerken, dass er von der Idee nicht begeistert war. Als Kinder hatten sie dieses Spiel oft gespielt, obwohl es von den Erwachsenen untersagt worden war. Wenn ein Troxanth dabei die Kontrolle verlor, konnte es sehr gefährlich werden.
Roki begann in seinem Körper Wasserstoff zu metabolisieren. Die Troxanth waren in der Lage, aus aufgenommenen Rohstoffen verschiedene Substanzen herzustellen. Von komplexen Giftstoffen über ätzende Säuren, die sie als Waffe einsetzen konnten, bis hin zu Gasen, die in ihrem Konverterorgan durch Aufspaltung von Wasser erzeugt wurden. Sie besaßen einen extrem flexiblen Körper und konnten Unmengen dieser Gase in ihrem Verdauungstrakt speichern, wobei sie sich fast auf die doppelte Größe ausdehnten. Wenn sie Wasserstoff erzeugten, konnten sie sich damit für kurze Zeit in die Luft erheben. Es gab jedoch keine Möglichkeit, das Schweben durch kontrolliertes Ablassen von Wasserstoff zu beeinflussen. Wer einmal abgehoben hatte, blieb oben, bis das Gas von selbst entwich. Diese Zeitspanne war jedoch nie exakt zu bestimmen. Wer sich dann zu hoch in der Luft befand, konnte einen schweren Sturz nicht mehr verhindern. Es gab nur eine Möglichkeit, einen Unfall zu vermeiden. Der 'Schweber', wie die Jugendlichen den Betreffenden genannt hatten, musste von einem anderen Troxanth gesichert und notfalls heruntergezogen werden.
Kano bildete einen langen Pilzfaden aus, den Roki mit einem flexiblen Fadenarm ergriff. Dann nahm er an Umfang zu. Als sich genügend Wasserstoff gebildet hatte, hob er langsam ab.
Er stieg etwa zehn Faden auf, bis sein Körper die natürliche Grenze erreicht hatte. Höher konnte es nicht mehr gehen. Auch der Fadenarm hatte die Maximallänge erreicht, zu der Kano fähig war.
»Was siehst du?«, piepste er nach oben.
»Die Stadt ist riesig! Überall gibt es nur Zerstörung. Kein silberfarbenes Objekt in Sicht. Ich beginne Wasserstoff zu verlieren. Zieh mich runter!«
»Warte! Nur noch ganz kurz. Siehst du etwas, was von Interesse sein könnte?«
»Nein, es gibt keinen Hinweis, wohin … Warte! Ein Licht! Eine Flamme! Über einer halbwegs intakten Kuppel.«
»Merke dir die Richtung und den Weg.«
»Ja, ja! Zieh mich runter!«
Rokis Durchmesser begann bereits zu schrumpfen. Kano zog den Fadenarm ein, bevor Rokis Körpergewicht die verbliebene Tragkraft des Gases übersteigen konnte. Trotzdem stürzte sein Paladin ein Stück über dem Dach ab.
»Bist du in Ordnung?«, wollte Kano wissen.
»Ja, aber es hätte nicht viel höher sein dürfen.«
»Bist du sicher, dass du eine Flamme gesehen hast?«
»Ja, und sie leuchtete silberfarben. Das muss unser Ziel sein.«
»Hast du dir gemerkt, wie wir von hier aus zu der Kuppel kommen?«
»Natürlich! Wir müssen uns zwar ein Stück zwischen den Ruinen vorarbeiten, aber dann wird es einfacher. Zwischen uns und der Kuppel liegt eine früher bewachsene Fläche, von der nur noch verkohlte Reste übrig sind.«