Kapitel 13

E s spielte keine Rolle, dass Sophia wusste, dass sie unvernünftig war. Ihr Ego hatte diesen Streit angezettelt, den ersten, den sie jemals mit ihrem Drachen auszufechten hatte. Doch gab es nichts, was sie sich sagen konnte, um einfach darüber hinwegzukommen.

Sie schleppte sich zum Fluss, ohne sich umzudrehen, obwohl sie spüren konnte, wie Lunis auf ihren Rücken starrte.

Sie brauchten sich gegenseitig im australischen Outback. Sie mussten zusammenhalten, um das Training zu bestehen – mehr als je zuvor. Sie brauchten sich gegenseitig, um die Woche zu überleben.

Das Problem war, dass sie fest davon überzeugt war, dass Lunis auch ohne sie sehr gut überleben konnte. Sophia fühlte sich wie das schwache Glied in einer Kette. Sie war diejenige, die ihren Drachen zum Überleben brauchte und das vermittelte ihr das Gefühl, völlig wertlos zu sein.

Sie ließ sich auf einem Felsen am Ufer neben klarem, frischem Wasser nieder und zögerte, bevor sie ihr Bein eintauchte. Sophia war sich bewusst, dass sich im Wasser alle möglichen fleischfressenden Bakterien befinden könnten. Oder, was ihrem Glück eher entsprach, es schwammen wahrscheinlich Piranhas herum, die nur darauf warteten, ihr Bein abzubeißen, sobald sie es in den Fluss hob.

Es pochte so sehr, dass es wirklich nicht mehr auszuhalten war. Sophia zerriss das Hosenbein bis zum Knie und wurde beim Anblick des Bisses fast ohnmächtig. Grüner Schleim triefte aus der Wunde und die Verletzung schwoll schnell an.

Sie weigerte sich, zu dem Baum hinüberzuschauen, von dem sie wusste, dass Lunis sich dort befand und betrachtete ihn als Welpen. Sophia wollte den Welpen so nicht. Sie wollte nicht, dass sie ihren Welpen brauchte. Sie wollte, dass ihr Welpe sie ein kleines bisschen brauchte.

Sophia war der verletzliche Mensch, der zwar dank der Kräfte, die sie von ihrem Zwilling geerbt hatte, über zusätzliche Magie verfügte, die ihr aber hier draußen im australischen Outback nichts nützte, da sie keine Magie anwenden durfte. Sie seufzte niedergeschlagen.

Sie war hier nur ein Mädchen. Nichts Besonderes. Keine einzigartigen Talente. Nur ein einfaches, kleines Mädchen.

»Ohne Magie bin ich nur eine Verliererin«, sprach sie laut aus, versenkte ihr Bein im Wasser und fand es kühl, obwohl es so heiß war. Das Wasser umspülte ihre Wunde und verschaffte ihr sofort Linderung.

»Ohne Wasser bin ich ein totaler Versager«, sagte eine Stimme vor Sophia.

Ihre Augen gingen auf. Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass sie geschlossen waren oder dass sie kurz davor war einzuschlafen, weil die Sonne sie schwindelig machte.

Sophia sah sich um und dachte, dass es vielleicht Lunis war, der sprach, obwohl diese Stimme höher war als seine.

Er war immer noch bei dem Baum, kickte im Dreck herum und schleuderte Teile von Spinnenkadavern durch die Gegend – offenbar um Dampf abzulassen, der ironischerweise von den Körperteilen, die den Boden übersäten, durch die Luft gewirbelt wurde.

Sophia konzentrierte sich wieder auf die Stimme und schaute sich um, bis sie ein Augenpaar entdeckte, das über dem Wasser ruhte und hinter dem ein langer Schwanz ein wenig hin und her rauschte.

Sie zog ihre Beine hoch und befürchtete, von dem Krokodil, das vor ihr im Wasser schwamm, gefressen zu werden. Zu ihrem Schock lächelte es sie an, seine Augen wirkten überhaupt nicht hungrig, wie sie gedacht hätte.

Ich werde dich nicht fressen , schickte ihr das Krokodil in den Kopf, als hätte es ihre Gedanken gelesen. Ich will nicht sterben .

Sophias Bein schmerzte außerhalb des Wassers und da sie ohnehin halluzinierte, ließ sie es wieder in den kühlen Fluss sinken. »Wer bist du?«, fragte sie. Mit einem Krokodil zu reden war nichts Besonderes an einem Tag, an dem sie selbstgemachte Eukalyptusbomben auf hundert große Spinnen geworfen hatte. Oh und einen Streit mit einem Drachen hatte. Ihr Leben war so eigenartig.

Ich bin Smeg , antwortete das Krokodil. Ich meine, ich höre auf viele verschiedene Namen, aber das ist der, unter dem mich die Beaufonts kennen .

Sophia wusste, dass sie schlecht halluzinierte, aber sie beschloss, sich darauf einzulassen. Warum nicht , dachte sie. Sie würde im australischen Outback an einem Spinnenbiss sterben, während sie mit einem Krokodil sprach.

»Die Beaufonts?«, fragte sie und dachte, es würde Spaß machen und sie von ihren Schmerzen ablenken, sich über das Krokodil lustig zu machen. Diese Halluzination, angeheizt durch ihre Fantasie, könnte wahrscheinlich ziemlich unterhaltsam werden. »Du hast andere aus meiner Familie kennengelernt?«

Nun, zuletzt , antwortete Smeg, Kriegerin Liv Beaufont in den Sümpfen von Louisiana .

Sophia schüttelte den Kopf. Wie dumm war ihr Unterbewusstsein eigentlich, dass es nicht auf dieses schreckliche logistische Problem bei seiner Halluzination geachtet hatte. »Wenn du Liv kürzlich in Louisiana getroffen hast, wie bist du dann hier im australischen Outback gelandet? Bist du geflogen?«

Er gluckste. Mach dich nicht lächerlich. Ich bin ein Krokodil. Natürlich kann ich nicht fliegen .

»Stimmt, was habe ich mir nur dabei gedacht«, meinte sie und schüttelte den Kopf. »Also, wie bist du hierhergekommen?«

Magie , antwortete er. Ich gehe dorthin, wo ich denke, dass ich die unterhaltsamsten Gespräche führen werde. Das ist es, was ich normalerweise möchte. Hast du in letzter Zeit irgendwelche lustigen Fakten gehört? Ich mag es wirklich, Dinge zu erfahren. Oh und ich mag Worte. Mein neues Lieblingswort ist ›Rätsel‹. Sag es einfach mal. Es kitzelt so komisch auf der Zunge.

Sophia warf ihm einen fragenden Blick zu. »Du bist ein sehr eigenartiges Krokodil.«

Er nickte, Wasser spritzte um seinen Kopf. Das ist wahr. Ich bin das Seltsamste. Nicht wie die anderen Krokodile. Keines von ihnen redet mit mir, aber sie sind sowieso langweilig. Die meisten von ihnen verreisen nie.

Sophia schüttelte den Kopf, ihr Mund war wie ausgetrocknet. »Du bist ein magisches Krokodil, das spricht und herumreist, ist das richtig?«

Ja und du bist eine sterbende Magierin auf einem Walkabout im australischen Outback, oder? , fragte er.

Sophia lachte morbide. »Du hast mich durchschaut.«

Ich liebe diese Art von Ratespielen «, merkte Smeg an, kreiste im Wasser herum und war sichtlich begeistert, eine neue Freundin gefunden zu haben.

»Ja, das ist ein reizvolles Spiel«, erwiderte Sophia und blickte sehnsüchtig auf das Wasser.

Ich würde das Wasser nicht trinken , empfahl Smeg, als wüsste er, was sie dachte. Er war ein Hirngespinst von ihr, also war es egal.

»Warum? Weil es mich umbringen wird?«

Genau , antwortete er.

»Wie du bereits erwähnt hast, ist das für mich kein großes Problem, da ich von einer giftigen Spinne gebissen wurde und wahrscheinlich daran sterben werde«, erklärte Sophia dumpf und schwankte leicht.

Oh, das ist nicht der Grund, warum ich dachte, du würdest sterben . Smegs Augen huschten zu Sophias Bein und er schnitt eine Grimasse. Pech gehabt mit dem Biss. Ja, daran wirst du wahrscheinlich sterben, aber nicht, bevor du von dem hungrigen Drachen da drüben gefressen wirst. Das war der Grund, warum ich nicht versuchen wollte, dich zu fressen. Ich möchte nicht, dass der Drache wütend auf mich wird, weil ich ihm seine Mahlzeit wegnehme. Oh, nun und du bist für mich als Gesprächspartner nützlicher als als Futter.

Sophia folgte seinem Blick und sah, dass Lunis sie immer noch aus der Ferne beobachtete. »Oh, das ist mein Drache. Ich glaube nicht, dass er mich töten wird. Vielleicht aber doch. Ich habe ihn angeschrien.«

Oh, mir war nicht klar, dass das ein häuslicher Streit war , meinte Smeg. Ja, er wird dich wahrscheinlich umbringen. Häusliche Streitigkeiten geraten schnell einmal außer Kontrolle. Glaube mir, ich weiß das .

Sophia konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. »Woher weißt du das?«

Ich bin ein guter Zuhörer , merkte Smeg an. Wie auch immer, ja, du wirst wahrscheinlich an dem Biss sterben. Innerhalb eines Tages. Ich kann deiner Schwester Kriegerin Beaufont Bescheid sagen, wenn du willst, dass sie bald ein großes Gewässer besucht. Kennst du ihre Reisepläne?

Sophia fasste sich an ihr Bein, der Schmerz schoss nach oben. »Tut mir leid, ich bin über ihre bevorstehenden Pläne nicht informiert. Im Moment mache ich mir mehr Gedanken um die Beerdigungsvorbereitungen.«

Nun, du musst nicht zwingend sterben , schlug Smeg vor. Ich hätte eine Lösung .

Das erregte Sophias Aufmerksamkeit. »Ich will nicht sterben. Was kann ich tun?«

Nutze deine Magie , meinte Smeg mit Zufriedenheit.

Sophia lehnte sich zurück auf den Felsen und schaute in den blauen Himmel. »Ja nun, ich werde wohl doch sterben.«

Sie wusste, dass sie mit dem Training neu starten konnten. Vielleicht war es das, was passieren musste. Sie fühlte sich schon jetzt als Versagerin. Sie wollte wirklich nicht auch als eine sterben. Das australische Outback musste hart sein. Wenn es das nicht wäre, wäre es nicht ein so wichtiger Teil des Trainings.

Um dich selbst zu heilen, musst du nur dorthin gehen, einen dieser Spinnenkadaver aufsammeln und ihn mit einigen der Pflanzen dort drüben mischen . Er deutete auf einen Busch in der Ferne. Dann noch ein einfacher Zauberspruch. So leicht ist das .

»Cool«, stimmte Sophia zu. »Ich kümmere mich sofort darum, sobald die Welt aufhört, sich zu drehen.«

Du und dein Drache seid also sauer aufeinander , stellte Smeg fest, anstatt zu fragen.

»Nur ich bin sauer auf ihn.«

Oh, was hat er angestellt? , fragte Smeg. Hat er dir den Freund ausgespannt? Hinter deinem Rücken über dich geredet? Dich mit einem anderen Drachen betrogen?

Sophia schüttelte den Kopf und fragte sich, was zum Teufel mit diesem seltsamen magischen Krokodil los war. »Nein, er hat mir das Leben gerettet.«

Nein. Hat. Er. Nicht! Smeg betonte jedes der Worte.

Sophia seufzte. »Ich weiß, es klingt blöd, aber wir sollen eine Partnerschaft bilden und ich reite auf ihm, weil ich winzig bin und nicht fliegen kann. Er hat diese Feuerkräfte und wenn alles schiefgeht, springt er ein und rettet den Tag. Alles, was ich tue, ist frech sein und sagen, wo es langgeht. Ich bin ziemlich wertlos in dieser Partnerschaft.«

Smeg nickte und schien ihre Notlage zu verstehen. Ja, du scheinst dein eigenes Gewicht nicht tragen zu können.

»Danke«, zischte sie trocken.

Hast du in Betracht gezogen, dich von ihm reiten zu lassen? , fragte er.

Sophia warf dem magischen Geschöpf einen langen, genervten Blick zu. »Du verstehst doch, dass es da einen Größenunterschied gibt, oder?«

Oh, sicher, wenn das deine Einschränkungen sind , antwortete er. Ich versuche nur, dir bei der Fehlersuche zu helfen.

»Das lässt sich nicht ändern«, seufzte Sophia melodramatisch und ihr Kopf fühlte sich an wie heiße Lava. »Ich bin der untaugliche Mensch und er ist der fantastische Drache. Er kann fliegen. Ich kann sitzen. Er kann jagen. Ich kann gebissen werden. Er kann den Elementen trotzen und weiß alles aus dem Bewusstsein der Drachen, dem Chi. Ich kann ihm nur zeigen, wie man Mario Kart spielt.«

Sophia wusste, dass Reiter und Drachen schon seit Hunderten von Jahren in einer gegenseitigen Partnerschaft zusammenarbeiteten. Sie hatte in der unvollständigen Geschichte der Drachenreiter nie etwas über Ego-Probleme und Reiter gelesen, die sich ausgegrenzt fühlten. Doch Sophia war die erste weibliche Reiterin und sie hatte Gefühle. Vielleicht war genau das das Problem , überlegte sie. Vielleicht würde etwas in der vollständigen Geschichte der Drachenreiter stehen, wobei sie immer noch darauf wartete, das Buch von Trinity zurückzubekommen.

Wenn du es so ausdrückst , begann Smeg, verstehe ich deinen Standpunkt vollkommen .

Sophia nickte und wünschte sich mehr als alles andere, sie hätte ein Glas Wasser. »Ja, ich bin die Schlimmste. Er ist der Beste. Ich bin lahm. Er ist fantastisch und …«

Bevor das Gift dich völlig ausschaltet, darf ich dir etwas mitteilen? , fragte Smeg.

»Nun, wenn du es so sagst, ja, wie auch immer.«

Drachen sind viel stärker und mächtiger als Magier , erklärte Smeg. Sie sind die stärksten magischen Kreaturen auf diesem Planeten. Im Vergleich dazu sind Magier extrem verwundbar.

»Deine Ansprache hilft nicht so sehr, wie du vielleicht annimmst«, bemerkte Sophia.

Ich entschuldige mich. Ich habe das College wegen eines Kurses abgebrochen, den ich wegen meiner Rhetorik belegen musste , gab das Krokodil zu. Wie auch immer, was denkst du, warum Drachen sich mit Menschen zusammengetan haben, obwohl sie wussten, dass Menschen die viel schwächere Spezies sind?

Das Gift in ihrem Körper machte es schwierig, zu denken, also zuckte Sophia einfach mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.«

Jeder hat seine Vorteile , erklärte Smeg. Er kann vielleicht fliegen oder hohe Temperaturen aushalten oder Dinge mit seinen Klauen zerreißen. Aber Menschen, ich denke, wenn du wirklich darüber nachdenkst, wirst du feststellen, dass ihr etwas Entscheidendes für euch beide bietet. Ohne dich würde dein Drache niemals lange leben, und was noch wichtiger ist, sein Leben wäre nicht so ausgefüllt. Es ist wichtig, dass wir bei der Betrachtung des Wertes einer Partnerschaft nicht an der Stärke, die der eine bietet, hängen bleiben und die Eigenschaften, die der andere hat, außer Acht lassen. Vernunft kann meist als genauso wichtig angesehen werden wie Macht. Strategisches Denken, würde ich behaupten, ist eine überlegene Fähigkeit gegenüber der Stärke. Zu wissen, wie man die Fähigkeiten eines Magiers mit denen eines Drachens kombiniert, nun, das ist etwas, was nur ein Mensch wirklich kann, weil er weiß, wie man Kompromisse eingeht, was ein Drache nicht ohne weiteres versteht. Wenn sie es tun, dann nur durch den Einfluss des besagten Menschen.

Smeg schwamm im Kreis und schnippte spielerisch mit dem Schwanz auf der Wasseroberfläche. Wie auch immer, ich meine ja nur. Wirklich, was weiß ich schon? Ich bin seit ein paar Jahrhunderten unterwegs und führe zufällige Unterhaltungen mit vielen Wesen.

Sophia schwankte, die Szenerie vor ihr verschwamm, ihre Sicht verdunkelte sich. »Ja, was weißt du denn schon, oh seltsames Hirngespinst meiner Fantasie?«

Sophia, ich bin real , bestand Smeg darauf. Alles, was ich gesagt habe, ist wahr. Wenn es nicht so wäre, woher würde ich dann wissen, dass jeder Drache und Reiter durch ähnliche innere Konflikte gegangen sind?

Sie zeigte auf ihn und fühlte sich betrunken. »Weil ich möchte, dass du mir das sagst, damit ich mich nicht wie eine Versagerin fühle.«

Aber du bist keine , entgegnete Smeg. Du, genau wie Hiker Wallace und Bell, machst die erste Fehde von vielen durch.

Sophia lachte. »Oh, gute Arbeit, Unterbewusstsein. Du hast das imaginäre sprechende Krokodil dazu gebracht, Hiker und Bell zu erwähnen, um die seltsame Botschaft meiner erfundenen Halluzinationen zu legitimieren. Gut gemacht.«

Okay, wie ich sehe, hast du das schon alles herausgefunden , bemerkte Smeg, wirbelte etwas unter dem Wasser auf und brachte den Fluss zum Strudeln.

»Ja, das ist richtig«, sagte Sophia triumphierend. »Ich kann mir nichts vormachen.«

Nein, das kannst du nicht . Ein großer Klumpen von etwas wie Seetang schoss bei Smeg aus dem Wasser und landete mit einem Platscher neben Sophia.

Sie war so außer sich, dass sie sich kaum rührte, als der Haufen nassen Unkrauts direkt hinter ihr auf dem Felsen landete. »Wofür ist das?«

Für den Fall, dass du ohnmächtig wirst, damit du dir nicht den Kopf am Felsen aufschlägst , meinte Smeg nachdenklich.

Sie lächelte. »Danke. Aber ich bin okay. Ich werde mit dir, meinem Alter Ego, abhängen und noch ein bisschen reden.«

Klingt gut , sagte Smeg. Ich rede gerne .

Sophia schwankte und dachte, wie schön es war, dass ihre Halluzination ein Kissen für sie geholt hatte, obwohl sie es nicht brauchen würde. Dann glitt ihre Hand unter ihr weg und ihre Augen schlossen sich – alles wurde schwarz.