Kapitel 14

D as triefende Moos unter Sophias Kopf roch nach Fisch. Sie lag flach auf dem Felsen, sozusagen.

»Halt doch mal still, ja?«, befahl eine vertraute Frauenstimme direkt vor Sophia.

Das helle Sonnenlicht machte es Sophia unglaublich schwer, ihre Augen zu öffnen. Der brennende Schmerz in ihrem Bein machte es nicht viel leichter, als sie hochschnellte und ihre Wade umklammerte.

»Na, na«, sagte die Frau. »Lass mich einfach in Ruhe arbeiten, ja?«

Sophia blinzelte. Sie halluzinierte wirklich, Bermuda Laurens, die hünenhafte Autorin von Mysteriöse Kreaturen schwebte vor ihr und warf einen Schatten auf sie.

»Oh, erst ein sprechendes Krokodil und jetzt das«, murmelte Sophia und warf sich nach hinten, wobei das Seegraskissen ihren Sturz abfederte.

Bermuda, die ein braunes Safari-Outfit und einen Hut trug, wandte sich dem Fluss zu. »Smeg war hier? Natürlich war er das! Dieser geschwätzige Kerl. Ich wette, er hat dir ein Ohr abgekaut.«

Sophia setzte sich auf. »Wenn ich sterbe, hören dann diese Halluzinationen auf?«

Bermuda zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Es wird eine Weile dauern, bis du eine Antwort bekommst, denn heute ist nicht der Tag, an dem du stirbst. Auch nicht in nächster Zeit, schätze ich.« Die Riesin kümmerte sich immer noch um Sophias Bein, obwohl es mit jedem Augenblick weniger schmerzte.

»Was meinst du?«, fragte Sophia. »Ich bin von einer magischen Outback-Spinne gebissen worden. Ich werde daran sterben, es sei denn, ich kann die Pflanze dort drüben sammeln und sie mit den toten Spinnen und ein bisschen Magie vermischen.«

»Richtig«, zwitscherte Bermuda und schüttelte ihre Hände aus, nachdem sie Sophias Bein verbunden hatte. »Genau das habe ich getan.«

Sophias Blick klärte sich mit einem Mal und sie erkannte, dass das, was sie sah, tatsächlich real war. »Du bist hier! Du bist tatsächlich hier bei mir im Outback!«

Bermuda sah sich um, erschüttert von Sophias plötzlichem Ausbruch. »Meinst du mich?«

Sophia nickte bestimmt. Ihr Blick war klar, obwohl sich ihr Mund immer noch wie Kreide anfühlte.

»Natürlich, ich bin hier«, bestätigte Bermuda. »Und das ist auch gut so. Ich habe dich ohnmächtig gefunden, nur wenige Minuten von einem komatösen Zustand entfernt. Seltsamerweise erinnere ich mich nicht an den Weg, der mich zu dir geführt hat oder wie ich überhaupt hierhergekommen bin.« Ihr Blick richtete sich auf die Stelle, an der sich Lunis immer noch am Baum aufhielt. »Oh, aber natürlich können Drachen alles Mögliche tun, wenn sie ihren Reiter retten wollen, wie zum Beispiel mit dem Chi des Drachen nach denen rufen, die helfen können …«

»Was?« Sophia sah sich um. »Lunis hat dich hergerufen? Aber du kannst nicht hier sein. Ich bin auf einem Walkabout. Das ist er auch. Hast du Magie bei mir eingesetzt? Oh nein, jetzt ist alles vorbei!«

Bermuda beobachtete, wie Sophia mit der Faust auf den Felsen schlug und dann eine Grimasse schnitt.

Die Riesin sagte: »Wenn du fertig bist, hätte ich etwas zu sagen.«

Sophia zuckte zusammen, bevor sie ihr Gesicht hob. »Was ist? Bist du sicher, dass du nicht nur ein Hirngespinst bist?«

»Durchaus«, antwortete Bermuda. »Außerdem hast du keine Magie benutzt. Lunis auch nicht, obwohl er magisch ist, also ist es schwer für ihn, sie nicht zu verwenden. Nur das Fühlen von Dingen, wie das, was er getan hat, um mich zu dir zu holen, ist Magie. Das ist das Chi der Drachen. Aber du musst dir keine Sorgen machen, dass es dein Training beeinflusst. Du selbst hast keine Magie angewendet, um dich zu heilen. Ich fand dich ohnmächtig und habe dich ohne deine Zustimmung behandelt. Das kann man dir nicht ankreiden.«

Sophia nickte und wackelte mit den Zehen, weil sie merkte, wie das Gefühl in ihr Bein zurückkehrte. »Was machst du im Outback?«

»Das kann ich dir nicht sagen«, knurrte Bermuda barsch und hielt Sophia einen Becher hin. »Du kannst das hier nehmen, weil ich es dir gegeben habe und wenn du es nicht trinkst, schlage ich dich k.o. und du wirst das Outback nicht überleben.«

Sophia brauchte keine Begründung für das Wasser, weil sie ausgetrocknet war, aber sie war dankbar, dass Bermuda ihr das Gefühl gab, weniger ein Verlierer zu sein, obwohl sie Unterstützung bei ihrem Walkabout hatte.

»Du hast mich wirklich gefunden und deine Hilfe ist okay?« Sophia leerte den Becher.

Bermuda nahm ihn zurück. »Ja und in Zukunft wirst du das Wasser aus diesem Fluss für deinen Vorrat sicherlich abkochen wollen, besonders weil Smeg darin war.«

»Danke«, meinte Sophia und fühlte sich wieder mehr wie sie selbst, obwohl ihr Magen fast wie aufs Stichwort knurrte, um sie daran zu erinnern, dass seine Bedürfnisse noch nicht befriedigt wurden. »Ich nehme nicht an, dass du mir auch noch etwas zu essen geben kannst, ohne die Regeln zu brechen?«

Bermuda schüttelte den Kopf und musterte die Gegend. »Nein, es tut mir leid, mehr kann ich guten Gewissens nicht tun. Du warst gerade kurz davor wegen Dehydrierung ohnmächtig zu werden, daher das Wasser. Die Verletzung, nun, betrachte das als Zufall. Ich habe bisher alles für dich getan und deshalb kann man dir keinen Vorwurf machen. Aber wenn dies ein echter Walkabout ist, sind die Herausforderungen, denen du dich stellst und ihre Überwindung Teil deiner Reise. Dabei kann ich nichts tun.«

»Nun, ich habe hundert Spinnen geschlachtet«, gestand Sophia.

»Ja, die seltene Spindelspinne«, brummte Bermuda verbittert. »Ich wäre noch wütender deswegen, wenn ich nicht nach jahrzehntelanger Suche nach dieser Kreatur einige Proben hätte, die ich untersuchen kann. Wenigstens habe ich Fortschritte gemacht, obwohl ich sicher bin, dass du sie gerade von gefährdet auf ausgestorben gesetzt hast.«

»Ooooh«, murmelte Sophia. »Gib Lunis die Schuld. Er hat die Spinnenmutter getötet.«

»Deshalb ist er da drüben und schmollt«, bemerkte Bermuda. »Drachen sind sehr empfindlich.«

»Sind sie das?« Sophia schüttelte dann den Kopf. »Nein, er ist da drüben und schmollt, weil ich eine Idiotin bin, die sauer auf ihn war, weil er mein Leben gerettet hat.«

Bei all dem normalerweise gefühllosen Verhalten von Bermuda Laurens, nickte sie recht verständnisvoll. »Es ist schwer in einer Beziehung, die eigentlich eine Partnerschaft sein sollte, der Verletzlichere zu sein. Aber das Manko liegt bei dir, meine Liebe. Wenn du erst einmal deine einzigartige Gabe, deine Wichtigkeit erkannt hast, dann werden all diese Probleme verschwinden. Im Moment kämpfst du mit deinen Dämonen, nicht mit seinen.«

Sophia dachte darüber nach und erkannte, wie viel Sinn es ergab, je mehr sie überlegte. Der Ratschlag war dem, den Smeg ihr gegeben hatte, sehr ähnlich.

Sie war dankbar, dass Bermuda da war und sie gefunden hatte. Sie wollte mehr mit der weisen Riesin besprechen und sich von ihr diese neue Erkenntnis erklären lassen und weitere Erkenntnisse mit ihr teilen. »Bleibst du zum Essen? Ich weiß noch nicht, was es gibt, aber ich koche natürlich.«

Bermuda wich zurück und schüttelte den Kopf. »Oh, nein. Ich habe eine Expedition, die auf mich wartet und du hast deine Reise, die du fortsetzen musst. Du hast ein Recht auf einen Gast hier und da auf deinen Wegen, aber am Ende des Tages dürfen es nur du und Lunis sein. Aber ich sehe dich bald wieder, Sophia Beaufont. Es gibt nur wenig, was unsere Wege davon abhalten kann, sich zu kreuzen.«

»Es ist also auch in Ordnung, dass wir miteinander gesprochen haben?« Sophia war immer noch besorgt, dass sie etwas falsch gemacht hatte und ihr Training beenden musste.

»Es ist unmöglich für eine Person wie dich, irgendwo hinzugehen, selbst an einen so abgelegenen Ort wie das Outback und niemanden zu treffen«, erklärte Bermuda.

»Aber mir wurde gesagt, dass ich mit niemandem sprechen darf«, entgegnete Sophia.

»Ja, das bedeutet, du durftest niemanden aufsuchen, aber bisher sieht es so aus, als ob ich diejenige wäre, die zu dir gekommen ist.« Sie zuckte mit den Schultern. »Außerdem geht es bei einem Walkabout nicht darum, von anderen wegzubleiben. Es geht darum, zu lernen, mit sich selbst allein zu sein und es klingt, als kämst du dabei auf einen neuen Kurs.«

»Ja, meine Dämonen sind auf dieser Reise zum Vorschein gekommen.«

»Akzeptiere sie«, schlug Bermuda vor. »Lade sie ein und rede mit ihnen. Nur dann kannst du sie weiterschicken.«

»Das ist ein schöner Rat«, erwiderte Sophia.

»Und das ist alles, was du bis zum nächsten Mal bekommst, meine Liebe.« Bermuda blickte auf das scheinbar endlose Gelände hinaus und seufzte. »Versuche nicht zu sterben oder verstümmelt zu werden. Die Welt braucht dich, Sophia Beaufont.«

Sie schenkte der Riesin ein zaghaftes Lächeln. »Ich werde es versuchen.«

»Nun dann, auf Wiedersehen für heute.« Die Riesin schenkte ihr ein seltenes Lächeln und stapfte davon, das australische Outback verschluckte ihre große Gestalt, während sie in der unerbittlichen Landschaft verschwand.