Kapitel 15

S ophia zögerte, ihr verletztes Bein zu belasten, aber sie wusste, dass sie nicht ewig wie eine verlorene Meerjungfrau am Fluss herumhängen konnte.

Lunis wartete auf sie. Sie brauchte Wasser. Es gab noch viel mehr, was sie tun mussten, wenn sie das australische Outback gemeinsam überleben wollten. Aber zuerst musste Sophia alles hinunterschlucken und ihrem Drachen ein paar Dinge sagen.

Sie fühlte sich wie die sprichwörtliche Meerjungfrau, die ihren ersten Schritt auf festem Boden tat. Zu ihrer Überraschung pochte ihr Bein nicht. Ein Verband bedeckte die Wunde, was sie hoffentlich vor einer Infektion bewahren würde. Er hielt sie auch vor Sophias Augen verborgen, was wahrscheinlich gut war.

Der erste Schritt war ein wenig wackelig, aber als sie sich damit abgefunden hatte, ihrem Bein und dem, was Bermuda getan hatte, um sie zu heilen, zu vertrauen, waren die nächsten Schritte viel leichter.

Mit einem zaghaften Blick zurück auf den Fluss sagte Sophia leise: »Danke.«

Wenn nicht Smeg und Bermuda gewesen wären … nun, sie wäre verloren und dem Tode nah. Sie glaubte wirklich nicht, dass Lunis sie dort auf dem Felsen hätte sterben lassen, aber bei der Wut, die in ihr kochte, gab es nur wenig, was er tun konnte, um ihre Kooperation zu bekommen.

Sophia verstand jetzt, wie Ressentiments und verbitterte Gefühle Beziehungen verdarben. Sie mauerten das Herz ein, sodass wenig Gutes durchkommen konnte. Ohne Herz wurde ein Mensch innerlich kalt und verlor den Blick für das, was am wichtigsten war – die Liebe.

In diesem Moment im wörtlichen Sinne kalt zu sein, wäre gut gewesen. Stattdessen brannte die Sonne von ihrem Tageshöchststand auf sie herunter und sie dachte, ihre Stiefel müssten gleich schmelzen.

Der zärtliche Ausdruck voller Schmerz und Sehnsucht, den Lunis Sophia zuwarf, als sie sich näherte, ließ sie fast zusammenbrechen, ihre Beine gaben nach. Sie wusste, was er fühlte, denn sie fühlte es auch, nicht nur wegen ihrer Verbindung, sondern weil sie es verursacht hatte.

»Es tut mir leid«, begann sie. »Ich –«

Wir sagen nur Entschuldigung, wenn wir etwas falsch gemacht haben , unterbrach Lunis.

Der Geruch der gebratenen Spinnenkadaver war ekelhaft. Sophia winkte die Fliegen und den Gestank weg. »Ich habe etwas falsch gemacht«, gab Sophia zu. »Ich habe aus den Augen verloren, was wichtig ist.«

Ich weiß nicht, wie Frozen Joghurt in diese Sache hineingeraten ist , stichelte er und hellte damit sofort die Stimmung auf.

Sophia warf ihm einen amüsierten Blick zu. »Lun, was hast du mit Frozen Joghurt in letzter Zeit?«

Es ist die Hitze, die mich an kühlere Dinge denken lässt, antwortete er.

»Ich dachte, du magst heiße Sachen wie Lava.«

Er dachte einen Moment nach. Ich mag beides. Ich kann die Hitze gut aushalten, aber das heißt nicht, dass ich sie bevorzuge. Ich wurde geschaffen, um vielen Extremen zu widerstehen, aber letztendlich bevorzuge ich unser gemütliches Leben zusammen, nicht wegen der schicken Sofas und Annehmlichkeiten, sondern einfach deinetwegen

»Danke«, begann Sophia erneut und hoffte, dass Lunis sie ihre einstudierte Rede aufsagen ließ, bevor sie sie vergaß. »Mir ist klar, dass mein Ego …«

Es ist eine gute Rede , schaltete er sich wieder ein, mit einem hinterhältigen Ausdruck in seinen Augen. Aber ich kenne sie schon.

Sie seufzte und wusste, dass es fast unmöglich war, Dinge vor ihm zu verheimlichen. Lunis erfuhr ihre Gedanken fast zur gleichen Zeit, wenn sie sie dachte. Nur im Gespräch, wenn sie hin und her scherzten, konnte sie ihn manchmal irgendwie überraschen.

»Gut, ich sollte ja wissen, was du auf meine hervorragende Rede hin gedacht hast, aber ich war ohnmächtig und mein Kopf ist noch benommen von dem Gift«, gab Sophia zu.

Ich wollte dich nicht sterben lassen , stellte er fest.

»Nein, du hast Bermuda Laurens herbeigezaubert, um mich zu retten.«

Er schwang seinen Schwanz hin und her und erzeugte eine willkommene Brise. Sie war nicht weit weg und ich wusste, dass sie die Spindelspinnen sehen wollte .

»Ja, sie ist nicht so wütend, wie ich dachte, weil ich sie ausgerottet habe.« Sophia schaute sich das ekelhafte Durcheinander toter Spinnen an und fragte sich, warum sie hier herumhingen, wenn sie überall sonst im australischen Outback sein könnten.

Die anderen Drachen haben immer noch die alte Denkweise , begann Lunis, seine Stimme vorsichtig und sehr bedacht bei jedem Wort. Sie bevorzugen die Höhle kalt und hart, weil sie glauben, dass Drachen keinen Luxus haben dürfen oder es uns verweichlicht. Sie bevorzugen raue Kälte oder extreme Hitze. Sie sehnen sich nach Kampf. Sie glauben, unser Leiden macht uns besser, aber ich denke, sie irren sich . Sophia, ich habe nie geglaubt, selbst mit dem Wissen, das ich durch meine Vorfahren habe, dass ich leiden muss, um ein besserer Drache zu sein. Vielleicht bin ich naiv oder jung oder unerfahren, aber ich habe von Anfang an gewusst, das Einzige, was mich besser macht, bist du .

Sophia spannte sich innerlich an, sie hielt die Tränen zurück, weil sie wusste, dass sie nicht weinen durfte – vor allem, weil sie ihre ganze Flüssigkeit brauchte, aber auch, weil sie ihn nicht unterbrechen wollte.

Nein, du kannst mich aufgrund unserer offensichtlichen Größen- und magischen Unterschiede nicht retten , fuhr Lunis fort. Was du für mich tust, ist besser, als dich in einen Kampf zu stürzen und mich zu retten. Seit ich geschlüpft bin, hast du mich jeden Tag daran erinnert, was das Wichtigste auf dieser Welt ist. Die Drachen haben das fast vergessen, so sehr sind sie mit ihrem ständigen Leiden beschäftigt. Sie haben ihre Reiter, denken aber, dass die Menschen für Perspektive und Partnerschaft sorgen. Um ehrlich zu sein, ohne euch würden wir aus den Augen verlieren, warum wir kämpfen, warum wir angefangen haben zu kämpfen. Drachen haben eine lange Geschichte des gegenseitigen Tötens und des Tötens anderer Kreaturen wegen unseres ständigen Verlangens nach Krieg. Unsere Geschichte ist uns durch das kollektive Bewusstsein gegeben, aber sie ist so lang, dass wir vergessen haben, wie sie begann. Es sind die Menschen – unsere Reiter – die uns daran erinnern, warum wir angefangen haben zu kämpfen. Es war für die Liebe .

Sophias Füße trugen sie vorwärts, als Lunis’ Kopf sich senkte. Sie nahm ihn in ihre Hände und sah ihm tief in die Augen, wobei sie mehr als nur seine reinen Absichten und die tiefe Zuneigung zu ihr sah. Sophia schaute in diesem Moment in die Seele des Drachen, die für alle Zeiten mit der ihren verwoben war.