S ophia traf Hiker bei Sonnenaufgang an der Vorderseite der Burg, wie es vereinbart war. Sie hatte einen Beutel mit Essen und eine Feldflasche mit Wasser mitgebracht. Sie hob sie hoch und schüttelte sie vor seinem Gesicht. »Ich bin bereit.«
Er riss ihr den Beutel aus der Hand und warf ihn quer durch die Eingangshalle. »Und jetzt bist du es nicht mehr.«
Sophia blieb völlig ruhig. Stattdessen warf sie einen Blick über die Schulter dorthin, wo ihr Essen und Wasser gegen die Wand geprallt waren. »Habe ich das mit dem ›Bring mit, was du willst‹ falsch verstanden?«
Er schüttelte den Kopf. »So ist das Leben, Sophia. Manchmal heißt es, man darf etwas und dann überlegt es sich jemand doch anders.«
»Reden wir immer noch über unser Training und dich und mich?«, fragte sie zaghaft.
»Hauptsächlich … nicht wirklich«, entgegnete er mit einer neuen Bitterkeit in seinen Augen.
Sie zeigte über ihre Schulter, wo ihre Vorräte lagen. »Ich darf das also nicht mitnehmen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe es mir anders überlegt. Keine Vorräte. Wir werden nicht lange weg sein. Du musst dich nur konzentrieren und das Training so kurz wie möglich gestalten.«
Hiker drehte sich um und ging mit hoch erhobenem Kinn aus der Burg. Sophia eilte ihm hinterher, draußen auf dem Hochland war es eisig.
»Hast du gerade angedeutet, dass das hier der längste Teil des Trainings ist, Sir?« Sophia rannte, um den Wikinger einzuholen, dessen Schritte dreimal so lang waren wie die ihren.
Er ließ sich nicht aufhalten, während er sprach. »Es kommt darauf an. Manche Reiter brauchen mehrere Monate, um diese Phase zu beenden.«
»Oh, verdammt …« Sophia hielt inne und blickte zurück zur Burg, wobei sie überlegte, ob sie zurückgehen sollte, um ihr Essen und Wasser zu holen.
»Und andere sind nach nur kurzer Zeit zurück«, fuhr Hiker fort.
»Kurze Zeit?«, fragte sie nach und blieb stehen, obwohl Hiker weiter in Richtung Loch Gullington stapfte.
»Es hängt alles von dir ab, Sophia.«
»Wie sieben Tage im australischen Outback?«, bohrte sie nach. »Oder wie drei Tage in der Sahara? Oder wie ein Monat in Texas? Könntest du mir eine Vorstellung davon verschaffen?«
»Folge mir«, drängte er. »Du brauchst keine Vorräte.«
Sie zögerte, weil sie eigentlich umdrehen wollte, um ihren Proviant zu holen. Die Vorstellung, wieder einmal unvorbereitet zu sein, gefiel ihr nicht. Als Hiker auf der anderen Seite der Burg verschwand, eilte sie ihm hinterher, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Ja, es war einschüchternd, mit Hiker Wallace einen Ausflug zu machen, aber es war auch eine große Ehre. Er mochte sie nicht als seine Lieblingsreiterin betrachten, aber das bedeutete nicht, dass Sophia die Zeit mit ihm nicht genoss. Trotz der vielen Konflikte, die die beiden hatten, respektierte sie ihn sehr. Sie wollte, dass er sie mochte. Sie wollte ihn mögen. Vielleicht war das die Gelegenheit.
»Bist du sicher, dass ich keine Vorräte brauchen werde?« Sophia sprintete ihm hinterher. »Ist es, weil ich Magie benutzen darf? Ich meine …«
»Da bin ich mir sicher«, erwiderte er und machte sich weiter auf den Weg zum Wasser.
»Oh, nun, könntest du das erklären, Sir?«, forderte sie, nachdem sie sich endlich richtig gefangen hatte. »Glaubst du, dass wir nicht lange hier draußen sein werden? Liegt es daran, dass du dieses Training schon einmal absolviert hast?«
»Das ist ein Teil davon«, meinte er, blieb stehen, als sie das Ufer erreichten und sah sich um, als würde er etwas suchen.
»Was ist denn der andere Teil?« Sie fragte sich, wonach er wohl suchte.
Er starrte sie mit purer Verärgerung an. »Du bist es, Sophia.«
Sie fühlte sich, als hätte er gerade mit einem anklagenden Finger auf sie gezeigt. »Ich? Was ist mit mir?«
»Deinetwegen werden wir nicht lange hier draußen sein«, stellte er bitter fest.
»Habe ich etwas falsch gemacht, Sir?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, die Sache ist die. Evan brauchte zwölf Wochen, um diesen Teil der Ausbildung zu bestehen. Wilder war eine ganze Woche lang draußen. Mahkah, na ja, er ist wie er ist, also nur ein paar Tage. Und Adam, na ja …« Er gluckste bei einer längst vergangenen Erinnerung. »Der Kerl hat mir nie ehrlich gesagt, wie lange er für diesen Teil des Trainings gebraucht hat, aber er hat angedeutet, dass es nur ein paar Stunden waren und du bist Adam ähnlicher als jeder andere, den ich bisher getroffen habe … aber mehr weiß ich auch nicht.«
Sophia rang nach Worten. »Ich verstehe nicht, was du mir sagen möchtest.«
Hiker leckte sich über die Fingerspitzen und hielt sie in den peitschenden Wind, der über das Hochland fegte.
Er drehte sich um und sah ganz und gar nicht wie ein fröhlicher Mitreisender aus. »Ich will damit sagen, dass ich von dir, Sophia Beaufont, erwarte, dass du das tust, was du normalerweise tust.«
Sophia blinzelte ihn ausdruckslos an. »Eine totale Nervensäge sein und sich allem widersetzen, was du verlangst oder forderst?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Nun, ja, das erwarte ich von dir. Ich wollte damit nur sagen, dass ich, ähnlich wie bei deinem Ausflug ins Outback, erwarte, dass du hier mit herausragenden Noten bestehst, schneller als alle anderen. Du bist Sophia-verflixt-noch-mal-Beaufont. Du machst die Dinge so, wie sie dir gefallen, du forderst heraus, wann immer du willst und du bestehst Herausforderungen, indem du dich schlafen legst, anstatt dich tagelang abzumühen. Ich vermute, du wirst mit dieser hier fertig sein, bevor die Burg die anderen zum Frühstück weckt.«
»Oh. Nun, danke, Sir«, meinte Sophia und sah zu, wie Hiker eine Reihe von Beschwörungsformeln murmelte. Sie hatte ihn noch nie so zaubern sehen und es war äußerst beeindruckend. Er war wie ein Tänzer, der Ballett tanzt, fesselnd und originell zur gleichen Zeit. Sie hatte ihr ganzes Leben lang mit Magiern zu tun gehabt und doch hatte sie noch nie jemanden gesehen, der so zaubern konnte wie Hiker Wallace.
Ein kleines Boot, in das nur zwei Personen passen konnten oder vielleicht ein großes oder vielleicht ein sehr großes, materialisierte sich im Wasser weit vor ihnen und segelte in ihre Richtung.
»Oh, verdammt gut. Ich rufe nach einem Schiff und bekomme ein kleines Segelboot«, beschwerte sich Hiker und ließ die Arme sinken.
»Wir segeln?«, fragte Sophia und erinnerte sich daran, dass in den Tiefen ein Meerestier lauerte, das schon versucht hatte, Wilder zu fressen, als er den ersten jemals gebauten Bogen holen wollte.
»Ja, aber keine Sorge«, besänftigte Hiker und zog das Boot ans Ufer, als es nah genug war.
»Weil es keine Komplikationen geben wird?«, fragte sie.
»Nein, die wird es auf jeden Fall geben«, stellte er fest, als sie zugestiegen war. Er sprang hinein, nachdem er das Boot abgestoßen hatte und schaute zur Küste auf der anderen Seite hinüber. »Aber wenn du über Bord gehst, gehe ich mit.«
»Warum ist das so?«, wunderte sie sich.
»Zum einen«, begann er, »wenn ich ohne dich zurückkomme, hat Mama mich am Arsch.«
»Und zum zweiten?«
»Wenn du das jemandem erzählst, Sophia, werde ich es vehement leugnen«, warnte Hiker.
Sie nickte. »Na dann los.«
»Du, Sophia Beaufont, könntest die Person sein, die uns alle rettet.«
Sie blinzelte ihn verwirrt an. »Weil ich eine Frau bin und die Drachenelite so etwas noch nie hatte?«
Er schüttelte den Kopf. »Weil du irgendwie, auf irgendeine Weise, die Welt aufgeweckt hast. Du hast mich aufgeweckt und hier bin ich und segle über das Gewässer, das seit Ewigkeiten vor meinem Fenster liegt. Ich danke dir nicht, denn ich gebe dir die Schuld. Der Dank kommt vielleicht später.«
Sophia lächelte zu dem Anführer der Drachenelite hinauf und genoss es, über das ruhige Wasser zu segeln. »Oder die verfluchte Schuld.«
Er nickte. »Ja, es wird das eine oder das andere, aber nichts dazwischen.«
Sophia hob ihr Kinn, während sie zu einem Teil von Gullington segelten, den sie noch nie gesehen hatte. Sie genoss die kalte Luft und die Aufregung über eine neue Herausforderung, während die Sonne über dem Horizont aufging.