Ich werde mich auch heute Morgen, und solange ich kann, wieder richtig hinsetzen. An meinen ungeschliffenen Nussbaumtisch, ohne Schubladen, mit kannelierten Beinen, nicht sehr groß; aus rohem Holz, mit kannelierten Beinen, kaum länger als breit, fast quadratisch; ich werde mich also richtig hinsetzen, und wenn ich mich dann an ihm festhalte, wie an etwas Wirklichem, schauen.
Schauen, was ist, und nichts anderes hintun als das, was ist. Was man durch das offene Fenster und die eisernen Gitterstäbe sieht, da das Zimmer im Erdgeschoss ist; und man sieht nur die Ecke einer Wiese mit einer großen, efeubekleideten Mauer auf der rechten Seite; im Hintergrund einen Holunder, der wie ein kleines Meer gewesen war, als es noch Wind gab, ein Schuppen mit Ziegeldach; und links drei große Pappeln.
Nichts anderes vor mir in diesem Augenblick, außer dieses Stück Garten.
Man sagt nur, was da ist, wenn der Kupferkessel auf dem Spirituskocher steht und dann zu singen anfängt. Der Porzellanfilter wartet, der Kaffee ist (noch einmal) gemahlen worden, noch einmal hat man eine Handvoll davon aus der Blechdose genommen, in die Mühle getan, die Mühle zwischen die Knie geklemmt, ihre Kurbel gedreht. Und dann kam das Geräusch des fallenden Tropfens, ein Geräusch, das man sehr gut hört, weil es das Einzige ist, was man hört, wie wenn ein kleines Pendel schlägt.
Ganz nah an meinen Tisch heranrücken: Nichts hintun als das, was man sieht.
Und was man heute morgen sieht, ist, dass der See wie immer fast ganz vom flachen Hang verdeckt ist, an dem man sich befindet, und auch die Berge sind fast ganz hinter den Bäumen verdeckt. Man tut hier nur das hin, was man sieht; man sieht nur, dass es schön ist; alles ist ruhig. Erst war nur der vom Filter fallende Tropfen zu hören; dann der Ruf eines Vogels, dann kein Vogelruf mehr; jetzt kommt eine Frauenstimme von einem Balkon.
Ich habe meine Feder noch einmal in die Tinte getaucht. Ich werde noch ein bisschen leben. Ich schaue, solange ich noch kann. Dinge, ich schaue euch an, ich sehe euch. Zwei, drei, vier, ich versuche, euch zu zählen. Wo endet eure Zahl? Wie viele seid ihr? Wer seid ihr? Warum seid ihr? Und dann hat es acht Uhr geschlagen und, noch einmal, hat der Kutscher Besson vor dem Schuppen sein Pferd angespannt, fluchend, wortreich; das Geräusch des Eimers, den er über die Pflastersteine schleift. Wie jeden Morgen seine dicke Stimme, während seine Holzschuhe kommen und gehen. Seine dicke Stimme, Schuhe mit Holzsohlen, und dann die Zeit, die Zeit, die vergeht.
Man sieht Bessons Kopf hinter den Himbeersträuchern auftauchen. Man sieht ihn unter dem Strohhut im Profil, dann hebt er sich dreimal ruckartig, wegen der drei Stufen; man sieht den Kopf von vorne. Er ist losgegangen. Das Pferd ihm voran. Besson ist auf dem Sitz. Der crèmefarbene Fransenschirm schaukelt zwischen den Thujen und den Pappeln. An den Pflaumenbäumen sind noch Pflaumen; Bessons Peitsche holt eine herunter.
Sie fällt auf den Schirm. Die Zeit, die vergeht. Nichts hintun als das, was man sieht. Die Dinge ganz sachte geschehen lassen. Vor uns anderen folgt jeder seinem kleinen Trott; die Äste heben und senken sich, während sich die Blume mit jeder Sekunde ein bisschen mehr öffnet, ohne dass man es merkt, das Blatt sich bewegt, das Blatt sich in beide Richtungen um den Stängel dreht, so herum und dann so herum; und noch immer fällt der Tropfen vom Filter.
Wieder der Tropfen, der den Takt der Zeit schlägt, wie ein kleines Pendel, das erschöpft war, da es nach und nach alles von sich gegeben hat, was es besaß.
Hinter der grau gestrichenen Massivholztür zum Innenhof fährt die Straßenbahn vorbei. Ich bin eingestiegen. Ich habe mich auf die vordere Plattform gestellt, da ist ein Schild: «Nicht mit dem Fahrer sprechen». Unter dem Schild ist der Fahrer. Alle sprechen mit dem Fahrer. Man hat die Fensterchen weit geöffnet, damit die Luft zirkulieren kann. Neben mir sind zwei oder drei Männer; einer von ihnen sagt:
«Zehn Jahre früher, zehn Jahre später …»
Er hat mit den Schultern gezuckt.
Ein anderer hat ihn gefragt:
«Wie alt bist du?»
«Dreiundfünfzig.»
Dann nichts mehr. Und erst nach einer Weile fing einer wieder an:
«Zehn Jahre, das zählt doch!»
Das ist der Fahrer. Er hat sich umgedreht.
Dieser kleine Mann in seiner Uniformjacke aus grauem Stoff, mager, bleich, mit verfaulten Zähnen, hat sich umgedreht, er hat nichts als sein Leben; und zehn Jahre, für ihn ist das viel.
Man antwortet:
«Was willst du da machen?»
So fangen sie an, ihre Weisheiten auszutauschen, während über uns schnell ein Baum vorbeizieht, und noch ein Baum, und noch ein Baum, dem Draht entlang – denn einer hat gesagt:
«Der einzige Unterschied ist, dass wir alle gemeinsam gehen, statt jeder für sich.»
Und dann sagt einer:
«Ist vielleicht sogar besser so, wer weiß?»
Er lacht, er zieht an einer kurzen Pfeife, die schlecht brennt, er langt mit der Hand nach hinten, legt sie um die Eisenstange, mit der man den Eingang zur Plattform zumacht: Dass sie eine solche Weisheit von sich geben, ist es das Alter?
Der mit der kurzen Pfeife lacht wieder, zuckt mit den Schultern.
Und plötzlich sieht man, dass vor dem Bahnhof wirklich viele Menschen sind. In einem fort kommen Autos, die mit dem aufgetürmten Gepäck fast doppelt so hoch sind, vor der Halle angefahren, wo die Fahrkarten verkauft werden. Der Pfiff einer Lokomotive ist bis weit über die Kuppel des Zentralpavillons hochgestiegen, von wo er wieder herunterfällt, wie wenn man einen Springbrunnen abrupt anhält. Es ist Zeit für die Morgenschnellzüge: Zeit für den Simplon-Express, Zeit für den Berner Oberländer; sieht ganz so aus, als ob die Leute in die Berge flüchten. Trotzdem versammeln sich die Pöstler auf dem Platz zu ihrem üblichen Grüppchen, indem sie Drucksachenbündel herbeitragen und sie übereinanderstapeln, bis sie ihnen unters Kinn reichen. Sie sind in die Straßenbahn eingestiegen. Sie waren fast ein Dutzend. Und der Letzte, der einsteigt, entschuldigt sich für die Umstände:
«Diese Züge hätten Sie sehen müssen! Man musste um die Plätze kämpfen. So viele Leute, sogar auf den Tritten der Güterwagen standen sie!»
Die Straßenbahn war wieder losgefahren. Die Unterhaltung ist weitergegangen. Klingeln der Straßenbahn, Autos, Lastwagen, die Allee; und der Älteste der Pöstler, ein Dicker mit Bauch, dem wie aus einer kleinen Quelle Tropfen um Tropfen über die großen buschigen Brauen perlt:
«Es wird scheint’s jeden Tag ein Grad mehr …»
«Ja.»
«39 Grad heute, 40 Grad morgen, 41 Grad … 50 Grad … 100 Grad … zum Teufel!»
«Nicht mit dem Fahrer sprechen»: Wenn man nicht mit ihm spricht, ist er es, der mit einem spricht.
Während die Straßenbahn die breite, schnurgerade Allee hochfährt, hat er sich wieder umgedreht mit dem kleinen Schnurrbart in seinem Gesicht wie Holzasche:
«Wo haben Sie das denn gelesen? … Um Himmels willen!»
Er tritt mit der Sohle heftig auf seine Klingel.
Man knöpft die Uniformjacken über Flanellhemden auf, die sind über der Brust ebenfalls leicht geöffnet, damit es ihr wohler ist. Dann schiebt eine Hand eine Mütze nach hinten, die Menschentraube wird von der Bewegung des Wagens von vorne nach hinten und von hinten nach vorne geworfen; – Lachen, der Mann mit der Pfeife; der Mann mit der Pfeife fährt fort:
«Wir werden Gesellschaft haben.»
Er lacht.
In dem Augenblick konnte man sehen, dass sich vor der Nationalbank bereits ein Polizeikordon in Stellung gebracht hat.