Im Sommer ist Martins Stimme auch nachts bei mir, wenn ich will. Ich muss nur das Ohrstück einsetzen, und er ist da.

Wir sind nichts, und nichts wird uns helfen

Vielleicht lügen wir, dann bleibst du besser nicht

Aber wir könnten sicherer sein, nur für einen Tag

Wenn ich nicht schlafen kann, übersetzt mir Martin Lieder aus der Alten Zeit, Lieder über die Stadt, die Menschen gesungen haben, die eine Zeit lang hier lebten und dann fortzogen. Sie besangen ihr Leben und den Ort in ihrer eigenen Sprache.

Er sieht durch sein Fenster

Was sieht er

Er sieht den hellen und leeren Himmel

Er sieht die Sterne herauskommen heute Nacht

Er sieht die abgerissenen Rückseiten der Stadt

Er sieht den gewundenen Ozeanweg

All das wurde gemacht für dich und mich

Denn es gehört dir und mir

Also, lass uns fahren

Und sehen, was mir gehört

Ich verstehe das Lied nicht. Bei den Alten gab es hier keinen Ozean. Vielleicht würde die Melodie es erklären, aber die übersetzt Martin nicht mit. »Du musst dir dazu das Geräusch einer Stadtschnellbahn vorstellen«, sagt er, »eine Art rhythmisches Rumpeln.«

Wo die Alten den Stadtschnellbahnring hatten, steht heute die innere Mauer. »Zur Zeit dieser Lieder war das Gebiet in den Mauern noch enger«, sagt Martin.

»Ja«, sage ich, »aber man konnte von innen nach außen.«

»Aber nicht von außen nach innen, Lola.«

»Das ist nicht so wichtig für mich, ich bin ja innen.«

Martin lacht. »Da machst du es dir zu leicht, und das weißt du auch, das Außen war ja auch innen, und aus diesem größeren Innen konntest du auch nicht heraus. Du bist auf der guten, auf der heiligen Seite der Mauern, du gehörst zu den Glücklichen, Lola, vergiss das nicht.«

Vielleicht denke ich das alles also nur selbst. Es ist alles ein einziges Summen. Eine einzige Summe. Summen. Bis in den Schlaf.