Von mir wollen sie immer, dass ich die Lippen leicht öffne. Nur ganz leicht, bitte. Es soll nicht aussehen, als ob ich etwas sage. Eher, als ob ich etwas sagen will, dann aber stumm bleibe. Nicht lächeln. Den Blick bitte direkt auf uns. Die Brauen bitte ein wenig zusammenziehen. Nein, nur ein wenig, bitte. Der Blick noch intensiver. Aber nicht so böse, bitte. Verletzt. Noch verletzter. Martin übersetzt das alles. Ja, schön, wunderschön. Ach. Jetzt so bleiben, bitte.

Den gesamten vorletzten Tag der Fremden verbringen wir mit Portraitstudien auf der Freiheit. Alle zwei Wochen geht das so, den ganzen Sommer lang. Die Freiheit ist die beste Kulisse. Im Hintergrund wahlweise Büffel oder Mauer.

Es sieht lustig aus, wie sie alle dastehen mit ihren Strohhüten und ihren Staffeleien, konzentriert, als wäre das eine Prüfung. Dazu spielt die ganze Zeit ein kleines Orchester aus Dienstfertigen. Geigen über Geigen.

Ich schiele zu Else hinüber, sie soll lächeln, wie immer soll sie lächeln. »Mehr strahlen, bitte! Ja, schön! Noch mehr! Noch mehr Zähne zeigen, bitte!«

Unter dem Leder stellen sie sich unsere heiligen Körper vor. Das müssen sie ja, sonst können sie uns nicht zeichnen. Es ist ihnen verboten, uns zu berühren, aber in ihren Bildern besitzen sie uns, und diesen Triumph können wir in ihren Gesichtern sehen. Wenn sie merken, dass wir sie dabei ertappen, lachen sie und senken die Lider. Ihr seid schön, denke ich. Vielleicht seid ihr weder die Nachkommen der Alten noch derer, die an ihren Festungen gescheitert sind. Vielleicht seid ihr etwas

»Jemand sollte auch sie malen«, sage ich zu Martin.

»Das musst du nicht, gesegnete Lola, denn du bewahrst alles Wissen und alle Bilder in dir.«

Alexander und Wilhelm stehen breitbeinig und blicken nach rechts, rechts ist die Zukunft, Haare und Blick sind wild, bei Wilhelm noch etwas wilder als bei Alexander.

Friedrich sitzt im roten Mantel in einem Lehnstuhl, die Augen leicht zusammengekniffen, blickt er nach links. Links ist die Vergangenheit. Oh, sein weiser, strenger Blick, ach, sein Wissen, ach, welche Last!

Zum Schluss dann das Gruppenbild, der Himmel nun schon mit einer Ahnung von Gelb, wenn man genau hinsieht. Blick in die Ferne, Wind im Haar. Wild, edel und frei.

Wir sind frei. Die Mauer schützt uns. Die Scharfschützen schützen uns. Und so weiter.

Das Orchester spielt, bis der Himmel sich wirklich gelb färbt, dann drängen die Übersetzer zum Aufbruch, schnell, schnell, bevor die Sonne untergeht, müssen sie alle auf dem Schiff sein, schnell!

Sie sammeln ihre Utensilien zusammen, Staffeleien, Hüte, Pinsel, Geigen, schnell, schnell, der