Kapitel 11

An Tag sieben des Detox ging ich zu meiner üblichen Vierhundertfünfzig-Gramm-ohne-Topping-Wonne zu Yo!Good, nur um festzustellen, dass der orthodoxe Junge nicht arbeitete. Stattdessen war da eine Frau, die aussah, als wäre sie in meinem Alter – vielleicht ein bisschen jünger, zwei- oder dreiundzwanzig. Sie war sehr blass, mit hellblauen Augen und einem weizenblonden Zopf. Ihre Augenbrauen waren golden, die Wimpern fast weiß. Ihr heller Teint ließ die anderen Merkmale ihres Gesichts deutlich hervortreten – als hätte ich vergessen, dass Lippen rosa sein konnten, und mich erst jetzt wieder daran erinnert, als ich ihren Mund ansah.

Auf einer ihrer runden Wangen war ein kleiner brauner Schönheitsfleck, wie ein Karamellstückchen von der Toppings-Bar. Ihre Wangen hatten etwas Rosiges, eine natürliche Röte, die über den Schönheitsfleck hinwegfegte, mit ihm in Beziehung trat, ihn mit Farbe überschwemmte. Am Hals hatte sie ein Dreieck aus drei dunkleren Muttermalen: einen dunklen Schokotropfen am Adamsapfel, flankiert von zwei Milchschokotropfen links davon. Sie sah gleichzeitig jüdisch und nicht jüdisch aus – aber irgendetwas eindeutig Jüdisches hatte sie an sich, etwas Schtetlhaftes, das vielleicht nur eine andere Jüdin erkennen konnte.

In erster Linie war sie fett: unbestreitbar fett, unwiderlegbar fett. Sie war nicht dick, kurvig oder mollig. Sie ging über »drall« hinaus, stellte »plump« in den Schatten. Sie war fett, und sie übertraf meine schlimmsten Befürchtungen für meinen eigenen Körper.

Aber es schien, als wüsste sie nicht, dass sie fett war, oder als wäre es ihr egal. Wäre es ihr wichtig gewesen, ihren Körper zu verstecken, hätte sie etwas Weites und Schwarzes tragen können. Stattdessen hatte sie sich in ein gerade geschnittenes, hellblaues Baumwollkleid gequetscht, sittsam mit seinen langen Ärmeln und dem knöchellangen Rock, aber ansonsten offenbarte es jede Bauchspeckrolle, Hüftwulst und Rückenfalte ihres Körpers. Der weiche Stoff dehnte sich und schimmerte, wo er sich über ihre Hüften und den Hintern spannte. Ihre Brüste waren riesig – Körbchengröße F? oder G? –, aber das Kleid schmeichelte ihnen überhaupt nicht. Das Kleid war da, und die Brüste waren da, und keines wirkte mit dem anderen zusammen.

Als sie mich dabei ertappte, wie ich sie anstarrte, sagte sie: »Was darf es für dich sein?« Sie sagte es nett und fröhlich, als machte es ihr nichts aus, dass ich gestarrt hatte.

»Ich nehme einmal halb Cappuccino und halb Cheesecake, beides zuckerfrei und fettfrei, bitte«, sagte ich. »Medium.«

Sie griff nach einem großen Becher.

»Nein«, sagte ich. »Medium. Den Vierhundertfünfzig-Gramm-Becher.«

Sie stellte den großen Becher zurück und nahm einen mittleren.

»Ach«, sagte ich. »Und ich … hätte ihn gern nur bis oben gefüllt. Also nicht über den Rand.«

Sie nickte. Dann zog sie den Hebel, und ich hörte das Schwirren der Maschine. Ich sah genau hin, als sie den Becher unter dem wirbelnden Yogurt drehte. Sie war gut, präzise, ließ keine Lufteinschlüsse, genau wie ich es mochte. Aber als der Yogurt sich dem Becherrand näherte, machte sie keine Anstalten zu stoppen.

»Das reicht«, sagte ich leise.

Sie machte weiter. Der Yogurt drehte eine komplette Runde über dem Rand.

»Das reicht!«, rief ich, diesmal laut.

Sie ließ den Hebel der Maschine los, und der Yogurtstrom versiegte. Dann drehte sie sich zu mir um.

»Der Preis richtet sich nach der Bechergröße, nicht nach dem Gewicht. Wir berechnen dir die Extraportion nicht.«

»Oh«, sagte ich lässig. »Okay.«

Sie zog den Hebel noch einmal, und der Yogurtstrom ging weiter. Die Wirbel türmten sich höher und höher, formten ein funkelndes Schloss, das sich hoch über den Becher erhob.

»Was möchtest du drauf?«, fragte sie, denn sie war eindeutig noch nicht fertig damit, mein Leben zu zerstören.

»Ähm, nichts. Das ist okay so«, sagte ich.

»Nichts?«, fragte sie nach.

»Ja, ich mag es pur.«

Sie sah mich ungläubig an, aber ich konnte mir keine Gedanken darüber machen, was sie dachte, denn ich hatte andere Probleme. Da waren neunhundert Gramm Yogurt in meinem Vierhundertfünfzig-Gramm-Becher. Ich brauchte eine Strategie.

Ich konnte die nördliche Hemisphäre des Yogurts bis zum Rand essen und dann die südliche Hälfte wegwerfen. Aber das kam mir traurig vor. Wer wollte schon mittendrin aufhören? Es wäre viel angenehmer, die obere Hälfte zu köpfen und dann den Rest des Bechers zu genießen. Aber wo sollte ich sie loswerden? Ich konnte die anstößige Menge nicht einfach vor ihren Augen wegwerfen. Ich würde nach draußen gehen müssen, um den Yogurt zu verarzten.

Am Bordsteinrand fand ich einen Mülleimer und stand vor dem nächsten Problem: Er hatte kein Loch. Er war eines dieser architektonischen Sanitär-Meisterwerke Kaliforniens mit einem mickrigen Schlitz. Ich hatte keine Möglichkeit, den Überschuss auf einmal wegzukippen. Ich konnte nach und nach kleine Portionen wegschaufeln, aber dann brauchte ich etwas, worauf ich den Löffel abklopfen und die Yogurtblobs in den Schlitz rutschen lassen konnte. Ich würde bestimmt nicht den Eimer mit dem Löffel berühren.

Also schaufelte ich einen kleinen Löffel Yogurt aus dem Becher. Dann klopfte ich den Löffel genau über dem Schlitz gegen mein Handy. Diese Klopfbewegung produzierte genug Reibung, um den Yogurt zu lösen. Ich schaufelte noch einmal. Und klopfte. Schaufelte. Klopfte. Ich war so auf meine Arbeit konzentriert, dass ich nicht sah, dass NPR-Andrew direkt an mir vorbeiging.

»Hi, Rachel«, sagte er.

Ich blickte mitten im Klopfen auf. Er trug In-Ears und eine Sonnenbrille. Und ein Grinsen auf seinem winzigen Gesicht. Er ging weiter.

Also hatte der kleine Scheißer den Vorgang mit angesehen. Ich fühlte mich beschmutzt, blamiert. Ich betete, dass er nicht begriff, was er gesehen hatte. Zumindest wusste er aber, dass es etwas Freakiges war.

Tja, mein Yogurt war bereit. Jetzt konnte ich in Ruhe und Selbsthass essen. Ich stand in der Sonne, leckte zuerst die geschmolzenen Stellen ab, dann ging ich zum rituellen Löffeln und Durch-die-Zähne-Ziehen über. Kaffee mit Cheesecake war eine gute Kombi. Geradezu göttlich.