Während ich bei Yo!Good in der Schlange wartete, plante ich die Kreationen, die ich erschaffen würde, falls ich je auf magische Weise immun gegen Kalorien sein sollte. Ich stellte mir Biskuit-Yogurt vor, der vor Karamell triefte, gesprenkelt mit Snickers-Stückchen. Ich begrub einen Milchkaramell-Yogurt unter Marshmallow-Soße, dann schüttete ich einen Strom zerbröselter Oreos über seine süße Krone. Auf einem Planeten aus holländischer Schokolade lebten alle möglichen Gummispezies: Bären, Würmer, Fische, Pinguine, Dinos und Pfirsichringe. Ich stäubte Erdnussbutterdragees und Schokostreusel auf einen Berg mit Kuchenteiggeschmack.
Sie hatten alles: Erdbeeren in Sirup, Plätzchenteigkugeln und winzige Perlen aus weißer Schokolade in einem Regenbogen aus Pastelltönen. Sie hatten heiße Schokokaramellsoße, warmes Karamell und eine Buttertoffee-Soße, die sofort erstarrte, wenn sie mit dem Frozen Yogurt in Berührung kam. Sie hatten eine Diätvariante der heißen Schokokaramellsoße, die bei mir die Überlegung auslöste: Was wäre, wenn? Wenn ich nur einen kleinen Spritzer nehmen würde? Aber der nebulöse Kaloriengehalt eines Spritzers barg zu viele Variablen. Ich fürchtete, wenn ich die Soße einmal probierte, würde ich meinen Yogurt nie wieder ohne essen. Ich traute mir nicht über den Weg und ließ es bleiben.
Zum Glück sagte der orthodoxe Junge nicht: »Kein Topping?«, wie der Sandwich Artist bei Subway immer sagte: »Keine Soße?« Ich sah ihm genau zu, als er den Yogurt pumpte, kontrollierte, ob er auch nicht über den Rand ging (dieser Luftraum war kalorienmäßig unberechenbar). Als er oben ankam, rief ich: »Stopp!«
Er stoppte sofort, brachte den Becher zur Kasse und nannte mir freundlich den Preis für den Jo-gort. Abgesehen von dieser Höflichkeit gab er nicht zu erkennen, dass ich eine Stammkundin war. Dafür war ich ihm dankbar.
Ich verzehrte die ersten drei Viertel des Bechers am hinteren Ecktisch mit Blick in die Ecke. Mir war immer kalt, aber ich aß lieber in dem eiskalten Yogurt-Laden als draußen an den Tischen in der Sonne, denn die waren beliebt. Ich hatte einen bestimmten Rhythmus und Stil, wie ich den Yogurt gerne aß, und ich wollte nicht, dass mir jemand zusah. Zuerst leckte ich an den Rändern des Bechers entlang, um das Geschmolzene zu erwischen. Dann steckte ich mir Löffel um Löffel von dem kälteren Zeug in den Mund und zog es durch die Zähne, um es zu verflüssigen.
Für das letzte Viertel des Yogurts gab ich meine Methode auf und nahm es mit nach draußen. Diese letzten fünf Minuten in der Sonne fühlten sich wie der Garten Eden an, eigentlich wie das Ende von Eden, denn das eiskalte Büro wartete. Es wurde immer so stark klimatisiert, dass ich an meinem Schreibtisch eine Daunenjacke trug. Aber in diesen letzten paar Momenten der Wärme hielt ich Zwiesprache mit dem Yogurt und stellte mir vor, dass die Sonne mich durchdrang – dass sie ein Kraftfeld schuf, das in meinem Inneren glühen und mich den Rest des Tages wärmen konnte. Dann ging ich ins Büro zurück und pufferte mich wieder mit Daunen.
Der Nachmittag ging größtenteils für meine zwanghafte Beschäftigung mit meinem bevorstehenden Snack drauf: ein Proteinriegel mit Schokostückchen, der hundertachtzig Kalorien enthielt. An guten Tagen konnte ich den Riegel hinauszögern – ein Leuchtfeuer der Süße und Hoffnung, auf das ich mich freuen konnte –, bis ich um sechs das Büro verließ und ins Fitnessstudio ging. An schlechten Tagen öffnete ich die Verpackung an meinem Schreibtisch, »nur um daran zu riechen«, und schlang ihn hinunter.
Ich war so in diesen Proteinriegel verliebt: in seinen Geschmack nach Schokoriegel, die Cremigkeit und das Sättigungsvermögen, die in ihm steckten. Vor Kurzem hatte ich tief bestürzt entdeckt, dass es eine heimtückische Erhöhung um zwanzig Kalorien gegeben hatte. War das Rezept verändert worden, oder hatten sie uns alle die ganze Zeit vorher bewusst in die Irre geführt? Mir schien eine öffentliche Entschuldigung angebracht. Jetzt befand ich mich im Heilungsprozess: dem Proteinriegel wieder vertrauen lernen.
Den Verzehr des Proteinriegels zögerte ich durch den Nachmittagstee in der Büroküche hinaus. Ich trank gern Tee mit Ana, der Büroleiterin, einer vollbusigen Frau Mitte fünfzig, die exquisite, tief ausgeschnittene Seidenblusen trug, die sie in hoch geschnittene Hosen steckte, die ihre schmale Taille betonten. Die meisten Frauen in Anas Alter, die in der Unterhaltungsindustrie arbeiteten, waren gebotoxt bis unter die Haarwurzeln. Aber Anas Verschönerungen waren elegant – subtile Filler, sanftes Relaxans –, sie ließen feine Fältchen um ihren hübschen Mund und die großen braunen Augen zu, jedoch keine tiefen Falten oder Furchen: scheinbare Natürlichkeit statt offensichtlicher Künstlichkeit.
»Pssst«, unterbrach mich Ana, damit wir am Ende des Flurs Ofer am Telefon hören konnten. »Hör zu, das ist das Geräusch von immer dümmer werdenden Filmen.«
»Ja, oder? Gibt es etwas Schlimmeres als Unterhaltung?«
Anas Ex-Mann hatte in den frühen Zweitausendern eine Hit-Trilogie von Vampirfilmen produziert: Night’s Sundry, Enigma’s Descent und Wicked Shroud. Während der Postproduktion von Enigma’s Descent hatte er sie und ihren neunjährigen Sohn für eine Special-Effects-Maskenbildnerin verlassen. Jetzt sah Ana es als persönliche Beleidigung, dass sie in der Industrie arbeiten musste, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie blieb nur in Los Angeles, weil ihr Sohn und seine Freundin in Highland Park wohnten.
»Ich bin älter als du, deshalb darf ich alles mehr hassen«, sagte sie. »Warte, sag mir nicht, dass du den Büro-Lipton trinkst. Nimm meinen Harney & Sons, ich bitte dich.«
Ich freute mich, dass Ana mir das gute Zeug geben wollte. Eigentlich liebte ich Lipton mit einem Teelöffel Kaffeeweißer und vier Süßstoff, es war wie ein »Milchshake«. Aber ich sehnte mich nach jeder Fürsorge, die ich von ihr bekommen konnte. Es war nicht unbedingt so, dass sie nett zu mir gewesen wäre. Sie hasste nur alle anderen noch mehr. Wir waren zu einem »Wir« geworden, weil unsere Kollegen so ein »Die« waren. Trotzdem war ich wirklich gern ein »Wir«. Ich fragte mich, ob sie über mich genauso schlecht hinter meinem Rücken redete, wie sie es mit allen anderen tat.
»Wenigstens isst du nicht den Fraß, den sie hier herumliegen haben«, sagte Ana. »Die anderen Assistentinnen sehen es ein bisschen zu locker mit dem Gebäck. Vor allem diese Kayla sieht aus, als wäre sie ein Plunderteilchen drüber.«
Ich hoffte, ich war weit, weit drunter. Die Leute sagten, Ana und ich sähen uns ähnlich. Sie glich mir mehr als meine eigene Mutter. Wir hatten beide eine Fülle dicker, gewellter brauner Haare, olivfarbene Haut, die leicht in der Sonne bräunte, und dunkelbraune Augen. Meine Mutter hatte feine schwarze Haare, graue Augen und so helle Haut, dass sie durchscheinend war. Aber in ihrer Überzeugung, dass dünn gleich gut bedeutete, waren meine Mutter und Ana geistesverwandt. Meine Mutter überzeugte mich, dünn zu bleiben, indem sie mich beleidigte. Ana tat es, indem sie alle außer mir beleidigte. Diese Abwesenheit von Zurückweisung fühlte sich an wie eine Umarmung.