Der Peppermint-Plotz war eine Candyland-Fantasie, mit Schokoyogurt als Basis und einem Wirbel Pfefferminz um den Rand. Miriam goss wieder heiße Schokosoße darauf, gekrönt von Schokominzdrops, dann bestreute sie alles mit Schokostückchen und rundete es mit Marshmallowsoße ab. Es war, was sich eine magische Winterfee aussuchen würde, wenn sie das Vergnügen hätte, sich bei Yo!Good zu bedienen.
Beim Essen fühlte ich mich aufgedreht wie ein kleines Kind. Ich fühlte mich mehr wie ein kleines Kind als damals als Kind. Alle meine Kindheitserlebnisse mit anderen Kindern hatten darin bestanden, bei ihnen zu Hause zu versuchen, etwas von ihrem Junkfood abzubekommen. Oft war es schambehaftet, denn die anderen kleinen Mädchen waren dünner als ich oder scherten sich weniger ums Essen. Amy Dickstein bestach mich mit verschiedenem Essen, damit ich mit ihr »Abschlussball« spielte. Amy sagte, bei jedem Abschlussball gäbe es »Erfrischungen«. Sie versprach, wir würden etwas Leckeres essen, aber erst, wenn wir die anderen Stadien des Abschlussballabends durchlaufen hatten. Sie versprach Kartoffelchips. Sie versprach Apfelkrapfen.
Sie ließ mich das Mädchen sein. Sie war der Junge. Ich hatte kein Problem damit. Wir tanzten in ihrem Zimmer Stehblues, und sie sagte mir, ich sähe sehr hübsch aus. Sie fragte mich, ob mir der Abend gefalle. Dann gab es vor den Erfrischungen erst noch einen Nach-dem-Ball-Moment, dafür legte sie mich auf ihr Bett und strich mir sanft die Haare von der Wange. Das fühlte sich gut an, wirklich gut. Dann legte sie Toilettenpapier zwischen unsere Münder und sich auf mich und küsste mich. Einmal küsste sie mich ohne Toilettenpapier, und es war schön und weich. Manchmal bewegte sie sich und rieb unsere Becken aneinander. Sie sagte, weil ich das Mädchen sei, müsse ich mich nicht bewegen.
Ich genoss die Liebkosungen und die Aufmerksamkeit. Aber was mich wirklich anmachte, war die Aussicht auf verbotenes Essen danach. Wenn Amy mich küsste und sich an mir rieb, dachte ich: Apfelkrapfen Apfelkrapfen Apfelkrapfen.
»Gut?«, fragte Miriam.
»Ich bin geplotzt«, sagte ich und löffelte ein bisschen geschmolzenen Yogurt und heiße Schokosoße.
»Gut.«
»Was machst du, wenn du nicht yogurtest?«, fragte ich sie.
»Ich gehe ins Kino«, antwortete sie. »Alte Filme.«
»Mit Freunden?«
»Normalerweise allein.«
Ich stellte sie mir in einem altertümlichen Kino vor, wie sie auf der Empore saß und rauchte. Natürlich durfte man in keinem Kino in Los Angeles rauchen, aber so stellte ich sie mir vor: wie sie Rauchkringel ins Licht des Projektors blies, das die Dunkelheit des Kinosaals durchschnitt. Zwischen zwei Rauchkringeln aß sie eine Tüte Zimtdragees, stellte ich mir vor, würzig wie die Nelkenzigarette.
»Ich gehe heute«, sagte sie. »Charade. In die Spätvorstellung um zehn. Magst du Audrey Hepburn?«
Als ich siebzehn war, auf dem Höhepunkt meines Hungerns, hatte ich ein großes altes Poster von Frühstück bei Tiffany in meinem Zimmer. Mein Ziel war, so schmal zu werden wie Audrey, aber egal, wie wenig ich aß, ich spürte immer noch Fleisch auf meinem Bauch, Polster an meinen Oberschenkeln. Audrey war praktisch aus Knochen geformt. Sie hatte in ihrer Kindheit während des Zweiten Weltkriegs in Holland gehungert, deshalb war sie so dünn. Ich wusste, es war krank, aber ich ertappte mich dabei, wie ich neidisch darauf war, dass sie selbst nichts für ihre Magerkeit tun musste. Ein Feind hatte ihr den Hunger zugefügt, wodurch er heroisch wurde. Sie hatte nicht selbst hungern müssen, um ein Star zu werden.
»Ich bin über Audrey hinweg«, sagte ich zu Miriam. »Aber ich liebe Cary Grant.«
»Möchtest du mitkommen?«, fragte sie.
»Okay«, sagte ich, auch wenn ich eigentlich Nein sagen wollte.
»Super«, sagte sie. »Wir gehen erst was essen. In ein koscheres chinesisches Restaurant in der Nähe des Kinos, das mit den tropischen Drinks.«
»Ich kann nicht.«
Chinesisches Essen konnte man unmöglich mathematisch im Blick behalten: so viele verschiedene Komponenten, Gerichte, die man sich teilte, Frittiertes, stärkehaltige Soßen.
»Nicht?«, fragte Miriam.
»Ich habe ein Arbeitsessen«, sagte ich.
»Oh«, sagte sie. »Na ja, darum geht es ja dabei. Essen gehen und dann ein Film. Was ist mit morgen?«
Ich dachte an die Möglichkeit, dass all diese Kalorien in die restliche Woche einströmten: jetzt ein Eisbecher, morgen chinesisches Essen. Der ganze Monat konnte unterwandert werden, wenn ich nicht aufpasste! Nein, es war besser, diesen Wahnsinn auf diesen Tag zu beschränken, den Tag des Peppermint-Plotz, als der er in die jüdische Zeitrechnung eingehen würde. Morgen konnte ich zu meinem Ernährungsplan zurückkehren und für immer daran festhalten.
»Weißt du was?«, sagte ich. »Ich glaube, ich kann mich vor dem Essen heute Abend auch drücken.«
»Super!«, sagte sie lächelnd. »Dann treffen wir uns im Golden Dragon in Hollywood. Acht Uhr.«