Kapitel 23

Ich wollte Miriam etwas mitbringen, aber ich hatte keine Ahnung, was ich besorgen sollte. Blumen kamen mir zu offensichtlich vor, zu date-mäßig. Ich wollte nicht einmal wissen, ob sie Gefühle für mich hatte. War sie verknallt? Unentschlossen? Völlig platonisch? Sie wollte wahrscheinlich einfach Freundinnen sein. Vielleicht freundeten sich normale Frauen so mit anderen Frauen an: Sie luden sie zu so Kram ein wie in aller Öffentlichkeit zu essen.

Ich kam nach der Arbeit an einer Drogerie vorbei und kaufte ihr einen roten Lippenstift, Ruský Rouge. Ich redete mir ein, ich besorgte ihr das Geschenk als Dankeschön, weil sie so großzügig mit den Eisbechern gewesen war. In Wahrheit wusste ich, dass ich sie testete, dass ich sehen wollte, wie weit sie mir in Richtung Moderne entgegenkam, zumindest ästhetisch. Ich nahm an, dass sie aus religiösen Gründen nie Make-up trug. Aber wenn sie bereit war, Ruský Rouge auf ihre Lippen aufzutragen, was würde sie dann noch ausprobieren? Es erschien mir wesentlich, dass das Geschenk ein mädchenhaftes war: ein cremiges, sexy Ding, das von Frau zu Frau weitergegeben wurde.

Als ich das erste Mal masturbierte, hatte ich mir mein Kissen zwischen die Beine gesteckt und fantasiert, dass ich so von Frauen herumgereicht wurde. Ich stellte mir einen Raum voller Frauen vor, alles Mütter von verschiedenen Mitschülerinnen, die mich von Schoß zu Schoß weitergaben, von Schenkel zu Schenkel, und mich nacheinander wiegten und trösteten. Ihre Gesten wirkten eher fürsorglich als lüstern, und so musste ich, als ich kam und noch mal kam, nicht darüber nachdenken, was meine Lust wohl bedeuten mochte.

Mit der Zeit war diese Fantasie unverhohlen sexueller geworden – hatte sich vom Schoßsitzen zum Küssen und Reiben gesteigert. Jedes Mal, wenn ich kam, dachte ich: O Gott, bitte lass mich nicht Frauen mögen. Ich zwang mich, die Geschichte zu ändern, stellte mir die Frauen mit ihren Ehemännern vor statt mit mir. Ich stellte mir vor, wie sich die verheirateten Paare in leer stehenden Büros aneinander rieben oder wie die Männer ihren Frauen nachts in ihren Gärten am Pool die Muschi leckten. In diesen Fantasien konnte ich sowohl Frau als auch Mann sein: Ich verlagerte mein Bewusstsein von der Frau zum Mann zur Frau zum Mann. Das fühlte sich weniger beschämend an als zwei Frauen.

Mit Zoe und Cait im College war ich ganz die Draufgängerin gewesen, das Adrenalin des Neuen und das Tempo der Faszination trieben mich durch meine Begegnungen mit beiden. Ich war so schnell, dass ich eigentlich gar keine Zeit für Angst hatte. Aber jetzt, wo ich mich mit Miriam traf, spürte ich dasselbe O Gott wie damals, als ich jung war.

Die Wahrheit war: Ich wusste sehr wenig über Miriam. Ich wusste, dass sie Jüdin war, ein bisschen jünger als ich. Ich wusste, sie war sehr, sehr nett zu mir. Ich wusste, dass ich in ihrer Nähe das Gefühl hatte, ich könnte einen Eisbecher essen oder zwei Eisbecher und vielleicht sogar chinesisches Essen. Ich wusste, dass sie mir das Gefühl gab, als wäre ich voller Konfetti statt Blut. Und so redete ich mir ein, während ich den Lippenstift bezahlte, dass meine illusorische Jagd nach Cait auf einer Vorstellung basiert hatte, aber dass ich bei Miriam jetzt wenigstens einem Gefühl folgte.