Ich hätte so gern meiner Mutter geschrieben und ihr vom Sabbat erzählt, wie glücklich meine Großeltern gewesen wären, dass ich dort war. Stattdessen ging ich zu 7-Eleven.
Ich kaufte einen Eimer Nachos, die ich direkt im Laden in die Mikrowelle steckte und in der Schlange aß, plus eine Packung Lakritz, eine Packung Cupcakes, vier kleine Becher Milchreis, eine Schachtel Golden Grahams und eine Packung Milch. So machte man das. Ich sorgte für mich, so gut ich konnte. Irgendwann, vielleicht morgen, würde ich das Massaker abschätzen und mir überlegen, wie genau ich leben wollte. Aber im Moment bestand mein Leben aus 7-Eleven und meinem Verdauungsapparat.
In dieser Nacht träumte ich, mit vollem Bauch, ich ginge einen langen grasbewachsenen Weg entlang, wie der am Santa Monica Boulevard in Beverly Hills, der links und rechts mit zwei verschiedenen Arten von Bäumen gesäumt war. Links waren Nadelbäume, buschig und smaragdgrün, ein kleiner Wald von Wipfeln. Rechts reihten sich Palmen aneinander, hochgewachsen und elegant, mit Spitzen, die sacht im Sonnenschein wogten. Als ich nach Los Angeles gezogen war, erstaunten mich die Palmen und die Selbstverständlichkeit, mit der die Menschen hier vor so einer exotischen Kulisse ihr Leben lebten, immer wieder aufs Neue. Doch in dem Traum fand ich beide Baumreihen absolut herrlich.
Eichhörnchen und Streifenhörnchen flitzten im Gras herum. Sie veranstalteten ein Festmahl, fraßen tonnenweise Nüsse. Ich wusste nicht genau, ob jemand sie mit den Nüssen gefüttert hatte oder ob die Nüsse von den Bäumen gefallen waren, aber es waren sehr viele – mehr Nüsse, als ich je an einem Ort gesehen hatte. Ich sah Erdnüsse, Mandeln, Haselnüsse, Walnüsse, Cashews, Eicheln und Pistazien. Es sah aus, als wäre das Gras die unendliche Nuss-Toppings-Bar der Natur.
Doch obwohl es massenhaft Nüsse gab, mehr als die Tiere je fressen konnten, klauten die Eichhörnchen den Streifenhörnchen ständig die Nüsse direkt aus den Pfoten. Die Streifenhörnchen waren größer als die Eichhörnchen. Sie hätten leicht zurückschlagen können. Aber keines von ihnen schien durch den Diebstahl wütend oder aufgebracht zu sein. Wenn sich ein Eichhörnchen von hinten an ein Streifenhörnchen anschlich und eine Nuss schnappte, gab das Streifenhörnchen die Nuss einfach heraus – dann hob es eine andere Nuss vom Boden auf und knabberte sich durch ihre Schale.
Unter den Nadelbäumen sah ich ein Streifenhörnchen, das Miriam sehr ähnlich sah. Das Streifenhörnchen hatte drei weiße Punkte an seinem braunen, pelzigen Hals. Sanft ging ein Regen von Nüssen auf seinen Kopf nieder, als befände es sich in einem Zeichentrickfilm und würde von einer Nusswolke verfolgt. Als ich aufblickte, um herauszufinden, woher die Nüsse kamen, sah ich einen riesigen, aus Holz geschnitzten Elefanten – so hoch wie die Wipfel der Nadelbäume – über dem Streifenhörnchen aufragen. Auf dem Rücken des Elefanten saß Rabbi Judah Löw ben Bezalel und warf Nüsse aus einem blaugelben Stoffbeutel.
»Shalom!«, rief der Rabbi.
Sein Bart war lang und grau wie auf dem Bild, das ich online gesehen hatte, und er trug ein fließendes Gewand. Das Gewand war aus der Steppdecke aus dem Keller der Schwebels gemacht.
»Shalom«, sagte ich.
»Möchtest du eine Nuss?«, fragte er.
»Nein danke«, antwortete ich.
»Würde es dich umbringen, eine Cashew-Nuss zu essen?«, fragte er lächelnd.
»Vielleicht«, sagte ich und lächelte zurück.
»Kleine Rachel«, sagte er. »Sag mir: Wie geht es deinen Wurzeln? Bist du tief verwurzelt?«
Er warf eine Pistazie nach mir.
»Um ehrlich zu sein, Rabbi, habe ich Angst«, sagte ich und fing sie auf.
»Was gibt es zu fürchten?«, fragte er.
Ich öffnete die Pistazie wie eine winzige Tür. Aber sie war leer, keine Nuss, nur eine Schale. Ich warf die Schale ins Gras.
»Das Ausdehnen«, sagte ich. »Weniger vertikal, eher horizontal.«
»Was ist so furchterregend am Horizontalen?«, fragte er und schmiss noch eine Pistazie.
Ich fing sie und öffnete sie, wie eine zweite Tür. Sie war ebenfalls leer. Jetzt wollte ich unbedingt eine Pistazie.
»Ich will mich nicht in irgendwelche irrsinnigen Umlaufbahnen ausdehnen«, sagte ich. »Was ist, wenn ich nicht zurückkann?«
»Bah«, sagte er. »Wohin willst du denn zurück?«
Das war eine gute Frage. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Der Rabbi war sichtlich zufrieden mit sich, zwinkerte und schleuderte eine dritte Pistazie. Diese Schale war fester als die ersten beiden, und ich musste sie mit den Zähnen öffnen, wie ein Eichhörnchen oder Streifenhörnchen. Als ich die Schale aufknackte, fand ich darin eine hübsche Nuss – perfekt oval, leuchtend grün, beinahe gelbgrün. Ich legte die Nuss auf meine Zunge und lutschte. Sie war cremig, salzig, exquisit. Ich kaute und schluckte.
»Nur weil es sich gut anfühlt, ist es nicht falsch«, sagte der Rabbi.