Kapitel 40

Montag bei der Arbeit war die Hölle. Ich hatte meine Sporttasche eingepackt und mein Frühstück: den Joghurt und den kalorienreduzierten Muffin, auch wenn mir das alles jetzt sinnlos erschien. Meine Hose lag eng am Hintern an und grub sich in meine Arschritze. Sie scheuerte einen rosafarbenen Ring um meinen Bauch. Ich sehnte mich nach einem alternativen Universum, wollte eine andere Rachel sein, die nur Kleidung mit Gummibund trug, Jogginghosen und Nylon. In dieser Welt konnte ich frei ein- und ausatmen. In dieser Welt konnte ich mir die Haare kurz schneiden, rote Air Jordans tragen und selbst entworfene goldene Air Force Ones, Kapuzenpullis, Blazer und schmale Krawatten, umgedrehte Baseballmützen. Ich würde lässiges Selbstbewusstsein und Stärke ausstrahlen, ein bisschen Bosheit, und trotzdem jüdisch wirken. Ich wäre wie ein Beastie Boy um 1989.

Mittags suchte ich im Internet nach einem Bild von King Ad-Rock und sah überrascht Jace Evans auf meinen Schreibtisch zukommen.

»Was machst du gerade?«, fragte Jace, fasste sich an den fluffigen Teil seiner Haare und kratzte sich dann an der abrasierten Stelle, eine Links-rechts-Kombi, um sein Aussehen zu checken.

»Arbeiten«, sagte ich. »Und du?«

»Ich muss mit Ofer reden, ich habe Probleme mit den Autoren der Serie. Sie wollen Liam ins Koma versetzen.«

»Oh«, sagte ich.

Mir gegenüber tat NPR-Andrew so, als bastelte er an Ofers Kundennewsletter – das Thema dieser Woche: Auditions und toxische Männlichkeit. Ich sah, wie er hinter seinem Computer hervorspähte. Jace war zu kommerziell für NPR-Andrews Geschmack, aber berühmt war berühmt. Jace’ Aufmerksamkeit machte mich sicher in Andrews Augen interessanter.

Ich mochte NPR-Andrew und seine Augen trotzdem nicht. Aber es waren Augen. Immer wenn mich jemand ansah, als sei ich in seiner Achtung gestiegen, fühlte ich mich bestätigt: als verdiente ich meine Existenz. Aber ich wollte nicht, dass Ofer mich und Jace miteinander reden sah.

»Ich habe neulich bei Cassell’s einen Burger gegessen«, sagte Jace. »Der beste, den ich in L. A. je hatte. Das müssen wir definitiv mal machen, nach This Show Sucks

Wollte Jace mein Kumpel sein? Ich brauchte keinen Kumpel. Vielleicht tat ich ihm nur leid, wie er mich da wieder in meiner untergeordneten Stellung sitzen sah, als Assistentin, als »Hilfskraft«. Unser Machtgefälle passte nicht zu seinem Ohio-Wertesystem. Er musste so tun, als wären wir auf Augenhöhe, als hätten wir wirklich etwas gemeinsam. Und anscheinend dachte er, Rindfleisch sei unsere Gemeinsamkeit.

»Ich fand es ziemlich interessant, dass er zu deinem Schreibtisch gekommen ist«, sagte Ana in der Teepause. »Das macht man, wenn man auf jemanden steht.«

Ich wusste nicht, ob sie mich verarschen wollte. Sie verwirrte mich zunehmend. Sie hatte wieder angefangen, mit mir zu lästern, aber ich bildete mir ein, dass alles, was sie sagte, zweischneidig war – als wäre es auch gegen mich gerichtet. Wenn sie Kayla »fett und tollpatschig« nannte, war ich mir nicht sicher, ob sie wirklich Kayla meinte oder nicht vielmehr mich. Manchmal hatte ich das Gefühl, als lachte sie mir direkt ins Gesicht, als wäre sie mit ihr zum »Wir« geworden und ich war das »Die«, und der Witz war, dass ich nicht wusste, wer wer war. Ich dachte mir, ihre Bemerkung müsse eine Falle sein. Sie versuchte, mich zu begeistern, damit sie mich wieder klein machen konnte.

»Er ist Schauspieler«, sagte ich. »Er sieht immer interessiert aus.«

»Na ja, wieso sollte er nicht an dir interessiert sein?«, fragte sie und schubste mich kichernd an der Schulter. »Du bist schließlich interessant.«

Das Kichern war mehrdeutig. Es konnte Mädchen-Kameraderie sein, es konnte aber auch sein, dass sie sich über mich lustig machte. Aber der Schulterstoß war sportlich: eine kumpelhafte Siegergeste. Er gab mir das Gefühl, als wären wir im selben Team. Sie schien mich ernsthaft zu loben. Aber wofür genau?

Ana erweckte immer den Eindruck, als blickte sie auf Schauspieler und die ganze Hollywood-Szene herab. Sie verdiente ihr Geld in der Branche, ansonsten erklärte sie aber, sie stünde intellektuell weit darüber. Vor langer Zeit mochte sie idealistisch gewesen sein, aber als ihr Mann sie verließ, hatte sie komplett aufgehört, sich für die Hollywood-Märchenwelt zu interessieren, damit sie das Ganze als »dumm« abtun konnte.

Ich hatte nicht bedacht, dass hinter ihrer Angeberei ein Gefühl von Schwäche lauerte, von Verlust, die Angst, weniger wert zu sein. Mir war nie in den Sinn gekommen, sie könnte immer noch insgeheim fasziniert von Prominenten sein. Sie wies diese Welt ab, bevor diese sie noch einmal abweisen konnte. Aber das hieß nicht, dass sie nicht insgeheim darin leben wollte.