Kapitel 59

Miriam und ich lagen in meinem leeren weißen Schlafzimmer im Bett. Es war der sechste Tag, der, an dem Gott alle Tiere erschaffen hat – die Rinder und Schafe, die Tiere der Erde. Es war der Tag von Adam und Eva, der mit »Seid fruchtbar und mehret euch«.

Sie lag auf dem Rücken, rauchte eine Nelkenzigarette und schnippte die Asche aus meinem Fenster in die Nacht hinaus. Ich trug Leggings und ein T-Shirt, und ich hatte mich seitlich um ihren Schenkel gewickelt. Sie war gerade gekommen. Ich zog die Spalte ihrer Muschi nach und zeichnete kleine Muster mit ihrer Nässe auf die Leinwand ihres Bauchs.

»Weißt du, was ich vermisse?«, fragte ich und nahm ihr die Kippe aus der Hand.

»Hmmmm«, sagte sie.

»Diese Challa«, sagte ich und nahm einen Zug. »Diese Sabbat-Challa. Die wahnsinnig gute, die es bei deiner Mom gibt.«

»Die ist toll, oder? Ich weiß, wo sie sie kauft. Ich bringe dir einen Laib mit.«

»Okay«, sagte ich, atmete zur Decke aus und gab ihr die Kippe zurück. »Wobei ich auch nichts gegen ein bisschen von diesem Tscholent hätte.«

»Das ist nicht so leicht zu transportieren«, sagte sie. »Aber wenn ich am Sonntag vorbeikomme, kann ich was in eine Tupperdose packen. Man kann sie ein paar Tage aufheben, und wir haben immer was übrig.«

»Okay«, sagte ich.

Wir schwiegen beide. Sie nahm noch einen Zug, dann drückte sie die Kippe auf der Fensterbank in einem Kronkorken aus.

»Ich dachte, ich könnte vielleicht morgen Abend zum Sabbat-Essen vorbeikommen«, sagte ich. »Das heißt, falls die Einladung noch gilt.«

»Tut sie!«, sagte sie schnell, ein bisschen zu schnell.

»Gut«, sagte ich.

»Ich meine, du weißt, dass meine Mutter dich mochte. Und du bist immer willkommen.«

»Super!«

»Es ist nur … Ich meine … Wir können nichts von dem hier machen«, sagte sie und deutete auf ihren nackten Körper und meinen bekleideten.

Ich nahm meine Hand von ihrem Bauch.

»Nein, nein«, sagte ich. »Natürlich nicht, nicht bei deinen Eltern im Haus.«

»Genau, aber ich meine … wir könnten nicht einmal andeuten, dass das passiert ist, verstehst du?«

»Wie, andeuten?«, fragte ich. »Du meinst, ich darf dich nicht am Abendbrottisch ausziehen?«

»Nein.« Sie lachte. »Ich meine nur, keine Küsse oder so was.«

»Natürlich nicht.«

»Kein Händchenhalten.«

»Kein Händchenhalten. Ich werde ein perfekter Gentleman sein.«

Sie küsste mich auf die Wange.

»Hey, wo glauben sie eigentlich, dass du bist?«, fragte ich. »Die ganzen Nächte. Wo, glauben sie, verbringst du deine Zeit? Wissen sie, dass du immer bei mir bist? Was für Freundinnen verbringen jede Nacht zusammen? Das wäre ganz schön viel, oder?«

»O nein«, sagte sie. »Sie wissen nicht, dass ich bei dir bin. Sie glauben, ich mache ein Praktikum in einem Kino.«

Ich lachte laut auf.

»Ein Praktikum? In einem Kino?«

»Ja«, sagte sie. »Was ist daran so lustig?«

»Ich habe einfach noch nie gehört, dass jemand ein Praktikum in einem Kino macht. Egal. Also, morgen ist gut?«

»Wegen morgen weiß ich nicht. Adiv ist zu Besuch.«

Ich verstand nicht, was Adivs Anwesenheit damit zu tun hatte, dass es kein guter Abend war, um zu Besuch zu kommen.

»Was ist los?«, fragte sie.

Ich sagte nichts.

»Möchtest du wirklich so unbedingt zum Sabbat vorbeikommen? Ich wollte deine Gefühle nicht verletzen. Es hat nichts mit dir zu tun. Ich dachte nur, der Tisch wäre vielleicht ein bisschen zu voll.«

Ich wollte nicht drängen müssen. Ich wollte gewollt werden, wie bei diesem ersten, leibhaftigen Sabbat, bevor zwischen uns irgendetwas Körperliches passiert war. Und doch hatte ich das Gefühl, drängen zu müssen, einfach um sie zu testen, um zu sehen, was sie zu tun bereit war. Ich wünschte mir, ich wäre cool genug oder stark genug, sie nicht auf die Probe zu stellen. Ich wollte nicht zeigen, dass ich irgendetwas von ihr wollte oder brauchte. Aber in Wahrheit wollte und brauchte ich sie wirklich. Warum fühlte es sich so viel sicherer an, gewollt oder gebraucht zu werden, als diejenige zu sein, die gewollt oder gebraucht wurde?

Ich hatte schreckliche Angst vor Zurückweisung. Ich wollte keine Verliererin sein. Das war das Wort, das mir durch den Kopf schoss, sobald ich Gefahr lief, dass mir jemand wichtig wurde: Verliererin. Ich konnte mich nicht erinnern, dass meine Mutter mich je so genannt hatte. Das hatte ich mir wohl selbst ausgedacht. Was hieß das überhaupt? Wenn Miriam mich verletzte, machte mich das dann zu einer Verliererin?

Miriam war nicht von der boshaften Sorte. Ich wusste, sie wäre nie stolz darauf oder hätte Spaß daran, mich zu verletzen. Es ging ihr überhaupt nicht um Macht oder Kontrolle. Ich war diejenige, die andere und die Welt so sah.

»Vergiss es«, sagte ich zu ihr.

»Nein«, sagte sie. »Das war albern von mir. Ich glaube, ich werde nur nervös.«

»Ist in Ordnung«, sagte ich.

»Bitte«, sagte sie. »Kommst du? Ich möchte wirklich, dass du kommst.«

Sie küsste mich von der Seite auf die Wange und dann meinen Hals. Ich schloss die Augen und stellte mir uns wieder als die Schtetl-Frauen der Vergangenheit vor. Wir befanden uns in einer dunklen Hütte, die nach Tscholent roch. Alles stank nach Kartoffeln, Hühnerschmalz, Steckrüben, Rindfleisch. Das Haus war so winzig, dass wir zwangsläufig intim sein mussten. Nur war ich jetzt, in dieser Vision, keine Frau, sondern Miriams Mann. Sie versuchte, mich zu irgendetwas zu überreden – vielleicht wollte sie das Maultier gegen einen neuen Kochtopf tauschen –, indem sie mich küsste.

Nein, das war so nicht richtig. Noch mal von vorn. Wir waren in der dunklen Hütte. Es stank immer noch nach Kartoffeln. Aber sie war niemandes Frau, und ich war niemandes Mann. Ich war eine Frau. Wir waren Töchter des Dorfes. Wir waren beide schön. Sie war fülliger als ich, aber ich war auch eine wohlgenährte Schönheit. Das hieß wohl, wir waren wohlhabend, auch wenn das Haus so klein war. War es mein Elternhaus oder ihres? War es ein Haus, in das wir uns eingeschlichen hatten?

Nein, das war so auch nicht richtig. Wir waren überhaupt nicht in einem Haus, sondern im Wald. Wir hatten uns zusammen in einen Nadelwald geschlichen, zwei Töchter des Schtetls, Freundinnen seit der Kindheit. Wir hatten uns im Schutz der Dunkelheit weggestohlen, damit wir den ganzen Waldboden für uns hatten, um Liebe zu machen. Wir hatten gerade gefickt. Wir hatten einander in unseren Röcken gefickt. Wir hatten einander in gegenseitigem Verlangen gefickt, und jetzt lagen wir gemeinsam zusammengerollt auf dem Waldboden, zwei Mädchen in Kiefernnadeln, im Sternenlicht. Das war die Definition von Heiligkeit. Sagt dem Dorfkuppler, dass er sich nicht um uns zu kümmern braucht. Hier im Wald gab es keinen Kartoffelgestank, keine Pogrome. Nur den Duft der Nadelbäume.

Ich öffnete die Augen. Miriam schien sich keine Sorgen um unsere Zukunft zu machen. Ich überlegte, ob ihr Gottvertrauen sie glauben ließ, dass alles gut für uns ausgehen würde. Weil ich nicht über die Alternative nachdenken wollte, beschloss ich, mir etwas von ihrem Glauben zu leihen, diese tröstliche Gewissheit abzuzapfen, dass wir nur hier existierten, zwischen diesen Laken. Ich umarmte sie, küsste sie sanft auf den Mund. Sie war sehr warm. Fürs Erste waren wir sicher.