Kapitel 71

Am Morgen lag Miriam rubenshaft in meinem Bett – die Haare auf meinem Kissen ausgebreitet, der Körper friedlich zwischen den Laken. Ich sagte »Guten Morgen«, und sie legte die Arme um mich und flüsterte auch »Guten Morgen« und zog mich auf sich.

Ich sah zur Uhr hinauf.

»Oje«, sagte ich. »Ich muss aufstehen und duschen, mich für die Arbeit fertig machen. Aber du bleibst hier!«

»Nein! Geh nicht!«, sagte sie. »Bleib hier bei mir.«

Ich schaute ihre rosigen Wangen an, ihre Lippen, prall und rosa. Sie hätte alles von mir haben können, was sie wollte.

»Also gut«, sagte ich.

Ich rief im Büro an, um mich krank zu melden. Halsentzündung klang amtlich. Es war Ana, die ranging, und während ich die traurige Nachricht meiner Krankheit überbrachte, versuchte Miriam, mich schlabbrig zu küssen.

»Hör auf!«, flüsterte ich.

»Was ist los?«, fragte Ana.

»Nichts«, sagte ich. »Ich hab ein bisschen Fieber, davon ist mir schwindlig.«

»O-oh«, sagte sie.

Ich wusste, sie dachte, ich sei mit Jace im Bett.

Als ich aufgelegt hatte, sagte Miriam, sie wolle zu Doughy’s gehen, um uns ein kleines Festmahl zu holen.

»Ich komme mit«, sagte ich.

»Bleib du im Bett«, sagte sie. »Lass mich gehen. Ich möchte das für dich tun.«

Also sah ich ihr zu, wie sie aufstand, genoss ihre nackte Gestalt von hinten: das kaskadenförmige Fleisch ihres Rückens, ihr Hintern ein eigener Planet. Ich hätte sie gemalt, wenn ich hätte malen können. Ich hätte sie in Stein gemeißelt, wenn ich Bildhauerin gewesen wäre. Ich hätte alle möglichen Miriam-Götzenbilder gemacht und jedes einzelne davon angebetet. Aber alles, was ich konnte, war gedankenverloren dazusitzen und dümmlich zu grinsen. Ich wollte die Zeit einfrieren, genau in diesem Moment, als sie ging, nur um sofort zu mir zurückzukommen.

Als ich hörte, wie sich die Tür schloss, fing ich an, in Gedanken eine Diashow der zukünftigen Miriams und Rachels ablaufen zu lassen. Da war Miriam auf der Toilette im Bad einer gemeinsamen Wohnung, die Tür nicht einmal geschlossen, und pinkelte plätschernd. Miriam und Rachel im Urlaub im Wald in Russland beim Pilzesammeln. Miriam als Krankenschwester, die einer kranken Rachel Wackelpudding, Eiscreme und Tee mit Honig brachte. Ich sah Miriam in einem blauen Mantel mit passendem Hut, wie sie im Winter im vorstädtischen New Jersey vor der Mall stand. Miriam, das Messer in der Hand, bereit, das Urteil über mein erstes selbst gebratenes Pfeffersteak zu sprechen. Miriam die Mutter, mit Kerzenleuchtern am Kopfende eines langen Esstisches, auch wenn ich mir unsere Kinder nicht vorstellen konnte. Miriam und Rachel als alte Weiber in Boca Raton, die Mah-Jongg spielten und Glückskekssprüche lasen.

Sie kam mit einem Festmahl zurück: schokoüberzogene Cake-Donuts, Bagels mit Frischkäse und Räucherlachs. Und mit heißer Schokolade. Ich lag auf dem Bett, sah ihr zu, wie sie all diese Köstlichkeiten auspackte, und dachte: Mama. Dann dachte ich: Nein, Schwester. Dann dachte ich Geliebte und Freundin, aber keines dieser Wörter fühlte sich richtig an.

Wir frühstückten nackt im Bett. Miriam fütterte mich, und ich fütterte sie. Ich überlegte, ob ich ihr eines Tages erzählen würde, wie ich früher war, von der Essstörung, wie viele Jahre ich damit verbracht hatte. Ich fragte mich, ob sie es verstehen würde. Ich hatte das Gefühl, es war gefährlich, über die Einzelheiten dieser Krankheit zu sprechen – dass es die schöne Art besudeln würde, wie wir zusammen aßen. Ich wollte, dass unsere Hälse frei blieben, nicht verstopft mit Diagnosen aus meiner Vergangenheit. Es gab noch andere Wörter, die ich aus ähnlichen Gründen nicht über die Lippen brachte. Ich wollte die Beziehung nicht diagnostizieren. Ich benutzte das Wort Freundin nie als: Bist du meine Freundin? Ich fragte nicht: Was ist das mit uns?

Sie war kaum fertig mit Essen, als ich mich auf sie legte. Ich glitt an ihr auf und ab, sodass sich unsere nackten Muschis aneinanderdrückten. Ich stellte mir unsere Klitorisvorhäute vereinigt vor, unsere Klits gaben sich bei der Reibung Küsse. Ich schaute zum Nachttisch und sah die Skulptur: die Wirbel aus Rosa, Blau, Gelb und Grün. Sie hatte keine Augen, aber sie zwinkerte mir zu. Sie hatte keinen Mund, aber sie lächelte.