Kapitel 72

Wir verschliefen den ganzen Nachmittag. Ich träumte, ich sei so dick wie Miriam. Wir flogen gemeinsam auf dem goldenen Drachen, der Licht und Dampf ausstieß. Wir segelten über das Hollywood-Sign, sausten am Griffith Park Observatory vorbei, zwei wunderschöne fette Frauen, und alle konnten uns sehen. Wir trugen beide das gleiche lange, schwarze, seidige Kleid – wie das gelbe, das sie an dem ersten Abend trug, als wir chinesisch essen waren, nur in Schwarz. Wir trugen beide denselben Ruský-Rouge-Lippenstift. Der Lippenstift war überall verschmiert, an den Strohhalmen, Sternen, Gabeln, Monden, Gummischlangen, Kinoleinwänden, Fernsehern, Gebäuden und an allem Geld auf der Welt. Wir tauschten Lippenstift von Mund zu Mund, völlig offen, alle Welt konnte es sehen. Es machte Männer und Frauen gleichermaßen an. Die Männer wollten uns, und die Frauen wollten wie wir sein. Sie beneideten uns um unsere herrliche Freiheit. Wir waren ein doppelter Spiegel, der ihre eigenen tiefen Sehnsüchte widerspiegelte. Der Spiegel hatte einen Rahmen aus goldenem Bambus.

Wir küssten uns zwischen Schlucken aus unserer Scorpion Bowl. Wir küssten uns zwischen zwei Bissen Sesamhühnchen. Rabbi Judah Löw ben Bezalel saß auf einem riesigen Frühlingszwiebelpfannkuchen in den Wolken. Er nickte anerkennend.

»Also ist das alles echt!«, sagte ich zu dem Rabbi.

»Echt, schmecht«, sagte er. »Schau einem geschenkten Gaul nicht ins Maul. Es gibt Entäußerungen Gottes, die wir noch nicht einmal sehen können. Wichtig ist, dass du es fühlst.«

»Aber ich möchte es wissen.«

»Glaubst du, irgendwer weiß es? Eine Mutter liebt die Art, wie sie ihr Kind sieht. Ein Volk liebt den Mythos seines Heimatlandes. Du liebst deine Miriam.«

Ich bot ihm das Ruský Rouge an. Er schrieb das Wort LEBEN in den Himmel. Dann warf er mir spielerisch einen Glückskeks an den Kopf.

»Denk daran«, sagte er. »Die spirituelle Welt und die physische Welt gehen Hand in Hand.«