C arl musterte Anne mit aller Unauffälligkeit, die er aufbieten konnte. Sein Herz klopfte spürbar schneller, und der Hals wurde ihm eng. Er kam sich vor wie ein Spanner hinterm Gebüsch, dabei stand sie doch direkt vor ihm. Ihr Haar war straff zurückgekämmt, was ihre herben Gesichtszüge betonte. Unter ihren Augen lagen dunkle Ringe, als hätte sie schlecht geschlafen.
Aus der Wohnung roch es köstlich nach Bohnen mit Zwiebeln, was umgehend seinen Magen in Aufruhr versetzte. Er räusperte sich, um das peinliche Geräusch zu übertönen. Eigentlich hätte es gar nicht passieren dürfen, schließlich hatte er vorher was gegessen. Aber wann hätte das in den letzten Jahren je gereicht?
»Falls du auch mit Frieda sprechen möchtest – die hast du gerade verpasst«, sagte Anne.
»Ich wollte mit dir sprechen.« Carl räusperte sich erneut, diesmal, um die Enge in seiner Kehle loszuwerden. »Können wir uns in aller Ruhe unterhalten? Allein und ungestört?«
Sie warf einen verunsicherten Blick hinter sich. »Lotti ist da, ich möchte nicht, dass sie was mitkriegt. Wär’s möglich, dass wir draußen reden?«
»Natürlich.« Carl ging voraus, und Anne folgte ihm stumm die Treppe hinunter.
»Da ist wohl jemandem vor eurer Wohnung ein Farbeimer umgefallen«, flachste er, in dem wenig originellen Bemühen, die Stimmung aufzulockern.
Darauf ging sie nicht ein, sondern trat wortlos zusammen mit ihm ins Freie.
»Gehen wir ein Stück«, schlug Carl vor. »Ich hoffe, du hast dich gut eingelebt«, fuhr er fort, nachdem sie ein paar Schritte geschlendert waren. »Auch beruflich. Du hast ja schnell eine neue Stelle gefunden.«
Anne nickte zögernd, dann sagte sie unvermittelt: »Da höre ich wieder auf.«
»Gefällt’s dir da nicht?«
»Kann man so sagen«, gab sie vage zurück.
»Willst du woanders anfangen?«
»Natürlich.«
»Und wann?«
»Am besten so schnell wie möglich.«
»Neulich hörte ich, dass am Polizeikrankenhaus Schwestern gesucht werden. Vielleicht wäre das was für dich.«
Anne musterte ihn überrascht. »Danke«, sagte sie. »Ich meine … für den Vorschlag.«
»Ich will dir da nichts aufdrängen«, meinte er.
»Das tust du nicht.«
»Gut.« Er sammelte sich kurz und wechselte das Thema. »Fühlst du dich denn wenigstens in der Wohnung wohl?«
»Im Vergleich zu dem Kellerloch in Köln ist es auf jeden Fall eine Verbesserung.«
»Ist bestimmt nicht leicht, den Hausrat von jemandem zu übernehmen, den man persönlich nicht besonders mochte, oder?«, hakte er nach. Die Frage war Teil seiner Ermittlung, aber er bemühte sich, es beiläufig, möglichst sogar teilnahmsvoll klingen zu lassen.
»Nein, es ist tatsächlich nicht einfach«, antwortete sie lapidar. Auf den zweiten Teil der Frage ging sie nicht ein.
Carl sah Anne an. »Habt ihr trotzdem alles behalten? Also den ganzen Hausrat vollständig übernommen?«
Sie erwiderte seinen Blick, mit diesen Augen, in denen er nur zu gern versunken wäre. »Dieser Keller in Köln war kalt und feucht, in allen Ecken saß der Schimmel. Auch unsere Matratzen und die ganze Bettwäsche waren voller Stockflecken. Unsere Handtücher bestanden nur noch aus Fetzen. Unsere Töpfe und Eimer waren rostig, die Tassen hatten keine Henkel mehr. Unser Klo war ein uralter Nachtstuhl hinter einem zerlöcherten Wandschirm. Natürlich haben wir Adelheids Hausrat übernommen!«
»Aber eben hast du auch gesagt, es sei nicht leicht gewesen. Was hat dich am meisten gestört?«
»Das ist schwer zu sagen.«
Carl fiel keine weitere Frage ein. Eine Zeit lang gingen sie schweigend nebeneinanderher, passierten trostlose Ruinen, aber auch blühende Gärten, ein seltsamer, fast unwirklicher Kontrast, der Carls Empfindungen eins zu eins widerzuspiegeln schien. Er verfluchte sich, weil es nicht so lief, wie er es sich erhofft hatte. Anne fühlte sich in seiner Gegenwart unbehaglich, das war nicht zu übersehen. Das Gespräch kam ihr zweifellos wie eine polizeiliche Befragung vor. Was es streng genommen auch war, aber Carl hatte sich ihre Art zu antworten anders vorgestellt. Entgegenkommender, vielleicht sogar vertrauensvoll. So, dass man daran auf etwas privaterer Ebene hätte anknüpfen können. Was war er doch für ein weltfremder Trottel!
Aber dann griff Anne das Thema von sich aus wieder auf. »Natürlich ist es schwer für uns, mit den Sachen einer Toten zu leben. Das kann einem schon im Magen liegen. Zumal sie ja wohl ermordet wurde.« Sie hielt inne, dann meinte sie zögernd: »Es hat vielleicht auch damit zu tun, dass sich viel von ihrem Wesen und ihren Angewohnheiten in ihrem ganzen Kram wiederfindet.«
»Wie würdest du sie beschreiben? Als kleinlich? Pedantisch?«
Anne hob die Schultern. »In ihren Schränken war schon damals alles nach Reih und Glied geordnet. Die Bettwäsche Kante auf Kante, sogar die Löffel und Gabeln in der Besteckschublade hatte sie säuberlich gestapelt. Aber das hast du bestimmt alles selbst gesehen. Nach ihrem Tod musstest du für deine polizeilichen Ermittlungen sicherlich die ganze Wohnung auf den Kopf stellen, oder?«
Carl nickte und wartete, dass Anne fortfuhr, was sie nach kurzem Nachdenken tat. »Sie kam nicht besonders gut mit den Leuten im Haus klar. Ich nehme an, das weißt du ebenfalls schon, oder?« Es war eine rhetorische Frage, sie hielt sich nicht damit auf, Carls Antwort abzuwarten. »Sie lag mit fast allen Mietern im Streit, am liebsten hätte sie die Leute rausgeworfen, aber das war ihr ja gesetzlich verboten.«
»Gab es denn irgendwelche sympathischen Seiten an ihr?«
»Ich kann mich an keine erinnern.« Anne hielt inne und fügte dann hastig hinzu: »Damit will ich nicht sagen, dass sie gar keine hatte, so gut kannte ich sie auch wieder nicht.«
»Weißt du, ob es irgendwen gab, den sie gut leiden konnte?«
»Ich kenne persönlich niemanden.«
»Außer ihrem Sohn Arnold, oder?«
Annes Miene verdüsterte sich. »Bestimmt gibt’s genug andere Leute, die dir mehr über das Verhältnis zwischen Adelheid und ihrem Sohn sagen können.«
»Vielleicht Frieda?«
Anne zuckte die Achseln. »Frag sie doch selber.«
»Das werde ich sicher noch tun«, sagte er betont freundlich. Er merkte, dass sie die Geduld verlor, und er hatte Mühe, es nicht persönlich zu nehmen. »Da wäre noch eine andere Sache – wusstest du, dass Adelheid Hoffmann aus Bayern kam?«
»Na ja, so direkt nicht, aber man hörte manchmal den Dialekt raus. Warum?«
»Laut ihrer Geburtsurkunde stammte sie aus Norddeutschland. Dasselbe gilt für ihren Sohn Arnold.«
Anne sah ihn erstaunt an. »Wirklich?« Sie dachte nach. »Vielleicht kamen Adelheids Eltern aus Bayern, man redet ja immer so, wie man es als Kind von Mutter oder Vater hört. Meine Eltern sind beispielsweise in Hannover aufgewachsen, deshalb sprechen meine Schwestern und ich Hochdeutsch.«
Carl nickte. »Ich weiß, du hast damals erwähnt, dass deine Familie von dort kommt. Doch Adelheid Hoffmanns Eltern sind nach den vorhandenen Papieren ebenfalls Norddeutsche.«
Anne runzelte die Stirn. »Das ist allerdings seltsam. Aber sicher wird’s dafür irgendeine plausible Erklärung geben. Am besten fragst du Frieda, vielleicht weiß die etwas darüber.«
»Das mach ich.« Carl zögerte. »Eins noch, Anne, ich muss dich danach fragen: Bist du nach eurem Auszug damals vor sechs Jahren irgendwann mal wieder in Essen gewesen?«
Anne blieb stehen und sah ihm in die Augen. »Nein.« Ihr Blick war kühl. »Nicht in Essen und schon gar nicht bei Adelheid, falls du das gemeint haben solltest. Und genau das habe ich dir auch schon letzten Monat in Köln gesagt. War’s das jetzt?«
Carl stöhnte unhörbar. So würde er nie bei ihr weiterkommen! Er holte tief Luft und trat die Flucht nach vorn an.
»Ich falle dir mit meinen Fragen wohl ganz schön auf den Wecker, oder? Ganz ehrlich – das wollte ich nicht. Sondern …«
»Sondern was?«
Hitze stieg in seine Wangen, sicher sah er aus wie ein Feuermelder. »Ich … ähm, na ja …«
Sie sah ihn groß an.
Er bekam es nicht heraus und griff ersatzweise zur nächstbesten Idee, die ihm in den Sinn kam. »Ich kenne zufällig den Direktor des Krankenhauses und kann mal mit ihm reden, wenn du möchtest.«
Perplex sah sie ihn an. »Wegen Doktor Lohfeld?«
»Wer ist Doktor Lohfeld?«
»Oh.« Anne errötete. »Du meinst einen anderen Krankenhausdirektor. Den vom Polizeikrankenhaus.«
»Ja, genau. Welches Krankenhaus meintest du denn? Das in Huttrop, wo du aufhören willst? Arbeitet da ein Doktor Lohfeld?«
»Egal, es spielt keine Rolle.«
Ihr Ton machte deutlich, dass sie nicht mit ihm darüber sprechen wollte.
»Also soll ich mal mit ihm reden? Mit dem Leiter des Polizeikrankenhauses«, fügte er hinzu, um keine weiteren Missverständnisse aufkommen zu lassen. »Wegen einer Stelle für dich. Natürlich nur, wenn du möchtest.«
»Warum nicht«, antwortete sie förmlich. Etwas freundlicher fuhr sie fort: »Das wäre wirklich nett von dir, Carl. Dann könnte ich mir vielleicht die Suche nach was Neuem sparen.«
Seinen Namen aus ihrem Mund zu hören, brachte verborgene Nervenenden unter seiner Haut zum Vibrieren. »Gut, ich kümmere mich drum.« Er rang nach weiteren Worten. Wenn es nur nicht so verdammt schwer gewesen wäre! Das Anbändeln lag ihm nicht. Andere konnten das viel besser. Jeder konnte es besser als er. Dass er damals überhaupt bei ihr hatte landen können, war purer Zufall gewesen.
Sie hatten sich auf der Cranger Kirmes kennengelernt, beim Anstehen vor der Achterbahn. Es war brechend voll gewesen, alle hatten damals mit dem neuartigen Ding fahren wollen, obwohl der Eintrittspreis gesalzen war. Er hatte Anne schon die ganze Zeit im Blick gehabt, zutiefst davon überzeugt, noch nie ein so bezauberndes Mädchen gesehen zu haben.
»Kann ich mich neben dich setzen?«, hatte er in einer unerhörten Aufwallung von Mut gefragt, und Anne hatte nur stumm genickt. Sein Herz hatte gepumpt wie ein kaputter Blasebalg, und das hatte nur zum Teil an der Wahnsinnsfahrt über schwindelnde Höhen und Tiefen gelegen. Sie hatten zwei Minuten lang gemeinsam gejohlt und gelacht und sich dabei die ganze Zeit angesehen, und am Ende dieser Fahrt war es um ihn geschehen.
»Noch mal?«, hatte sie gefragt. Und ihn dabei angestrahlt. Was für eine Frage, natürlich wollte er noch mal.
Ihre Worte von damals hallten wie ein Echo in seinen Gedanken. Noch mal?
»Vielleicht sollten wir die Einzelheiten privat besprechen«, sagte er nach einer schier endlos scheinenden Gesprächspause. »Über das Polizeikrankenhaus und so weiter.«
»Was meinst du mit privat?«
»Dass wir uns mal treffen«, erwiderte er umständlich.
Um ihre Mundwinkel zuckte der Anflug eines Lächelns, und auf einmal war alles ganz leicht.
»Vielleicht bei einem Glas Wein«, platzte er heraus.
»Meinetwegen.« Jetzt lächelte sie ihn offen an, und für Carl war es, als ginge die Sonne auf.
»Das ist … prima«, sagte er, mit einer Begeisterung in der Stimme, die sogar in seinen eigenen Ohren unendlich peinlich klang.
Anne lächelte trotzdem. »Aber du musst irgendwas vorschlagen, ich war lange nicht aus und habe keine Ahnung, wo man Wein trinken könnte.«
Carl war ebenfalls seit Ewigkeiten nicht aus gewesen, und guten Wein gab’s höchstens noch zu Mondpreisen in den Schieberspelunken. Zum Glück hatte er sofort einen besseren Vorschlag parat. »Wir könnten vielleicht stattdessen ins Kino gehen.«
»Sehr gerne.«
»Ich kann ja mal einen Film raussuchen.«
»Tu das. Ich freu mich.«
Carl hatte plötzlich das Gefühl, ein Stück weit über dem Boden zu schweben. Er war selig. Auch wenn es verrückt, unvernünftig und ganz und gar unangebracht war. Ein ordentlicher Ermittler hätte ihr zugesetzt. Den Finger in offene Wunden gelegt. Aber das brachte er nicht fertig. Damit wäre zwischen ihnen alles wieder vorbei gewesen, ehe es überhaupt beginnen konnte.
In seine Glücksgefühle mischte sich die tiefe Sorge, dass ihm das noch auf die Füße fallen würde.
Sein größtes Problem war der Hass. Er spürte ihn wie eine Welle über sich schwappen, während er hinter dem Baum stand und Anne mit dem Bullen beobachtete. Der Hass steckte tief in ihm drin, so tief, dass er ihn sogar in solchen Momenten spürte, in denen er eigentlich zufrieden sein sollte. Etwa, wenn er genug zu essen hatte oder einen Schlafplatz fand, wo ihn keiner wegscheuchte. Oder wenn er in der Sonne sitzen konnte und an nichts zu denken brauchte, außer daran, dass er nicht fror und gerade keine Läuse hatte und dass bestimmt bald alles wieder gut werden würde. Doch selbst in solchen Augenblicken, in denen sich sein Leben – oder das, was davon noch übrig war – in einer Art Gleichgewicht befand, verspürte er noch diesen Hass. Dieses übermächtige, dunkle Gefühl in ihm war wie eine untrennbar mit seiner Seele verwachsene Giftpflanze, die man nicht ausreißen konnte. Sogar in besseren Zeiten waren immer Wurzeln davon in ihm gewesen und hatten ihn auf eine Weise gepeinigt, dass er darüber erschrocken war. Etwa an dem Tag seiner Hochzeit. Er erinnerte sich noch genau.
Frieda ganz in Weiß, das Kleid so geschnitten, dass man die Schwangerschaft nicht sah, obwohl sie schon im siebten Monat war. Eine wunderschöne Braut, das hübscheste Mädchen in ganz Rüttenscheid, das sagten alle. Aber tief in seinem Inneren spürte er, dass die Gefühle, die er hätte haben sollen, in Wahrheit gar nicht da waren. Denn wie sonst war es möglich, dass er sogar noch vorm Altar immer wieder versucht war, sich nach Anne umzudrehen, die direkt hinter ihnen in der vordersten Kirchenbank saß? Dies war der Moment gewesen, in dem er begriff, dass er seine Frau hasste.
Das hörte später wieder auf, stattdessen hasste er andere Leute, und wenn er es genau bedachte, hasste er seine Mutter womöglich am allermeisten. Und falls er gerade keinen Menschen hasste, gab es irgendwas anderes, worauf sich sein Hass konzentrierte. Der Hass war eigentlich immer da. Mal mehr, mal weniger.
Gleich nach dem Hass kam die Verzweiflung, die war fast genauso schlimm. Manchmal saß er einfach nur da und weinte vor sich hin, stundenlang. Hätte er doch nur die Zeit zurückdrehen können!
In Gedanken lotete er seine damaligen Gefühle aus, glitt zurück in die Vergangenheit, bis er alles wieder vor sich hatte. Frieda schlief nicht mehr mit ihm, der Arzt hatte es ihr verboten, wegen der Schwangerschaft. Und Anne wohnte neuerdings bei ihnen im Haus, weil die Familie ausgebombt worden war. Mutter hatte die Schwestern aufgenommen, das verstand sich von selbst. So wie sie auch ihm und Frieda die Wohnung gegeben hatte. Da waren noch Mieter drin gewesen, aber dieses Problem hatte er schon beizeiten gelöst, schließlich war er bei der SS , da hatte eine kurze Unterhaltung gereicht, und schon waren die Leute ausgezogen.
Nur die Sehnsucht nach Anne war nicht weggegangen, und dann, an dem einen Abend, als er mit ihr allein in Mutters Wohnung gewesen war … Nein, daran wollte er nicht denken, und es fiel ihm auch nicht sonderlich schwer, diesen längst verjährten Vorfall zu verdrängen, während er sie betrachtete, wie sie dort drüben stand und mit dem Bullen redete. Sie hatte er nie gehasst, keine Sekunde lang. Anne war eine Frau, die sich immer um andere gekümmert hatte, es gab niemanden, der fürsorglicher und verantwortungsvoller war als sie. Niemals würde sie die Menschen, die ihr anvertraut waren, im Stich lassen!
Sie hätte ihm damals einfach nur glauben müssen, als er ihr geschworen hatte, dass er sich scheiden lassen und sie heiraten werde. Für ihn spielte es überhaupt keine Rolle, dass sie ein paar Jahre älter war als er, im Gegenteil! Auch das hatte er ihr beteuert. Statt ihn zurückzustoßen, hätte sie ihn bloß ernst nehmen müssen. Zumindest, was das anging. Das andere, was er Frieda im Krankenhaus angedroht hatte, war doch bloß Geschwafel gewesen, so was hätte er niemals gemacht, wie hatte sie das nur für bare Münze nehmen können? Wenn er daran zurückdachte, überkam ihn ein schmerzliches Gefühl von Reue, zweifellos war es ein Fehler gewesen, Frieda dieses Foto von den Leichen zu zeigen. Aber das hatte er doch nur getan, um sie zur Vernunft zu bringen! Es hätte sich alles wieder eingerenkt, sie hätten Gras über die Sache wachsen lassen und dann einen neuen Anlauf unternehmen können. Nach seinen Plänen und Wünschen.
Dafür war es noch nicht zu spät. Eigentlich war es sogar genau passend. Mutter war weg, sie konnte ihm nicht mehr dreinreden, von ihr würde er sich keine Vorschriften mehr machen lassen müssen. Und auch von sonst keinem. Wer ihn loswerden wollte, musste schon früher aufstehen. Er war jetzt älter und schlauer und wusste, worauf er achten musste. Auch mit dem Hass würde er klarkommen, er musste sich einfach nur mehr zusammenreißen. Dann würde alles gut werden, daran glaubte er fest. Es war höchste Zeit, Entscheidungen zu treffen. Zeit, seinem Sohn ein Vater zu sein. Zeit, sich sein Leben zurückzuholen.