Pelagia und Mandras

PELAGIA (nach dem Frühstück im Klohäuschen sitzend): Es ist so nett, dass der Erbauer dieses Örtchens oben in der Tür einen Schlitz frei gelassen hat. Ich könnte stundenlang hier sitzen und die Wolken über die Bergspitze ziehen sehen. Woher die wohl kommen? Ich meine, ich weiß ja, dass es Wasserdampf ist, aber sie scheinen sich urplötzlich aus dem Nichts zu bilden. Es ist so, als hätte jedes Tröpfchen ein Geheimnis mit seinem Bruder zu teilen, und so steigen sie vom Meer hoch, drängen sich zusammen und treiben in der Brise. Die Wolken ändern die Form, wenn die Tröpfchen von einem Vertrauten zum anderen eilen und miteinander flüstern. Sie sagen: »Ich kann Pelagia dort unten sehen, wie sie auf dem Klo sitzt, und sie weiß nicht mal, dass wir über sie reden.« Sie sagen: »Ich habe Pelagia und Mandras einander küssen sehen. Was wird bloß aus denen? Sie würde rot werden, wenn sie’s wüsste.« Oh, ich werde rot. Ich bin dumm. Aber warum ziehen die Wolken langsamer als der Wind, der sie antreibt? Und warum bläst manchmal der Wind in die eine Richtung, und die Wolken ziehen in eine andere? Hat Papakis recht, wenn er sagt, dass es verschiedene Windschichten gibt, oder können die Wolken irgendwie in die Gegenrichtung ziehen? Ich muss noch mehr Lappen zuschneiden, ich hab diese Schmerzen im Bauch und im Rücken, und es ist wieder fällig. Gestern Nacht hab ich den Neumond gesehen, und das heißt, bei mir ist es wieder so weit. Tantchen sagt, das einzig Gute an einer Schwangerschaft ist, dass einen das Bluten nicht mehr stört.

 

MANDRAS (seine Netze ins Boot ladend): St. Peter und St. Andreas, gewährt mir einen guten Fang. Das wird wieder ein glühend heißer Tag, das weiß ich einfach, und ich weiß auch, dass alle Fische sich wieder zwischen den Felsen verstecken und auf den Grund gehen werden. Gott hätte ihnen uns armen Fischern zuliebe Sonnenbrillen verpassen sollen.

Lass mich eine Brasse für meine Mutter fangen und einen Zackenbarsch und einen schönen großen Tintenfisch, den meine Mutter in Ringe schneiden und kochen kann, sodass ich sie morgen kalt mit Thymian und Öl auf einer dicken

 

PELAGIA (beim Wasserholen am Brunnen): Papakis sagt, dass Mandras für den Rest seines Lebens Terrakottaflecken im Hinterteil haben wird, die aussehen, als hätte ihn jemand mit rotem Pfeffer bestreut. Ich mag seinen Po, Gott vergib mir, obwohl ich ihn nie gesehen habe. Ich weiß einfach, dass ich ihn mag. Dass ich ihn mögen würde. Er ist sehr klein. Wenn Mandras sich bückt, kann ich sehen, dass sein Allerwertester den beiden Hälften einer Melone gleicht. Ich meine, die Wölbung entspricht genau Gottes ursprünglichem Entwurf für die Frucht. Wenn er mich küsst, möchte ich hinlangen und eine Gesäßbacke in jede Hand nehmen. Ich hab das nie gemacht. Würde ich auch nicht. Was würde er sagen, wenn ich’s doch täte? Ich hab so liederliche Gedanken. Gott sei Dank kann niemand in meinen Gedanken lesen; sie würden mich einsperren, und die alten Weiber würden mich mit Steinen bewerfen und mich eine Hure nennen. Wenn ich an Mandras denke, sehe ich sein grinsendes Gesicht vor mir, und dann sehe ich ihn, wie er sich bückt. Manchmal frage ich mich, ob ich noch normal bin, aber andererseits, was die Frauen unter sich alles sagen, wenn die Männer in der Kapheneia sind. Wenn die Männer bloß wüssten, die wären schockiert! Jede Frau im Dorf weiß, dass Kokolios’ Penis krumm wie eine Banane ist

 

MANDRAS (singt beim Verlassen des Hafens):

Kommt ihr Delphine, kommt mit dem Wind

und zeigt mir jetzt, wo die Fische sind,

und sind dann große Fische dabei,

Und fang ich lauter Tanggewedel,

gibt’s einen Schmuckreif für mein Mädel,

und fang ich eine nasse Maus,

dann fresst ihr meiner Oma Haus,

doch fang ich einen Korb voll Schollen,

dürft ihr in Perlenkleidern tollen.

Keine Mitgift. Gott weiß, dass ich sie liebe, aber was werden die andern sagen? Sie werden sagen, dass Doktor Iannis mich nicht für gut genug hält, das ist es. Dauernd nennt er mich einen Narren und Idioten und meint, ich hätte zu viel Kefi, um ein guter Ehemann zu sein. Na ja, ich bin schon ein Narr. Ein Mann wird immer närrisch, wenn’s um Frauen geht, das weiß jeder. Und ich weiß, dass der Doktor mich mag, denn er fragt mich ständig, wann ich ihn um die Erlaubnis bitten werde, Pelagia zu heiraten, und drückt beide Augen zu, wenn ich mich mit ihr unterhalte. Das Schlimme ist, dass ich nicht ich selbst bin, wenn ich bei ihr bin. Ich meine, ich bin ja ein ernsthafter Mensch. Ich denke nach. Ich beschäftige mich mit Politik, und ich weiß einen Royalisten von einem Venizelisten zu unterscheiden. Ich bin ernsthaft, weil ich nicht nur an mich selbst denke; ich will die Welt verbessern, ich will mitmischen. Aber wenn ich bei Pelagia bin, ist es so, als wär ich wieder zwölf; das eine Mal bin ich Tarzan im Olivenbaum, und das nächste Mal tu ich so, als würd ich mit der Ziege ringen. Ich produziere mich, das ist es doch, aber was soll ich denn machen? Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich zu Pelagia sage: »Komm, Pelagia, wir reden mal über Politik.« Frauen interessiert so was nicht, die wollen unterhalten werden. Ich hab mit ihr nie darüber gesprochen, wie ich die Welt sehe. Vielleicht hält sie mich auch für einen Narren. Ich hab nicht ihr Niveau, das weiß ich. Der Doktor hat ihr Italienisch und ein bisschen

 

PELAGIA (bei der Siesta): Es ist viel zu heiß. Da ist jemand an der Tür. Wer ist das? Mandras? Nein, sei nicht blöd, du kannst niemand herbeizaubern, bloß indem du an ihn denkst. Es heißt aber, auch Lebende haben einen Geist. Ach, du bist’s, Psipsina. Ach nein, ach nein! Warum können wir nicht einen Hund haben wie alle anderen? Oder wenigstens eine Katze? Nein, wir müssen einen verrückten Marder haben, der keine Mittagsruhe hält. Geh weg. Wie groß willst du denn noch werden? Mit einer halben Tonne auf der Brust kann ich nicht schlafen. Bleib ruhig. Mmh, warum riechst du immer so süß, Psipsina? Hast du wieder Eier und Beeren gestohlen? Warum kannst du nicht selber Mäuse fangen? Ich bin es leid, Mäusehackfleisch zu machen. Warum kannst du nicht den Boden benutzen wie alle? Was ist denn so schön daran, im Zimmer herumzufliegen, ohne den Boden zu berühren? Mmh, wie süß du bist; ich bin froh, dass Lemoni dich gefunden hat, wirklich. Ich wünschte, du wärst Mandras. Ich möchte Mandras auf mir liegen haben. Herrgott, ist das heiß. Wie kannst du es in deinem Pelzmantel aushalten, Psipsina? Ich wünschte, du wärst Mandras. Was er wohl jetzt macht? Lässt sich wahrscheinlich den Seewind um die Nase wehen. Ich wüsste gern, wie es seinem Hinterteil geht. Papakis hat gesagt, es sei ein ganz herrlicher Po. Voller Terrakotta. »Der Arsch einer klassischen Statue, ein sehr schöner Arsch«, hat er gesagt. Wenn ich die Augen zumache, die Arme aufhalte und zu St. Gerasimos bete, dann habe ich vielleicht, wenn ich sie wieder aufschlage, Mandras statt Psipsina auf der Brust. Kein Glück, Psipsina. Er ist so schön. Und er ist so witzig. Ich hab mir den Bauch halten müssen vor Lachen, bevor er vom Baum gefallen ist. Da hab ich gewusst, dass ich ihn liebe; es war die Angst, die ich ausgestanden hab, als er auf den Topf gefallen

 

MANDRAS (Netze flickend im Hafen): Gestern ist Britisch-Somaliland an die Italiener gefallen. Wie lang wird es dauern, bis sie uns von Albanien aus angreifen? Da standen, scheint’s, Panzer gegen Kamele. Ich fühle mich so nutzlos und unbedeutend hier auf der Insel. Jetzt sind Männer gefragt. Arsenios

 

PELAGIA (Kleftiko vom Gemeindeofen holend): Wo ist Mandras? Normalerweise ist er um diese Zeit schon hier. Ich will, dass er kommt. Ich kann kaum atmen, so sehr will ich, dass er kommt. Meine Hände zittern schon wieder. Ich sollte mir lieber dieses dumme Lächeln aus dem Gesicht wischen, sonst hält mich jeder für übergeschnappt. Komm, Mandras, bitte komm, ich werde meinen Fisch auch nicht wieder