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In der Woche von Apokrea

Agapeton,

das ist mein hundertster Brief an Dich, und immer noch nichts von Dir. Papakis meint, dass keine Nachrichten weder gute noch schlechte Nachrichten sind, und so weiß ich nicht, ob ich mich traurig oder zuversichtlich fühlen soll. Ich danke Gott, dass Dein Name nicht auf der Totenliste auftaucht, die in Argostoli angeschlagen ist. Ich muss Dir die traurige Mitteilung machen, dass Kokolios zwei seiner Söhne verloren hat (Gerasimos und Yanaros). Es hat ihn sehr mitgenommen. Seine Lippen zittern beim Sprechen, er hat Tränen in den Augen, und er stürzt sich seit Neuestem so in die Arbeit, dass er sogar noch herumwerkelt, wenn es dunkel geworden ist. Er sagt, er gibt nicht den Italienern die Schuld, sondern den Russen, die 200000 in Libyen gefangen genommen haben, läuft er herum und küsst immer wieder ein Bild von Winston Churchill, das er aus einer Zeitung ausgeschnitten hat. Neulich, als Papas von Hitlers Ultimatum an uns erfahren hat, wir sollten den Kampf gegen die Italiener einstellen, hat er seinen Bart ganz abgeschnitten, weil selbst ein großer, buschiger patriotischer Schnauzer noch zu sehr dem von Hitler gleicht. Seit Metaxas gestorben ist, trägt Papas Trauerflor am Arm, und er schwört, er wird ihn nicht abnehmen, bis der Krieg vorbei ist. Wir sind immer noch betrübt über den Tod des alten Mannes, doch wir sind entschlossen, uns davon nicht schwächen zu lassen. Wir haben vollstes Vertrauen, dass Papagos uns zum Sieg führen wird.

Also dieses Jahr gibt es keinen großen Karneval, da ja alle jungen Männer weg sind, es ist eher schon so wie in der Fastenzeit. Wir fasten alle, ob wir wollen oder nicht, und ich sehe schon, dass auch Ostern kein großes Fest sein wird. Ohne gefärbte Eier und Tsoureki, Kokoretsi, Mayeritsa und ein am Spieß brutzelndes Lamm wird es einfach nicht so wie früher sein. Ich schätze, es wird schon Eier geben, doch ansonsten werden wir wahrscheinlich Schuhleder mit Avgolemono-Soße essen müssen. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn ich bloß an all die Sachen denke, die wir nicht haben können, und ich kann es gar nicht erwarten, dass alles wieder normal wird.

Seit Dezember haben wir einige schreckliche Unwetter gehabt, und es ist sehr kalt und windig gewesen. Deine Jacke habe ich fast fertig, aber sie ist nicht so schön geworden, wie ich gehofft hatte. Das schlechte Wetter gibt mir viel Zeit, daran zu arbeiten, obwohl das nicht leichtfällt, wenn die Hände blau vor Kälte sind. Die Bettdecke hatte ich auch

Hoffentlich bist Du wohlauf und guten Mutes, ich freue mich immer noch auf Deine Rückkehr, wie wir alle natürlich.

In aller Liebe, Deine Pelagia, die Dich sehr vermisst.