Weitere literarische Bemühungen von Dr. Iannis

Dr. Iannis saß am Schreibtisch und blickte zum Berg hinüber. Er klopfte mit dem Füller auf die polierte und ausgeblichene Tischplatte und dachte darüber nach, dass es allmählich Zeit wäre, sein Ränzlein zu schnüren und Alekos’ Ziegenherde aufzusuchen. Er fluchte über sich selbst. Er sollte über die venezianische Besetzung der Insel schreiben, stattdessen sinnierte er über Ziegen. Ein Dämon in ihm schien sich geschworen zu haben, ihn am Abschluss seines literarischen Werks zu hindern, und erfüllte seinen Kopf und sein Leben mit Ablenkungen. Der Dämon untergrub sein Denken mit nichtssagenden Fragen. Warum weigerten sich Ziegen, aus einem Eimer am Boden zu fressen, wenn sie ganz zufrieden damit waren, Pflanzen zu fressen, die aus dem Boden wuchsen? Warum musste der Eimer an einem Ring aufgehängt sein? Warum wuchsen die Ziegenhufe im Frühling zu schnell und mussten beschnitten werden? Warum hat die Natur diesen merkwürdigen Konstruktionsfehler eingeführt? Wann war eine Ziege kein Schaf – und umgekehrt? Warum waren sie so feinfühlige Tiere und doch gleichzeitig so grenzenlos dumm wie Dichter und Künstler? Jedenfalls ließ der Gedanke an den Aufstieg zum Ainos, um Alekos’ Ziegen zu untersuchen, seine Beine schon müde werden, bevor er einen einzigen Schritt getan hatte.

Er hob seinen Füller, und ihm fiel ein Vers von Homer ein: »Nichts ist besser und wünschenswerter auf Erden, / als

Seit der junge Mann plötzlich abgereist war, hatte er beobachtet, wie seine Tochter eine Reihe von Emotionen durchmachte, die ihm alle ungesund und besorgniserregend schienen. Zunächst war sie in einen Strudel aus Panik und Sorge geraten, dann in einem Strom von Tränen versunken. Auf die heftigen Anfälle folgten Tage voller ominöser und nervöser Ruhe, an denen sie draußen an der Mauer saß, als erwartete sie, dass er gleich um die Straßenbiegung käme, wo ihn Velisarios angeschossen hatte. Es war schon vorgekommen, dass sie selbst in bitterster Kälte dort zu sehen war, wie sie der in ihrem Schoß zusammengerollten Psipsina die weichen Ohren kraulte. Einmal hatte sie sogar im Schnee draußen gesessen. Später war sie schweigend bei ihm im Zimmer geblieben, die Hände reglos im Schoß, während eine Träne nach der anderen ihre Wangen herabkullerte. Ganz unvermutet wurde sie dann von einer zwanghaft optimistischen und betriebsamen Laune gepackt und arbeitete verbissen an einer Decke, die sie für ihr Ehebett häkelte, und dann, genauso abrupt, sprang sie auf die Beine, schmiss ihre Arbeit auf den Boden, gab ihr einen Tritt und machte sich daran, sie mit einem Ungestüm wieder aufzutrennen, das schon an Gewalttätigkeit grenzte.

Als die Tage ins Land gingen, wurde klar, dass Mandras nicht nur bisher nicht geschrieben hatte, sondern es überhaupt nie tun würde. Der Arzt las im Gesicht seiner Tochter und erkannte, dass sie bitter wurde, als müsste sie mit immer größerer Gewissheit daraus schließen, dass Mandras sie nicht lieben konnte. Sie versank in Apathie, und der Arzt

Seltsamerweise versetzte es ihm einen Schock, als seine Behandlung Wirkung zeigte; Pelagia kehrte zu ihrem normalen fröhlichen Gleichmut zurück, was er als Zeichen dafür wertete, dass sie ihre Leidenschaft für Mandras ganz und gar aufgegeben hatte. Einerseits hätte er sich darüber gefreut, da er nicht wirklich glaubte, dass Mandras einen guten Ehemann abgeben würde, doch andererseits war Pelagia bereits verlobt, und die Auflösung der Verlobung würde viel Scham und Schande nach sich ziehen. Ihm kam die schreckliche

Das war alles schon schlimm genug, doch der Krieg brachte eine Menge Schwierigkeiten mit sich, die er nicht vorhergesehen hatte. Mit dem Ausbleiben der Lieferungen von Mitteln wie Jod und Zinksalbe kam er noch zurecht, da es dafür Ersatz gab, der genauso gut wirkte, aber schon seit Kriegsausbruch war keine Borsäure mehr zu bekommen, da diese Substanz aus dem vulkanischen Dampf in der Toskana gewonnen wurde; es war die beste Medizin, die er kannte, um Blasenentzündungen und Harnverunreinigungen zu behandeln. Weitaus schlimmer war, dass es Syphilisfälle gab, gegen die mit Wismut, Quecksilber und Novarsenobenzol vorgegangen werden musste. Letzteres musste zwölf Wochen lang einmal die Woche injiziert werden, und zweifellos waren die Vorräte an die Front umdirigiert worden. Er verfluchte den einzigartigen Perversen, der sich das erste Mal mit der Krankheit angesteckt hatte, als er mit einem Lama kopulierte, sowie die spanischen Rohlinge, die sie aus der Neuen Welt einschleppten, nachdem sie eine Schneise der Notzucht durch die von ihnen unterjochten Gebiete geschlagen hatten.

Glücklicherweise hatte die Kriegsbegeisterung die Zahl der eingebildeten Kranken verringert, doch nichtsdestoweniger hatte er wiederholt seine medizinische Enzyklopädie zurate ziehen müssen, um herauszufinden, wie er ohne all die Dinge zurechtkommen sollte, auf die er bisher vertraut hatte. Er hatte seinen Complete and Concise Home Doctor (zwei dicke Bände mit Querverweisen, fünfzehnhundert Seiten, die alles enthielten, von Ptomainvergiftung bis zu Schönheitstipps

Dem Arzt war nicht entgangen, dass als eine der Auswirkungen des Krieges seine Bedeutung wie auch die von Pater Arsenios wuchsen. In der Vergangenheit hatte er sich an seinen Status als Quelle der Weisheit gewöhnt, doch die Fragen waren meist philosophischer Natur gewesen – Lemonis Vater hatte das Kind zu ihm geschickt, um ihn zu fragen, warum Katzen nicht sprechen können –, während die Leute heutzutage nicht nur alles über die Politik und den Verlauf der Kämpfe wissen wollten, sondern auch dringend seinen Rat zur optimalen Größe und Anordnung von Sandsäcken brauchten. Er hatte sich nicht zum Gemeindeoberhaupt gemacht, sondern war es durch einen Prozess unsichtbarer Privilegierung geworden, als müsste ein Autodidakt wie er über ungewöhnlichen Gemeinsinn wie auch entlegenes Wissen verfügen. Er war eine Art Ersatz für die türkischen Agas

Der Arzt hörte Pelagia in der Küche singen und griff zu seinem Füller. Er hob den Finger, um seinen Schnurrbart zu zwirbeln, war sonderbar verwirrt, als ihm wieder einfiel, dass er ihn ja als Geste des Trotzes gegen Hitler abrasiert hatte, und blickte dann auf seinen schwarzen Trauerflor, den er seit dem Tod von Metaxas trug. Er seufzte und schrieb:

»Griechenland liegt auf einer geographischen wie kulturellen Verwerfungslinie, die den Osten vom Westen trennt; wir sind gleichzeitig ein Schlachtfeld und ein Schauplatz verheerender Erdbeben. Wenn die Inseln der Dodekanes zum Osten gehören, so ist Kephallonia eindeutig ein Bestandteil des Westens, wohingegen das Festland beides zugleich in sich birgt und weder das eine noch das andere richtig ist. Die Balkanländer sind immer ein Werkzeug der Außenpolitik der Großmächte gewesen und haben es seit dem Altertum nicht geschafft, sich auch nur den Anschein einer fortschrittlichen Kultur zu geben, weil ihre Völker faul, zänkisch und brutal sind. Es trifft allerdings zu, dass Griechenland nicht so viele Balkan-Unarten hat wie die anderen Nationen im Norden und Osten, und es ist zweifellos so, dass die Kephallonier von allen Griechen die bekanntesten Pfiffikusse und Intellektuellen sind. Die Leser werden sich erinnern, dass Homer aus diesem Gebiet kam und dass Odysseus ja als der »Listenreiche« berühmt wurde. Homer nennt uns auch wild und ungesittet, aber wir sind nie der Grausamkeit beschuldigt worden. Es gibt gelegentlich Todesfälle aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten, doch in uns steckt kaum jene Blutrünstigkeit,

Die Insel ist deshalb nach Westen orientiert, weil sie von den Türken nur einundzwanzig Jahre lang besetzt war, von 1479 bis 1500, als sie von einer vereinigten spanischen und venezianischen Streitmacht vertrieben wurden. Sie kehrten nur 1538 zu einem Überfall zurück und zogen mit dreizehntausend Kephalloniern ab, die in die Sklaverei verkauft werden sollten. Die kurze Dauer ihres Aufenthalts zusammen mit ihrer Veranlagung zu Lethargie und Untätigkeit boten die Gewähr dafür, dass sie kein fortdauerndes Erbe in kultureller Hinsicht hinterließen.

Außer dieser kurzen Zeitspanne war die Insel von 1194 bis 1797 venezianisch und wurde dann von Napoleon Bonaparte eingesackt, dem notorischen Kriegstreiber und Megalomanen, der der Insel die Vereinigung mit Griechenland versprach, sie aber dann heimtückisch annektierte.

Der Leser wird bereitwillig erkennen, dass die Insel etwa sechshundert Jahre lang in jeder praktischen Hinsicht italienisch war, und dies erklärt sehr viele Dinge, die einen Fremden vor ein Rätsel stellen. Der Inseldialekt enthält eine Fülle von italienischen Wörtern und Redewendungen, die Gebildeten und Adligen beherrschen Italienisch als zweite Sprache, und die Kampanile der Kirchen gehören zum Gebäude, ganz im Gegensatz zur griechischen Anordnung, bei der sich die Glocke in einem abgesonderten und einfacheren Bauwerk bei den Toren befindet. Eigentlich ist die Architektur auf der Insel fast gänzlich italienisch und verleitet aufgrund der schattigen Balkone, Innenhöfe und externen Treppenhäuser zu einem zivilisierten und geselligen Privatleben.

Die italienische Besatzungszeit bot die Gewähr, dass die Volksentwicklung hauptsächlich in westlicher statt in östlicher Richtung verlief, was sogar die Gewohnheit einschloss, unbequeme Verwandte zu vergiften (Anna Palaiologos

Der Arzt legte den Füller hin und las das eben Geschriebene durch. Er lächelte verkniffen über seine letzten Bemerkungen; es war unter den gegenwärtigen Umständen unwahrscheinlich, dass diese Dankbarkeit anhalten würde. Er ging in die Küche und legte alle Messer von der einen Schublade in eine andere, sodass Pelagias Zorn eine neue Gelegenheit zur Katharsis bekäme.

Es war leichter, ein Psychologe zu sein als ein Historiker; er machte sich klar, dass er gerade einige hundert Jahre auf ein paar Seiten bewältigt hatte. Er musste es wirklich langsamer angehen und die Ereignisse in einem gewissenhaften, gemessenen Gang erzählen. Er kehrte an seinen Schreibtisch zurück, sammelte den kleinen Stapel von Seiten ein, trat auf den Hof, schnupperte in der Luft nach Anzeichen des herannahenden Frühlings und verfütterte stoisch und entschlossen die Seiten nacheinander an Pelagias Ziege. Den Arzt betrübte ihre philisterhafte Fähigkeit, Literatur zu verdauen. »Verfluchter Wiederkäuer«, murmelte er und beschloss, in der Kapheneia einzukehren.