Es war eine teuflische Nacht. Draußen zogen Regenschleier vorbei, und ein böig blasender Ostwind ließ unbekannte Gegenstände auf der Straße vorbeirattern und den Arzt um die Sicherheit des Daches fürchten, dessen Ziegel er aneinanderschaben hören konnte, als sie sich hoben und senkten und rutschten. Sie saßen zu dritt in der Küche; Pelagia trennte ihre immer kleiner werdende Decke auf, der Arzt las in einem Gedichtband, und der Hauptmann komponierte eine Sonate im Stil Scarlattis. Pelagia war fasziniert von seiner Fähigkeit, die Musik anscheinend im Kopf zu hören, und hin und wieder ging sie zu ihm, um nachzusehen, wie er mit den unverständlichen Krakeln auf dem Blatt vorankam. Einmal stand sie mit der Hand auf seiner Schulter da, weil es als die natürlichste und unumgänglichste Pose erschien, und erst nach ein paar Minuten erkannte sie, was sie da tat.
Überrascht blickte sie ihre auf dem Körper des Mannes ruhende Hand an, als würde sie diese dafür tadeln, sich in Abwesenheit der schicklichen Aufsicht durch einen Erwachsenen so eigenwillig zu benehmen. Sie fragte sich, was sie tun sollte. Wenn sie sie wegriss, würde das womöglich grob wirken. Vielleicht würde sie damit erst verraten, dass sie sie unbewusst dorthin getan hatte, und er würde daraus schließen, dass sie ihm gegenüber Gefühle hegte, die sie weder ihm noch sich selbst gern eingestanden hätte. Vielleicht gelänge es ihr, wenn sie sie einfach dort ließ, als würde sie jemand anderem gehören, die Verantwortlichkeit für deren Handeln abzustreiten. Was aber, wenn er auf einmal wahrnahm, wo diese Hand sich befand? Wenn sie die Hand bewegte, würde er augenblicklich merken, dass sie tatsächlich auf seiner Schulter gelegen hatte; und wenn sie sie nicht bewegte, dann würde er vielleicht wahrnehmen, dass sie da war, und seine Schlüsse aus der Tatsache ziehen, dass sie nicht bewegt worden war. Sie blickte ihre Hand strafend an und spürte, wie ihre Verärgerung sie daran hinderte, seinen belehrenden Monolog über Phrasierung und Harmonie zu verstehen. Sie entschied nach reiflicher Erwägung, dass es das Beste wäre, ihre Hand dort zu lassen, wo sie war, und so zu tun, als gehöre sie jemand anderem. Sie beugte sich vor und legte einen Ausdruck in ihr Gesicht, der äußerste intellektuelle Ernsthaftigkeit vermitteln sollte, aber keinerlei Spur natürlicher Zuneigung oder körperlicher Anziehung enthielt. »Mm, wie interessant«, behauptete sie.
Psipsina scharrte an der Tür und quiekte erbärmlich.
Erleichtert lief Pelagia weg, um sie einzulassen. Da genau wurde dem Hauptmann bewusst, dass eine Hand einige Minuten lang leicht auf seiner Schulter geruht hatte. Das Fehlen ihres Gewichts war richtig zu spüren, und ihr früheres Vorhandensein war im Rückblick überaus angenehm und tröstlich. Er lächelte in versonnener Freude, und ein siegessicherer Ton hätte sich in seine Stimme gemischt, wenn er Gelegenheit zu sprechen gehabt hätte.
Seine erfreulichen Gedanken wurden auf unangenehmste Weise von Psipsina unterbrochen, deren durchnässter, schwerer Körper in seinem Schoss jede Freude, jedes Siegesgefühl verscheuchte, das er empfunden haben mochte. Psipsinas Taktik bei Regengüssen war stets, so nass wie nur möglich zu werden und dann in den nächsten und wärmsten Schoß zu hüpfen, um sich so gründlich wie möglich zu trocknen. Dieses Mal war der Hauptmann ihr Opfer, da der Arzt wohlweislich aufgestanden war, um zu verhindern, dass es ihn traf. Corelli blickte entsetzt auf das pitschnasse Fellbündel und spürte schon das Wasser zwischen seine Beine sickern. »Aaah«, schrie er und warf die Hände in die Luft.
Pelagia lachte voller Schadenfreude auf und schubste das durchnässte Tier von seinem Schoß. Er spürte, wie ihre Finger rasch über seine Schenkel strichen, und wurde kurzfristig von Überraschung überwältigt, die sich beinahe endlos ausweitete, als Pelagia anfing, mit den Händen über seine Hose zu bürsten, und dabei sagte: »Ach, was für eine Schweinerei, Sie Ärmster, schau bloß den ganzen Sand und Dreck an …« Erstaunt sah er auf ihre geschäftigen Hände und merkte dann, dass sie seinen Gesichtsausdruck mitbekommen hatte. Sie richtete sich rasch auf, schoss ihm einen vernichtenden und anklagenden Blick zu und kehrte hochmütig zu ihrer Auftrennarbeit zurück, woraufhin die hartnäckige Psipsina wieder auf seinen Schoß sprang. Als das Wasser in seiner Leistengegend sich unter dem Gewicht des Baummarders erwärmte, verspürte er die merkwürdige innere Befriedigung, die er einmal als kleiner Junge erlebt hatte, als er im Schlaf versehentlich seine Blase entleerte, weil er träumte, er würde gegen eine Wand pinkeln. Es war dieselbe gemütliche Wärme, die noch vor dem entsetzten und beschämten Aufwachen spürbar gewesen war. Er ließ Scarlatti Scarlatti sein und dachte an Pelagias Hände. So schlanke Finger, so rosige Nägel. Er stellte sich vor, wie sie sich nachts amourös betätigten, und merkte, dass er Psipsina aufstörte. Er versuchte, seine schlüpfrige Phantasie zu unterdrücken, indem er an Vivaldi dachte.
Das war ein Fehler, weil ihm auf der Stelle einfiel, dass Vivaldi in einem Kloster junge Mädchen unterrichtet hatte. Sein eigensinniges Gehirn beschwor Bilder einer ganzen Klasse berückender kleiner Pelagias herauf, die alle verführerisch die Spitzen ihrer Bleistifte leckten und ihn mit ihren glühenden dunklen Augen lockten. Es war ein reizvolles Bild. Er stellte sich vor, dass sie alle an seinem Tisch standen und sich über ihn beugten, während er etwas erklärte und sein Finger über die Zeilen eines Textes fuhr, wobei ihn ihr schwarzes Haar an den Wangen kitzelte und seine Nase mit dem Duft von Rosmarin erfüllte.
Eine von ihnen steckte die Hand in sein Hemd, und eine andere begann sein Haar und seinen Nacken zu streicheln. Bald gab es Dutzende von identischen schlanken Händen, und in Sekundenschnelle schoss ihm das Bild in den Kopf, wie er splitternackt auf einem großen Tisch lag, während alle wie durch ein Wunder entkleideten Pelagias über ihn krochen und ihn köstlich mit ihren Brüsten, Händen und heißen, feuchten und liebkosenden Lippen bestürmten. Er musste heftig atmen und kam ins Schwitzen.
Psipsina entschied, dass sie diese drückende Störung von unten nicht mehr ertragen konnte, und sprang von seinem Schoß. Seine wunderbare Träumerei schlug in Panik um. Wenn Pelagia zufällig aufblickte, würde sie nur allzu deutlich sehen, dass er einen pyramidenförmigen Auswuchs an einer bestimmten Stelle der Hose hatte, für den es nur eine überzeugende Erklärung gab.
Verzweifelt versuchte er, an etwas zutiefst Unerfreuliches zu denken, und drehte sich unterdessen mit dem Stuhl etwas mehr von ihr weg. Er legte seine Blätter in den Schoß und tat so, als würde er sie in dieser Position studieren. Nun wieder in Sicherheit, ließ er seine Gedanken erneut zu all den Pelagias um den Tisch wandern, deren unzählige Hände über seinen ganzen Körper fuhren, deren unzählige reife Brüste sich wie kühle und saftige Früchte an seinen Mund drückten.
Die echte Pelagia seufzte, weil sie merkte, dass sie das Häkeln satthatte. Zu ihren Füßen lag ein wirrer Haufen aufgetrennter Wolle, die sich bei dem Versuch, die verknoteten Anordnungen ihres früheren Zustandes wiederzuerlangen, verwirrt und verwickelt hatte. Pelagia verstand nicht, warum Wolle so nostalgisch war, jedenfalls war es irritierend. Sie fing an, sie aufzuwickeln, scheiterte aber an deren Unnachgiebigkeit. »Hauptmann«, sagte sie, »hätten Sie einen Moment Zeit? Ich brauche ein Paar Hände, um diese Wolle aufzuwickeln.«
Es war ein äußerst kritischer Augenblick; der Hauptmann hatte sich so sehr in sein Feenland verloren, dass er gerade der Reihe nach jede seiner nackten Pelagias beschlief. Ihre Stimme schnitt in seinen Traum vom Elysium wie ein Messer durch eine Melone. Er hörte beinahe leibhaftig das Gleiten des schneidenden Messers und das hohle Klopfen, als es auf das Schneidebrett darunter stieß und die Melone auseinanderfiel. »Was?«, fragte er.
»Helfen Sie mir mal«, sagte sie, »ich bin ganz von der Wolle umgarnt.«
»Ich kann nicht. Ich meine, ich bin gerade am entscheidenden Punkt der Sonate. Können Sie sich einen Augenblick gedulden?« Es war eine verzweifelte Situation; er konnte unmöglich jetzt aufstehen, ohne seine Schwellung offenkundig zu machen. Er rief sich zur Ordnung, indem er an seine Großmutter dachte, an das Schwimmen im eiskalten Meer, an einen fliegenübersäten Pferdekadaver am Straßenrand nach einer Schlacht. Die Erektion neigte etwas den Kopf, aber noch nicht weit genug.
Da war nichts zu machen; es war sein Glück, dass sie schon so daran gewöhnt war, dass er sich manchmal närrisch benahm. Er ging auf die Knie und kroch auf allen vieren zu ihr. Er wackelte wie ein Hund mit dem Hintern und sah mit einer Miene äußerst hündischer Ergebenheit zu ihr auf. Mit etwas Glück würde er mit dieser Farce etwas Zeit gewinnen, bis er bereit war, wieder aufzustehen. Sie sah zu ihm hinunter und verzog das Gesicht: »Sie sind ein sehr alberner Mensch«, meinte sie.
»Wuff«, belferte er und wackelte noch einmal mit dem Hintern. Er hielt ihr seine beiden Hände entgegen, als wollte er mit den Pfoten betteln, und Pelagia richtete sie gebieterisch gerade und rückte sie ein paar Zentimeter auseinander, sodass sie sie zum Aufwickeln der Wolle gebrauchen konnte. Sie versuchte verzweifelt, nicht zu lächeln.
Der Hauptmann ließ noch übertriebener die Zunge heraushängen und schaute ihr mit so hündischer Verehrung ins Gesicht, dass sie mit dem Aufwickeln aufhörte und sagte: »Also, wie soll ich das richtig machen, wenn Sie mich dauernd zum Lachen bringen? Sie Verrückter.«
»Wuff«, belferte er wieder, mittlerweile so eingesponnen in seine komische Maskerade, dass ihm bereits entfallen war, warum er sich darauf hatte einlassen müssen; das Problem hatte sich gelegt. Er winselte, als würde er darum betteln, hinausgelassen zu werden, und fing dann an, scharf die Wolle anzubellen, als wäre er überzeugt, es handelte sich um einen gefährlichen und unverständlichen Feind. »Dummer Hund«, sagte Pelagia und gab ihm einen sanften Klaps auf die Nase.
»Habt ihr eine Ahnung, wie dämlich ihr beide ausseht?«, tadelte der Arzt. »Herrschaft noch mal! Das ist doch peinlich. Wenn ihr euch bloß sehen könntet.«
»Ich kann doch nichts dafür«, sagte Pelagia vorwurfsvoll, da die Unterbrechung ihres äußerst kindischen Vergnügens sie verstimmte. »Er ist übergeschnappt, und das steckt an.«
Der Hauptmann warf den Kopf zurück und jaulte zur Melodie von Sola, Perduta, Abbandonata. Der Arzt zuckte zusammen und schüttelte den Kopf, und Psipsina lief zur Tür und kratzte daran, da sie es vorzog, in den strömenden Regen hinausgelassen zu werden, statt im Zimmer zu bleiben und dieses erschreckende Geheul weiter auszuhalten; echte Hunde waren schon schlimm genug. Pelagia stand auf, holte einen Pfirsich vom Tisch und ging wieder an ihren Platz. Gerade als der Hauptmann den Kopf zu einem äußerst wehmütigen Jaulen nach hinten gebeugt hatte, stopfte sie ihm den Pfirsich in den Mund. Seine erstaunte Miene mit den weit aufgerissenen Augen war ein Bild für Götter. »Wissen Sie, wie albern Sie ausschauen?«, fragte sie. »Auf den Knien, mit der Wolle umwickelt und den Pfirsich im Mund?«
»Besatzer sollten sich würdevoller benehmen«, meinte der Arzt, dessen Sinn für historische Größe Anstoß nahm.
»Ung«, brachte der Hauptmann heraus.
Pelagia war verständlicherweise abgelenkt, und als sie mit dem Aufwickeln der Stränge fertig war, zeigte sich, dass sie das mit zunehmend größerem Druck getan hatte. Der Hauptmann stand auf und merkte, dass seine Nase verstopft war, nur weil er durch den Mund nicht atmen konnte. Er biss in den Pfirsich und ließ den Rest auf den Boden fallen, wo Psipsina ihn interessiert untersuchte, bevor sie damit davonrannte. Er bemühte sich, seine Hände freizubekommen, was nicht gelang. »Ein Komplott«, rief er, »ein verräterisches griechisches Komplott gegen die italienischen Befreier.«
»Ich werde es nicht wieder abwickeln«, meinte Pelagia, »es hat so schon lange genug gedauert.«
»Fürs Leben gebunden«, sagte der Hauptmann, und ihre Blicke trafen sich spontan. Sie lächelte scheu, und völlig grundlos schlug sie die Augen wieder nieder und flüsterte: »Schlimmer Hund.«