Sie trafen an der Tür aufeinander. Sie ging gerade hinaus, er kam vom Dienst zurück. Unbefangen legte sie ihm eine Hand auf die linke Wange und küsste ihn im Vorbeigehen auf die andere.
Er war überrascht, und am Hofeingang war sie es schließlich auch, denn erst dort kam ihr plötzlich zu Bewusstsein, was sie getan hatte. Sie blieb abrupt stehen, als wäre sie direkt gegen eine metaphysische, aber spürbare Steinwand gelaufen. Sie fühlte, wie das Blut ihr bis zu den Haarwurzeln stieg, und erkannte, dass sie sich jetzt unmöglich nach ihm umblicken konnte. Zweifellos stand auch er wie angewurzelt da. Sie spürte förmlich, wie sein Blick von ihren Füßen zu ihrem Schädel wanderte und schließlich in der Erwartung, sie würde sich umdrehen, auf ihrem Hinterkopf verweilte. Er rief, wie von ihr erwartet: »Kyria Pelagia.«
»Was?«, wollte sie knapp wissen, als würde das Bemühen, sich kurz angebunden zu geben, die schrecklich simple Art, wie sie völlig gedankenlos ihre Zuneigung verraten hatte, wieder vergessen machen.
»Was gibt es zum Abendessen?«
»Veräppeln Sie mich nicht.«
»Würde ich Sie je veräppeln?«
»Bilden Sie sich nichts drauf ein. Ich habe gedacht, Sie wären mein Vater. Ich küsse ihn immer so, wenn er reinkommt.«
»Sehr einleuchtend. Wir sind beide alt und klein.«
»Wenn Sie mich auf den Arm nehmen wollen, werde ich nie wieder mit Ihnen reden.«
Er kam herüber, trat vor sie und warf sich auf die Knie. »O nein«, rief er, »alles, bloß das nicht.« Er senkte den Kopf und klagte erbärmlich: »Haben Sie Erbarmen. Erschießen Sie mich, züchtigen Sie mich, aber sagen Sie nicht, Sie würden nie mehr mit mir reden.« Er umklammerte ihre Knie und tat so, als würde er weinen.
»Das ganze Dorf schaut zu«, wehrte sie ab. »Hören Sie sofort auf. Sie bringen mich in Verlegenheit, lassen Sie mich los.«
»Mein Herz ist hin«, klagte er, packte ihre Hand und bedeckte sie mit Küssen.
»Sie dummes Schaf, Sie sind ja von Sinnen.«
»Ich bin gepeinigt, ich verbrenne, ich bin in Stücke zerbrochen, aus meinen Augen schießen Tränen.« Er beugte sich zurück und gestikulierte poetisch mit den Fingern, um die außergewöhnliche Kaskade unsichtbarer Tränen anschaulich zu machen, die er ihr vor Augen führen wollte. »Lachen Sie mich nicht aus«, fuhr er fort und probierte es auf eine neue Tour. »Oh, Licht meiner Augen, mach dich über den armen, elenden Antonio nicht lustig.«
»Sind Sie wieder betrunken?«
»Betrunken vor Kummer, betrunken vor Schmerz. Sprechen Sie mit mir.«
»Hat Ihre Batterie wieder ein Fußballturnier gewonnen?«
Corelli sprang auf die Beine und breitete erfreut die Arme aus. »Ja. Wir haben Günters Mannschaft mit vier zu eins besiegt, und wir haben drei von ihnen verletzt, und dann bin ich reingekommen, und Sie haben mich geküsst. Ein glorreicher Tag für Italien.«
»Es war ein Versehen.«
»Ein bedeutendes Versehen.«
»Ein unbedeutendes Versehen. Es tut mir sehr leid.«
»Kommen Sie rein«, sagte er, »ich muss Ihnen was sehr Interessantes zeigen.«
Erleichtert darüber, dass er plötzlich das Thema wechselte, folgte sie ihm durch die Tür. Doch sie musste feststellen, dass er gleich wieder kehrtmachte. Er umklammerte mit beiden Händen ihren Kopf, küsste sie lange und glühend auf die Stirn und rief aus: »Mi scusi, ich habe gedacht, es wäre der Arzt, bilden Sie sich nichts drauf ein.« Dann lief er durch den Hof auf die Straße hinaus. Sie stemmte die Hände in die Hüften und starrte ihm verdutzt nach, schüttelte den Kopf und bemühte sich nach Kräften, nicht zu lachen oder zu lächeln.