Sieg

Trotz der unmissverständlichen Forderung seiner Männer, die Deutschen sollten zur Kapitulation gezwungen und ihre Waffen einkassiert werden, spielte General Gandin den Heiligen und vereinbarte mit Oberst Barge, dass seine italienischen Soldaten ihre Waffen behalten und die Insel räumen dürften. Es gab jedoch keine Schiffe, um sie zu evakuieren, aber das kam ihm anscheinend nicht so wichtig vor. Auf Korfu hatten die Deutschen anständigerweise zugestimmt, selbst die Truppentransporter zur Verfügung zu stellen, dann aber alle durch die Brandung zu ihnen hinwatenden Soldaten mit MGs niedergemäht und ihre Leichen den Wellen überlassen. Der unvergleichlich tapfere Oberst Lusignani hielt sich, von den Briten vollkommen im Stich gelassen, allen widrigen Umständen zum Trotz noch mehrere Tage. All seine Männer, die noch so lange überlebten, dass sie bis zu einem deutschen Gefangenentransport gelangten, wurden getötet, als die Briten sie auf dem Meer bombardierten. Diejenigen, die sich mit einem Sprung ins Wasser zu retten versuchten, wurden von den Deutschen mit MGs abgeknallt und dem Meer überlassen.

Auf Kephallonia hatten die Deutschen nun eine Frist von vierzehn Tagen, um sich zu organisieren und Verstärkungen wie zusätzliche Waffen heranzuschaffen, während die verwirrten Italiener aus Mangel an Führung je nach der Initiative einzelner Offiziere gehandelt hatten oder nicht. Einige, wie Appollonio und Corelli, hatten ihre Männer bis aufs Letzte vorbereitet, doch andere, von der Aussicht auf

Die Griechen, unter ihnen Pelagia und Dr. Iannis, sahen einander mit gehetztem Blick an, ihre Herzen waren aufgewühlt von bangen Ahnungen. Die bemitleidenswerten Huren des Armeebordells vergaßen ihre Schönheitspflege und wanderten in ihren Morgenmänteln wie die gramerfüllten, besinnungslosen Schatten in der Unterwelt hilflos von einem Zimmer zum anderen, öffneten die Fensterläden, blickten hinaus, schlossen sie wieder und drückten die Hand ans pochende Herz.

Als die Stuka-Staffel am frühen Nachmittag einflog, in geschlossener Formation in Schräglage kippte und im Sturzflug auf die italienischen Batterien zuraste, war dies fast eine Erleichterung. Jetzt war alles klar; endlich war offensichtlich, dass die Deutschen heimtückisch waren, dass jeder Soldat um sein Leben kämpfen musste. Günter Weber wusste, dass er seine Waffen auf seine Freunde richten musste, Corelli wusste, dass seine so gut an die friedlichen Künste gewöhnten Musikerfinger sich nun um den Abzug eines Gewehrs krümmen mussten. General Gandin merkte zu spät, dass er in seiner radikalen Unentschiedenheit und durch seine Konsultationen mit geschlechtslosen Priestern seine Leute zum Sterben verurteilt hatte; Oberst Barge wusste, dass er seine früheren Verbündeten mit Erfolg ins Hintertreffen gebracht hatte; die Huren merkten, dass Männer, die früher ihr Glück

Die Männer in den Batterien verloren den Verstand und die Orientierung bei dem mechanischen Heulen der Stukas, dem dichten Maschinengewehrfeuer und dem Bombenhagel, der zwischen ihre Geschütze fiel und sie mit Erde und winzigen Fleischfetzen ihrer Kameraden bespritzte, und bemühten sich, ihre Geschosse in Sicherheit zu bringen, damit ihre eigene Munition nicht in die Luft ging. Noch bevor die Batteriekommandanten das Feuer erwidern konnten, schwenkten die Stukas wie Stare ab und griffen eine Kolonne Männer an, die gerade in Argostoli am Rand des Sportplatzes ankam, wo die italienischen Soldaten früher ihren Militärdienst mit rauen und hitzigen Fußballspielen herumgebracht und ihre verstohlenen Treffen mit griechischen Mädchen vereinbart hatten.

Für Corelli und Appollonio, für Carlo und die Mitglieder von »La Scala« war es offensichtlich, dass die Deutschen versuchten, Argostoli lahmzulegen, weil hier die meisten italienischen Truppen konzentriert waren; der Feind versuchte, seine verstreuten und unterbesetzten Stellungen an den Außenposten der Insel zu schützen. Dies war allerdings Gandin nicht klar, denn er zog seine Truppen in wachsender Zahl in der Stadt zusammen, wo es die Deutschen leichter hatten, sie zu isolieren und niederzumetzeln. Er selbst verließ nur widerwillig seine prächtigen Büroräume im schönen Rathaus. Er beorderte Beobachtungsposten an sogar für einen Laien leicht zu erkennende Stellen wie die venezianischen Kirchtürme und bot den Deutschen die willkommensten Gelegenheiten zu Entfernungsmessungen und Zielübungen. Er unterließ es, diese Posten mit Funkgeräten oder Feldtelefonen auszustatten, und so waren sie gezwungen, mit ihren eigenen

In dieser Nacht sah sich Alekos, in seinen luxuriösen Umhang aus Fallschirmseide gehüllt, vom Ainos aus das Feuerwerk an. Auf dem Hügel über Argostoli sah er Leuchtspurmunition in elegantem Bogen auf die deutschen Stellungen sinken, und er hörte das einfache und doppelte Krachen einschlagender Granaten, ein Geräusch, wie wenn ein Trommler mit einem Filzschlegel auf das Fell einer alten Basstrommel schlägt. Er erblickte zwei strahlende Lichtsäulen, die über der Bucht aufglühten, und zupfte den Mann neben sich, den er früher für einen Engel gehalten hatte, am Ärmel. Bunny Warren sprach gerade hastig in sein Funkgerät. Er hob seinen Feldstecher und sah, dass eine Invasionsflotte eilig zusammengestellter Barkassen von Lixouri ausgelaufen war und wie ein unvorsichtiges Kaninchen, das vor die blendenden Lichter eines Autos geraten ist, von den Suchscheinwerfern erfasst wurde. »Bravo!«, rief er aus, als die italienischen Batterien das Feuer eröffneten und ein Boot nach dem anderen versenkten, während Alekos die herrlichen orangefarbenen Flammenblitze bewunderte, die am Hügel über der Stadt wie Glühwürmchen funkelten. »Diese Spaghettis haben also doch Mumm in den Knochen«, sagte Warren, dessen Griechisch sich nun so weit verbessert hatte, dass er schon fast wie ein Einheimischer klang. Noch einmal versuchte er seine Vorgesetzten von der dringlichen Notwendigkeit zu überzeugen, den belagerten Italienern Luft- und Seeunterstützung zu gewähren, doch die aalglatte Stimme am anderen Ende der

Dr. Iannis und seine Tochter, die beide nicht schlafen konnten, saßen nebeneinander am Küchentisch und hielten sich an den Händen. Pelagia weinte. Der Arzt hätte gern seine Pfeife wieder angezündet, aber aus Rücksicht auf seine verzweifelte Tochter ließ er seine Hände in ihren liegen und wiederholte: »Koritsimou, ich bin sicher, er ist wohlauf.«

»Aber wir haben ihn seit Tagen nicht mehr gesehen«, jammerte sie. »Ich weiß einfach, dass er tot ist.«

»Wenn er gestorben wäre, hätte uns das jemand gesagt, jemand von ›La Scala‹. Das waren alles nette Jungen, sie würden dran denken, uns zu benachrichtigen.«

»Waren?«, wiederholte sie. »Meinst du, die sind alle tot? Du glaubst doch, dass sie auch tot sind, nicht wahr?«

»O Gott«, stöhnte er leicht gereizt. Es klopfte an der Tür, und Stamatis und Kokolios traten ein. Dr. Iannis blickte auf, und beide nahmen ihre Hüte ab. »Hallo, Männer«, begrüßte sie der Arzt.

Stamatis trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und sagte, als wäre es eine Beichte: »Iatre, wir haben beschlossen, rauszugehen und ein paar Deutsche abzumurksen.«

»Soso«, meinte der Arzt, unsicher, was er mit dieser Information anfangen sollte.

»Wir möchten wissen«, sagte Kokolios, »ob wir deinen Segen haben können.«

»Meinen Segen? Ich bin kein Priester.«

»Du kommst aber gleich danach«, erklärte Stamatis. »Wer weiß, wo Pater Arsenios steckt.«

»Natürlich habt ihr meinen Segen. Gott sei mit euch.«

»Velisarios hat seine Muskete hervorgekramt und kommt auch mit.«

»Er hat ebenfalls meinen Segen.«

»Danke, Iatre«, redete Kokolios weiter, »und wir möchten

»Ich werde mein Bestes tun, versprochen. Wissen sie es?«

Die beiden Männer wechselten einen Blick, und Stamatis bekannte: »Natürlich nicht. Sie würden nur versuchen, uns aufzuhalten. Ich könnte das ganze Kreischen und Heulen nicht ertragen.«

»Ich auch nicht«, fügte Kokolios hinzu.

»Ich möchte dir auch dafür danken, dass du mein Ohr geheilt hast. Ich werd’s jetzt brauchen, um die Deutschen zu hören.«

»Es freut mich, dass es noch zu was nützlich ist«, sagte der Arzt. Die beiden Männer zögerten einen Augenblick, als wollten sie noch etwas sagen, gingen aber dann doch. Der Arzt wandte sich an seine Tochter: »Schau, zwei alte Männer ziehen für uns in den Kampf. Fass dir ein Herz. Solange wir solche Männer haben, ist Griechenland nicht verloren.«

Pelagia wandte ihrem Vater das tränenverschmierte Gesicht zu und schluchzte: »Wen kümmert Griechenland? Wo ist Antonio?«

Antonio Corelli schritt in der Dunkelheit durch die Ruinen Argostolis. Das hübsche Städtchen schien bloß noch aus zusammenfallenden Mauern und aus Wohnungen zu bestehen, die wie ein Puppenhaus geöffnet waren und ganze Stockwerke zeigten, wo noch Bilder an den Wänden hingen und hübsche Tücher auf den Tischen lagen. Rings um ihn erhoben sich Trümmerhaufen. Aus einem ragte eine Hand – sehr schmutzig und klein –, deren Finger schlaff und entspannt waren. Er räumte die Brocken beiseite, Steine, die seit venezianischer Zeit Menschen malerisch umgeben und geschützt hatten, und entdeckte den zerschmetterten Schädel eines Mädchens, das etwa im gleichen Alter wie Lemoni gewesen war. Er schaute die bleichen Lippen, das liebe Gesicht an und wusste nicht, ob Zorn oder Tränen ihm die Kehle

Es gab so viel zu tun. Flüchtlinge aus den Dörfern, die von den Deutschen unter Maschinengewehrfeuer genommen worden waren, strömten in die Stadt, und gleichzeitig verstopften die Städter die Straßen mit Handkarren, als sie in die Dörfer zu flüchten versuchten. Es war fast unmöglich, Geschütze und Truppen zu bewegen, und um alles noch schlimmer zu machen, drängten Soldaten aus den umliegenden Gegenden herein, wie Gandin es befohlen hatte; sie boten ein leichtes Ziel und vergrößerten die Verstopfung ungemein. Sie konnten nirgendwo untergebracht werden, die Befehlskette brach schon zusammen, und alle wussten stillschweigend Bescheid, dass ihnen keine Schiffe oder Flieger zu Hilfe kommen würden. Kephallonia war eine strategisch unbedeutende Insel, ihre Kinder brauchten nicht gerettet, ihre uralten und krummen Gebäude nicht für die Nachwelt erhalten zu werden, Fleisch und Blut hier waren denjenigen, die aus luftiger olympischer Höhe einen Krieg führten, nicht so kostbar. Für

Im Morgengrauen des nächsten Tages überrannte ein kaltschnäuziger Oberleutnant mit seinen Männern ein Lager, bestehend aus einer Feldküche und einer Mulikompanie, im Schlaf. Nachdem sich alle ergeben hatten, ließ der Oberleutnant sie erschießen und die Leichen in einen Graben werfen. Von dort führte er seine Männer auf den fichtenbestandenen Hügelrücken bei Daphni und wartete bis acht Uhr, da die neuen Gebirgsjägereinheiten des Majors von Hirschfeld bestimmt von der anderen Seite her eingetroffen sein mussten, um die Umzingelung zu vervollständigen. Wieder wurden die Italiener unvorbereitet erwischt und mussten sich ergeben. Der Oberleutnant scheuchte sie nach Kourouklata und wurde ihrer dann überdrüssig, also stellte er sie an der Kante des Steilhangs auf und erschoss das gesamte Bataillon. Aus rein theoretischem Interesse ließ er die Leichen in die Luft sprengen und war von den Ergebnissen beeindruckt. Die Gegend war berühmt für einen blutroten Wein namens »Thiniatiko«.

Nicht mehr von seinen Gefangenen belästigt, rückte er nach Farsa vor, einem reizvollen Dorf, das die Gebirgsjäger mit Granaten bereits in Schutt und Asche gelegt hatten, während die italienischen Soldaten dort noch verbissen und erfolgreich Widerstand leisteten. Als sie nun von zwei Seiten angegriffen wurden, kämpften und fielen sie, bis nur noch eine kleine Schar übrig blieb, die auf die Piazza getrieben und erschossen wurde. In Argostoli kamen die

Es war am Morgen des 22. September, als Hauptmann Antonio Corelli vom 33. Artillerieregiment in dem Wissen, dass über dem Hauptquartier in Argostoli bald die weiße Fahne gehisst werden würde, nach drei Tagen ohne Schlaf auf sein Motorrad stieg und zu Pelagias Haus raste. Da warf er sich in ihre Arme, ließ seine brennenden Augen an ihrer Schulter ruhen und sagte ihr: »Siamo perduti. Uns ist die Munition ausgegangen, und die Briten haben uns verraten.«

Sie bat ihn zu bleiben, sich im Haus zu verstecken, in dem Loch im Boden, wo seine Mandoline und Carlos Aufzeichnungen waren, aber er nahm ihr Gesicht in die Hände, küsste sie ohne Tränen, da er bei seiner Erschöpfung und Resignation gar nicht mehr weinen konnte, wiegte sie dann in den Armen und presste sie so fest an sich, dass sie dachte, ihre Rippen und ihr Rückgrat würden einen Knacks bekommen. Er küsste sie wieder und sagte: »Koritsimou, das ist das letzte Mal, dass ich dich sehe. Das ist ein ehrloser Krieg, aber ich muss bei meinen Jungen sein.« Er ließ den Kopf hängen. »Koritsimou, ich werde sterben. Richte deinem Vater meine Grüße aus. Und ich danke Gott, dass ich lange genug gelebt habe, um dich zu lieben.«

Er fuhr auf seinem Motorrad davon, die Staubwolke stieg höher als sein Kopf. Pelagia sah ihm nach und ging dann ins Haus. Sie nahm Psipsina in die Arme und setzte sich an den Tisch, kalte Furcht krallte sich in ihr Herz. Männer werden manchmal von etwas getrieben, was für eine Frau keinen Sinn ergibt, aber sie wusste, dass Corelli bei seinen Jungen sein musste. Ehre und gesunder Menschenverstand; im wechselseitigen Licht sind beide lächerlich.

Sie steckte ihre Nase ins Fell hinter den Ohren des Marders, ließ sich vom warmen, süßen Geruch trösten und lächelte. Sie dachte an die jüngste, schon entrückte Zeit zurück, als