16

»Was war es eigentlich genau, was sich für dich nach dem Tod deiner Freundin damals verändert hat?«, fragte Timon, als sie schließlich fertig waren und die Pinsel auswuschen. »Außer der Trauer um sie, meine ich. Du sagst, du läufst zu etwas hin, weißt aber nicht, zu was. Warum suchst du denn überhaupt etwas? Dein Leben mit dem Theater klingt doch interessant.«

Nele warf einen Blick auf die fertige Wand. Jetzt war sie damit zufrieden. Hier war etwas anders geworden als in ihren Kulissen. Diese Darstellung war nicht bloß Hintergrund, hatte nichts Steifes, Stilisiertes, war nicht nur Silhouette. Sie lebte. Sie erzählte eine eigene Geschichte, sprach vom Wald, von dem, was wirklich war.

»Ich glaube, wenn Noelie und ich draußen unterwegs waren, dann entdeckten wir einerseits eine eigene Welt. Wir hatten eine besondere Sprache, die uns half, uns von den anderen abzugrenzen und vor ihrer Verachtung zu schützen. Wir erlebten Abenteuer auf unsere Art, und vielleicht war das eine Phantasiewelt. Wir haben uns endlos Geschichten ausgedacht. Aber andererseits war diese Welt auch wirklich. Wirklicher als alles andere! Es ist schwer zu erklären.« Nele versuchte, die grüne Farbe von ihrem Finger zu schrubben. »Wir waren Stadtkinder, aber es gab ja auch Parks und Gärten und vor allem überall Ecken, in denen es jede Menge zu entdecken gab. Ameisen, Efeu in den Ritzen, Mauerbienen, Katzen, Füchse. Wir waren mit den Spatzen befreundet, und wir zogen Löwenzahn in Töpfen. Wir kannten ein Netz aus verlassenen Schuppen und unbenutzten Kellerfenstern, in denen wir Wohnung spielten, und die Stadt war ein Dschungel aus Feuerleitern, Dachrinnen und Bauzäunen, auf denen man klettern konnte. Wir haben uns viel ausgedacht, aber unsere Kulisse war real, verstehst du? Wir haben alles so genau und tief wahrgenommen, die Geräusche der Maschinen, Menschen und Autos, die Gerüche von Dönerbuden, Regen, Benzin, Klee. Wir wussten, unter welch ungünstigen Bedingungen Brennnesseln einen Platz zum Leben finden. Durch den Müll, den sie wegwarfen, haben wir etwas über die Leute erfahren. Das war alles durch und durch echt.« Endlich war die Farbe weg, nun war da nur noch ein Rest Blau unter den Fingernägeln. Sie bemühte sich, den mit einem Zahnstocher herauszukratzen. »Wir haben uns unfassbar lebendig gefühlt, alles war aufregend. Als Noelie dann nicht mehr da war, war ich kaum noch unterwegs. Ich musste irgendwann lernen, mit den anderen klarzukommen. Ich wollte nicht mehr anders sein. Ich habe versucht, mich den Trends anzupassen. Mode, Musik, Party, Make-up. Ich habe den Lehrern wieder zugehört und fand erschreckend langweilig, was sie uns beigebracht haben. Für mich hatte es kaum etwas mit der Wirklichkeit zu tun.« Nele entsorgte den Zahnstocher und hob die Schultern. »Aber ich passte mich an, weil ich mich so weniger einsam fühlte. Meine Eltern sind Köche und haben beide viel gearbeitet. Sie hatten wenig Zeit für mich. Sie waren einfach nur froh, dass ich endlich normal wurde und funktionierte. Bei meiner Großmutter Vio habe ich mich am wohlsten gefühlt, aber sie wollte sich nicht in die Erziehung meiner Eltern einmischen. Es war nicht mehr meine Welt, in der ich lebte, es war eine Art Kulisse, in der ich mich nicht mehr so lebendig, aber dafür sicher fühlte.«

Timon schrubbte immer noch seine Finger. Er hatte aufmerksam zugehört. »Das verstehe ich«, sagte er. »Und darum hast du das später studiert?«

»Es war für mich inzwischen sowieso alles wie Theater, aufgesetzt und künstlich, als ob wir alle nur eine Rolle spielen. Ich wollte aber etwas mit meinen Händen machen. Wenn ich damit schon nicht mehr sprechen konnte, dann wenigstens etwas gestalten. Und die Rollen mitbestimmen. Ich wollte sogar irgendwann ein eigenes Stück schreiben. Vielleicht mache ich das noch.«

»Wolltest du damit die Kontrolle wiederbekommen?«

»Kann sein.« Interessanter Gedanke, fand Nele. »Ich habe eine Pizza im Gefrierfach, wollen wir uns die teilen?«

»Ich weiß was Besseres. Magst du Fisch?«

»Ja, schon.«

»Dann komm mit. Es ist nicht weit. Auf dem Darß ist gar nichts weit, wenn man einmal hier ist.«

Nele war froh, dem Farbgeruch zu entkommen, und stimmte bereitwillig zu.

»Was hat sich denn nach alledem jetzt für dich geändert?«, fragte Timon im Auto. »Du suchst etwas, aber was hat ausgelöst, dass du dich auf diese Suche gemacht hast?«

Nele blickte auf die vorbeiziehende Landschaft. Erst Wald, dann Wiesen. In der Ferne der Bodden. Hinter den Dünen irgendwo das Meer. Alles schien so weit, so anders. So still, so viel Raum!

»Ich war schon lange unruhig. Vio mit ihrem Auftrag hat mir nur den nötigen Schubs gegeben. Ich wollte ja gar nicht fort und das Theater im Stich lassen, Teddy und die Kinder, so kurz vor der Premiere. Aber als ich dann auf Rügen war, schien alles, was mir so wichtig war, plötzlich weit weg. Ich habe Menschen kennengelernt, die anders waren. Sie waren lebendiger, wirklicher. Wie Noelie. Es fühlte sich an wie meine Welt von früher.«

»Wieder echt?«

»Ja, genau. Und sie haben mich ganz selbstverständlich aufgenommen, ohne mich irgendwie anders haben zu wollen. Ich war nur kurz dort, aber ich habe es gespürt. Sie waren ja selber anders. Dort muss niemand funktionieren, es bringt nur jeder einfach seine Stärken ein. Sie arbeiten mit Tieren, Insekten, Pflanzen, Erde, dem Land selbst. Sie machen sich schmutzig, sie tragen Gärtnerhosen, sie reden über Dinge, die etwas mit ihrem Leben zu tun haben. Und ich hatte plötzlich Zeit. Niemand fand, ich solle irgendwas Bestimmtes tun oder irgendwie sein. Auf einmal saß ich nur da und hatte das Gefühl, ein Vogelbeerbaum hätte mir etwas zu sagen. Verrückt, oder?«

»Nein«, sagte Timon. »Noch vor einiger Zeit hätte ich das auch gedacht. Aber dann habe ich Hella und Quentin kennengelernt.«

»Genau. Das kommt jetzt dazu. Hella und Quentin. Sie sind so … so …«

»So ungeniert sie selbst. Mit all ihren Sorgen und ihrem Kummer, ihren Freuden und Leidenschaften und ihrem Wissen. An ihnen ist alles echt, nichts ist aufgesetzt oder überflüssig. Sie sind etwas Besonderes. Ich kann es auch nicht genau erklären. Du hast mich kürzlich gefragt, was ich hier in der Einsamkeit mache.« Timon bremste, als ein Trecker aus einer Einfahrt fuhr. »Ich war auf der Flucht, ähnlich wie du damals, als du dich den anderen angepasst hast. Ich wollte einfach nur weg.«

»Weg vom Liebeskummer?«

»Ja, so kann man es wohl nennen. Aber es war noch mehr. Ich war vom ganzen Leben enttäuscht. War das alles gelogen, was Natalie mir versprochen und versichert und gezeigt hat, alles, was sie mich glauben ließ? So ähnlich hatte ich es vorher schon einmal erlebt. Warum habe ich das diesmal nicht eher gemerkt? Ich glaube auch, ich habe mich viel zu sehr verbogen, um es ihr recht zu machen. Das ging weit über normale gegenseitige Rücksichtnahme hinaus.« Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ging es mir ein bisschen ähnlich wie dir. Alles erschien rückwirkend wie Theater, seit sie mich verlassen hat. Eben auch nicht mehr echt. Aber dann war da diese Landschaft hier. Ich habe mich für Hella um die Bäume gekümmert. In diesem trockenen Sommer musste man viel gießen. In ihrem eigenen Garten war es nötig, und hier und da haben wir auch im Wald etwas für einzelne gefährdete Bäume getan, die Quentin gefunden hat. Dabei ging es mir immer besser. Ich fing an, mich wieder zu spüren.« Der Trecker hatte sich über die Straße gequält. Timon gab wieder Gas. »Hella und Quentin miteinander zu erleben war eine Wohltat. Diese tiefe, abgeklärte, einfache und ehrliche Liebe zwischen den beiden. Ich fange beinahe wieder an zu glauben, dass es das tatsächlich gibt. Für mich selbst will ich das nicht mehr. Allein geht es mir besser. Freiheit hat so viel für sich. Aber es tut gut zu sehen, dass wohl doch möglich ist, was die beiden miteinander haben.«

Nele sagte nichts dazu. Er war anscheinend noch lange nicht über diese Natalie hinweg. Ihr war das recht. So konnte sie ungezwungen mit ihm zusammen sein.

»Ich denke, du kannst von Hella eine Menge lernen«, sagte er hastig, als hätte er mehr von sich verraten, als er wollte.

»Hast du eine Ahnung, worum sie mich bitten möchte?«, fragte sie.

Er zögerte. »Ich weiß es auch nicht sicher. Sie hat mir gegenüber mal Andeutungen gemacht. Aber dann sagte sie, ich könne ihr dabei nicht helfen.« Er warf Nele einen Seitenblick zu. »Hast du Angst, dass schon wieder jemand etwas von dir fordert, was du nicht selbst möchtest?«

Nele dachte nach. »Nein. Eher Angst davor, sie und Quentin zu enttäuschen.«

»Ich glaube, das musst du dir mal abgewöhnen«, sagte er. »Die Scheu davor, andere zu enttäuschen. Das passiert sowieso. Aber meistens liegt das eher an ihren Erwartungen als an einem selbst. Hab ich ja jetzt wieder erfahren müssen.« Er bog in eine Kopfsteinpflasterstraße ein, die steil nach unten führte. »So, hier sind wir am Althäger Hafen. Von hier aus kannst du Zeesbootfahrten machen, das sind alte hölzerne Fischerboote mit braunen Segeln. Oder einfach nur sitzen und ihnen zusehen. Für mich sind sie der Inbegriff von Booten, nicht diese modernen Yachten und Flitzer aus Kunststoff und Fiberglas. Ich mag eben auch, was echt ist.«

Nele fragte sich unwillkürlich, ob er sie dann überhaupt sympathisch fand oder gerade nur aus Langeweile mit ihr Zeit verbrachte. Sie wusste ja selbst nicht mehr, was an ihr echt war.

Aber sie würde es jetzt herausfinden.

Wenn sie einmal so alt wie Hella wäre, wollte sie ebenso durch und durch zufrieden sein wie neulich jener Jakob Hellmond mit seiner Angelrute.

Timon stellte das Auto ab. »Ich muss noch einen Parkschein ziehen«, sagte er und ging auf einen Automaten zu. Nele stieg aus und sah sich staunend um. Ein verführerischer Duft nach Rauch, Fisch und Bratkartoffeln stieg ihr in die Nase, und sie merkte erst jetzt, wie hungrig sie war. Wenn sie arbeitete, vergaß sie häufig das Essen, aber einen solchen Appetit hatte sie schon lange nicht mehr gehabt. Es musste an der Seeluft liegen. Oder daran, dass sie in letzter Zeit so viel geredet hatte.

Der Duft kam aus einem Restaurant, über dessen Tür »Räucherhaus« stand. Die Menschen auf der Terrasse davor blickten beim Essen auf den kleinen Hafen, in dem die Boote mit den braunen Segeln lagen. Sie wirkten wie aus einem Bilderbuch oder Kalender. Es zog Nele zu ihnen hin, aber nun kam Timon zurück. »Lass uns erst essen, ehe es noch voller wird!«

Sie ergatterten einen Tisch draußen, von dem aus sie das Wasser und die Bootshäuser überblicken konnten. Nele fühlte sich endgültig wie im Urlaub. Warum auch nicht, sie hatte schließlich lange keinen mehr gemacht.

»Ich nehme die Matjeshappen mit Äpfeln, Zwiebeln, Schwarzbrot, Preiselbeeren und Sauerrahm«, sagte Timon. »Das schmeckt göttlich.«

Er klang so überzeugend, dass Nele kurz entschlossen dasselbe bestellte. Nach dem ersten Bissen schloss sie die Augen. »Hui. Köstlich! Du hast nicht übertrieben!« Sie hatte ganz vergessen, was für ein Genuss Essen sein konnte. Ihre Eltern hatten früher zu Hause die tollsten Sachen ausprobiert, aber seit sie in Belgien waren und Nele in ihrer WG wohnte, hatte sie sich meist auf Pizza, Salat oder Rührei beschränkt. Und Vio war auch nicht gerade leidenschaftlich in der Küche tätig.

»Freut mich.«

Sie aßen schweigend. Hiervon musste man jeden Bissen auskosten.

Danach schlenderten sie auf den Steg. Zwei große Zeesboote lagen dort. Nele betrachtete interessiert die vielen Details – die Nähte an den braunen Segeln, die Knoten in den dicken Tauen, die hölzernen Planken. Unwillkürlich stellte sie sich vor, wie sie in Anlehnung daran eine ganz neue Art von Kulisse gestalten könnte, doch dann bremste sie sich. Das wollte sie nicht, nicht jetzt jedenfalls. Sie wollte gerade einfach nur erleben und genießen.

Auch viele kleine Kähne und Boote gab es hier, die sich im Wasser des Boddens spiegelten, und Menschen, die auf diesen Booten kochten oder Zeitung lasen und sehr zufrieden aussahen. Kormorane hockten schläfrig auf verwitterten Holzpfählen.

Am Ende des Stegs öffnete sich das hohe Schilf wie ein Tor in die helle Weite des Boddens, und man sah nur noch Wasser, Himmel und Licht. Ein weiteres Boot segelte langsam heran, schräg in den Wind gelehnt, winzig klein noch in der Ferne, wie ein Spielzeug.

Auf den hölzernen Brettern des Stegs entdeckte Nele mit Kreide geschriebene Buchstaben. Fast wäre sie gestolpert, weil sie erst dachte, da läge etwas.

RAUSCHEN

Timon bemerkte Neles Blick.

»Das ist so eine Art Tradition hier«, erklärte er. »Ein alter Kapitän, der hier lebte, hat damit angefangen. Er saß oft dort und hatte immer ein Stück Kreide hinter dem Ohr stecken. Er schrieb ein Wort auf den Steg, das ihm etwas bedeutete und über das er nachdenken wollte. Wenn jemand vorbeikam und fragte, teilte er mit, was ihm dazu eingefallen war, und bot den Menschen an, selbst ein Wort hinzuschreiben. Hin und wieder macht das immer noch jemand, obwohl er längst gestorben ist.«

»Rauschen«, murmelte Nele.

»Komm, wir setzen uns, dann können wir darüber nachdenken«, schlug Timon vor. »Ich sitze immer gern hier.«

Er ließ sich auf dem warmen Holz nieder und ließ die Beine über dem Wasser baumeln. Nele tat es ihm gleich. Herrlich, wie sorglos man sich dabei fühlte. Das Holz vibrierte ein wenig, wenn jemand hinter ihnen vorbeischlenderte. Im Wasser sprang ab und zu ein Fisch. Ansonsten war es ruhig. Doch als Nele die Augen schloss, hörte sie es. Erst war es nur das Gluckern des Wassers unter dem Steg und an den Flanken der Boote. Dann kam wieder eine Brise auf. Sie brachte das Schilf in Bewegung, das zu flüstern begann, dann schwoll das Flüstern zu einem emsigen Rauschen an. Der Wind fuhr in die Kopfweiden am anderen Ufer und in eine Silberpappel, und auch in ihren Kronen begann das Rauschen in einer etwas anderen Tonlage und fügte sich in die Stimmen des Schilfs ein. Schließlich trieb der Wind den Klang der Wellen über das schmale Land bis in den Hafen, blies unterwegs noch durch die Äste der Eichen und Kiefern und Kartoffelrosen auf den Dünen, und es wurde ein Chor daraus, ein leichtes, tragendes Brausen.

Es klang beruhigend. Nele lauschte und konnte sich hineinfallenlassen wie in eine Wiege. Und zugleich war es aufregend, als wolle es etwas ankündigen, als wäre es eine Einladung zu etwas. Endlich kam ihr in den Sinn, wo sie dem Wort »Rauschen« erst kürzlich begegnet war.

Denn das zweistimmige Rauschen von Brandung und Wald ist die perfekte Melodie, die uns Frieden gibt und zugleich in Bewegung bringt …

Das waren Joram Grafunders Worte gewesen, so hatte Vio sie in ihrer Geschichte auf dem Schild zitiert.

Zum ersten Mal ahnte Nele, was er gemeint hatte.

Wenn das Rauschen bereits hier so viel zu sagen hatte, wo das Meer fern hinter den Dünen lag und es keinen Wald gab, nur ein paar Bäume – wie mochte es dann erst dort klingen, wo sich Wald und Küste trafen?

»Timon, würdest du mir wirklich mehr vom Wald zeigen? Dort, wo Hella nicht mehr hinkommt, außer mit der Kutsche? Wo man ein Fahrrad braucht? Ich möchte auch so gern den Leuchtturm sehen. Hättest du Zeit dafür? Und Lust?« Nele setzte sich auf. »Oder soll ich sie lieber fragen, ob sie das mit der Kutsche mit mir machen würde?«

»Nein. Das ist nicht mehr gut für sie, das Rütteln tut ihr in den Gelenken weh. Außerdem sind die Kutschen immer voller Leute. Da hat man keine Ruhe. Ich mach das gern, und Hella hat noch zwei funktionierende Fahrräder im Schuppen. Nur morgen geht es nicht. Da muss ich mit Quentin zum Augenarzt nach Ribnitz-Damgarten. Zur Routinekontrolle. Das ist immer ein wenig anstrengend für ihn, da ist es gut, wenn er sich darauf freuen kann, dass du uns abends etwas auf der Gitarre vorspielst. Aber am Tag danach können wir das machen. Es wird mir guttun, mich auszupowern.« Er musterte sie fragend. »Traust du dir das zu? Es ist eine beachtliche Tour mit dem Fahrrad von Born bis zum Leuchtturm und zurück, und dazwischen ein Spaziergang am Strand. Am besten nehmen wir ein Picknick mit.«

»Das schaffe ich schon«, sagte Nele. »Ich fahre öfter mit dem Fahrrad. Und um das Picknick kümmere ich mich.« Zum ersten Mal fiel ihr auf, dass Timons Augen, wenn das Licht sie traf, nicht nur dieses wechselnde Grau besaßen. Jetzt gerade entdeckte sie honigfarbene Stellen in der Iris.

»Na, dann. Abgemacht. Ich freu mich drauf! Und jetzt muss ich los, den beiden Abendessen machen.« Timon stand auf. »Hat Spaß gemacht mit deiner Wand. Ich finde, sie ist echt schön geworden.«

»Mir gefällt sie jetzt auch. Vielen Dank für deine Hilfe.«

Er setzte sie am Sandregenpfeiferhaus ab, doch Nele fühlte sich so lebendig und fand die verträumte Abendstimmung so schön, dass sie noch zu dem kleineren Borner Hafen spazierte. Sie sah den Möwen zu, den Fischen und den Booten und lauschte auch hier dem Rauschen, wenn es kam. Der Wind in der Takelage der Segelschiffe gehörte ebenfalls dazu, stellte sie fest. Dort sang er sogar. Und dann gab es noch das Rauschen in den Flügeln der Enten und Schwäne, wenn sie dicht über dem Wasser vorbeiflogen.

Wenn der Wind zwischendurch ausruhte, dann lauschte sie der Stille.