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»Jakob, weißt du, wo ich eine dicke Holzscheibe herbekomme, so einen Querschnitt durch eine etwa zweihundert Jahre alte Kiefer?«, fragte Nele, während sie durch seinen Schuppen wanderte, Werkzeuge und Farbdosen betrachtete und hier und da ein Holzbrett anhob. Sie fühlte sich längst zu Hause in seiner Werkstatt. Jakob war einfach ein so wunderbar entspannter und unkomplizierter Mensch. Sie hatte noch nie gehört, dass er sich abfällig über irgendjemanden geäußert hatte. Er urteilte einfach nicht. Mit so etwas verschwendete er keine Zeit. Das war unglaublich angenehm.

Jakob nickte. »Ich kenne da einen pensionierten Waldarbeiter, der stellt aus solchen Scheiben Tischplatten her, um sie an Feriengäste zu verkaufen. Kleinere Beistelltische meist, sie müssen ja ins Auto passen. Er hat auf seinem Grundstück immer Teile dafür herumstehen, manche schon poliert. Die größeren wird er schwer los. Da ist sicher etwas für dich dabei. Soll ich ihn anrufen?«

»Das wäre wunderbar.« Sie erklärte ihm, wozu sie das Holz benötigte.

»Schöne Idee«, meinte er und griff nach seinem Handy. »Übrigens gefallen mir deine Zeichnungen auf den Trichtern sehr. Ich habe jetzt alles schon einmal mit dem transparenten Bootslack gestrichen, dadurch sind sie noch deutlicher geworden. Sieh es dir an. Da müssen aber zwei weitere Schichten drauf, und jede davon muss lange trocknen. In der Zwischenzeit hätte ich einen ganz anderen Vorschlag für dich. Aber erst rufe ich Eike an.«

Während er sprach, untersuchte Nele die Trichter. Ja, die Tinte wirkte unter dem Lack tatsächlich noch kontrastreicher, noch plastischer. Nun gefiel es ihr selbst richtig gut, und sie hoffte, dass ihr Großvater es auch so gesehen hätte.

Jakob brauchte nicht lange. »Eike sagt, er hat das Richtige für dich. Der Preis ist Verhandlungssache, aber er kennt Hella. Ich denke, das wird nicht allzu schlimm. Ich könnte dich hinfahren, ich habe einen Anhänger. Da bekommen wir das mit vereinten Kräften drauf. Dann könntest du hier in der Werkstatt daran arbeiten, und danach bringen wir die Scheibe in den Wald, wenn du möchtest.«

»Jakob, du bist einfach unglaublich. Wenn alle wären wie du, gäbe es kaum Probleme in der Welt«, sagte Nele und umarmte ihn spontan.

Er lachte. »Danke, Nele. Aber wenn alle so wären wie ich, wäre die Welt viel langweiliger. Ich bin nicht so kreativ wie ihr.«

»Das ist gut so. Kreative neigen zum Chaos. Du schaffst Ordnung. Wann passt es dir denn?«

»Von mir aus gleich. Eike hat gerade Zeit.«

»Wunderbar! Was war eigentlich der Vorschlag, den du mir machen wolltest?«

»Das erzähle ich dir unterwegs.«

Zusammen brachten sie den Anhänger in Stellung. Jakob fixierte ihn an der Kupplung. »So, ist fest. Steig ein. Es ist nicht weit zu Eike.«

Er konzentrierte sich zunächst auf den Weg. Nele wartete neugierig. Wenn Jakob etwas zu sagen hatte, war das immer etwas von Gewicht. Smalltalk war nicht seine Sache.

»Du hast ja von Hella inzwischen sicherlich einiges über deinen Großvater erfahren«, sagte er schließlich. »Genügt dir das?«

»Ich habe jetzt eine Vorstellung«, sagte Nele. »Jedenfalls von ihm, als er jung war. Warum fragst du?«

»Na ja, Hella ist viele Jahre nicht hier gewesen. Sie hatte nie wieder Kontakt zu Joram. Ich habe dich zuerst zu ihr geschickt, weil du nach Bäumen fragtest, und ich dachte, dass du mit ihr vielleicht die Sache mit der Windharfe in Ordnung bringen könntest. Wer weiß, wie viel Zeit ihr noch bleibt. Aber ich denke auch, dass da noch jemand ist, den du treffen solltest. Nur wenn du möchtest, natürlich. Und wenn er zustimmt.«

»Jemand, der Joram später gekannt hat?«

Jakob zögerte. »Nicht direkt. Sagen wir, er hat Informationen. Ich kann dir nicht mehr darüber sagen, er muss das selbst entscheiden. Weißt du, meine Werkstatt ist hier in Born, aber ich wohne mit meiner Frau Ylvi in Ahrenshoop. Dort haben wir Nachbarn, eine Familie Prevo. Du wirst sie mögen, sie sind kreativ wie du und betreiben eine Töpferei. Ich denke, es wäre gut, wenn du sie kennenlernst. Ich möchte Philip Prevo nur vorher fragen.«

»Sehr gerne.« Nun war sie noch neugieriger.

Auf ihrem Handy ging eine Nachricht ein. Von Timon.

Wo bist du? Hast du gerade Zeit?

Vielleicht später. Bin mit Jakob auf dem Weg zu einem Eike, um eine Baumscheibe anzusehen.

Prima, die Idee mit Eike hatte ich auch. Und noch eine andere. Ich komme dorthin, ihr könnt bestimmt Hilfe gebrauchen.

Bestimmt. Danke, ich freu mich.

Timon wollte sie sehen und interessierte sich wirklich für ihr Projekt! Nele war es beinahe vor sich selbst peinlich, wie glücklich sie das machte.

»Timon kommt helfen«, sagte sie. »Anscheinend kennt er diesen Eike auch.«

Jakob warf ihr einen Blick zu. »Ja, Eike hilft Hella manchmal im Garten mit schweren Arbeiten.« Er schwieg einen Moment. »Timon ist in Ordnung, Nele«, fügte er schließlich hinzu. »Hella hätte ihn sonst niemals eingestellt. Und ich habe bemerkt, wie er mit ihr und Quentin umgeht.«

»Ich weiß. Nur, er …« Sie wusste nicht, wie sie es sagen sollte.

»Er mag dich. Manchmal braucht jemand einfach Zeit. Dafür kann es viele Gründe geben. Zeit ist etwas unendlich Wertvolles, und man darf sie nicht verschwenden. Aber es ist keine Verschwendung, sich für ganz große Dinge die Zeit zu lassen, die nötig ist.« Er lachte etwas verlegen auf. »Entschuldige bitte! Es ist sonst nicht meine Art, ungefragt Ratschläge zu erteilen. Aber ich habe gesehen, wie ihr euch gegenseitig anregt und lebendig macht. Das ist selten. Ich habe euch beide ins Herz geschlossen. Verzeih einem sentimentalen älteren Mann, der seine Tochter vermisst.«

»Lieber Jakob, ich schätze deinen Rat! Sehr sogar. Ich vermisse ja selber meine Großmutter, weißt du. Die war sonst für Ratschläge zuständig. Aber am Telefon ist es nicht dasselbe. Wann kommt deine Tochter – Anna-Lisa? – denn wieder?«

»Das weiß man bei ihr nie. Sie legt sich nicht gern fest. Irgendwann taucht sie immer auf. Aber sie schreibt mir ja. Sie ist glücklich, denke ich. Ich muss Geduld haben. Da predige ich dir, dass die Dinge Zeit brauchen, und vergesse es selbst. So, wir sind da.« Jakob bog ab und rumpelte auf ein verwildertes Grundstück.

»Geduld kann man von den Bäumen lernen, sagt Hella. Und Vio hat das früher auch behauptet, da habe ich es nur noch nicht verstanden. Das ist jetzt anders«, bemerkte Nele. Wie sehr, wurde ihr klar, als sie die alten Bäume sah, die das Grundstück umstanden, und die Stämme und Holzscheiben, die wild im Gras verteilt lagen oder an Stapel angelehnt waren. Der Anblick erdete sie, flutete sie mit Ruhe und Zuversicht. Es war, als ob Spuren der kondensierten, im Holz Gestalt gewordenen Zeit und Kraft direkt in sie übergingen, vor allem, als sie ausstieg und die Hand auf einen dicken, moosbedeckten Stamm legte.

Es hatte noch immer nicht geregnet. Das Gras war braun und ausgeblichen und zerbröselte bei jeder Berührung. Inmitten dieser erschöpften Zerbrechlichkeit wirkte das Holz tröstlich stabil. Dies hier waren die Knochen der Bäume, waren ihr Innerstes, das Gerüst, was sie zusammengehalten hatte, die Essenz, die weit über ihren Tod hinaus blieb. Wenn man den Wald belaubt erlebte, den Wind in den Baumkronen rauschen hörte und die bunten Blätter in Bewegung sah, während sie die Äste noch wie ein buntes Kleid vor Blicken verbargen, vergaß man ihren harten Kern. Die Blätter waren nur der eine Teil ihres Zaubers, das Holz der andere.

Feuerholz hatte den Menschen die Möglichkeit geschenkt, sich zu wärmen, zu verteidigen und besser zu ernähren. Natürlich waren die Ernten wichtig, der unzählige Reichtum an Nüssen, Äpfeln, Birnen, Kirschen, Pflaumen, Pfirsichen und anderen Früchten, die Genuss, Vitamine und das ganze versammelte Glück einer Sommersaison in ihren Aromen spendeten. Das Harz, wie es Quentin gewonnen hatte, war für viele Herstellungsprozesse wichtig gewesen. Aus dem Holz der Bäume aber baute man Gehstützen, Musikinstrumente, Möbel, Kirchen, Häuser, Schiffe, Brücken und die ersten Flugzeuge. Neles Großvater hatte daraus seine eigene Art von Kunst geschaffen. Wie lang und innig war durch all dies die vielfältige Beziehung von Menschen und Bäumen!

Bei ihren Recherchen wegen der Beschriftung der Baumscheibe war Nele auf so vieles gestoßen, was sie nicht gewusst hatte. Es gab Dorflinden, unter denen Hochzeiten und andere Feste gefeiert wurden, Gerichtslinden, unter denen Urteile gefällt wurden, Hutebäume auf Weiden, unter denen die Kühe im Schatten ruhen konnten. Hausbäume, die ein Heim beschützten und ihm eine Identität verliehen. Bäume, die zur Erinnerung gepflanzt wurden, an Ereignisse, an Verträge oder an Menschen, so wie es Hella tat. An Menschen, die man liebte. Nicht geliebt hatte , denn mit deren Tod war das Lieben ja nicht vorbei. So ein Baum war ein lebendiger Zeuge, anders als ein Grabstein, anders als ein Denkmal.

Nele dachte an Joram und daran, wie weder Vio noch Hella ihn vergessen hatten. Bestimmt hatte Hella auch für ihren Arthur einen Baum gepflanzt. Ein Zeichen der Liebe, des Gedenkens und der Hoffnung.

Ja, Hoffnung. Nicht nur Geduld konnte man von den Bäumen lernen, auch Hoffnung. In jeder Kastanie, Eichel oder Nuss, jedem Apfelkern und Tannenzapfen, der zu Boden fiel, jedem Ahornsamen, der sich geflügelt mit dem Wind aufmachte, steckten die Hoffnung und Zuversicht, dass er einen guten Ort finden und ein ganzer Baum daraus wachsen würde. Was für ein unglaublicher Vertrauensvorschuss! Nele beschloss, es mit ihren Gefühlen für Timon genauso zu machen. Vielleicht würden diese ja auch irgendwann wachsen dürfen. Es dauerte nun mal, bis aus Winter Sommer wurde, bis etwas keimte und Wurzeln zog …

»Hallo, Eike!« Jakob war ein paar Schritte vorausgegangen und begrüßte einen kleinen, fröhlichen Mann mit breiten Schultern, der Nele unwillkürlich an einen Gartenzwerg erinnerte.

Eike strahlte sie an. »Jakob hat mir schon gesagt, was du suchst«, sagte er, als ob sie sich schon lange kennen würden. »Bitte sehr, du hast die Wahl. Sieh mal, aus dieser Scheibe wollte ich einen Tisch bauen, die ist schon poliert und lackiert. Der Kunde ist nur abgesprungen, weil ihm die Platte doch zu schwer war. Kostet natürlich etwas mehr als rohes Holz, ist aber auch ein besonders wertvolles Stück! Einzigartig!« Er zog eine Plane von etwas Großem, das an einer Schuppenwand lehnte. Eine beeindruckende Scheibe kam zum Vorschein, mattglänzend und mit markanten Jahresringen. Nele strich unwillkürlich über die Oberfläche. »Wunderschön. Aber …«

»Das ist eine Buche, Eike«, sagte Jakob. »Wir suchen Kiefernholz. Und einzigartig sind sie alle. Wie bei Schneeflocken.«

Eike zwinkerte ihm zu, ohne jede Verlegenheit. »Ich weiß. Versuchen konnte ich es ja mal.«

»Ich brauche sowieso unlackiertes Holz«, fügte Nele hinzu.

»Gut, dann kommt mal mit.« Eike winkte sie um eine Ecke. Dort standen mehrere Scheiben und Stücke, diesmal zwar glatt gesägt und leicht geschliffen, aber unlackiert. »Das hier ist auch Buche, aber die beiden anderen sind Kiefer. Sagt euch eine davon zu?«

»Das musst du entscheiden, Nele. Überleg es dir in Ruhe«, sagte Jakob. Als Eike sich ein Stück entfernt hatte, fügte er leise hinzu: »Kiefer ist es tatsächlich, und eine gesunde Qualität. Vom Alter her passen sie auch.« Dann ließ er Nele allein und verwickelte Eike in ein Gespräch. »Wenn es nicht endlich regnet, werden wir Waldbrände bekommen. Anderswo ist es längst schon so weit«, sagte er. »Das macht mir Sorgen. Und wir werden auch ohne Feuer Bäume verlieren.«

»Ja, nun lebe ich schon so lange, aber an einen so extrem trockenen Sommer kann ich mich nicht erinnern«, erwiderte Eike.

Vorn auf dem Weg hörte sie Timons Auto kommen. Das Geräusch des Motors war ihr bereits vertraut. Kurze Zeit später tauchte er zwischen den Büschen auf. »Hey, Nele. Die sehen ja gut aus! Welche nimmst du?«

Sie nahm sich Zeit, betrachtete erst die eine, dann die andere Scheibe, legte die Hand darauf und schloss die Augen. Warum, hätte sie nicht erklären können, aber sie fühlte deutlich, welches Holz besser dorthinpasste, wo sie es haben wollte.

»Diese«, sagte sie schließlich und öffnete die Augen wieder.

Timon ging zu den Männern hinüber.

»Hallo, Eike. Nele hat sich entschieden.« Zusammen kamen sie zurück.

»Die hier«, sagte Nele. »Was soll sie kosten?«

Jakob hatte angeboten, die Verhandlung für sie zu übernehmen. »Eike ist in Ordnung, aber auch ein Schlitzohr, wenn es um das Geschäftliche geht«, hatte er gewarnt.

»Schon gut, das kann ich selbst«, hatte Nele versichert. Sie war es gewohnt, um Material zu feilschen. »Sag mir bitte nur ungefähre Eckdaten. Von Holzpreisen weiß ich absolut nichts.«

Mit dieser Orientierung bewaffnet, verhandelte sie nun mit Eike. Es machte ihr zunehmend Freude. Als sie das Geschäft besiegelt hatten, wischte sich Eike theatralisch über die Stirn. »Da hast du mir ohne Vorwarnung eine Geschäftsfrau angeschleppt, Freundchen!«, beschwerte er sich lächelnd. »Sieht aus wie die reine Unschuld, und dann so was!«

»Geleitet, mein Lieber. Ich habe sie nicht geschleppt, nur geleitet.« Jakob freute sich. »Gut, dass du gekommen bist, Timon, jetzt wird jede Hand gebraucht.«

Mit vereinten Kräften, einer untergelegten Gummimatte, einigen Keilen, zwei Hebelstangen und einer Rampe rollten sie die Scheibe auf Jakobs Anhänger. Dort lehnten sie sie gegen eine schwere Kiste.

»Lassen … wir … sie … besser … aufrecht stehen«, sagte Jakob schweratmend.

»Ja, vielleicht kann ich sie gleich auf dem Anhänger bearbeiten«, schlug Nele vor.

»Das ist eine gute Idee«, fand Timon. »Wir können den Anhänger rückwärts in die Garage fahren, dort im Trocknen die Scheibe fertig bearbeiten und dann gleich an Ort und Stelle in den Wald bringen. Runterrollen geht ja leichter.«

Wir , hatte er gesagt. Er würde ihr also helfen! Und hatte er nicht eine Idee erwähnt?

»Gut.« Jakob nickte. »So machen wir das.«

»Ich fahre euch hinterher, dann kann ich dich in die Garage winken. Rückwärts mit dem Anhänger ist ja so eine Sache«, meinte Timon, als er einstieg.

»Danke, Junge«, sagte Jakob ernsthaft. Aber Nele sah das amüsierte Schmunzeln in seinen Augen. Er hätte das gut ohne Timon geschafft.

Diese Vermutung bestätigte sich. Timon stellte sich zwar hin und winkte, doch Jakob verließ sich lieber auf sein Können.

»Ich wollte dir etwas vorschlagen, Nele«, sagte Timon, kaum dass sie den Anhänger vom Wagen gelöst hatten. »Ich könnte dir kleine Schilder mit Jahreszahlen für die Baumscheibe schnitzen. In Form von Eicheln zum Beispiel. Die könntest du dann entlang eines Zeitstrahls auf das Holz nageln. Dann wird es plastischer und lebendiger.«

»Und dann mit der Waldtinte die Texte danebenschreiben«, spann Nele den Faden weiter. »Timon, das ist eine super Idee! Danke!« Es berührte sie tief, dass er sich so mit ihrem Projekt beschäftigt hatte. Dass er teilhaben wollte.

»Es ist nur, ich bin morgen den ganzen Tag weg«, sagte er etwas verlegen. »Ich bin Trauzeuge bei einem Freund in Rostock.«

Für einen Moment dachte sie, er würde sie bitten, ihn zu begleiten. Doch das tat er nicht.

»Danach kümmere ich mich gleich um das Schnitzen«, versicherte Timon.

»So eilig ist es ja nicht. Ich muss sowieso erst mit Hella sprechen, um herauszufinden, wie ich das mit den Texten am besten machen kann. Kommen Hella und Quentin denn ohne dich zurecht?«

»Morgens bin ich ja noch da. Anziehen, Frühstück, das mache ich alles. Mittag bereite ich vor, das kann Hella gut allein aufwärmen.« Er zögerte. »Sie würden sich aber sicher freuen, wenn du gegen Abend mal nach ihnen siehst. Wenn du magst. Es wird bestimmt spät, bis ich komme. Du weißt ja, Hochzeitsfeiern … als Trauzeuge kann man sich nicht allzu früh absetzen.«

»Natürlich, gern, ich muss doch sowieso mit Hella sprechen. Mach dir keine Sorgen. Genieß einfach die Feier.«

»Prima. Danke.« Er sah erleichtert aus. »Quentin fragt auch oft, ob du ihnen wohl noch einmal was vorspielst.«

»Na klar, sehr gerne.«

»Danke, Nele!« Er sah aus, als würde er noch etwas sagen wollen, doch dann hob er die Hand zum Gruß. »Ich muss los. Bis dann, ihr zwei.«

Nele sah ihm nach.

Zeit. Manche Dinge brauchen Zeit, hatte Jakob gesagt.

Nun, sie hatte Zeit.

»Jakob, meinst du, du könntest deinen Nachbarn jetzt anrufen und dich erkundigen, ob es ihm morgen passen würde? Ich habe vormittags nichts vor. Du hast mich neugierig gemacht.«

Jakob zögerte. »Ich glaube, ich möchte ihn lieber nicht am Telefon fragen. Das mache ich nachher, wenn ich nach Hause komme, und schicke dir dann eine Nachricht, einverstanden?«

»Ist gut. Danke!«

Insgeheim wunderte sie sich. Das schien eine sehr persönliche Angelegenheit zu sein. Was war das, was sie nicht wusste?

Seine Antwort kam erst am Abend. Da war Nele, müde von ihrem Tag, bereits beinahe auf dem Sofa unter dem Nashorn eingeschlafen.

Geht in Ordnung. Morgen so um zehn. Adresse anbei. Herzlichen Gruß, Jakob