ZEHN

GRANT

Gefährte.

Unser.

Gefährte.

Es war kaum wahrnehmbar, aber ich konnte ihn zum ersten Mal wieder hören, seit Heiler mir diesen widerlichen Trank gegeben hatte.

Ich ignorierte mein Tier. Er war schwach genug, um keine Bedrohung darzustellen und Kit in Besitz zu nehmen, obwohl er es nicht durfte, und ich wollte diese Zeit genießen.

Kit war alles, was ich mir immer in einem Gefährten gewünscht hatte. Wenn die Situation doch nur eine andere wäre. Wäre Kit ein Streuner oder in eines jener Rudel von Berglöwen hineingeboren, von denen ich gelesen hatte, die eher gemeinsam Land besaßen, aber ohne Machtstrukturen, dann würde dieses Rudel-Problem gar nicht existieren. Aber das war er leider nicht. Sein Rudel funktionierte eher traditionell und das war eben unsere Realität. Wir konnten uns die Karten nicht aussuchen, wir konnten nur so gut wie möglich mit ihnen spielen.

Ich kuschelte mich etwas enger an Kit. Wir hatten gar nicht einschlafen wollen. Zumindest ich nicht. Aber mein Magen war voll und ich hatte so viel Energie aufgebraucht bei dem Versuch, ihn nicht ohne seine Einwilligung in Besitz zu nehmen, dass der Schlaf mich übermannte, sobald wir in der Sonne lagen und über alles und nichts plauderten.

Es war leicht, mit ihm zu reden und ich selbst zu sein. Lange würde das nicht mehr andauern. Ich traute meinem Tier noch nicht, sich richtig zu benehmen, wenn er richtig wach war, und hätte ich ihm vertraut, dann säße ich jetzt mit meinem Hintern bei der Arbeit und läge nicht schlafend in den Armen meines Gefährten.

Aber das hier, wir beide als Menschen – das war schön.

Ich lauschte auf seinen langsamen, gleichmäßigen Atem, seine Brust hob und senkte sich unter meinen Armen. Ich war absolut der Kuschelbär in diesem Szenario. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich, ich sollte mich zurückziehen. Es war nicht fair ihm gegenüber, ihn so berühren zu wollen, mit dem Wissen, dass es mehr als das hier nie geben würde. Ich wollte sein Tier nicht reizen. Es war einfach nicht fair.

Aber ich konnte mich nicht dazu überwinden, mich zu bewegen. Es war zu schön und sicher und warm hier. Daher entspannte ich mich einfach in der Hoffnung auf etwas erholsamen Schlaf. Der kam nicht, aber die Ruhe, die sich nach dem Schlaf einstellte, war noch besser. Auf diese Weise verpasste ich wenigstens nichts von unserer kurzen Zeit zusammen.

Es war beinahe schade, als er anfing, sich zu regen, denn ich wollte nicht, dass dieser Augenblick endete.

„Ich wollte nicht einschlafen.“ Seine Stimme war schwer und benommen. „Ich wollte nur warten, bis du aufwachst.“

„Ich bin zuerst eingeschlafen.“ Ich fing an, mich aufzurichten. Ich hasste den Verlust seiner Wärme, aber ich wusste, unsere Zeit neigte sich dem Ende. Es war eine Sache, zu kuscheln, wenn man schlief und nicht merkte, was man da tat, aber etwas völlig anderes, wenn es mit Absicht geschah.

„Ich muss sagen, meistens finden die Leute mich unterhaltsam und nicht zum Gähnen.“

Ich blickte hinab und fing sein sexy Schmunzeln auf, dann zwinkerte er mir zu und ich wollte mich auf ihn stürzen und wieder richtig kuscheln.

Und wenn möglich noch viel mehr.

Was ganz und gar nicht die Art war, wie ich über ihn nachdenken sollte. Er reiste bald ab. Ich würde nicht mit ihm gehen. Etwas anzufangen, das wir gern fortsetzen wollten, aber nicht sollten – das war uns beiden gegenüber nicht fair.

Nicht, dass mein Schwanz auf mich gehört hätte.

„Es ist mir schwergefallen, mich nicht zu verwandeln, als ich …“ Ich sprach nicht zu Ende. Er wusste, von welchem als ich sprach. Er hatte es selbst miterlebt. „Es hat mich erschöpft.“

„Ich bin froh, dass du dich bei mir sicher genug fühlst, um zu schlafen.“ Er stand auf und streckte sich.

Mein Blick wanderte direkt zu seiner Mitte und ich sah den Hauch von etwas Haut, die unter dem T-Shirt zutage trat. Als ich merkte, was ich da tat, wandte ich den Blick ab, aber nun starrte ich auf seiner Jeans, die im Schritt genauso spannte wie meine.

„Das muss dir nicht peinlich sein. So ist es eben.“

Ich hob den Kopf, mein Gesicht brannte. „Was?“

„Wir werden in der Gegenwart des anderen einen Steifen bekommen. Das gehört dazu bei Gefährten.“ Er sagte es, als würde er mir mitteilen, ich sollte Eier in die Pfanne schlagen, um sie zu braten. Keine Gefühle schwangen da mit, einfach nur die bloßen Fakten.

„Macht dich das nicht wütend?“ Ich stand auf.

„Schon, aber nicht aus den Gründen, die du wohl annimmst.“

Das weckte meine Aufmerksamkeit, nicht dass irgendetwas in ihm nicht meine gesamte Aufmerksamkeit erregte.

„Ich bin wütend auf meinen Alpha. Ich bin wütend über die Situation. Ich bin wütend auf das Schicksal.“ Er schloss die Augen und atmete tief ein. „Nichts davon liegt in unserer Macht. Gar nichts.“

„Ich bin auch wütend auf all das. Aber ich sehe nicht, wie wir es in Ordnung bringen können.“ Und das hasste ich.

„Ich weiß es doch auch nicht.“ Er überwand die Distanz zwischen uns und legte eine Hand auf meine Wange. „Aber wir werden es schaffen. Wir müssen einfach. Das Schicksal macht keine Fehler.“

Ich konnte von seiner Zuversicht nur träumen.

„Und wenn doch?“

„Wenn doch, dann bleibt uns diese gemeinsame Zeit.“ Er lehnte seine Stirn gegen meine. „Diese Zeit bleibt uns.“

Kit nahm mir die Sachen ab und wir gingen schweigend zu mir zurück, während ich darüber nachdachte, was er gesagt hatte. Uns blieb diese Zeit. Mehr wurde uns nicht versprochen. Ich nahm an, das galt wohl für jedes Paar, aber wir hatten ein Ablaufdatum, eines, das in rasender Geschwindigkeit auf uns zu kam.

„Ich sollte mich kurz bei Aspen melden, damit er weiß, dass es dir gut geht.“

Wir standen vor meiner Eingangstür und er machte keine Anstalten zu gehen, was gut war. Ich ging davon aus, dass ich nicht gut damit würde umgehen können, wenn er ging. Nicht jetzt – wenn es noch nicht notwendig war.

„Ich könnte mit dir gehen“, bot ich an. „Ich sollte ihn wissen lassen, dass mein Bär sich etwas regt.“

„Ich dachte schon, ich hätte ihn gespürt, aber dann nahm ich an, ich wäre einfach schläfrig und hätte noch halb geträumt.“ Er stellte die Dinge, die wir mitgebracht hatten, auf der Veranda ab. „Wir sollten auch zum Heiler gehen. Er meinte, dass es dem Bären gut ginge und dass es keine große Sache wäre, aber es fühlt sich an, als sollte es eine große Sache sein.“

Ich verstand, was er damit meinte. Unsere Tiere koexistierten doch mit uns, wir waren quasi ein Team. Das meiner rebellierte, war eine Sache, aber ihn medikamentös zu unterdrücken – das war keine große Sache, das war eine gigantische Sache.

„Meinem Bären geht es gut, er ist nur müde. Ich spüre nicht, dass etwas nicht mit ihm stimmte.“ Ich griff nach seiner Hand. „Wenn wir nur diese Zeit haben, dann könnten wir doch so tun, als würde sie uns nicht durch die Finger rinnen?“

„Das wäre mir sehr recht.“ Er drückte mir einen sanften Kuss auf die Lippen. „Lass uns erst Aspen Bescheid geben, dass es dir gut geht, und dann könnte ich dich zu einem Date ausführen.“

„Aspen hat das mal gemacht.“ Ich kicherte bei der Erinnerung daran, wie Lucian mir davon erzählt hatte. Es war so ein fremdes Konzept für uns und wir waren beide so verwirrt davon. „Er tut das immer noch. Das ist so ihr Ding.“

„Das ist typisch menschlich.“ Er zuckte mit den Achseln. „Aber es gefällt mir.“

„Ich denke, es wäre nett, aber auch … ich weiß halt nicht, ob ich meinem Bären trauen kann. Nur für den Fall.“ Ich gab das nur ungern zu und ich hasste den Ausdruck der Enttäuschung auf Kits Gesicht, bevor er sich zusammenriss. Ich drückte seine Hand. „Aber eines Tages würde ich das gern machen.“

„Ich auch.“ Er drückte mir ebenfalls die Hand und wir gingen gemeinsam zum Haus des Alphas.

Keiner von uns erwähnte, dass es ‚eines Tages‘ für uns nicht geben würde. Wir machten uns etwas vor und ich brauchte das, um diese Zeit zu genießen. Ich wollte nicht nächste Woche aufwachen und an all die Dinge denken, die ich mit ihm hätte tun sollen, bevor er fortging. Ich wollte kein Bedauern. Null.

Aspen saß auf seiner Veranda und trank Kaffee, während Oberon mit ein paar Holzklötzen spielte, die Julian ihm geschnitzt hatte. Julian wollte mal Schreiner werden, wenn er groß war, und war jetzt schon besser als die meisten Handwerker im Rudel.

Wir ließen ihn wissen, dass ich nicht in Gefahr und mein Bär noch immer unterdrückt war, es ihm aber gut ging. Dann gingen wir mit seinem Segen wieder unserer Wege. Er bot an, uns zum Dinner zu sich einzuladen, aber wir lehnten ab und er schien den Grund dafür zu verstehen, ohne dass wir es erklären mussten. Er wünschte uns nur alles Gute.

„Kit.“ Ich schloss die Tür meiner Hütte hinter uns.

„Grant.“ Er kam näher und strich mir etwas von der Stirn.

„Ich möchte – und es ist falsch von mir, erst recht, mit der Art –“

Kit unterbrach mich und legte mir einen Finger auf die Lippen. „Wir genießen jeden Tag und denken nicht weiter als das. Schon vergessen?“

„Das ist hart“, jammerte ich und lehnte mich an ihn.

„Ich weiß, Gefährte. Ich weiß. Und jetzt sag mir, was du eigentlich sagen wolltest, bevor die negativen Gedanken über Dinge, deren Existenz wir leugnen, dich aufgehalten haben.“ Er küsste mich oben auf den Kopf.

„Es ist hart“, sagte ich und bewegte mein Becken so, dass er erkannte, dass ich nicht von unserer derzeitigen Lage sprach, sondern von meinen niederen Regionen. Er war auch hart, die kurze Reibung, die ich erreicht hatte, erregte uns beide nur noch mehr.

„Ist es.“

„Vielleicht … da wir sowieso schon so tun als ob … Ich brauche … Ich will … Bitte?“ Ich konnte keine ganzen Sätze formulieren, mein Verlangen war stärker als meine Fähigkeit zu denken. Dies war mein Gefährte und ob ich ihn nun für Jahrzehnte oder nur ein paar Tage haben würde, das änderte gar nichts.

Er machte einen Schritt zurück und wartete, bis ich ihm in die Augen sah. „Bist du sicher, liebster Omega?“

„Mehr als alles andere. Aber wir können uns nicht … markieren. Das würde es unerträglich machen.“

„Ich weiß.“ Er hob mich auf seine Arme. „Ich weiß.“

Er trug mich fest an seinen Körper gedrückt. Sein Herz klopfte in seiner Brust so heftig wie meines. Wir wollten es beide, der Geruch unserer Erregung erfüllte die Luft. Aber dies war mehr als nur Begehren und Verlangen, hier ging es darum, dass wir beide eine Verbindung wollten, bevor es zu spät war.

War das vernünftig? Absolut nicht. Unsere Herzen würden in tausend Stücke zerspringen, wenn alles vorbei war.

„Lass mich dich ausziehen.“ Kit stellte mich ab und zog mir langsam das Hemd aus, dann die Jeans.

Ich stand wie erstarrt, überwältigt von der Zuneigung in seiner Stimme und der Sehnsucht in seinen Augen, in der Angst, dass, wenn ich etwas sagte, ich damit die Magie des Augenblicks zerstörte.

Er küsste einen Pfad über meine Haut, während er meine Haut freilegte, die sanften Berührungen und sein warmer Atem versetzten mich in eine Trance. Dies war Kit, mein Gefährte. Egal, ob mein Bär mich nun drängte oder nicht, ich sehnte mich danach, ihn hier und jetzt in Besitz zu nehmen, aber es durfte eben nicht sein. Sein Knoten würde mich innerlich in Besitz nehmen und das musste reichen.

Ich stand nackt da, sah zu, wie er sich auszog, als würde er verstehen, dass ich zu viel Angst hatte, den Zauber zu brechen. Sobald die Kleidung fort war, beugte er sich vor und gab mir einen sanften Kuss. Ein sanfter Kuss führte zum nächsten, dann zog ich ihn an mich und schlang meine Arme fest um ihn, denn ich wollte keinen Millimeter Raum mehr zwischen uns haben.

Unser Kuss vertiefte sich, ich fühlte mich zum allerersten Mal zu Hause. Kit war mein Zuhause und ich wollte mich in ihm verlieren, also tat ich das. Ich gab mich allem hin, was ich empfand, und ließ es nicht zu, zu viel zu denken oder überhaupt etwas zu denken. Hier gab es nur Kit und mich und wir kommunizierten all unsere Gefühle mit unseren Lippen, unseren Zähnen, unseren Zungen und unseren Händen.

Wir erkundeten den Körper des anderen, zunächst mit Händen, dann mit dem Mund, küssend, leckend und saugend, während wir uns den anderen genau einprägten. Abwechselnd brachten wir einander bis an den Rand des Höhepunkts, wechselten die Positionen und hatten es nicht eilig. Wir hatten vielleicht nur diese eine Nacht und wir würden sie auskosten.

Als wir es beide nicht länger aushielten, glitt er in mich und ich fühlte mich zum ersten Mal komplett. Wir liebten uns, sein Schwanz glitt rein und raus, unsere Münder tanzten miteinander, keiner von uns drängte Richtung Höhepunkt, sondern wir liebten es einfach, miteinander verbunden zu sein. Es dauerte jedoch nicht lange, unserer Körper waren nicht gewillt, ein langsames Tempo zu gehen. Mein Orgasmus traf mich zuerst, ich spritzte zwischen uns beiden ab. Kit rief meinen Namen, als ich kam, sein Knoten wuchs und verband uns miteinander, so wie es sein sollte.

„Mein Omega.“ Kit küsste mich sanft und hielt den Atem an.

„Mein Alpha.“ Ich rieb meine Wange an seiner. Diese beiden kleinen Worte sagten alles. Er gehörte mir. Ich musste nur noch alles andere auf die Reihe kriegen.