ZWANZIG

GRANT

In der Sekunde, in der das Telefon klingelte, wusste ich … Ich wusste es einfach. Ich hasste Render mehr als alles andere. Er war einer dieser Alphas, die in einer machtvollen Position nichts zu suchen hatten, die herauszufordern sich aber niemand traute. Er war im Grunde nichts als ein großer, fetter Tyrann und ich verachtete ihn dafür.

„Ich weiß, was du gesagt hast, aber ich … ich würde mich wohler fühlen, wenn … Wir müssen mit Aspen darüber reden“, sagte ich und mein Gefährte nickte zum Glück einfach. Er war so ein guter Partner, er akzeptierte meine Gefühle in dieser Sache.

„Wir machen eine Runde und holen Walt“, sagte er und küsste mich auf die Wange. „Langsam vorzugehen und einen klaren Kopf zu bekommen, ist wahrscheinlich nicht die schlechteste Idee.“

Und auch wenn wir vielleicht nicht unbedingt mit Aspen reden mussten , fühlte es sich falsch an wegzugehen, ohne mit ihm geredet zu haben. Er war mein Alpha. Vielleicht nicht mehr lange, aber im Augenblick eben doch. Ich wusste sehr zu schätzen, dass Kit verstand, dass dies etwas war, was ich tun musste.

„Und danach verwandeln wir uns“, versprach ich. Das wäre wichtig für uns und unsere Tiere.

„Danke, dass du mir sagst, was du brauchst. Das kann alles nicht einfach für dich sein“, sagte Kit. Er verstand es. Kit verstand diese Höhle, wie sie geworden war. Das bedeutete mir viel. Sie zurückzulassen war eine große Herausforderung. Es wäre nichts im Vergleich zu dem, was ich ohne meinen Gefährten an meiner Seite durchmachen würde, aber es war alles andere als leicht.

Wir trafen Walt vor seiner Tür an. Er war bereit, aufzubrechen, sein Bär war dicht unter der Oberfläche. Ich sagte ihm, was ich empfand und dass wir mit Aspen reden mussten. Ich erwartete beinahe, dass er uns sagte, er würde ohne uns aufbrechen, und dann wäre ich mit ihm gegangen. Erstaunlicherweise sagte er das nicht.

„Einverstanden.“ Walts Antwort überraschte mich. „Lasst uns sofort hingehen, damit wir uns auf die Abreise vorbereiten können. Wahrscheinlich habe ich nur Socken und ein zerrissenes Hemd eingepackt. Ich habe nicht einmal nachgedacht, sondern nur wahllos Sachen hineingestopft.“ Er stellte seine Tasche auf der Veranda ab und kam mit uns.

Als wir zum Haus des Alphas kamen, trafen wir Aspen mit Oberon auf der Veranda an. Der kleine Bär war eins mit dem Mond und sie hatten es aufgegeben, ihn an normale Schlafenszeiten zu gewöhnen. Das machte alle glücklicher.

Ich legte meine Hand auf meinen Bauch. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass Lucian und ich unsere Jungen gemeinsam aufwachsen sehen würden, als beste Freunde. Und nun? Jetzt sah es so aus, als wäre das keine Option mehr für uns.

Oberons Gesicht so glücklich zu sehen, während meine eigene Welt ins Chaos gestürzt wurde, tat mir gut. Er war die Zukunft für diese Höhle und auch wenn sie nicht mehr lange meine sein würde, tat es mir gut, die nächste Generation als die neue Hoffnung zu sehen.

„Alpha, wir müssen mit dir reden.“ Walt entblößte seinen Hals. Hätte ich nicht gewusst, dass es hier um meinen Gefährten und mich ging, hätte Walts Verhalten meine Gedanken in eine ganz andere Richtung gelenkt. Er war so formell, so gar nicht Walt.

„Unter vier Augen? Oder ist es okay hier auf der Veranda?“

Jetzt konnte ich erkennen, dass Aspen einen Holzturm baute und dann mit seinem Sohn die Klötze umwarf. Das war eines von Oberons Lieblingsspielen und ich hatte es sehr oft mit ihm gespielt. Es gab nichts Schöneres, als das freudige Kichern, wenn der Turm wieder und wieder umgestürzt wurde.

„Es geht um mein Rudel“, sagte Kit und Aspen nickte einmal knapp.

Ich hasste es, dass es „sein Rudel“ war. Ich wollte, dass dies seine Höhle war und dass das Rudel der Vergangenheit angehörte. Aber so lief das nicht, ich musste mich eben anpassen.

„Walt, würdest du einen Moment mit Oberon spielen, während ich mit den beiden drinnen rede?“, fragte er und sah uns alle drei der Reihe nach an.

„Walt ist Teil dieses Gesprächs“, erklärte ich.

Aspen brachte Oberon hinein, mit dem Versprechen auf eine Tasse Kakao, und wir folgten ihm. Lucian trank in der Küche eine Tasse Tee und auch wenn er sichtlich unzufrieden damit war, dass dieses Gespräch ohne ihn stattfinden würde, nahm er Oberon mit ins nächste Zimmer unter der Bedingung, dass er später alles erfahren würde.

Wir erklärten Aspen die Situation und er sah sofort Walt an. „Ich verstehe, warum die beiden gehen müssen, wobei ich auch das noch diskutieren würde. Sie brauchen meine Erlaubnis nicht, aber sie sollten wissen, dass sie immer eine Wahl haben.“

Aspen war sehr direkt. Das gefiel mir. Auch wenn er unrecht hatte.

Seine Worte überraschten mich nicht. Er war noch neu in den Dingen, die Rudel und Höhlen betrafen, und für ihn musste es absonderlich aussehen, auch wenn er die Regeln durchaus verstand. Und es stimmte, wir hatten verschiedene Möglichkeiten, aber nur diese eine war realisierbar.

„Aber was hast du mit all dem zu tun?“, fragte er Walt ganz direkt.

Wir alle kannten die Antwort. Er war – oder zumindest vermutete er das – Bronxʼ Schicksalsgefährte. Es hätte mich ganz und gar nicht überrascht, wenn er die Höhle gleich am ersten Abend verlassen hätte, um ihm zu folgen. Aber das hatte er nicht, sondern er war hiergeblieben, als wäre nichts geschehen. Er war so gut darin, dass ich es beinahe selbst glaubte.

Aber das war ein Irrtum gewesen. Er hatte seinen Bären so gut im Griff, dass wir nicht sehen konnten, wie schwer es ihn getroffen hatte. Er war viel stärker als ich.

„Wenn die beiden allein hingehen, ist das eine Garantie dafür, dass Grant herausgefordert wird“, sagte Walt. Er sprach, als wäre das nicht nur logisch, sondern auch der einzige Grund. Aber das stimmte nicht.

Ich brauchte einen Moment, bis ich seine Worte wirklich verstanden hatte. Dann schluckte ich, denn mir war nicht einmal bewusst gewesen, dass es möglich wäre, dass man mich herausforderte. Bären forderten keine Omegas heraus, nicht einmal, bevor Aspen zu uns kam und wir wie Dreck behandelt wurden. Wir wurden geschlagen und getötet, aber nie offiziell herausgefordert. Es war mir nicht einmal in den Sinn gekommen, dass Berglöwen das ganz anders handhaben könnten.

„Sie würden doch nicht …“ Selbst als ich die Möglichkeit von mir weisen wollte, hörte ich, wie falsch meine Worte klangen.

Kit unterbrach mich mit einem knappen Nicken. „Sie würden. Und da Grant als Beta der Höhle eine Position einnimmt, die sonst Alphas vorbehalten sind, hätten sie auch kein Problem damit, das zu tun. Vielleicht nicht auf Leben und Tod, erst recht nicht bei einem Omega, aber es ginge ja auch gar nicht ums Töten. Sondern darum, dass Grant verschwindet.“

Er drückte meine Hand.

„Nicht, dass es ihnen etwas ausmachen würde, wenn dabei etwas schiefgeht, solange es mir nur schadet“, murmelte Kit, mehr zu sich selbst als zu mir. „Aber mit dem Baby im Bauch ist mein Gefährte vorerst sicher vor solchen Herausforderungen.“ Er klang allerdings nichts gerade zuversichtlich.

„Und das wäre meine Ausrede, warum ich mitkomme“, sagte Walt. Offenbar taten wir alle weiterhin so, als wäre sein Schicksalsgefährte für Walt kein Thema. „Ich wäre seine Hebamme. Solange sie mir keine Fragen zur Schwangerschaft stellen, wäre es eine gute Tarnung.“

Und ich würde es mit Freude zulassen, wenn ich glaubte, dass Walt dadurch seinen Gefährten an sich binden könnte, aber da war immer noch die Gefahr einer Herausforderung.

„Moment, das ergibt keinen Sinn. Was hat Walt damit zu tun, dass die mich herausfordern könnten?“ Die Sache wurde mit jeder Sekunde komplizierter. Seine wahre Liebe zu bekommen, ergab Sinn, aber jetzt brachten wir da einiges durcheinander und in meinem Kopf drehte sich alles.

„Ich melde mich freiwillig und töte jeden, der dich herausfordert“, sagte Walt so beiläufig, als wäre das keine große Sache. „Oder zumindest unterwerfe ich sie“, fügte er hinzu, nachdem er mir in die Augen gesehen hatte. Walt war nicht machthungrig, aber er hatte jemanden bluten lassen, nachdem er herausgefordert worden war und ihm keine andere Wahl geblieben war. Das war so üblich gewesen in unserer Höhle, bevor … vor Aspen.

„Na gut, aber vielleicht ohne das Töten.“ Aspen neigte den Kopf als Zeichen seines Respekts für Walt. „Du bist ein wertvolles Mitglied dieses Rudels. Ich erwarte, dass du mit den anderen zurückkommst.“ Aspen vertraute darauf, dass dies nicht für immer war und dass wir einen Weg finden würden. Das war immerhin etwas. „Allerdings nehme ich an, dass du nicht allein zurückkehren wirst.“

„Ich komme vielleicht nicht zurück, Alpha.“ Wieder entblößte Walt seinen Hals. „Ich muss da sein, wo ich gebraucht werde, und ich weiß nicht, was mein Gefährte wünscht oder was seine Familie zulässt.“

Walt würde für Bronx ein guter Gefährte sein. Je mehr ich darüber nachdachte, desto deutlicher wurde mir, dass Bronx ebenso wie Kit und ich ein Opfer in dieser Angelegenheit war. Alphapolitik war so ein Blödsinn.

Wir verbrachten die nächste Stunde damit zu besprechen, wie sich die Lage für uns vielleicht entwickeln würde. Render wollte, dass wir unser Band lösten. Er hatte das bereits gesagt, aber er hatte nicht erwähnt, wie er das anstellen wollte. Es war denkbar, dass er dafür dunkle Magie einsetzen würde, um unser Band zu brechen. Angesichts dessen, was uns Kit über den Mann erzählt hatte, war das nicht sehr wahrscheinlich, aber ich hatte Angst.

Walt würde seinen Schicksalsgefährten finden. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es wäre, denjenigen zu spüren, der für einen bestimmt war, und ihn dann sofort wieder zu verlieren, ohne überhaupt ein einziges Mal mit ihm gesprochen zu haben. Sie verdienten es, zusammen zu sein, egal, was alle anderen dachten.

Als wir Aspens Haus verließen, versprach Walt, bei Sonnenaufgang bei uns zu sein.

Wir verwandelten uns gemeinsam und mein Gefährte und ich gaben unseren Tieren die Zeit, die sie brauchten, um das Land zu erkunden und sich frei miteinander zu bewegen, vielleicht zum letzten Mal hier in Bruin Ridge. Die Geräusche aus der Ferne ließen vermuten, dass Walt Bäume fällte. Seinem Tier ging es nicht gut, schlechter, als ich vermutet hatte. Wieso war mir das vorher nicht aufgefallen?

Als wir am Morgen die Tür öffneten, stand Walt, wie versprochen, da, die Tasche in der Hand. Die Fahrt verlief ziemlich ruhig, keiner von uns wollte reden, unsere Tiere waren dicht unter der Oberfläche, unser Auto roch nach Tier. Wir hielten nur an, um an einer Tankstelle ein Sandwich zu kaufen und zum Pinkeln. Als wir das Land von Kits Rudel erreichten, waren wir alle erschöpft und gleichzeitig aufgekratzt. Das war keine gute Kombination, um rationale Entscheidungen zu treffen.

Als wir noch etwa fünf Meilen entfernt waren, hatte Kit angerufen und uns angekündigt. Es war daher keine Überraschung, als wir von den Betas empfangen wurden, als wir das Rudelland erreichten. Sie ignorierten Kit und mich mehr oder weniger und hatten ihre Aufmerksamkeit auf Walt gerichtet. Ich nahm an, dass sie den wahren Grund für seine Anwesenheit kannten, aber sie fragten nicht nach.

Aber wenn Walt es fühlte, dann galt das auch für Bronx. So war das eben. Hatte er es ihnen erzählt? Fühlten sie mit ihm und waren auf unserer Seite oder betrachteten sie Walt als Feind des Plans? Ich konnte ihre Gefühle nicht entziffern und das machte meinen Bären noch nervöser, als er ohnehin schon war.

Sie sagten nichts, außer dass wir ihnen folgen sollten. Wir taten das, ohne zu fragen, und begaben uns direkt zum Haus des Alphas, wie ich bald feststellen sollte. Wir gingen direkt hinein und fanden uns Auge in Auge mit Render wieder, dessen Gesicht noch weniger lesbar war als das der Betas. Ich hätte vermutet, dass es sich um eine Eigenschaft bei Berglöwen handelte, wenn ich Kit nicht gekannt hätte und Zeuge war, als Bronx fortgezerrt wurde.

Sofort fiel der Blick des Alphas auf Walt. Wieder wurden Kit und ich wie Anhängsel behandelt, dabei war unsere Ankunft doch gefordert worden. „Mein Sohn … er hat sich das nicht ausgedacht.“

„Dass ich sein Gefährte bin? Nein. Hat er nicht.“ Walts Ton und Energie war dem Alpha ebenbürtig. Er war so viel energischer, als ich ihm je zugetraut hatte.

„Ich dachte, er versucht nur, sich aus der Beziehung zu Kit herauszureden“, sagte der Alpha und eine Spur von Gefühlen huschte über sein Gesicht „Dass er nur versucht, sich um seine zukünftige Rolle als Alpha-Omega herumzudrücken.“

Ich hatte keine Ahnung, ob er mit uns sprach oder nicht. Walt wusste es offenbar auch nicht, denn er stand einfach da, ohne sich zu rühren.

„Du bist ein Bär. Bist du sicher, dass er dein Schicksalsgefährte ist?“

Walt nickte.

Es entstand eine lange Pause, gefolgt von einem Knurren seines Tieres, das die menschliche Seite des Alphas durchbrach, dann folgte ein lautes „Verdammt.“

Er drehte sich um und ging weg. Nein. Er ging nicht. Er stampfte. Er ließ uns drei mit den Betas zurück, keiner von uns rührte sich.

Ich hatte vermutet, er müsste sein Tier unter Kontrolle bringen, aber das war offenbar ein Irrtum. Er kam gefühlt ein paar Stunden später – was aber wohl eher nur eine Viertelstunde war – zurück, mit Bronx an seiner Seite.

Bronx hielt sich nicht zurück, sondern lief sofort in Walts Arme.

„Ich habe die Situation und das Verhalten meines Sohns falsch eingeschätzt. Ich war so versteift auf meine Pläne, dass ich annahm, er hätte sich das nur eingeredet oder würde nur so tun, als wäre da etwas, was aber gar nicht da war. Ich sehe nun ein, dass ich mich geirrt habe.“

Mir klappte die Kinnlade herunter, praktisch bis zum Boden. Ich hatte in Gedanken so viele Szenarien durchgespielt und keine hatte auch nur ansatzweise so ausgesehen wie das, was sich jetzt hier vor unseren Augen abspielte. Selbst mit der Erkenntnis, dass Walt für seinen Sohn bestimmt war, hatte ich damit gerechnet, dass sich das hier in die Länge ziehen würde, inklusive Herausforderungen. Nicht ein einziges Mal hatte ich daran gedacht, dass es eine emotionale Begegnung werden könnte, wie sie sich jetzt hier vor uns abspielte.

„Das ändert aber nichts.“ Render kniff sich in die Nasenwurzel. „Folgt mir.“

Er führte uns an einen langen Tisch und forderte uns auf, Platz zu nehmen, einschließlich der Betas. Walt und Bronx saßen einander mehr oder weniger auf dem Schoß und ich erwartete, dass Render sie zur Vernunft aufrufen würde, aber er ignorierte ihre zur Schau gestellte Zuneigung.

Er war nicht glücklich damit, seinem Gesicht war nun jede Gefühlsregung anzusehen, im Gegensatz zu vorhin. Ich vermutete, dass das alles zu viel für ihn war, er konnte seine Gefühle nicht länger verbergen. Zumindest verlor er nicht die Kontrolle über sein Tier, wie ich zunächst befürchtet hatte, als er anfing zu knurren.

„Mir wurde von einem Seher verkündet, dass ich dich zurückrufen sollte“, erklärte der Alpha, nachdem er uns einige Male abwechselnd angesehen und die Augen geschlossen hatte, wohl, um sein Tier zu beruhigen. „Indem ich das tue, ermögliche ich es meinem Sohn, den Platz als Alpha-Omega einzunehmen, der ihm zusteht.“

Er stand auf. „Ich nahm an, du würdest der nächste Alpha werden, aber wie kann das sein? Ich kann wohl kaum den Schicksalsgefährten meines Sohnes loswerden.“

Was genau das war, was die vorherigen Alphas meiner Höhle getan hatten. Vielleicht war Render doch nicht so ein Arsch, wie ich gedacht hatte. Nicht, dass ich je sein größter Fan sein würde.

Ich hatte so viele Fragen, wer war zum Beispiel dieser Seher und warum vertraute er ihm so sehr? Aber ich hielt den Mund, wie alle anderen auch. Sein Tier war nahe, seine Augen waren kaum noch menschlich. Es war wohl besser, ihn nicht zu reizen.

„Aber jetzt … bist du sein Schicksal … ein Bär, richtig?“

„Ich heiße Walt, Alpha. Und ja, dein Sohn ist mein Schicksalsgefährte, und ja, ich bin ein Bär.“ Seine Stimme zitterte nicht, er hatte die Schultern gestrafft. Walt machte sich vor niemandem klein. Nicht jetzt und erst recht nicht, wenn es um seinen Gefährten ging.

„Betas – geht.“ Keine Vorrede, einfach ein Rauswurf. Und sie taten es, ohne zu fragen, entblößten ihren Hals und gingen hinaus.

Nachdem man deutlich das Schließen der Tür hatte hören können, gestand Render: „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Du“, er sah Walt in die Augen, „bist der Schicksalsgefährte meines Sohnes. Wenn ich etwas tue, was sich zwischen euch stellt, verliere ich ihn.“ Seine Stimme brach. „Er wird mich verlassen.“

„Ich hätte keine Wahl“, unterbrach Bronx. „Der einzige Grund, warum ich noch nicht gegangen bin, ist … weil ich Angst hatte, er würde mich abweisen. Ich dachte, er würde am nächsten Tag kommen. Tat er aber nicht. Und auch nicht am Tag danach.“

Walt zog ihn auf seinen Schoß und flüsterte ihm etwas ins Ohr, ich vermutete, Worte der Bestätigung.

Bronxʼ Entscheidung, nicht zu kommen, ergab nun viel mehr Sinn. Er war nicht von Worten oder Riegeln zurückgehalten worden, er hatte Angst. Angst, dass das Geschenk, das er bekommen hatte, ihm weggenommen wurde und er allein zurückblieb. Er hatte es zugelassen, dass diese Angst ihn dort festgehalten hatte, wo er doch so dringend herauswollte.

„Ich musste warten, bis der Zeitpunkt richtig war.“ Walt sprach uns alle an oder vielleicht doch nur Render. „Ich wusste nicht, wie dein Rudel … Ich hatte Angst, weil manche Rudel …“

„Blutiger sind als eures?“, beendete Render den Satz.

Walt nickte.

„Und ich hätte niemals damit leben können, wenn Bronx etwas zustößt, weil ich zu ungeduldig war.“

Bronx kuschelte sich an ihn.

„Das löst unser Dilemma nicht. Bronx ist mein Sohn. Du bist ein Bär. Sein Gefährte wird der nächste Alpha des Rudels. Was uns wieder darauf zurückbringt, dass du ein Bär bist.“ Er drückte sich die Handballen auf die Augen. „Aber der Seher hat es gesagt.“

„Ich kann mit Walt gehen. Seine Höhle wird mich aufnehmen. Ich kann offiziell das Rudel verlassen und du kannst einen Beta vorbereiten auf die Rolle, als hättest du keine Erben.“ Bronx war bereit, alles hinter sich zu lassen, mit der Familie zu brechen und in eine Bärenhöhle zu ziehen, alles für seinen Schicksalsgefährten.

Und mein Egoismus, dass ich nicht sofort bereit war, Kit zu seinem Rudel zu begleiten, als wir uns kennenlernten, sank in mein Bewusstsein. Ich hatte solche Angst gehabt, mein Studium aufgeben zu müssen und die Höhle zu verlassen, die ich so liebte, während ich gleichzeitig Angst davor hatte, was mich hier erwartete. Ich war sehr selbstsüchtig.

„Ich will dich nicht verlieren“, sagte Render. „Aber wenn das dein Wunsch ist …“

„Was genau besagt denn euer Gesetz? Im Hinblick darauf, wer Alpha des Rudels wird, meine ich.“ Ich hatte eine Idee. Vielleicht brachte sie nichts, aber es war immerhin einen Versuch wert.

Der Alpha starrte mich einen Moment lang an, bevor er antwortete. „Ich muss das nachsehen, um ganz sicher zu sein. Warum?“, fragte er.

„Ich habe an der Geschichte unserer Höhle gearbeitet und mir ist aufgefallen, dass einige Dinge, die unsere Höhle für Regeln gehalten hatte, nur Traditionen waren. So wie ich als Omega nun Beta geworden bin. Das war noch nie der Fall, daher nahmen alle an, dass es nicht sein dürfte.“ Es war eines von mehreren Dingen, die ich entdeckt hatte.

„Und du meinst, es gibt eine Möglichkeit, dass mein Sohn in eurem Rudel lebt, aber nicht darauf verzichten muss, dies hier als sein Rudel zu bezeichnen?“

Das war ganz und gar nicht, was ich gedacht hatte, aber auch das war eine Möglichkeit.

„Ich dachte eher, dass es denkbar wäre, dass dein Sohn der nächste Alpha des Rudels werden könnte. Hat der Seher nicht gesagt, er sollte die Position einnehmen, die ihm zusteht?“

Der Alpha nickte.

„Diese Position könnte doch deine sein.“

Und nach viel Recherche stellte sich heraus, dass es so war. Bronx würde der nächste Alpha des Rudels werden, mit seinem Gefährten Walt an seiner Seite.