KAPITEL 55
Der Ranger hatte LaBorde zu seinem Kommandozentrum auserkoren. In Marvins Gegenwart erstatteten wir ihm Bericht. In dem sehr viel gemütlicheren Verhörraum. Mittlerweile verspürte ich ziemliche Schmerzen von meinem Geplänkel mit Leonard. Wie wir erfahren hatten, steckte Coldpoint in U-Haft und schwieg sich aus. Klugerweise, da seine beiden wichtigsten Mitverschwörer ja tot waren. Darüber hinaus gab es aber noch die Richterin und das ganze andere Gesocks, das draußen im Sägewerk gewesen war. Irgendjemand würde den Mund aufmachen, hundertprozentig.
»Ihr beide seht fürchterlich aus«, sagte der Ranger. »Als hätte euch ein Lastwagen ein paar Kilometer weit mitgeschleift.«
»Sie meinen, das sieht schlimm aus«, sagte ich. »Fühlt sich aber noch viel schlimmer an.«
»Genau«, sagte Leonard. »Ich werd auf ’m Knastklo wohl eine meiner Lungen ausscheißen.«
»Sie sind doch Freunde, und da haben Sie sich dermaßen geprügelt?«, sagte der Ranger.
»Es musste echt aussehen, und wir mussten Zeit schinden, während Sie und alle anderen sich in einem Donut-Laden amüsiert haben.«
»Ich hab gesehen, wie Sie eine Pistole in den Teich geschmissen haben«, sagte der Ranger zu Leonard.
»Tatsächlich?«, sagte Leonard.
»Tja«, sagte der Ranger.
Leonard nickte. »Hab ich im Sägewerk aufgelesen, wo das Ding irgendjemand weggeworfen hat. Da hab ich Panik gekriegt und hab es in den Teich geschmissen.«
»Wieso Panik?«
»Das heißt nicht ohne Grund Panik«, sagte Leonard. »Da handelt man ohne Sinn und Verstand.«
»War die Waffe auf Ihren Namen registriert?«, fragte der Ranger.
»Aber nein. Die hatte ich aus dem Sägewerk.«
Die Knarre war eine nicht zurückverfolgbare aus Leonards Vorrat, und er hatte sie zum Sägewerk mitgebracht, wollte das aber nicht zugeben. Sonst hätten sie ihm deswegen womöglich was anhängen können.
»Wir könnten den Teich danach absuchen«, sagte der Ranger.
»Könnten Sie«, sagte Leonard. »Und Sie würden sie finden. Aber sie ist nicht auf mich registriert.«
»Und Sie haben sie nicht mit zum Sägewerk gebracht.«
»Eine nicht registrierte Waffe? Wohl kaum. Das wäre ja gegen das Gesetz. Würde ich niemals tun.«
Der Ranger blickte mich an.
»Das wäre ungesetzlich«, sagte ich. »Leonard ist genau wie ich ein anständiger Bürger.«
Der Ranger schien ein Mann zu sein, dem man keinen Scheißdreck erzählen konnte, aber zu seinem Leidwesen kriegte er von uns in dieser Nacht einen ganzen Haufen davon zu hören. Wir hatten da oben beim Sägewerk eine nützliche Rolle gespielt, vielleicht ein bisschen zu nützlich, wie er korrekt vermutete, zu eifrig für normale anständige Bürger.
Marvin sprach ihn an: »Könnten wir beide uns draußen kurz mal unter vier Augen unterhalten?«
Der Ranger nickte, und sie verließen das Zimmer. Ihre Unterhaltung dauerte lange. Höflich blieben Leonard und ich sitzen und warteten geduldig ab.
»Ich finde, ein anderer Farbton würde dem Raum guttun«, sagte Leonard.
»Sieht doch okay aus«, sagte ich.
»Findest du’s nicht zu dunkel? Ich meine, da kommt man rein, wird verhört, das ist doch schon schlimm genug. Etwas Fröhlicheres könnte einem da das Leben ein bisschen erleichtern, zumindest zwischendurch mal.«
»Vielleicht noch ein kleines Mobile über dem Tisch?«, sagte ich.
»Genau. Was Nettes, Glitzerndes.«
Schließlich kamen sie wieder herein. Der Ranger sah uns an.
»Sie sind zwei scheißanständige Bürger, die nur da oben waren, um üble Dinge mit Ihrem Handy zu filmen, und die üblen Dinge sind außer Kontrolle geraten, und Sie beide haben sich mittendrin wiedergefunden. Man hat Sie zum Kampf gezwungen, und die Cops, die sie vorher rechtzeitig verständigt hatten, sind erst mit Verspätung eingetroffen, deshalb ging es so für Sie aus. Obwohl ich aus irgendeinem Grund immer noch nicht so recht kapiere, was Sie da oben überhaupt zu suchen hatten.«
»Wir möchten Zeitungsreporter werden«, sagte Leonard. »Wir dachten, damit könnten wir uns profilieren.«
»Überspannen Sie den Bogen nicht«, sagte der Ranger. »Sie können gehen. Ich gebe Ihnen den guten Rat, jetzt zu gehen. Aber nicht allzu weit weg, möglicherweise müssen wir noch mal miteinander reden. Und danke für das Video.«
»Danke, Mr Ranger«, sagte Leonard.
Im Vorbeigehen flüsterte ich Marvin ein Dankeschön zu.
»Leck mich«, sagte er, und er flüsterte keineswegs.