1 Chancen und Risiken

1.1 Das Ziel: die Heilung schwerer Krankheiten

»Aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland
ist zwischen 2010 und 2030 mit einem Anstieg
der Krebsneuerkrankungen um gut 20 % zu rechnen.«

Um die Bedeutung des Themas Biotechnologie und die Heilung schwerer Krankheiten einerseits aufzuzeigen und andererseits mit vertrauenswürdigen Zahlen aufzuwarten, beginne ich mit diesem Zitat aus der Broschüre »Krebs in Deutschland 2009/2010«. Sie wird alle zwei Jahre von der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister e. V. (GEKID) und dem Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) im Robert-Koch-Institut herausgegeben. Diese Zahlen wirken im Vergleich zu Aussagen mit Steigerungsraten zwischen 20 % und 50 % über den gleichen Zeitraum weniger erschreckend. Aber wie kommt es überhaupt zu solch pessimistischen Einschätzungen bezüglich der künftigen Anstiegsraten bei der schweren Krankheit Krebs?

Trotz jahrzehntelanger Forschung und milliardenschwerer Investitionen ist ein universelles Heilmittel für die vielen Krebserkrankungen bislang nicht in Sicht. Folglich stieg die Zahl der Neuerkrankungen im Zeitraum zwischen 2000 und 2010 bei Männern um 21 % und bei Frauen um 14 %. All dies hängt mit der höheren Lebenserwartung zusammen.

Noch immer zählen einige der über 300 Krebsarten zu den häufigsten Todesursachen. So starben im Jahr 2012 in Deutschland 221.611 Menschen an bösartigen Tumoren. Wie schon seit Jahren ist Krebs die zweithäufigste Todesursache nach den Erkrankungen des Herz- und Kreislaufsystems mit 404.642 Todesfällen (Statistisches Bundesamt, 2013).

Bei Männern kommen Krebsneuerkrankungen der Prostata (26,1 %), der Lunge (13,9 %) und des Darmes (13,4 %) mit großem Abstand am häufigsten vor. Bei Frauen nehmen die Neuerkrankungen der Brustdrüse (31,3 %), des Darmes (12,7 %) und der Lunge (7,6 %) die vorderen Plätze ein. In den letzten 30 Jahren erhöhte sich bei Frauen die Todesrate im Bereich der für das Rauchen typischen Krebsleiden besorgniserregend. So starben im Jahr 2011 fast 14.500 Frauen an Lungen-, Bronchial- oder Kehlkopfkrebs. Dies ist gegenüber 1981 ein Anstieg um 186 % (Statistisches Bundesamt, 2012).

Trotz dieser nicht gerade ermutigenden Entwicklung, die auch davon geprägt wird, dass die deutsche Bevölkerung immer älter wird, besteht Hoffnung. Je mehr die daran arbeitenden Wissenschaftler und forschenden Unternehmen die Zusammenhänge zwischen einem normalen Zellwachstum und dem unregulierten, schnellen und krankhaften Zellwachstum bei Krebs verstehen, desto wahrscheinlicher ist es, neuartige Wirkstoffe zu entwickeln, die diese fehlgeleitete, wuchernde Zellvermehrung stoppen können.

Es ist jedoch äußerst unwahrscheinlich, dass ein universelles Medikament bei den vielen unterschiedlichen Krebsarten erfolgreich ist. Damit eröffnet sich für Wissenschaftler und forschende Firmen die Chance, selbst einen Wirkstoff zu identifizieren, der sich bei der zum Forschungsschwerpunkt erhobenen Krebsart zu einer Cashcow entwickelt. Damit sind Produkte gemeint, die milliardenschwere Gewinne erwirtschaften.

Nicht zuletzt deshalb spielt die medizinische Biotechnologie mit den forschenden Firmen bei der Entwicklung von Krebsmedikamenten eine entscheidende Rolle. Die medizinische Biotechnologie ist der Motor im Kampf gegen bösartige Tumoren. Mehr als 20 Krebsmedikamente befinden sich derzeit allein bei deutschen Biotechnologie-Unternehmen in den klinischen Phasen.

Um vielversprechende Entwicklungen in der Krebsbekämpfung der letzten Jahre anzusprechen, seien hier einige ermutigende Therapieansätze kurz dargestellt:

Durchbruch bei Blutkrebs und Brustkrebs

Dank neuer Ideen, innovativer Forschungsansätze, Entwicklung moderner Wirkstoffe und Therapieformen, oft miteinander kombiniert, hat sich die chronische myeloische Leukämie (CML) vom lebensbedrohlichen Blutkrebs zur chronischen, meist gut behandelbaren Krankheit gewandelt. Dabei erweist sich die Zusammenarbeit der großen Pharmakonzerne mit den mittelständischen Biotechfirmen als Meilenstein. Die Großen bringen das Geld, die Kleinen das Ideengut ein.

Die medikamentöse Behandlung will nicht nur die Beschwerden verringern. Es geht darum, die Leukämiezellen möglichst komplett zu vernichten. Eine völlige Heilung ist künftig nach den derzeitigen Erkenntnissen insbesondere mit einer Blut-Stammzelltransplantation möglich.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die chronische Leukämie durch Bestrahlung bekämpft. Zum längeren Überleben führte dies nicht. Nur die Symptome ließen sich lindern.

Durch eingesetzte Chemotherapeutika in der chronischen Krankheitsphase ab Mitte der 1950er-Jahre blieben die Patienten einige Monate länger am Leben. 1986 kam als weiterer Behandlungsansatz Interferon alpha (IFN-α) hinzu, oft kombiniert mit geeigneten Chemotherapeutika. In den 1990er-Jahren führte die CML im Schnitt jedoch binnen 31 Monaten zum Tod.

Gute Heilungsaussichten bietet nach heutigem Kenntnisstand die allogene Stammzelltransplantation. Dieses aussichtsreiche Behandlungsverfahren wurde 1975 erstmals angewendet, war aber nicht für alle CML-Patienten nutzbar. Zum einen ist es schwierig, einen geeigneten Spender zu finden. Zum anderen ist diese Transplantation mit lebensgefährlichen Risiken verknüpft. Es drohen immunologische Reaktionen von den aus den Stammzellen hervorgehenden Immunzellen gegen den Empfänger-organismus, bezeichnet als Graft-versus-Host-Disease (Transplantat gegen Wirt-Reaktion). Das BCR-ABL-Protein, welches aus einer Mutation hervorgeht und die CML auslöst, ist eine Tyrosinkinase. Sie bewirkt, dass sich die Leukämiezellen im Körper unkontrolliert vermehren.

Ein Tyrosinkinasehemmer blockiert gezielt das BCR-ABL-Protein in einer Leukämiezelle und behindert deren Vermehrung. Die Entwicklung der Tyrosinkinasehemmer erwies sich als Meilenstein in der Behandlung der CML. Tyrosinkinasehemmer gelten heute als Standardtherapie bei CML in der chronischen Phase. Ob durch eine solche Behandlungsform diese Blutkrebsart vollkommen geheilt werden kann, ist Bestandteil der aktuellen wissenschaftlichen Forschung. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind Tyrosinkinasehemmer lebenslang einzunehmen, um die CML dauerhaft zu kontrollieren. Im Vergleich zu Chemotherapeutika, die nicht nur Krebszellen, sondern auch gesunde Zellen angreifen, ist die zielgerichtete Therapie mit Tyrosinkinasehemmern besser verträglich. Die Patienten können damit im Allgemeinen recht gut leben.

Imatinib (GleevecTM) ist ein oral zu verabreichender Tyrosinkinasehemmer und seit 2001 für die CML-Behandlung zugelassen. Der Umsatz lag bereits im Jahr 2004, also drei Jahre nach der Einführung, bei 1,6 Mrd. US-Dollar.

Die akute lymphatische Leukämie (ALL) ist im Kindesalter die häufigste Form der Leukämie. Bei vier von fünf an Blutkrebs erkrankten Kindern handelt es sich um eine akute lymphatische Leukämie. Im Erwachsenenalter ist diese Blutkrebsart eher selten. Bei Hochbetagten im Alter ab 80 Jahren erhöht sich die Häufigkeit. Ungefähr einer von 100.000 Bundesbürgern leidet an einer akuten lymphatischen Leukämie.

Bei der ALL verändern sich jene Zellen, die normalerweise zu Lymphozyten heranwachsen. Wie auch bei anderen Leukämieformen sind die genauen Ursachen für die ALL bislang nicht bekannt. Als Risikofaktoren gelten radioaktive Strahlen, Umweltgifte und eine erblich bedingte Anfälligkeit (genetische Prädisposition). Im Gegensatz zu den chronischen Leukämieformen beginnt eine akute lymphatische Leukämie ganz plötzlich und verläuft rasch. Bei Ausbruch einer akuten Leukämie muss sofort eine intensive Therapie beginnen. Um den Krebszellen den Garaus zu machen, werden unterschiedlich wirkende Medikamente miteinander kombiniert. Das Ziel der Behandlung ist die komplette Rückbildung der Erkrankung.

Welche Behandlungsform für eine ALL sinnvoll ist, hängt vom Alter des Patienten und von der genauen Unterform ab. Häufig gehört dazu eine mehrmalige intensive Chemotherapie. Die Aussicht auf Heilung steigt durch moderne Behandlungsansätze. Viele ALL-Betroffene, vor allem Kinder, werden mit der richtigen Therapie vollständig gesund. Dies hängt von der genauen Art der ALL und dem individuellen Krankheitsverlauf ab. Der behandelnde Arzt verabreicht Arzneimittel, die das Wachstum der Leukämiezellen hemmen. Neben Zytostatika werden auch Strahlentherapien, monoklonale Antikörper oder Stammzell- bzw. Knochenmarktransplantationen eingesetzt. Auch Medikamente wie Tretinoin und Imatinib können hilfreich sein.

Mit rund 70.000 Neuerkrankungen jährlich ist der Brustkrebs die mit Abstand häufigste Krebserkrankung beim weiblichen Geschlecht. Aktuell erkrankt etwa eine von acht Frauen früher oder später an Brustkrebs. Neben Zytostatika, die schnell wachsende Krebszellen angreifen, werden bevorzugt antihormonelle Therapien angewendet. Vor über einem Jahrzehnt kam der erste HER2-Antikörper auf den Markt. Er wird seitdem im frühen und fortgeschrittenen Stadium des HER2-positiven Brustkrebses eingesetzt. Dieser Antikörper blockiert die Zellteilung der Tumorzellen. Die Heilungsaussichten der HER2-Brustkrebs­patientinnen haben sich im letzten Jahrzehnt deutlich verbessert. 2013 wurde ein weiterer vielversprechender HER2-Antikörper zugelassen, auf dem große Hoffnungen beruhen.

Leibniz-Preis als Meilenstein für den Wandel von einer unheilbaren zur chronischen Erkrankung

Der Tübinger Krebsforscher Lars Zender erhält den mit 2,5 Mio. Euro dotierten Leibniz-Preis 2013 für seine Forschungen über Krebsgene, die Regeneration der menschlichen Leber und die Behandlung von Krebs im Magen-Darm-Trakt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) stuft die Arbeiten des 38-jährigen Professors, Universität Tübingen, als wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung therapeutischer Verfahren bei Krebs ein.

Diese hohe Auszeichnung, oft Sprungbrett zum Nobelpreis für Medizin, ist Hoffnungsträger und Meilenstein für alle Wissenschaftler, die an neuartigen Wirkstoffen sowie modernen Verfahren und Therapieansätzen arbeiten.

Es geht darum, einen aggressiven Krebstumor so zu kontrollieren, dass er sich zu einer chronischen Krankheit wandelt, wie dies bereits bei der chronisch myeloischen Leukämie (CML) zusehends gelingt. Dabei geht es nicht nur um ein längeres Überleben von Jahren statt einigen Monaten, sondern gleichzeitig um mehr Lebensqualität auch außerhalb des Klinikbettes im gewohnten Umfeld. Die neuen Ansätze zur Krebstherapie beziehen das Immunsystem immer stärker mit ein.

Eine Ende 2011 vom renommierten Fachjournal »Nature« veröffentlichte Arbeit des Krebsforschers Lars Zender zeigt, dass Zellen, die Vorstufen des Leberkarzinoms darstellen, sich eine Zeit lang in einer Art Winterschlaf befinden und in dieser Entwicklungsphase von einem gesunden Immunsystem aufgehalten und beseitigt werden können. Ziel ist es, die erwünschte Immun-Antwort gegen schlafende Krebszellen verstärkt therapeutisch zu nutzen. Letztlich gilt es, das Immunsystem des betreffenden Patienten so zu stabilisieren, dass eine Lebertransplantation vermeidbar erscheint (Quelle: SÜDWEST PRESSE, Südwestumschau, Samstag, 28.12.2013, S. 6).

1.2 Die Hoffnung: gesund altern bei längerem Leben

Ein einführendes Beispiel: Auf der Suche nach dem Jungbrunnen

»Anfang des 16. Jahrhunderts landete Ponce de León in Puerto Rico. Der spanische Konquistador begleitete den in spanischen Diensten stehenden Italiener Christoph Kolumbus auf dessen dritter Seereise. 1509 eroberte der Spanier Puerto Rico. Auf der Suche nach einem sagenhaften Jungbrunnen auf den Bimini-Inseln entdeckte er 1513 Florida, ein Festland, das er für eine Insel hielt. Ponce de León blieb beinahe 30 Jahre auf Puerto Rico und den benachbarten karibischen Inseln – getrieben von der Sehnsucht einer erfolgreichen Suche nach dem Jungbrunnen. Es war damals ein weitverbreitetes Bild und fand Eingang in die Vorstellungswelt der höheren Kreise Europas. Wie wir wissen, konnte Ponce de León den Jungbrunnen nicht aufspüren. Aber die durchschnittliche Lebenserwartung von damals 35 Jahren stieg auf heute europaweit 80 Jahre.

Und wie kam es dazu? Allein eine bessere Ernährung und günstigere Lebensumstände führten bis Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer Zunahme der Lebenserwartung auf etwa 45 Jahre. Danach ging es in mehr oder weniger großen Schritten aufwärts. Bahnbrechende Erfindungen und Technologien manifestieren sich alle 25 bis 50 Jahre in sogenannten Kondratieff-Zyklen, die nach dem gleichnamigen russischen Volkswirtschaftler benannten langfristigen Konjunkturwellen. Der ungarische Arzt Ignaz Semmelweis führte die Hygiene mithilfe vorbeugender Desinfektion in den OP-Sälen der Krankenhäuser ein. Der deutsche Serologe Paul Ehrlich erfand das Syphilisheilmittel Salvarsan und begründete die Chemotherapie.

Der deutsche Physiker Wilhelm Conrad Röntgen entdeckte die nach ihm benannten Röntgenstrahlen und stieß damit den bahnbrechenden Zyklus der strahlenbasierten Diagnostik an. Der britische Bakteriologe Sir Alexander Fleming entdeckte das Penicillin – der Meilenstein überhaupt, um mithilfe von Antibiotika Infektionskrankheiten wirksam zu bekämpfen.

Es folgten die Zyklen der Elektronik, der Computertechnologie und in jüngster Zeit zahlreiche wegweisende Forschungen und Entwicklungen in der Bio- und Nanotechnologie« (Quelle: Aus dem Vorwort, Herausgeber Prof. Wolf M. Bertling, Lektorat Beate Sander: »130 Jahre Leben. Menschheitstraum oder Albtraum?«, VOLK Verlag, München).

Weltweit sind Wissenschaftler dem Geheimnis eines langen Lebens auf der Spur

Bekannt ist: Ein gesunder Lebensstil, hygienische Lebensbedingungen, eine gute medizinische Versorgung, viel Bewegung und eine ausgewogene Ernährung beeinflussen die Lebenserwartung positiv. Die Chancen, gesund zu altern, sind in Europa heutzutage besser denn je. Die Lebenserwartung der Deutschen stieg – vor allem wegen der rasanten Fortschritte in der Medizin – im 20. Jahrhundert um über 30 Jahre.

Weltweit hat sich die Lebenserwartung auf Rekordniveau in den letzten 160 Jahren stetig erhöht. Im Jahr 1840 waren die Schwedinnen mit durchschnittlich 45 Jahren ganz vorn; heute sind es die Japanerinnen mit 85 Jahren. Der Zuwachs betrug also 40 Jahre über einen Zeitraum von 160 Jahren bzw. drei Monate pro Jahr und 2,5 Jahre pro Jahrzehnt. Ausschlaggebend für das längere Leben sind insbesondere verbesserte Überlebensraten in sehr hohem Alter (Quelle: Aus einem Bericht des Rostocker Zentrums für Demografischen Wandel).

Der stetige starke Aufwärtstrend wirft Fragen auf, ob es eine Obergrenze für die menschliche Lebenserwartung gibt. Sämtliche Voraussagen hierzu wurden bislang regelmäßig von der tatsächlichen Entwicklung übertroffen. Auch für die Annahme, dass sich der Zuwachs an Lebensjahren künftig verlangsamt, gibt es keinen empirischen Beleg. Eher scheint sich die höhere Lebenserwartung linear fortzusetzen.

Ein weiterhin ungebremster Anstieg der Lebenserwartung hat jedoch erhebliche Folgen für Politik, Volkswirtschaft und persönliche Lebensplanung. Falsche Einschätzungen könnten Politiker dazu verleiten, dringend notwendige Reformen in der Arbeits-, Renten- und Gesundheitspolitik aufzuschieben. Vor allem aber besteht die wachsende Gefahr, dass der einzelne Bürger finanziell nicht ausreichend für ein unerwartet langes Leben vorsorgt (Quelle: Aus einem Bericht vom Rostocker Zentrum für Demografischen Wandel).

Bezüglich der Lebenserwartung klafft die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander. Männer mit einem niedrigen Einkommen profitieren von der in Deutschland gestiegenen Lebenserwartung weniger als ihre einkommensstärkeren Altersgenossen. Dies geht aus einer Studie hervor, über die das Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock berichtete. 2008 konnten 65-jährige Männer, die hohe Renten bezogen, mit einer Lebenszeit von weiteren 20 Jahren rechnen. Ihren Altersgenossen mit sehr niedrigen Renten blieben statistisch gesehen dagegen nur 15 Jahre. Rembrandt Scholz vom Max-Planck-Institut in Rostock bemerkt hierzu, dass bei der demografischen Entwicklung die Bildung eine maßgebliche Rolle spielt. Es ist wichtig, zu wissen, »wie man sich zu verhalten hat«. An eine deutlich längere Lebenserwartung sind eine gesundheitsbewusste Ernährung, gute Wohnverhältnisse, viel körperliche Bewegung, bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und ein höherer Arbeitsverdienst geknüpft.

Eine gesundheitsbewusste Lebensführung kommt den Senioren im Rentenalter verstärkt zugute. Frauen blieben in dieser Studie des Max-Planck-Instituts unberücksichtigt, nachdem sich ihr Einkommen nur schwer ermitteln lässt.

Die große Herausforderung besteht darin, freudig, hoffnungsvoll und gesund zu altern. Ein Patentrezept hierfür gibt es nicht. Unbestritten aber bleibt, dass gesundheitsbewusstes Essen und Trinken, körperliche Ertüchtigung bei Spiel und Sport, geistige Anregung, soziale Kontakte, empfundene Lebensqualität und gefühlte Zufriedenheit entscheidend dazu beitragen, auch im höheren Alter gesund zu bleiben.

Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass der Lebensstil erheblich die Art und Weise beeinflusst, wie wir altern. Durch vollwertiges maßvolles Essen und Trinken sowie regelmäßige Bewegung, sei es bei Sport oder Gartenarbeit, vermindert sich das Risiko deutlich, an schweren Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf, Demenz und Depressionen, Diabetes und Skeletterkrankungen (Arthrose) zu leiden. Zugleich wird dadurch das seelische Wohlbefinden gefördert. Unbestritten ist, dass auch genetische Faktoren den Alterungsprozess beeinflussen – sei es positiv oder negativ.

So verringern beispielsweise Frauen, die auch in mittleren Jahren und im Alter regelmäßig Sport treiben, ihr Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, um 20 % bis 30 %. Selbst beim Heilungsprozess wirkt Sport segensreich: Das Rückfallrisiko bei Brustkrebs wird dadurch bis um die Hälfte gesenkt.

Auch die geistige Fitness wird dank körperlicher Bewegung bewahrt. US-Forscher vom Jefferson Medical College in Philadelphia konnten anhand von Hirn-Scans bei Studienteilnehmern im Alter von 60 und 80 Jahren belegen, dass sich wöchentlich drei Stunden Ausdauersport, über mehrere Jahre betrieben, positiv auf die Blutgefäße des Gehirns auswirken. Hier treten bei den Blutgefäßen im Gehirn deutlich weniger Verengungen auf, verglichen mit dem Zustand bei passiven, also bewegungsscheuen Probanden.

Für ältere Menschen eignen sich Ausdauer-Sportarten wie Walking, Schwimmen, Radfahren, Skilanglauf und Wandern. Dies gilt ebenso für Gymnastik und Training im Fitnessstudio zum Erhalt der Beweglichkeit und Krafttraining unter Anleitung zum Aufbau der Muskelmasse. Bei Vorerkrankungen sollte der Arzt befragt werden. Generell gilt: Es ist leichter, auch im Alter den in jungen Jahren begonnenen und gewohnten Sport weiter auszuüben, als etwas ganz Neues anzufangen.

»Zeige mir, wie schnell du läufst; und ich sage dir, wie lange du lebst.« Dies ist – überspitzt formuliert – das Ergebnis einer aktuellen Meta-Studie von US-Forschern aus Pittsburgh. Hier wurden die Daten von fast 35.000 Teilnehmern analysiert. Anhand der Geschwindigkeit beim Gehen lässt sich demnach die Lebenserwartung in etwa abschätzen. Wer im Alter von 65 Jahren noch mit durchschnittlich 5,7 Stundenkilometern zu Fuß unterwegs ist, hat gute Aussichten, über 90 Jahre alt zu werden. Die Gehgeschwindigkeit zeigt nicht nur krankheitsbedingte Beeinträchtigungen auf, sondern dokumentiert umgekehrt auch die körperliche Fitness, betonen die Forscher.

Die mit dem Alterungsprozess einhergehenden Veränderungen sollten im Blick bleiben: Der tägliche Kalorienbedarf sinkt. Er ist mit 75 Jahren um ein Viertel geringer als mit 25. Wer beharrlich seine bisherigen Essensportionen beibehält, wird zwangsläufig dicker. Einer britischen Studie zufolge sind dies ab dem 25. Lebensjahr im Schnitt 600 g pro Jahr. Reichlich Flüssigkeit ist ebenfalls wichtig, um geistig und körperlich fit zu bleiben. 1,5 Liter am Tag sollten es schon sein, auch wenn das Durstempfinden allmählich nachlässt (www.senioren-ratgeber.de/gesund-altern – vom Autor überarbeitet).

1.3 Die Kehrseite: Missbrauch, Betrug und Übertreibung

In Kapitel 1.1 »Das Ziel: die Heilung schwerer Krankheiten« erörterten wir einige aktuelle Entwicklungen der sogenannten Roten oder Pharmazeutischen Biotechnologie. Deren Auswirkungen sind allgemein unumstritten und für den gesunden wie für den kranken Menschen hilfreich.

Geht es um Gefahren in der Biotechnologie, wird meist an erster Stelle die Grüne Biotechnologie oder synonym die Grüne Gentechnik genannt. Die Gentechnik ist ein Teilbereich der Biotechnologie. Sie versucht, Erbinformationen (Gene) in Zellen, Bakterien oder Pflanzen einzuschleusen. So werden im Rahmen der Grünen Gentechnik Erbinformationen vor allem in Getreidepflanzen übertragen. Ziel ist es, deren Widerstandsfähigkeit gegen Parasiten, bestimmte Herbizide bzw. Insektizide oder gegen Trockenperioden zu stärken.

Befürworter halten die Grüne Gentechnik für unverzichtbar, um das weltweite Versorgungsproblem der hungernden Bevölkerung in den Griff zu bekommen. Was sich mit Pestiziden, Insektiziden, Monokulturen und Herbiziden nicht erreichen lässt, soll jetzt die Grüne Gentechnik leisten.

In diesem Zusammenhang fällt oft der Begriff »Functional Food«. Dies sind Nahrungsmittel, bevorzugt Getreide, die mithilfe der Gentechnik so verändert wurden, dass sie neben ihren normalen Inhaltstoffen zusätzlich ein Arzneimittel produzieren. So entwickelte der Schweizer Biologe Prof. Dr. Ingo Potrykus gemeinsam mit seiner Forschergruppe an der ETH-Zürich den »Goldenen Reis«. Diese Reissorte wurde durch gentechnologische Methoden dazu gebracht, das Provitamin A zu erzeugen. Es ist für die goldgelbe Farbe der Körner verantwortlich.

Befürworter der Grünen Gentechnik bestätigen, dass Functional Food gerade in Entwicklungsländern nützlich ist, um den Hunger- und Mangelernährungs-Problemen zu begegnen. Pro Jahr erblinden in Entwicklungsländern Hunderttausende von Kindern infolge von Vitamin-A-Mangel. Die Hälfte hiervon stirbt innerhalb eines Jahres.

Prof. Potrykus hält es für realistisch, auch andere Arzneimittel mithilfe von Reispflanzen zu produzieren und auf diese Weise nachhaltige Nahrungsmittel herzustellen. Potrykus regt an, Bauern mit geringem Einkommen den »Goldenen Reis« kostenlos zu liefern. Die Lage in Europa und den USA kümmert den Wissenschaftler weniger. Ihm liegt daran, den Armen dieser Welt zu helfen (Quelle: Agrarheute.com).

Einige Agrarkonzerne setzen vergleichbare Methoden der Grünen Gentechnik ein, um ihre Getreidesorten ertragreicher und widerstandsfähiger gegen Schädlinge und ungünstige Witterungseinflüsse wie Trockenheit und Nässe zu machen. Die Gentechnik bietet den großen Vorteil, dass die Herstellung einer genetisch veränderten Getreidesorte viel schneller möglich ist als mit der klassischen Züchtung. Das Einkreuzen fremder Merkmale dauert oftmals 15 bis 20 Jahre. Mithilfe der Grünen Gentechnik lassen sich selbst solche Gene in eine Pflanzenart einbringen, die in der Natur nicht vorkommen und daher konventionell nicht einzukreuzen sind.

Ziel ist es, neuartige Wirkstoffe zu produzieren, nachdem zahlreiche klassische Arzneimittel (Beispiel Antibiotika) immer häufiger auf unempfindliche, also resistente Krankheitserreger wie Bakterien treffen. Diese widerstandsfähigen Krankheitserreger haben sich durch Mutationen so verändert, dass viele Arzneimittel ihnen nichts mehr anhaben können.

Mag sich die Anwendung der Gentechnologie auch einfach anhören: Die Wirklichkeit sieht anders aus. Auf breiter Front bekämpfen Personen und Institutionen den Anbau von gentechnologisch verändertem Getreide und anderen landwirtschaftlichen Nutzpflanzen. Aktuell wird in der EU über die Zulassung oder das Verbot von Gen-Mais heftig diskutiert.

Für Angst und Unruhe sorgen Meldungen, nachdem in Getreidesorten eingebrachte Gene gegen bestimmte Antibiotika über Insekten und andere Tierarten wie Vögel in die Nahrungskette gelangen. Auch die Übertragung der Resistenz-Gene von gentechnisch veränderten Getreidesorten auf herkömmliche Getreidearten löst Zweifel aus.

Ebenso bringt die Presse Meldungen über die schädigende Wirkung auf nützliche Insekten, insbesondere auf die für die Bestäubung wichtigen Bienen. Skeptiker der Grünen Gentechnologie kritisieren, dass für Herbizid-resistente Getreidesorten teilweise mehr Unkrautvernichtungsmittel eingesetzt werden als bei konventionell erzeugten. Die Gegner der Grünen Gentechnologie bestehen auf einem Nachweis der langfristigen Unbedenklichkeit dieser Pflanzen. Eine solche Forderung erscheint nahezu unerfüllbar. Neben den möglichen Risiken, die durch gentechnologisch veränderte Getreidesorten entstehen, wird die Gefahr, die von gentechnisch veränderten Krankheitserregern ausgeht, in der Öffentlichkeit bisher kaum diskutiert.

Nahrung erhält diese Diskussion durch Beobachtungen der letzten zwei Dekaden. Demzufolge übersprangen Erreger aus dem Tierreich vereinzelt die Artengrenze und infizierten als überaus bedrohliche Krankheitserreger den Menschen.

Man denke an den Ausbruch der Vogelgrippe SARS (Schweres Respiratorisches Syndrom) und seit Sommer 2012 auch MERS-CoV (Middle East Respiratory Syndrome-Coronavirus).

Umstritten auch unter Wissenschaftlern ist, wie weit die Infektionsforschung gehen darf und wo Grenzen zu setzen sind. Dürfen Forscher Krankheitserreger mit neuen Eigenschaften ausstatten, um diese Merkmale in anderer Umgebung zu studieren? Darf generell alles gemacht werden, was möglich erscheint?

Fragen wie diese wurden auf einer Tagung der Deutschen Forschungsplattform für Zoonosen diskutiert, die vom 19. bis 20. September 2013 in Berlin stattfand. Zoonosen sind Infektionskrankheiten, die vom Tier auf den Menschen oder vom Menschen auf das Tier übertragen werden können.

Um gefährliche, weltweit auftretende Seuchen mit neuen Erregern schnell zu erkennen, wirksam zu behandeln und vorzubeugen, fördert das Bundesforschungsministerium seit 2009 die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen. Schließlich stammen rund 75 % der neuen Erreger von Tieren.

Neue Nahrung für diese Debatte lieferten zwei Veröffentlichungen in der international renommierten Zeitschrift Science. Demzufolge vermittelte eine Forschergruppe dem Erreger der Vogelgrippe H5N1 durch genetische Veränderung die Fähigkeit, sich per Tröpfcheninfektion auszubreiten. Damit wurde das Ansteckungsrisiko bei diesem Erreger enorm gesteigert und laut Fouchier, Seniorautor eines der beiden Artikel, »das gefährlichste Virus erzeugt, dass ich je gesehen habe«.

Die Frage, ob Ergebnisse über solch hochbrisante Experimente veröffentlicht werden dürfen und wie die Bevölkerung vor Missbrauch zu schützen ist, war Thema beim Treffen der »Seuchenforscher« im August 2013 in Berlin. In diesem Kongress prallten die unterschiedlichen Meinungen hart aufeinander: Auf der einen Seite formierten sich die Unterstützer für die Veröffentlichung derartiger Forschungsergebnisse.

Auf der anderen Seite standen die Kritiker, die eine Veröffentlichung hochbrisanter Forschungsergebnisse für die Öffentlichkeit als gefährlich ansehen. So sagte der Wissenschaftsjournalist Volker Stollorz: »Ein freigesetztes Virus ist nicht mehr rückholbar.«

Für vorurteilslos denkende und handelnde Fachleute erscheinen beide Richtungen berechtigt und nachvollziehbar: Zum einen ist das gezielte Erzeugen von Erregertypen mit neuen Eigenschaften wichtig, um gegen deren Auftreten besser gewappnet zu sein. Zum anderen gilt das für die Bevölkerung bestehende Risiko im Falle einer Freisetzung hoch pathogener Erreger als untragbar. Diese Konflikte machen es nicht gerade leichter, eine eindeutige Position für oder gegen derartige Forschungsprojekte zu beziehen.

Es fehlt nicht an Experten, die Einzelfallentscheidungen und die Einführung von Vorgutachten bei solchen Experimenten wünschen. Dabei erscheint vorrangig, ob der medizinische Nutzen die vorhandenen Risiken überwiegt.

Die Politik nimmt die Gefahren bei der Forschung mit hochinfektiösen Erregern ernst. Dies zeigt sich daran, dass der Bund den auf der Ostseeinsel Riems errichteten Hochsicherheits-Laborkomplex mit 300 Mio. Euro unterstützt. Die im August 2013 eröffneten Labore, die zum Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) gehören, erfüllen mit der Biosicherheitsstufe BSL4 die höchsten Sicherheitsanforderungen.

Weltweit gibt es nur zwei weitere Forschungseinrichtungen in Australien und Kanada, die mit Großtieren wie Schweinen und Rindern unter solchen Bedingungen arbeiten können. Das FLI ist das bislang einzige Forschungsinstitut in Europa, das über eine entsprechende Infrastruktur mit derart hohen Sicherheitsstandards verfügt.

1.4 Biotechforschung auf hohem Niveau

Nach dem Rekordumsatz von 2,9 Mrd. € (+11 % gegenüber 2011) und der auf 17.430 (+7 %) gestiegenen Mitarbeiterzahl in den vor allem mit Biotechnologie befassten Firmen sanken in Deutschland die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) 2012 erneut. Mit 934 Mio. Euro blieben sie unter einer Mrd. Euro. Mit rund 749 Mio. Euro trugen hiervon Unternehmen der medizinischen oder Roten Biotechnologie den Löwenanteil. Dies ergab die biotechnologie.de-Umfrage von 2013 zur Lage der Biotechnologie in Deutschland im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nach den Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Die aktuelle Geschäftslage der deutschen Biotechnologie wird so zuversichtlich geschildert wie seit vielen Jahren nicht mehr. Auch in der Einschätzung des aktuellen und künftigen politischen Klimas in Deutschland zeigt sich eine klare positive Trendwende. Dies ergab eine Umfrage des Verbandes der Biotechnologie-Industrie, BIO Deutschland, in Zusammenarbeit mit dem Branchenmagazin |transkript. Die Ergebnisse wurden am 14. Januar 2014 in Berlin vorgestellt. Besonders erfreulich: Im vergangenen Jahr stiegen die Kapitalinvestitionen in Biotechnologie-Unternehmen um 20 % und liegen somit wieder über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre.

Bis auf eine Ausnahme zeigen alle sechs Indikatoren nach oben: Die Biotech-Gesellschaften wollen 2014 verstärkt Personal einstellen. Erstmals seit drei Jahren wuchs der entsprechende Indexwert um 2,80 Punkte auf 95,32 Punkte.

Ein Hauptgrund für den Mitarbeiterzuwachs dürfte die positive Beurteilung der aktuellen Geschäftslage sein. Mit 99,13 Punkten (+2,64) markiert der Wert einen sechsjährigen Höchststand. »Rund 95 % der Unternehmen beurteilen ihre eigene Lage als gut oder befriedigend«, betont Viola Bronsema, Geschäftsführerin von BIO Deutschland.

Lediglich die Bereitschaft der Firmen, in Forschung und Entwicklung zu investieren, ging laut Umfrage zurück. Mit 93,05 Punkten liegt der Wert um 3,05 Punkte unter dem Vorjahresergebnis. Geschäftsführerin Bronsema von BIO Deutschland nennt drei mögliche Gründe für den seit 2010 bestehenden Trend: »Unternehmen priorisieren ihre Forschungsprojekte wegen Kapitalmangel.« Zudem dürften gerade im Wahljahr 2013 einige Firmen mit einer Investitionsentscheidung gewartet haben, bis die politischen Rahmenbedingungen geklärt waren. Der Rückgang ist aber auch ein Zeichen für die Reifung der Branche: Insbesondere die erfolgreichen Unternehmen, die bereits über Produkte am Markt verfügen, müssen nicht mehr nur in Forschung und Entwicklung investieren, sondern aus dem Budget auch Marketing und Vertrieb bezahlen.

Abb.1.tif

Die Ergebnisse wurden ergänzt durch Recherchen von BIO Deutschland und |transkript. Die Eigenkapitalinvestments erhöhten sich 2013 mit 360 Mio. Euro gegenüber 2012 um ein Fünftel. Obwohl in dieser Sparte 2013 keine Börsengänge stattfanden, sorgten Biotechanlagen aufgrund ihrer positiven Kursentwicklung bei Aktionären für viel Freude. Unter den zwölf Unternehmen im Prime IG Biotech der Deutschen Börse AG in Frankfurt gab es nur zwei Kursverlierer. Demgegenüber schafften es zwei Firmen, ihren Börsenwert mehr als zu verdoppeln.

Bei Biopharmazeutika bleibt Deutschland Europameister und ist weltweit die Nr. 2

Diese etwas reißerisch klingende Überschrift beschreibt die eher nüchterne Aussage über die Fermenterkapazitäten. Sie beziehen sich auf die Maschinenvolumina, in denen die biopharmazeutischen Unternehmen mithilfe von Mikroorganismen (Säugetierzellen, Bakterien oder Hefen) ihre für Arzneimittel benötigten Wirkstoffe produzieren. Wie die Abbildung zeigt, nimmt die Bundesrepublik mit ihren starken pharmazeutischen Firmen vorwiegend in Bayern und Baden-Württemberg hinter Amerika den 2. Platz in der Weltrangliste ein. Auch wenn die schnell wachsenden Länder Südostasiens Indien und China bei den Fermenterkapazitäten rasch aufholen, wird der große Akademikeranteil hierzulande und der besonders hohe Qualitätsanspruch in dieser Branche Deutschland noch längerfristig einen vorderen Listenplatz in dieser Liga sichern.

Die Immuntherapie: »Durchbruch des Jahres 2013«

Es bietet sich an, über einige aktuelle Entdeckungen zu berichten, die den hohen Standard der Biotechnologie kennzeichnen. Das Fachmagazin Science sieht in der Immuntherapie im Kampf gegen Krebs den wissenschaftlichen »Durchbruch des Jahres 2013«.

Hierbei handelt es sich eigentlich um eine medizinische Behandlungsstrategie. Dieser biotechnologische Ansatz greift erstmals nicht mehr direkt den Tumor mit chemischen Mitteln oder durch Strahlung an. Vielmehr wird die Immunabwehr des Patienten so beeinflusst und angekurbelt, dass sie die entarteten Tumorzellen erkennt und gezielt zerstört. Auch wenn bislang erst wenige Krebspatienten von der Immuntherapie profitierten: Gerade im vergangenen Jahr 2013 belegten bereits mehrere klinische Studien, dass die umfunktionierte Immunabwehr Erfolge verspricht und Leben rettet. Dies ist die inhaltliche Begründung für die Entscheidung der renommierten Science-Redaktion.

Die Immuntherapie vereint ein Bündel unterschiedlicher ­Ansätze. Einige verändern die Killerzellen von Patienten so, dass sie danach auf bestimmte Oberflächenmoleküle entarteter Zellen geeicht sind und diese gezielt suchen und zerstören. Andere verabreichen Patienten eine Substanz, die den Tarn-Mechanismus der Krebszellen blockiert, mit dem diese die Abwehrzellen irreführen. »Es ist wichtig, die unmittelbaren Vorteile nicht zu übertreiben«, meinen die Science-Redakteure. Viele Krebsspezialisten glauben, dass hier die Geburt eines neuen, wichtigen Paradigmas der Krebsbehandlung bevorsteht.

In einer Studie mit 5000 Lungenkrebspatienten gelang es Kölner Forschern, genetische Veränderungen zu identifizieren, die eine genauere Einteilung der Krebstypen zulassen. Das wichtigste Ergebnis: Die genetischen Tumor-Analysen zeichnen ein schärferes Profil der jeweiligen Krankheitstypen. Die Forscher entwickelten auf dieser Basis maßgeschneiderte Therapien, mit denen die Lebenserwartung der Patienten deutlich stieg. Ihre vom Bund und Land geförderte Studie veröffentlichten die Wissenschaftler im Fachmagazin Science Transnational Medicine und präsentierten die Ergebnisse kürzlich auf dem weltgrößten Lungenkrebskongress in Sydney (Biotechnologie.de).

Personalisierte Medizin und deren Auswirkungen

Menschen reagieren unterschiedlich auf Medikamente, selbst wenn deren Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Studien nachgewiesen wurden. Die individualisierte oder personalisierte Medizin erfasst diese Unterschiede und berücksichtigt sie bei der Behandlung und Prognose von Krankheiten. Die Therapien werden an die individuellen, teilweise genetisch bedingten Merkmale des Patienten angepasst, um erfolgreicher behandeln zu können. Die Erwartungen sind groß.

Viele Patienten erhoffen sich von einer solch maßgeschneiderten Medizin eine gesundheitliche Verbesserung. Ärzte und Krankenkassen wollen durch diese diagnostischen Tests die Verabreichung ungeeigneter Medikamente vermeiden und damit schädliche Nebenwirkungen und Kosten verringern (Deutscher Ethikrat).

Im Fokus stehen bahnbrechende Resultate: von der Stammzellforschung über die Gewebezüchtung bis hin zur Neurobiologie. Auch in der Werkzeugkiste der Molekularbiologen gibt es wichtige Neuzugänge, die schon bald die biomedizinische Forschung entscheidend beeinflussen dürften.

So katapultierte ein Experiment von US-Forschern die Stammzellforschung auf die Frontseiten der Tagespresse und der Fachzeitschriften. Klonexperten um Shoukhrat Mitalipov von der Oregon Health and Science University erzeugten menschliche Embryonen, die im Kern das Erbgut einer Hautzelle tragen. Auch wenn andere Labore diese Experimente noch bestätigen müssen, gelten die Ergebnisse als Meilenstein: Erstmals gelang es Wissenschaftlern, menschliche Embryonen zu klonen und dadurch mithilfe von Zellkernen aus Körperzellen genetisch identische Embryonen herzustellen.

Damit reiht sich auch der Mensch in die lange Reihe der klonbaren Lebewesen ein. Die Forscher aus Portland nutzten für ihre Experimente Hautzellen von Kindern. Die Kerne dieser Zellen bugsierten sie in unbefruchtete, aber entkernte Spender-Eizellen.

Dieser als somatischer Kerntransfer bezeichnete Vorgang sorgte 1996 bei der Erzeugung des Klonschafs Dolly als »Dolly-Methode« für Furore. Erstmals war es damals möglich, ein erwachsenes Säugetier genetisch zu kopieren. Was seither bei einer Reihe von Nutztieren wie Schafen, Rindern und Pferden bereits zur Routine wurde, scheiterte bislang beim Menschen. Forscher rund um den Globus zollten dieser bemerkenswerten wissenschaftlichen Leistung hohen Respekt, äußerten aber zugleich erhebliche ethische Bedenken.

Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass die Kombination aus Biotechnologie und Medizin in Form der personalisierten oder individualisierten Medizin einen wirklichen Nutzen für Patienten verspricht.

1.5 Der Konflikt: das Machbare und das ethisch Vertretbare

Ernst-Ludwig Winnacker, seit 1980 Professor für Biochemie an der Universität München, begann 1985 die erste Ausgabe seines für viele Molekularbiologen wichtigen Buches »Gene und Klone« mit dem Zitat: »You see things, and say why? But I dream things that never were, and I say why not?” (von George Bernhard Shaw). Prof. Dr. Ernst-Ludwig Winnacker war Präsident der deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG, 1998 bis 2006), gehörte der Enquête-Kommission des Bundestages an und ist Berater des Bundesministers für Forschung und Technologie sowie des bayerischen Ministerpräsidenten.

Auch wenn die Bedeutung des Zitates für die Biotechnologie erst Jahrzehnte später in der ganzen Tragweite erkannt wurde, traf Prof. Winnacker mit diesem Ausspruch schon damals den Nerv der Entwicklungen in der Biotechnologie. In kaum einer anderen Disziplin folgten in derart kurzen Zeitabständen so bahnbrechende Entdeckungen wie in der Biotechnologie einschließlich Gentechnik.

Nach Entdeckung der die Erbsubstanz modifizierenden Enzyme (Nobelpreis 1978) erhielt Frederick Sanger 1980 seinen zweiten Nobelpreis für seine Untersuchungen zur Ermittlung der Basensequenzen in den Erbanlagen. Dies war sicherlich ein entscheidender Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung und den Auftrieb der Gentechnik. Es folgten die Entdeckung der Polymerase-Kettenreaktion (PCR, Nobelpreis 1993), des »green fluorescent protein« (GFP, Nobelpreis 2008) und die genetisch induzierte Reprogrammierung von differenzierten Körperzellen zu den induzierbaren Stammzellen (Nobelpreis 2012), um nur einige zu nennen.

Wegweisend für diese Entdeckungen war, dass in den Folgejahren die neuen Verfahren in entsprechend ausgestatteten Laboren von interessierten Wissenschaftlern leichter nachvollziehbar waren. Daran arbeitende Forscher konnten diese Methoden als »Spielwiese« bzw. »Übungsbecken« nutzen und weiterentwickeln. Es sei an das Human Genome Project erinnert, das zwischen 1990 und 2003 Firmen und Forschungsinstitute weltweit über ein Jahrzehnt beschäftigte und mit Kosten von 3 Mrd. Dollar belastete. Heute lässt sich ein ebenso komplexes Genom von einem Organismus oder einer Zelllinie für wenige Tausend Euro entschlüsseln. Seit 2012 wird verkündet, dass die Kosten für die Sequenzierung des eigenen Genoms sogar die 1000-Dollar-Schwelle unterschreiten dürfte. Bislang haben die darauf spezialisierten marktführenden Unternehmen dies nicht umgesetzt. Laut Firmenangaben soll die Sequenzierung eines menschlichen Genoms künftig mit den neuen leistungsfähigen Geräten binnen drei Tagen durchführbar sein.

Was bedeutet das? Es zeigt, dass Analysen, die früher ein Jahrzehnt beanspruchten, heute in Wochen, möglicherweise sogar in Tagen realisierbar sind. Sicherlich wird sich dies auch auf die Entwicklung der personalisierten Medizin auswirken. Es deutet sich an, dass Gedanken, die in den 1990er-Jahren noch von fantasievollen Regisseuren in Literatur und Film dargestellt wurden, vielleicht schon bald Wirklichkeit sind. Man denke an längst ausgestorbene Tiere wie die Dinosaurier, die Wissenschaftler möglicherweise wiederauferstehen lassen. Erinnert sei an Jurassic Park von Michael Crichton mit der berühmten Verfilmung von Steven Spielberg.

Berichte über die Ausgrabung eines in der sibirischen Tundra im Eis eingeschlossenen Mammuts haben zahlreiche Wissenschaftler auf den Plan gerufen, aus der gefundenen Mammut-DNA neue Mammuts zu erschaffen. Dieser Riesenelefant ist seit ungefähr 10.000 Jahren ausgestorben.

Hierzu muss die in kleine Bruchstücke zerfallene DNA charakterisiert und chemisch hergestellt werden, um sie anschließend in eine Elefanteneizelle zu übertragen und hernach einer Elefantenkuh einzusetzen.

Angesichts der Forschungsergebnisse aus verwandten Disziplinen darf ein solches Ziel nicht mehr als unerreichbar abgetan werden. So präsentierte Craig Venter bereits 2010 einen von ihm als »synthetische Zelle« bezeichneten Organismus. Es handelt sich um eine künstlich erzeugte Bakterienzelle, die fähig ist, sich zu vermehren und hohe Ansprüche an ihr eigenes Nährmedium stellt. Das Medieninteresse war damals verständlicherweise groß und öffentlichkeitswirksam.

Craig Venter gründete 1998 sein eigenes Unternehmen. Er wurde vor allem dadurch bekannt, indem er menschliche Gene sequenzierte und für die industrielle Verwertung patentierte. Über seine Firma griff er in das laufende Human Genome Project ein und gilt letztlich als Gewinner im Rennen um die Sequenzierung des ersten menschlichen Genoms.

2010 gelang es seiner Firma, ein chemisch erzeugtes Genom in der Größe von einer Million Nukleotiden in eine Bakterienhülle einzuschleusen und so die erste künstliche Bakterienzelle zu erschaffen, die sich selbst vermehrt. Auch wenn dieses Ergebnis von einigen möglicherweise neidischen Wissenschaftskollegen eher als Resultat geduldiger handwerklicher Arbeit statt als Geniestreich bewertet wird, gilt es doch als Durchbruch bei der Erzeugung künstlicher Organismen.

Als Folgeprodukte dieser ersten synthetischen Genome sind Mikroorganismen denkbar, die Impfstoffe, Biokraftstoffe und andere Wertstoffe herstellen oder gezielt Schadstoffe abbauen. Diese Techniken dürften künftig vielerlei Herstellungsprozesse beeinflussen und auch am Aktienmarkt für Aufsehen sorgen, soweit die Macher börsennotierte Unternehmen sind.

Jedoch steht dem ersehnten medizinischen Fortschritt, funktionsgestörte Organe durch biotechnologische Produkte zu ersetzen, die Gefahr von Missbrauch und Missachtung ethischer Standards und Werthaltungen gegenüber.

Die seit einigen Jahren möglichen Gentests erlauben bereits in einigen Fällen die frühe Krankheitserkennung bzw. eine Prognose bezüglich eines späteren Erkrankungsrisikos. Hier sei auf die Gene BRCA 1 und 2 verwiesen, deren Veränderung für 50 % der erblich bedingten Krebserkrankungen von Brust und Eierstock verantwortlich ist. Mithilfe einer molekularbiologischen Blutuntersuchung lässt sich das Erkrankungsrisiko ermitteln. Wegen der erheblichen Auswirkungen sollte ein solcher Gentest erst nach gynäkologischer, humangenetischer und gegebenenfalls psychologischer Beratung erfolgen.

Neben den Chancen in der individualisierten Medizin und Prognosen über das spätere Erkrankungsrisiko werfen Gentests auch ethische Fragen auf. So entsteht bei genetischen Tests das Problem, dass bei einem positiven Befund neben der getesteten Person wahrscheinlich auch nächste Angehörige wie Eltern oder Kinder betroffen sind.

Fragwürdig ist die Nutzung gendiagnostischer Daten bei Abschluss von Kranken- oder Lebensversicherungen. Zwar dürfen Versicherungsgesellschaften laut Übereinkunft bezüglich Menschenrechten und Biomedizin keine genetischen Untersuchungen oder Analysen anfordern. Andererseits kann bei extrem hohen Versicherungssummen die Gesellschaft verlangen, dass bereits durchgeführte Gentests offengelegt werden.

So liegen in der medizinischen Biotechnologie Nutzen und Risiko dicht beieinander. Es bleibt zu hoffen, dass die Politik die Gefahren erkennt und frühzeitig Gesetze verabschiedet, um Missbrauch und ethische Verwerfungen auszuschließen.

1.6 Der lange Weg der klinischen Phasen

Die klinischen Studien untersuchen die Wirkungen und Nebenwirkungen neuer Medikamente am Menschen. Ziel ist es, sich von der Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität neuer Arzneimittel zu überzeugen, um künftig die medizinische Versorgung der Patienten zu verbessern.

Die Planung und Durchführung klinischer Studien gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben der pharmazeutischen Industrie. Mit neuartigen, hoch technologischen Therapieansätzen werden die Anforderungen an klinische Studien immer komplexer. Demzufolge steigen die Kosten hierfür jährlich um 12 bis 14 %. Mit der Organisation, Durchführung und Abwicklung beauftragen die finanzierenden Pharmaunternehmen im Allgemeinen auf solche Dienstleistungen spezialisierte Firmen, sogenannte Clinical Research Organisations (CRO).

Bei allem Interesse der pharmazeutischen Unternehmen, die Entwicklungskosten zu senken, wird in Zeiträumen von über zehn Jahren kalkuliert und mit einem Aufwand von mehr als 800 Mio. Euro bis zur Zulassung eines neuen Medikamentes gerechnet. Diese Kosten sind auch deshalb so hoch, weil zahlreiche Wirkstoffkandidaten im Rahmen der klinischen Studien die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen.

Aufgrund der Komplexität der Medikamente und des Studiendesigns steigt der Zeitumfang klinischer Studien und wird nicht selten unterbewertet. Für eine klinische Phase-I-Studie ergeben sich im Schnitt 8,8 Monate, für eine Phase-II-Studie 14 Monate und für eine Phase III sogar 20,7 Monate (Cutting Edge Information 2004 report on »Accelerating Clinical Trials«).

Abb.2.tif

Deutschland ist weltweit der drittgrößte Markt für die pharmazeutische Industrie und verfügt über eine effiziente patientenorientierte Forschung. Mit 2,3 Fachärzten pro 1000 Einwohner ist gegenüber anderen Industriestaaten die Facharztdichte am höchsten. Dies schafft gute Rahmenbedingungen für klinische Prüfungen. Die hohe Bevölkerungsdichte mit einer großen Patientenzahl im Umfeld bestens ausgestatteter medizinischer Versorgungseinrichtungen wie Universitätskliniken fördert eine innovationsorientierte Forschung. Diese Faktoren trugen mit dazu bei, dass Deutschland seit 2007 – bezogen auf die Zahl durchgeführter klinischer Prüfungen – in Europa den ersten Platz und weltweit nach den USA den zweiten Rang einnimmt. Vor Durchführung einer klinischen Studie sind in einem Prüfplan die Ziele, die Hypothese, das Studiendesign, der Behandlungsablauf, die statistischen Auswertemethoden, die Ein- und Ausschlusskriterien für die Probanden sowie die zu erhebenden Messwerte genau zu erklären.

Dieser Prüfplan muss vor Beginn der klinischen Studie von den zuständigen Behörden und einer Ethikkommission genehmigt werden. Die Ethikkommission setzt sich aus Fachleuten und aus Nicht-Medizinern wie Juristen und Theologen zusammen.

Die klinische Prüfung besteht aus vier Phasen

In der Phase I wird die Verträglichkeit und Sicherheit des Medikamentes an kleinen Gruppen mit 10 bis 100 gesunden Probanden getestet. Untersucht werden die Aufnahme und Verteilung des Präparates im Körper sowie sein Umbau, Abbau und seine Ausscheidung. Ist bei einem Medikament gegen schwere, lebensbedrohende Krankheiten wegen der Nebenwirkungsgefahr eine Studie an gesunden Probanden ethisch nicht vertretbar, darf gegebenenfalls mit einer Phase-II-Studie mit der gleichen Zielsetzung begonnen werden.

In Phase II a bzw. II b werden das Therapiekonzept (II a) und die Findung der geeigneten Wirkstoffdosis (II b) überprüft. Die Phase II wird an Probanden mit entsprechendem Krankheitsbild, an Gruppengrößen bis zu mehreren Hundert Probanden und häufig auch im Vergleich mit einem Placebo (wirkungsloses Scheinpräparat) oder Konkurrenzprodukt durchgeführt.

Der Fokus der Phase III Studie liegt weiter auf der Wirksamkeit und Verträglichkeit des Medikamentes. Jetzt wird eine große Patientengruppe mit zum Teil einigen Tausend Probanden unterschiedlicher Herkunft und Nationalität untersucht. Dabei werden auch seltene Nebenwirkungen identifiziert. Das Medikament wird in seiner geplanten Dosierung und Darreichungsform verabreicht und muss den endgültigen Wirkungsnachweis erbringen. Bei Erfolg schließt sich direkt die Marktzulassung der Therapie mit praktischer Erprobung an. Die Dauer dieser Phase ist abhängig vom Arzneimittel und kann von wenigen Monaten bis zu einigen Jahre dauern.

Die Phase IV erfolgt an bereits genehmigten Medikamenten im zugelassenen Indikationsgebiet. Hierbei werden oft über mehrere Jahre sämtliche Neben- und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten an großen Patientengruppen mit z.T. mehreren Tausend Probanden untersucht.

Ohne freiwillige schriftliche Patientenzustimmung geht nichts

Die Teilnahme an einer klinischen Studie ist freiwillig und erfordert eine schriftliche Zustimmung, die ohne Angabe von Gründen jederzeit widerrufbar ist. Die meisten Prüfinstitute laden interessierte Probanden zu einer Informationsveranstaltung ein. Hier wird die geplante Studie genau beschrieben und auf mögliche Gefahren wie unerwünschte Nebenwirkungen hingewiesen. Seriöse Institute schließen für den Fall einer Gesundheitsschädigung wegen noch unbekannter Risiken eine Probandenversicherung ab. Wichtig ist es, wahrheitsgemäß über Vorerkrankungen, Allergien, Ess- und Trinkgewohnheiten zu berichten.

Für gesunde Probanden ist mit der Einnahme eines neuen Medikaments gewöhnlich kein therapeutischer Nutzen verbunden. Vorteilhaft ist jedoch, dass zuvor ein intensiver Gesundheits-Check erfolgt. Möglicherweise lassen sich auf diese Weise eigene Erkrankungen frühzeitig erkennen. Die angebotene Aufwandsentschädigung als lukratives Nebeneinkommen ist bei regelmäßiger Teilnahme bzw. finanziellen Engpässen nicht zu verachten.

Insbesondere aber darf es sich der Proband zugutehalten, dass er selbst an der Weiterentwicklung der medizinischen Forschung aktiv teilnimmt. Neuartige Medikamente und Therapieformen eröffnen bei schweren Erkrankungen die Chancen auf eine künftige Heilung.

1.7 Die Geschichte der Biotechnologie

Die Medizin erlebt eine biotechnologische Revolution – erkennbar auch an den seit 2012 stark gestiegenen Aktienkursen marktführender Firmen. Die hier entwickelten biotechnologischen Produkte eröffnen neue Chancen bei der Krankheitserkennung und Behandlung. In der Medizin beginnt die Geschichte der Biotechnologie ungefähr 500 Jahre v. Chr. mit der Entdeckung und Nutzung antibiotisch wirkender Tofu-Schimmelkulturen und 100 Jahre v. Chr. mit insektizid wirkenden gemahlenen Chrysanthemen-Samen, beides in China.

Machen wir nun einen großen Sprung ins Mittelalter mit dem Bau des ersten Mikroskops durch den Optiker Hans Janssen Ende des 16. Jahrhunderts. Ohne diese bahnbrechende Erfindung hätte Robert Hooke 1665 keine rechteckigen Strukturen in einer Korkscheibe auffinden können, für die er den Namen »Zellen« prägt. Zwei Jahre später spürt Antoni van Leeuwenhoek erstmals Bakterien auf.

Schlag auf Schlag geht es im 19. Jahrhundert voran. Um 1830 werden die ersten Enzyme isoliert und zwei Jahrzehnte später die Zellen als kleinste eigenständige Einheiten des Lebens erkannt. Jetzt ist die Zeit gekommen für den Durchbruch der Biotechnologie. Die Erfindungen, Entdeckungen, Forschungen und Präparat-Entwicklungen dieser Branche verändern die medizinische Welt und eröffnen neue Perspektiven. Zunehmend ist nun auch die Nanotechnologie mit im Spiel. Die Namen und Lebensläufe einiger Berühmtheiten sind Ihnen vielleicht geläufig. Ist die Rede z. B. von Charles Darwin, Louis Pasteur, Gregor Mendel, Robert Koch, Emil von Behring und Alexander Fleming, kehrt die Erinnerung zurück.

Hinter den Namen dieser berühmten Wissenschaftler und Forscher stehen die mit Ursachenerkennung und Krankheitsbehandlung verbundenen Spitzenleistungen.

1.8 Chronik der Medizintechnik mit Ausblick

Steigende Lebenserwartung als sprudelnder Wachstumsquell für die Medizintechnik

Laut Professor Vaupel, dem berühmten Altersforscher bzw. Gerontologen, steigt die Lebenserwartung stetig weiter an. Pro Tag sind es im Schnitt 6 Stunden, pro Jahr 3 Monate, pro Jahrzehnt 2,5 Jahre geschenktes Leben. Dies ist kein sprudelnder Quell der Glückseligkeit. Insbesondere in der letzten Lebensphase häufen sich schwere Alterserkrankungen. Beweglichkeit, Muskelkraft und Mobilität lassen nach. Aber die einzelnen Organe altern unterschiedlich – deutlich spürbar beim kalendarischen Alter ab 80 Jahren. Seh- und Hörschwäche zählen zum gewohnten Bild; und Alzheimer wird zur wachsenden Bedrohung. Der alternde Mensch mutiert nicht selten zum »Ersatzteillager«: Prothetik vom Kopf bis zum Fuß: Augen, Ohren, Zähne, Bandscheiben, Hüft- und Kniegelenke. So entwickelt sich die Medizintechnik zum großen Zukunftsmarkt. Was heute noch wie Zukunftsmusik anmutet, wird morgen Wirklichkeit und übermorgen weitgehend überholt sein.

Kaum eine Branche wächst so stark wie die Medizintechnologie. Hier gibt es kein Luftholen, kein Zurücklehnen. Ständig ist alles im Fluss. Insbesondere im Bereich der Arm- und Beinprothesen wie auch der Rollstühle vergeht wohl kaum ein Jahr, in dem nicht imposante Neuheiten vorgestellt und bei großen Veranstaltungen im Behindertensport eindrucksvoll präsentiert werden. Die Medizintechnik entwickelt sich stetig weiter und steht an der Schwelle zu einer beeindruckenden Evolution mit enormen Wachstumschancen.

Ob Wundversorgung, Chirurgie, Untersuchungs- und Behandlungsmethoden bei Erkrankungen von Augen, Ohren, Knochen und Gelenken, Herz und Kreislauf. Ob Implantate und Prothesen für defekte oder fehlende Körperteile. Ob Labor-, Diagnostik- und Operationsgeräte, Instrumente und sonstiges Zubehör wie Kanülen, Schläuche, Einweggefäße, Bestecke und Spritzen in Arztpraxen und Kliniken. Die Medizintechnik macht schrittweise möglich, was vor einigen Jahren als utopisch anmutender Wunschtraum unvorstellbar schien. Sie leistet einen wichtigen Beitrag, um Leben zu retten, Schmerzen zu lindern, Krankheiten zu heilen und die Lebensqualität zu verbessern.

Die Anfänge reichen bis zur ersten Wundversorgung zurück, als in grauer Vorzeit Verletzte mit Pflanzenblättern und Baumrinde Wunden bedeckten und umwickelten. Sie versuchten, mit Muschelschalen und großen Fischgräten entzündete Abszesse zu öffnen, Dornen und Stacheln zu entfernen und Eiterherden den Garaus zu machen. In ihrer Not ließen sich Verletzte allerlei einfallen, um Infektionen zu bekämpfen, Blutungen zu stillen und einer Blutvergiftung zu entgehen. Es war schon eher Glückssache, wenn die überlieferten Tipps die angepriesene Wirkung zeigten. Nicht selten wurde das Gegenteil erreicht: Alles noch schlimmer als zuvor.

So wie es aussieht, bestand um 1700 v. Chr. in der Hochkonjunktur der Ägypter ein beachtliches Wissensniveau mit Anleitungen zur Wundversorgung, Behandlung und Heilung. Der von 460 bis 377 v. Chr. lebende Grieche Hippokrates gilt als der weltberühmte Pionier der Wundversorgung. Bei der Infektionsbekämpfung war man damals nicht zimperlich. Es hieß: Zähne zusammenbeißen und schlimmen Schmerz ertragen. Das Ausbrennen der Wunde mit einem Glüheisen galt als wirksamste Behandlungsmethode – und dies alles ohne die Möglichkeit einer örtlichen Betäubung oder gar Vollnarkose.

Antiseptik und Wundwatte als Meilensteine durch Ignaz Semmelweiß und Joseph Lister

Aufsehen erregende Fortschritte gab es im 19. Jahrhundert. Aufgrund der von ihm eingeführten Desinfektion des gesamten Operationsfeldes, der Instrumente und des Verbandsmaterials gilt der schottische Arzt Sir Joseph Lister als der Begründer der Antiseptik. Mit seinem 1867 veröffentlichten Verfahren gingen die Todesraten bei Wundinfektionen durch Keime und sonstige Verunreinigungen deutlich zurück. Der Erfolg von Listers bahnbrechender Entdeckung wurde durch die vorausgegangenen Arbeiten von Ignaz Semmelweiß und Louis Pasteur beflügelt.

Durchbruch bei der Wundversorgung und den Verbandsmaterialien

Im Jahr 1870 entwickelte Paul Hartmann, der Gründer der heutigen börsennotierten Paul Hartmann AG mit Firmensitz in Heidenheim, neuartiges Verbandsmaterial. Der Weg von der Verbandswatte zum Verbandsmull zeichnete sich ab. Im 20. Jahrhundert schritt die Wundversorgung mit innovativen Produkten weiter voran. 1919 kamen die ersten Pflaster, 1924 die elastische Pflasterbinde, 1930 die fixierte Cellona-Gipsbinde auf den Markt. Das geringe Gewicht und die große Festigkeit der Cellona-Gipsbinde eröffneten weitere für die Beweglichkeit wichtige Anwendungsformen.

1962 veröffentlichte Georg Winter seine wissenschaftliche Arbeit zur modernen »feuchten Wundbehandlung«. Seit dem Millenniumsjahr 2000 gibt es neuartige Verfahren, um Heilungserfolge bei chronischen Wunden und schweren Brandverletzungen zu erzielen. Kleine Hautproben, dem Patienten unter örtlicher Betäubung ambulant entnommen, werden in einem das Zellwachstum fördernden Kulturmedium vergrößert.

Nach knapp drei Wochen lässt sich dieser Hautersatz ohne nennenswerte Schmerzen auf die Wundoberfläche auftragen. Dort bilden die neuen teilungsfähigen Zellen gemeinsam mit dem noch gesunden Körpergewebe eine frische Hautschicht. Da hier körpereigene Zellen eingesetzt werden, kommt es zu keinen Abstoßungsreaktionen.

Chirurgische Instrumente, Spritzen, Kanülen, Nahtmaterial und Laborgefäße

Der griechische Arzt Hippokrates gilt als Begründer der klassischen Chirurgie. Man höre und staune: Schon vor rund 2500 Jahren wurden über 200 unterschiedliche Instrumente bei Operationen eingesetzt. Nach den Vorgaben der Ärzte stellten geschickte Handwerker das benötige Operationsbesteck aus edlen Materialien her und sparten dabei nicht mit üppigen Verzierungen.

Ab dem 19./20. Jahrhundert begann die Instrumentenproduktion im großen Umfang. Statt aus Elfenbein, Gold und Silber diente nun Stahl als Ausgangsmaterial. Feinmechaniker und Messerschmiede stellten die Geräte her. Seit 1939 gibt es das Berufsbild des Chirurgiemechanikers.

Vor rund 300 Jahren wurde die Methode bekannt, Flüssigkeiten mithilfe einer Spritze in bestimmte Körperteile zu injizieren. William Harvey, der Entdecker des großen Blutkreislaufs und der Funktion des Herzens als Antriebspumpe, griff bereits zu Metallspritzen. Er revolutionierte damit die Medizin. Seit 1850 gibt es Ganzglas-Kolben-Spritzen. In den 1960er-Jahren wurden diese durch Kunststoff-Ausführungen ersetzt. Als Pionier für typische Klinikprodukte wie Katheter, Kanülen und Nahtmaterial gilt die Firma B. Braun mit Geschäftssitz im nordhessischen Melsingen.

Der Siegeszug der Kunststoffprodukte

Kunststoffe in der Medizintechnik sind heute nicht mehr wegzudenken. Die Bandbreite reicht von preisgünstigen, hygienisch einwandfreien Einwegartikeln bis hin zu aufwendigen Implantaten und Prothesen. Man denke an künstliche Blutgefäße, Herzklappen, Hüftgelenk-, Arm- und Beinprothesen, an Implantate für die Zahnmedizin und künstliche Knie- und Hüftgelenke. Knapp die Hälfte aller weltweit hergestellten medizinischen Produkte besteht mittlerweile aus modernen Kunststoffen unterschiedlichster Zusammensetzung.

Der verheißungsvolle Ausblick in die Zukunft

Mit dem Eintritt in das 21. Jahrhundert ist der Aufschwung in der Medizintechnik noch längst nicht abgeschlossen. Ganz im Gegenteil: Die Innovationen heben bisherige Grenzen auf. Wer hätte es schon vor 10, 20 oder 30 Jahren für möglich gehalten, dass sich ein Spitzenläufer wie Oscar Pistorius mit seinen Prothesen für beide Beine auch in der Olympiade für Nichtbehinderte behaupten und die Vorläufe siegreich überstehen kann? Allerdings wirft die Mordanklage – er spricht von Notwehr – große Schatten auf seinen Ruhm.

Die großartigen Forschungen und Produktentwicklungen zeigen, dass die Medizintechnik einer erfolgreichen Zukunft entgegensieht. Dazu dürften aus Sicht der Experten neben der Mikrosystemtechnik vor allem die Orthopädie und die innere Medizin zählen. Die fortschreitende Miniaturisierung, die aus den Erkenntnissen der Grundlagenwissenschaft Nanotechnologie vielfachen Nutzen zieht, eröffnet auch dem Bereich Medizintechnik zuvor ungeahnte Anwendungsmöglichkeiten. Im Blickpunkt steht die regenerative Medizin mit der Wiederherstellung oder dem Ersatz verletzter Körpergewebe und Organe.

Hier geht es um den Austausch beschädigter Haut, Knorpel, Knochen und Blutgefäße mit biotechnologischem Gewebeersatz, erzeugt aus einer Kombination von Biomaterial und eigenen Zellen oder Gewebe vom Patienten. Immer öfter ist auch hier die Rede von personalisierter Medizin.

Neuartige Zelltherapien

Menschliche Zellen können als Werkzeuge für Diagnose und Behandlung dienen. Es wird darüber nachgedacht, T-Lymphozyten biotechnisch so zu verwandeln, dass sie winzige metallische Partikel zum anvisierten Tumor transportieren, um diesen zu zerstören. Möglicherweise erschließt sich hier eine neuartige Behandlungsform, um Krebs an schwer oder gar nicht zugänglichen Stellen den Garaus zu machen. Momentan ist dies noch eine Vision mit zweifelhaftem Ausgang.

Neue Arzneien gegen das Hepatitis-C-Virus

Infektionen werden oft mit kombinierten Medikamenten bekämpft. Bei 50 bis 70 % aller Patienten verläuft die Therapie erfolgreich; aber sie dauert bis zu einem Jahr und verursacht meist starke Nebenwirkungen. Viele Patienten wollen sich dies nicht antun. Nun bahnt sich ein Umbruch an. Es werden neue Wirkstoffe entwickelt, die das Hepatitis-Virus gezielt angreifen. Ergebnisse einer klinischen Phase-III-Studie ergaben deutlich kürzere Behandlungszeiten, geringere Nebenwirkungen und höhere Heilungsquoten. Der Startschuss für die neue Ära fällt, sobald die US-Arzneimittelbehörde über den Wirkstoff Sofosbuvier der US-Biotechfirma GILEAD entscheidet. Ein Beratergremium der FDA sprach sich einstimmig für die Zulassung aus. Laut WHO sind 170 Mio. Menschen infiziert. Hierzulande geht das Robert-Koch-Institut von 500.000 Patienten aus (Quelle: Big Pharmas Milliardenhoffnung, S. Hofmann, HANDELSBLATT Nr. 224, 20.11.2013).

Nanotechnologie wegen Miniaturisierung in der Medizintechnik nicht mehr wegzudenken

Ein Nanometer ist der milliardste Teil eines Meters und damit 80.000-fach kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Ein Nanometer zeigt ein ähnliches Größenverhältnis zu einem Meter wie ein Fußball zur ganzen Erdkugel.

Die fortschreitende Miniaturisierung, die Verwendung von Materialien und Werkzeugen mit Größen von unter 100 Nanometern – unvorstellbar winzig, dennoch perfekt geformt – revolutioniert die Medizintechnik. Neuartige Forschungsprojekte leben von der Hoffnung, tödliche Krankheiten heilen zu können, mag auch der Weg bis zur praktischen Erprobung beschwerlich, mit Rückschlägen und Enttäuschungen gepflastert sein. Vor jeder klinischen Phase steht ein dickes Fragezeichen. Ein Scheitern bedeutet möglicherweise das Aus für das daran arbeitende Unternehmen.

Die Nanotechnologie erlaubt es, minimal-invasive Sensoren zu entwickeln. Mit ihrer Hilfe lassen sich zahlreiche Analysen bereits im Körper durchführen, ohne anschließend auf ein Labor angewiesen zu sein. Diagnose und Kontrolle werden beschleunigt. Ein Beispiel sind die unter der Haut eingeschleusten Blutzucker-Überwachungsgeräte. Da verwundert es nicht, dass sich auch minimal-invasive Operationstechniken in rasantem Tempo weiterentwickeln. Die Vorteile sind überzeugend und auch für Laien nachvollziehbar. Je winziger die Operationswunde ist, umso schneller verläuft die Genesung bei sinkender Infektionsgefahr, verringerten Risiken und weniger Schmerzen. Solche Eingriffe, früher mit längerem stationärem Aufenthalt verbunden, lassen sich künftig großteils in Tageskliniken ambulant durchführen. Immer öfter werden hierbei auch biomedizinische Wirkstoffe eingesetzt.

Letztlich müssen die Produkte der Medizintechnik und die Krankenhaussysteme mithilfe moderner Informationstechnologien besser als bislang üblich miteinander vernetzt werden. Und da liegt bisweilen noch einiges im Argen – vielleicht auch ein Grund dafür, dass noch immer viele Kliniken nicht wirtschaftlich arbeiten und Erträge erzielen. Die Pleiten im Krankenhaussektor mehren sich.

Um nachhaltig wirtschaften zu können, sind Übernahmen, Beteiligungen, Kooperationen und Fusionen notwendig, wie sie auch für kleinere Biotechfirmen angemahnt werden. Vordringlich erscheint, wichtige Patientendaten zwischen medizinischen Einrichtungen und innerhalb eines Klinikbetriebs zu übertragen, zu speichern und grenzüberschreitend auszutauschen. Hier erfüllt z. B. die Elektronische Patientenakte (EPA) des Augenheilkundespezialisten ifa systems aus Frechen bei Köln eine interessante Vorreiterfunktion.

Große Zukunftschancen für die Medizintechnik

In der zweiten Hälfte des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde in der Medizintechnik nicht zuletzt durch den Einfluss der Nanotechnologie Bahnbrechendes erreicht.

Erinnern wir uns an Kunststoffprodukte, künstliche Gelenke, Herzschrittmacher, dynamische Veränderungen in der Wundversorgung, minimal-invasive Verfahren bei der Diagnostik und Behandlung schwerer Erkrankungen. Und dennoch stehen wir erst am Anfang einer medizintechnologischen Revolution. Forschung und Entwicklung werden gespeist vom demografischen Wandel, der Tatsache, dass in Deutschland und in anderen Industrienationen die Menschen im Schnitt über 80 Jahre alt werden und die Lebenserwartung weiter steigt: hierzulande alljährlich um drei Monate und pro Jahrzehnt um rund zweieinhalb Jahre.

Aufgrund steigender Lebenserwartung wird die letzte Lebensphase immer öfter von Alzheimer, Krebs, Herz-Kreislauf-Störungen, Diabetes, Arthrose, Rheuma und anderen schweren Krankheiten begleitet. Sie ist gekennzeichnet durch nachlassende Muskelkraft und Beweglichkeit, eingeschränkte Mobilität und endet oft in Bettlägerigkeit und stationärer Pflege.

Nicht alle Organe machen die gewonnenen Lebensjahre eins zu eins mit. Das Augenlicht lässt ab dem 60./70. Lebensjahr im Allgemeinen ebenso nach wie das Gehör. Der Mensch entwickelt sich zusehends zum Ersatzteillager vom Kopf bis zum Fuß. Hier kann die Medizintechnik helfen mit ihren Implantaten und Prothesen, ihren neuartigen Diagnose- und Heilungsverfahren. Den Gesundbrunnen suchen wir vergebens. Aber mehr Lebensqualität auch für Hochbetagte. An dieser Zielsetzung arbeitet die Medizintechnik intensiv.

Die Vermessung des Menschen im Dienste der Gesunderhaltung und Fitness

Nach Google ist nun auch der innovative Technologiekonzern Apple im Gesundheitswesen aktiv. Während der Internetriese Google mithilfe von Übernahmen versucht, insbesondere Alzheimer den Garaus zu machen, arbeitet Apple an praktischen medizinischen Geräten für jedermann. Sie sollen den Nutzer z. B. vor einem drohenden Herzinfarkt warnen. Apple und Google wurden 2013 weltweit als die beiden wertvollsten Unternehmen gekürt.

Unverkennbar setzen immer mehr Unternehmen rund um den Globus auf Geschäfte mit der Gesundheit. Man denke an den beliebten Fitness-Tracker, den Armbandsender zur Messung der Herzfrequenz, den als Armmanschette zu tragenden Blutdruckmesser und das leicht anzulegende Brustgurtgerät.

Nun geht das Gerücht um, Apple arbeite an einer Computer-Uhr, um mit einem vorinstallierten Programm wichtige Details über den Gesundheitszustand abzurufen. Der neue Apple-Chef Tim Cook erläutert dazu: »Der gesamte Bereich der Sensoren wird explodieren.« Der Chirurg, Pharma-Unternehmer und Milliardär Patrick Soon-Shiong träumt bereits davon, gelähmte Patienten mit einer Sensor-Kappe für die Hirnströme und einem Außenskelett wieder zum Stehen, Gehen und Laufen zu bringen. Sicherlich eine verfrühte und übertriebene, aber hoffentlich nicht völlig abwegige Vision!

Die heute weltweit vernetzte Generation stört sich kaum daran, dass das soziale Netzwerk Facebook bei Gebrauch seiner Fitness-Apps auf Handy oder Smartphone vielleicht meldet, der kurz zuvor beendete Zehn-Kilometer-Lauf sei mit folgenden Zeitangaben und sonstigen Details ausgewertet worden.

Auch amerikanische Großkonzerne wie der Prozessorhersteller Intel oder die Computerfirma IBM haben den Gesundheitsmarkt längst für sich entdeckt. Schätzungen zufolge wurden im Jahr 2013 rund 6,6 Mrd. US-Dollar für medizintechnisches Zubehör ausgegeben. 2018 sollen es dreimal so viel, nämlich mehr als 20 Mrd. US-Dollar sein. Insbesondere die Kunden der Fitnessstudios, ein international wachsender Markt für die jüngere, mittlere und ältere Generation, sind hier dankbare Abnehmer.

Die Fitness-Tracker-Armbänder sind voll im Modetrend. Sie dienen als Symbol für Leistungsfähigkeit, Sportlichkeit und Gesundheit in den Führungsetagen vieler Unternehmen.

Genutzte Quellen: »Die Geschichte der Medizintechnologie«, Autoren: Joachim M. Schmitt und Manfred Beeres, MTD 2004; »Die Vermessung des Menschen«, Süddeutsche Zeitung, Februar 2014, Hellmut Martin-Jung.

1.9 Der aktuelle Stand im Pharmabereich

Ein Zitat aus dem HANDELSBLATT, Ausgabe 142, vom 26. Juli 2013, S. 24: »Krebs gilt als weitgehend unheilbar. Doch nun melden Pharmakonzerne und Forscher Durchbrüche in der Behandlung. Sie steigern die Hoffnung der Patienten auf Heilung – aber auch die ihrer Aktionäre auf das große Geld. Wie realistisch ist die Aussicht auf einen Sieg über die Krankheit?«

Vor einem Jahrzehnt, 2003, erlösten die Pharmakonzerne mit Krebsmedikamenten weltweit rund 20,3 Mrd. US-Dollar. 2013 waren es dreimal so viel, nämlich 61,6 Mrd. US-Dollar. Und diese Quelle wird künftig nicht versiegen, sondern kräftig sprudeln – ein Ausgleich gegenüber stagnierenden Bereichen. Als Goldgrube erweist sich der demografische Faktor, die steigende Lebenserwartung. In der letzten Lebensphase mehren sich schwere Erkrankungen. Dazu gehört der Krebs, mit dem man als »chronische Krankheit« dank erfolgreicher Forschung noch einige Jahre erträglich lebt oder an dem man eben doch noch stirbt.

Rund um den Globus wird massiv im Bereich der Onkologie geforscht. Aber der Weg bis zur Zulassung und Vermarktung ist beschwerlich und mit Enttäuschungen, Rückschlägen und Misserfolgen gepflastert. 2008 gab es weltweit 750 Projekte in den klinischen Phasen, aber nur fünf FDA-Zulassungen in den USA für neue Krebswirkstoffe. 2009 führten von 861 Forschungsprojekten neun zur begehrten Zulassung. Auch 2010 erbrachten 887 Projekte nur sechs ersehnte Genehmigungen. Etwas besser verlief das Jahr 2011.

Von 900 Projekten führten 2011 immerhin zwölf zur FDA-Zulassung. Und 2012 wuchs die Anzahl der neu zugelassenen neuen Krebswirkstoffe auf 19 bei 981 Projekten.

Erfreulicherweise haben sich die Überlebensraten bei den meisten Krebserkrankungen über einen Zeitraum von fünf Jahren prozentual deutlich erhöht. Die Erfolgskurve schnellt insbesondere bei Prostata- und Hodenkrebs gewaltig nach oben – auf Werte um 90 % und darüber.

Umsatz mit Krebsmitteln 2012 in Mrd. US-Dollar und Firmenanteil-Prozenten

Roche

22,7 Mrd./46,9%

Novartis

10,8 Mrd./19,0%

Celgene

4,6 Mrd./83,4%

AstraZeneca

3,4 Mrd./12,1%

Eli Lilly

3,3 Mrd./14,5%

Die weltweit führenden Pharmaunternehmen erwirtschaften mit ihren Krebsmitteln alljährlich milliardenschwere Umsatzerlöse. Diese Pharmariesen werden aber im Hinblick auf den prozentualen Anteil im eigenen Geschäftsfeld klar getoppt von Celgene, einem führenden US-Biotechunternehmen.

Laut WHO-Daten erkranken Jahr für Jahr über 12 Mio. Menschen an Krebs – in 7 Mio. Fällen mit tödlichem Ausgang. In Deutschland fordert der Krebs seinen Tribut mit alljährlich rund 470.000 neuen Patienten und mehr als 200.000 Todesfällen. Für die Pharmaindustrie ist die Onkologie der mit Abstand wichtigste Wachstumstreiber, obwohl bei zahlreichen Tumoren weiterhin das Skalpell, Früherkennung vorausgesetzt, die besten Heilungschancen eröffnet. Kritiker bemängeln, dass ungefähr 40 % der teuren Krebsarzneimittel keinen nennenswerten Mehrwert für die Patienten hätten.

Laut Statistischem Bundesamt sorgt der Krebs hierzulande für jährliche Gesundheitskosten von über 15,5 Mrd. Euro. Nachdem die Menschen immer älter werden, wächst die Zahl der Krebspatienten. Auch von daher erhöhen sich die Ausgaben. Rund um den Globus werden jedes Jahr rund 62 Mrd. US-Dollar mit Krebspräparaten umgesetzt.

Die Hoffnung auf Heilung einer jeden Krebserkrankung stößt schon deshalb an Grenzen, weil es viele unterschiedliche Krebsarten gibt, die Krebszellen genetisch instabil sind und ihre Oberflächenmerkmale verändern. Eine grundsätzliche Heilung aller Krebsarten dürfte deshalb zumindest auf absehbare Zeit noch scheitern. Aber renommierte Experten rechnen bei mehreren Krebsarten mit deutlich längerer Lebenserwartung, geringeren Nebenwirkungen der Behandlung, Zuwachs an Lebensqualität und kürzeren Klinikaufenthalten.

Die zahlreichen Neuentwicklungen wie Antikörper-Therapien, neuartige Wirkstoffe in Verbindung mit Gentests, Immun-Modulatoren zur Stärkung der eigenen Abwehrkräfte machen Mut. So weckt die Leukämietherapie mit dem NOVARTIS-Arzneimittel GLIVEC große Hoffnungen, den Blutkrebs (CML) so weit in Schach zu halten, dass davon betroffene Patienten womöglich bis zu 30 Jahre mit ihrer chronischen Erkrankung im gewohnten Umfeld recht passabel weiterleben können.

Die Reise ins Gehirn als weiterer Wachstumstreiber für die Pharma- und Bio­techindustrie

Das Wunderwerk Gehirn besteht aus rund 84 Mrd. Neuronen. Und etwa 170.000 Kilometer Nervenfasern sind über unzählige Synapsen miteinander verknüpft. Theoretisch ließe sich mit den Nervenfasern eines einzigen Gehirns mehr als viermal die Erde umwickeln.

Laut Titelthema im HANDELSBLATT Nr. 36/2013 verkündete der amerikanische Präsident Barack Obama: »Jeder Dollar, den wir in die Kartierung des menschlichen Genoms investiert haben, brachte unserer Wirtschaft 140 Dollar ein. – Heute arbeiten unsere Wissenschaftler an der Kartierung des menschlichen Gehirns, um Antworten auf Krankheiten wie Alzheimer zu finden.« Hunderttausende von Arbeitsplätzen sind unmittelbar oder indirekt mit Folgearbeiten aus dem Humangenom-Projekt verbunden.

Patienten, die an bislang unheilbaren neurologischen Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson leiden, hoffen darauf, dass eine komplette Karte der Hirnaktivitäten den Behandlungserfolg entscheidend verbessert. Die Zahl der Alzheimer-Kranken dürfte sich wegen der steigenden Lebenserwartung von 36 Mio. im Jahr 2010 auf 66 Mio. im Jahr 2030 erhöhen. Schon jetzt kosten neurologische Erkrankungen die Krankenkassen dreistellige Milliardenbeträge.

Der Schweizer Konzern Roche, das französische Unternehmen Sanofi, die englische Pharmafirma AstraZeneca sowie die US-Konzerne Pfizer, Bristol Myers Squibb und Eli Lilly sind im Kampf gegen neurologische Krankheiten besonders aktiv. Aktuell werden alljährlich mit zugelassenen Medikamenten gegen Depressionen, Schizophrenie, Psychosen und Angstattacken knapp 25 Mrd. US-Dollar erwirtschaftet.

Die Forschungsarbeiten am Gehirn dürften die Wissenschaftler noch Jahrzehnte in Atem halten. Die sich hier auftürmenden Datenmengen überfordern selbst Supercomputer. Der weltweit schnellste Rechner aus dem US-Energieministerium mit einer Leistung von über 17 Billiarden Rechenschritten pro Sekunde reicht dafür nicht aus. Aber es geht hier nicht nur um den Menschen, sondern auch um ausbaufähige Milliardengeschäfte für die Pharmaindustrie.

Rund um den Globus setzen sich Wissenschaftler das Ziel, die letzten Geheimnisse des menschlichen Gehirns zu entschlüsseln. Dazu soll die komplette neuronale Aktivität des Gehirns mit seinen zwölf stark vernetzten Knotenpunkten und 170.000 Kilometern Nervenfasern kartiert werden. Während sich Depressionen schon recht gut behandeln lassen, gibt es für Alzheimer noch kein Medikament, das die Krankheit heilt. Dabei zählt Alzheimer zu den größten Belastungen für das gesamte Gesundheitssystem. Käme ein Medikament auf den Markt, das Alzheimer tatsächlich heilt und nicht nur den Verlauf verlangsamt, würde richtig viel Geld verdient – mindestens 20 Mrd. US-Dollar pro Jahr. Schon deshalb engagieren sich viele Pharmakonzerne auf diesem Sektor – bislang ohne durchgreifenden Erfolg. Momentan arbeiten die Wissenschaftler an rund 100 Projekten mit neuartigen Wirkstoffen gegen diese Geißel der Menschheit mit dem so entwürdigenden Ende. Aber bis zum entscheidenden wissenschaftlichen Durchbruch dürften noch etliche Jahre verstreichen.

Neuschöpfungen und Nachahmer-Arzneimittel

Original und Kopie: Der weltweit führende Generika-Konzern TEVA aus Isarel macht es vor. Der Spezialist für Nachahmer-Medikamente will nicht nur durch Übernahmen und die geringere Margen einfahrenden Generika wachsen, sondern eigene Arzneimittel mit zukunftsträchtigen Wirkstoffen erforschen und entwickeln. Der TEVA-Konzern hat dank seiner Übernahmestrategie einige patentgeschützte Originalmedikamente wie das Multiple-Sklerose-Mittel Copaxone im Produktportfolio. Aber der Blockbuster verliert 2014 seinen Patentschutz und bringt bislang ein Fünftel vom milliardenschweren Gesamtumsatz ein. Andererseits entwickelt die Firmentochter Ratiopharm in Deutschland ein großes Know-how bei der Entwicklung von Medikamentenpflastern.

TEVA will in die eigene Wirkstoffentwicklung einsteigen, aber auch neue Kombinationen und Dosierungsformen zugelassener Medikamente vorantreiben. Dies könnte so aussehen: Führt ein Arzneimittel zu einer Gewichtszunahme, wird es vielleicht in Kombination mit einem Schlankheitsmittel verabreicht.

Das alles ist teuer, bietet aber künftig die Chance, nicht nur auf Übernahmen zu setzen und auf die schmalen Erträge im Generika-Geschäft angewiesen zu sein. Innovationen sind nötig; die Nachahmerbranche verliert an Schwung. Wachsende Qualitätsanforderungen sind nicht die einzige Hürde. Die Generika-Sparte ist hierzulande großem Druck ausgesetzt durch Zwangsrabatte. Die Krankenkassen sparten dadurch 2012 rund 2,1 Mrd. Euro Arzneimittelkosten ein.

Novartis baut seine Generika-Sparte aus, um den verlorenen Patentschutz finanziell auszugleichen. Ein HIV-Patient, der bislang ein Bündel von Arzneimitteln zu unterschiedlichen Zeiten einnehmen musste, bekommt künftig nur noch ein Medikament verabreicht. Auslaufende Patente machen auch dem US-Konzern Pfizer zu schaffen. Der Patentablauf beim Erektionsmedikament Viagra führt zu Marktverschiebungen. Aktuell sind bereits 22 Viagra-Kopien auf dem Markt. Sie kosten nur ein Sechstel wie das Original. Probleme hat auch das amerikanische Pharma-Unternehmen Merck & Co, nicht zu verwechseln mit dem DAX-Konzern Merck KGaA. Die Konkurrenz von Nachahmerprodukten wie beim Asthmamittel Singulair sorgte im 2. Quartal 2013 für einen Gewinneinbruch.

Dagegen erhöht der Gesundheitskonzern Fresenius, die Konzernmutter von FMC, beide im DAX notiert, die Prognose. Bis zu 14 % sollte der Gewinn bereits 2013 steigen. Fresenius-Chef Ulf Schneider erklärt: »Wir gewinnen weiter an Stärke in den schnell wachsenden Schwellenländern und arbeiten konsequent an vielversprechenden Wachstumsvorhaben.«

Interessant ist, dass bezüglich Forschung und Entwicklung im Pharmabereich nicht mehr Amerika vorn liegt, sondern seit 2012 erstmals Europa die Rangliste anführt.

Ausgaben der Pharmakonzerne für F&E

2000

USA: 23,0 Mrd. €

Europa: 17,9 Mrd. €

2005

USA: 26,3 Mrd. €

Europa: 22,0 Mrd. €

2012

USA: 27,9 Mrd. €

Europa: 30,0 Mrd. €

Quellen: HANDELSBLATT Nr. 144/2013, EFPIA, PHARMA

Bedrohter Umsatz durch auslaufende Pharmapatente: 36 Mrd. USD, erwarteter Umsatzverlust:
16 Mrd. USD

Milliardenschwere Klagewellen in den USA schmälern die Erträge in der Pharma­branche

In den USA erlaubt es die Rechtslage, milliardenschwere Sammelklagen einzureichen. Der damit betraute Rechtsanwalt verdient nur bei Erfolg. Damit ist es für die Betroffenen risikolos, sich einer Sammelklage anzuschließen. Und dieser Umstand wird reichlich ausgenutzt. Beinahe alle großen Pharmakonzerne rund um den Globus werden von Schadenersatzklagen heimgesucht, soweit es sich um US-Geschäfte handelt. BAYER aus dem DAX kämpft mit über 13.000 Klagen im Zusammenhang mit dem Verhütungsmittel Yasmin. Das Management stellte jüngst vorsorglich rund 700 Mio. Euro zurück.

Aktuell rollt eine Klagewelle gegen den nicht börsennotierten Pharma-Hersteller Boehringer Ingelheim. Wie der mit 13 Mrd. Euro Umsatz zweitgrößte deutsche Pharmakonzern bestätigte, wurden über 150 Klagen im Zusammenhang mit dem Blutverdünner Pradaxa eingereicht. Das Mittel ist seit 2010 zur Schlaganfallvorbeugung zugelassen. Ich muss es selbst einnehmen und rege mich darüber nicht auf.

Es stellt sich die Frage: Pest oder Cholera? Die Kläger machen Pradaxa für gefährliche, zum Teil tödliche Blutungen verantwortlich. Die Zulassungsbehörden in Amerika und in Europa bestätigen dagegen ausdrücklich ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis. Die hier zum Ausdruck kommende Problematik betrifft auch die anderen neuen Blutverdünnungspräparate, darunter Xarelto von Bayer und Eliquis von Pfizer. Diese Arzneimittel senken die Gerinnungsfähigkeit des Blutes. Dadurch vermindert sich das Risiko für Schlaganfälle. Umgekehrt aber wächst das Risiko für tödliche Blutungen. Für die einfach zu verabreichenden neuartigen Medikamente spricht die Tatsache, dass die Zahl vermiedener Schlaganfälle die Zahl gefährlicher Blutungen bei Weitem übersteigt.

Bislang drohen milliardenschwere finanzielle Belastungen aber nur dann, wenn ein Produkt wegen seiner Nebenwirkungen vom Markt verbannt wird. Als größter Einzelfall ist das Schlankheitsmittel Phen-Fen zu nennen, das den US-Konzern Wyeth mehr als 20 Mrd. US-Dollar kostete.

Was bedeutet die Schlagzeile für Anleger? »80 % unserer Medikamente kommen aus China!«

Bestätigt sich auch im Pharmasektor Chinas Rolle als Kopier- bzw. Nachahmer-Weltmeister? Heißt die Konsequenz, sich rasch einen Pharma-Aktienfonds wie Atlantis China Healthcare, WKN A0M 5ZJ, ins Depot zu legen?

Oder ist es für chancenorientierte Anleger eine kluge Entscheidung, Einzelaktien wie China Cord Blood, Biosensors, China Medical oder Magic Holdings zu kaufen? Bezüglich Kursentwicklung überzeugt allerdings nur China Cord Blood (WKN A0Y H7S, Kursplus sechs Monate: 58 %). Wer aus der Meldung: »Vier Fünftel aller Medikamente kommen aus China« die Weltmarktführerschaft ableitet, irrt sich gewaltig.

Die chinesischen Marktteilnehmer sind nicht die neuen Forschungspioniere im Pharmabereich, kein sprudelnder Quell innovativer Wirkstoffe. Die Pharmariesen aus Amerika und Europa haben längst Standorte in China und anderen ostasiatischen Ländern aufgebaut, um nahe am Markt zu sein und Kosten zu sparen. 80 % der hier verbrauchten Arzneimittel stammen zwar aus China und Indien, werden aber großteils von amerikanischen und europäischen Konzernen produziert.

Dennoch ist diese Entwicklung besorgniserregend, werden doch bei uns Engpässe bei Arzneimitteln befürchtet. Die angesehene Würzburger Pharmakologin Ulrike Holzgrabe findet dafür drastische Worte: »China braucht keine Atombombe, um Europa auszurotten, sondern liefert einfach keine medizinischen Substanzen mehr.« Gewiss eine Übertreibung, aber mit einem Körnchen Wahrheit. Harald Schwein, Inhaber des europaweit einzigen Lehrstuhls für Arzneimittelzulassung, hat die Folgen durchrechnen lassen, wenn China von heute auf morgen die Lieferung von Antibiotika komplett einstellen würde. Sein Ergebnis lautet: »In zwei Monaten wären hierzulande alle Vorräte aufgebraucht. Das Hochfahren einer nationalen Notfallproduktion dauerte bis zu einem Vierteljahr. Bis dahin würden pro Monat mehrere 100.000 Menschen an einfachen Entzündungen, etwa an Mandeln oder Blinddarm, sterben.«

Marktverschiebung durch Arbeitnehmerfehltage

Trotz des medizinischen Fortschritts bei Früherkennung und Therapie steigt mit dem wirtschaftlichen Aufschwung die Zahl der Fehltage in der Arbeitswelt an – von 12,6 im Jahr 2005 auf 16,4 im Jahr 2012 – ein Zuwachs um 30 %. Droht kein Jobverlust, lassen sich Arbeitnehmer öfter krankschreiben. So stiegen allein die Ausgaben für Krankengeld, das ab der 7. Krankheitswoche anfällt, im Jahr 2012 gegenüber 2005 von 5,9 auf 9,2 Mrd. Euro.

Der volkswirtschaftliche Schaden beläuft sich pro Jahr auf geschätzte 225 Mrd. Euro. Die Ausfälle durch ungerechtfertigte Krankschreibungen, Krankfeiern genannt, werden alljährlich auf bis zu 10 Mrd. Euro angesetzt. Die knappe Hälfte der Arbeitnehmer räumt ein, gelegentlich blauzumachen.

Sorge bereitet der gewaltige Anstieg psychischer Krankheiten. Seit 1997 nahmen seelische Leiden wie der berüchtigte Burn-out um 165 % zu. Die Krankengeldausgaben für psychisch Kranke stiegen pro Jahr seit 2006 im Schnitt von 42,22 Euro pro Versicherten auf 92,15 Euro.

Damit ergeben sich erhebliche Marktverschiebungen. Der Sektor Neurologie dürfte bei der Forschung und Entwicklung neuer Wirkstoffe zu den großen Wachstumstreibern zählen. Man darf gespannt sein, wie die Pharma- und Biotechnologieindustrie auf diese Herausforderungen reagiert und ihre Chancen nutzt.

Anteil der Fehltage bei wichtigen Krankheiten

Krankheitsarten

2001

2012

Veränderung

Psyche, z. B. Burn-out

7,5 %

14,5 %

+93,3 %

Muskel-Skelett-System

22,6 %

23,2 %

+2,7 %

Verletzungen

13,8 %

12,5 %

-9,4 %

Atmungssystem

18,0 %

14,5 %

-19,4 %

Verdauungssystem

7,0 %

5,6 %

-20,0 %

Kreislaufsystem

6,1 %

4,7 %

-23,0 %

Sonstige

25,0 %

25,0 %

+/-0 %

Quellen: HANDELSBLATT Nr. 160/2013, Ausgabe 21. August 2013, Bundesverband der Betriebs­krankenkassen, Bundesministerium für Gesundheit, DAK Gesundheitsreport

Innovative Pharma- und Biotechfirmen dürften durch neue Wirkstoffe weiter wachsen

Die Börse spiegelt die Zukunftserwartungen wider und hält sich mit der Gegenwart nicht auf. Trotz einer Welle auslaufender Patente 2014/2015 dürften die führenden Großkonzerne und innovativen Mittelständler jährlich um 4 bis 5 % wachsen. Der Schweizer Konzern Novartis wird Pfizer als Branchenführer ablösen. Auch Roche ist auf gutem Wege. Die Biotechfirmen Gilead, Biogen, Celgene und der dänische Insulinspezialist Novo Nordisk sollten Wachstumstreiber bleiben. Auf dem Vormarsch befindet sich der DAX-Konzern Bayer dank der jüngsten Zulassungen für neue Krebs- und Augenmedikamente und den neuen Blutverdünner Xarelto.

Auch dem im Dow Jones notierten Pharmakonzern Johnson & Johnson werden Markterfolge zugetraut. Neuentwicklungen im Kampf gegen Krebs und Rheuma und die US-Vertriebsrechte beim Bayer-Produkt Xarelto sollten für neuen Schwung sorgen. Auch Bristol-Myers Squibb, jahrelang durch auslaufende Patente geschwächt, arbeitet dank kleinerer Biotechfirmen-Übernahmen an der Entwicklung vielversprechender Krebsmittel.

Während der ablaufende Patentschutz bei herkömmlichen Arzneimitteln oft gewaltige Umsatzeinbrüche auslöst, lassen sich biopharmazeutische Wirkstoffe schwieriger kopieren. Die Originalhersteller dürften hier weniger Absatzanteile an die Nachahmer verlieren, sodass die Preise halbwegs stabil bleiben. War die Produktentwicklung zu Beginn des neuen Jahrtausends von zahlreichen Flops geprägt, verbucht die Branche seit 2010 wieder mehr Neuzulassungen. 2012 genehmigte die US-Arzneimittelbehörde FDA 39 neuartige Wirkstoffe – so viele wie seit 1997 nicht mehr und beinahe eine Verdopplung gegenüber 2009. Vorn liegen neue Krebs-, Diabetes- und Herz-Kreislauf-Mittel. Analysten erwarten Milliardenumsätze.

Nachschub für Dopingsünder? Die nächste Generation von Blutarmutspräparaten auf gutem Weg

Mitte der 1980er-Jahre gelang Forschern der damals noch kleinen US-Firma Amgen ein großer Erfolg in der Biotechnologie. In gentechnisch veränderten Säugetierzellen hergestellt, eroberte der neuartige Wirkstoff Epogen den Markt, um Blutarmut zu bekämpfen, war aber bei Dopingsündern ebenso begehrt, um deren Blutwerte aufzubessern. Jetzt kommen neuartige Wirkstoffe als Tabletten auf den Markt. Sie fördern die Aufnahme von Eisen und könnten entsprechende Medikamente bei Dialysepatienten überflüssig machen. Dreh- und Angelpunkt ist ein Molekül, das die Reaktion von Körperzellen auf Sauerstoffmangel steuert. Als negative Begleiterscheinung bei der Suche nach Ersatz für Epogen wird es schwierig sein, Dopingsünder zu ertappen. Neue Analyseverfahren sind nötig.

2012 wurden mit Wirkstoffen gegen Blutarmut Umsätze von 6,5 Mrd. US-Dollar erzielt, wobei Amgen den Löwenanteil mit 4 Mrd. US-Dollar einstrich. Es folgten Johnson & Johnson mit 1,5 Mrd. und Roche mit knapp 1 Mrd. US-Dollar.

Werden bei Krebs falsche Prioritäten gesetzt?

Norbert Häring, Autor des Buchs »Stimmt es, dass …?« bemängelt, dass Pharmafirmen verstärkt bei Krebs im Endstation forschen, aber Vorbeugung und Frühstadium vernachlässigen, weil Anreize falsch gesetzt würden. Zur Behandlung von Krebs im fortgeschrittenen Stadium wurden in den letzten 40 Jahren neue Wirkstoffe in 12.000 klinischen Studien getestet, im Frühstadium nur halb so viele Präparate. Für die Vorbeugung gab es lediglich 500 Studien. Im Frühstadium ist Krebs oft heilbar. Im Spätstadium gilt es, das Leben um einige Monate zu verlängern, wobei die Lebensqualität oft noch hinten ansteht. Es geht um die Einnahmequellen.

Eine Studie zur Behandlung von Krebs im Frühstadium dauert im Schnitt 18 Jahre und braucht den 20-jährigen Patentschutz nahezu auf. Ein Medikament zur Behandlung von Prostatakrebs im Spätstadium dauert nur etwa drei Jahre, um eine um drei bis sechs Monate längere Überlebensdauer nachweisen zu können. Es wird Zeit, hier die Regeln für den Beginn des Patentschutzes zu ändern und zu hinterfragen, ob die hohen Behandlungskosten überhaupt im Interesse der Patienten sind.

Die Volkskrankheit Alzheimer dürfte sich bis 2050 weltweit auf 135 Millionen Fälle verdreifachen

Anfangs fällt es schwerer als früher, die richtigen Worte zu finden. Später erkennt der Betroffene selbst seine Angehörigen nicht wieder, verliert am Ende auch die Kontrolle über die physischen Fähigkeiten, sei es beim Anziehen, Essen, Laufen oder Stuhlgang. Das alternde Gehirn nimmt keine neuen Funktionen mehr auf. Zwei Drittel aller Demenzpatienten leiden an Alzheimer, und alle vier Sekunden wird weltweit einem Menschen Demenz bescheinigt. Allein in Deutschland liegt die Zahl bei 1,4 Mio. Bis 2050 sollen es weltweit 135 Mio. sein. Die Kosten rund um den Globus belaufen sich bereits jetzt alljährlich auf mehr als 440 Mrd. Euro.

Ein besorgniserregender Demenz-Anstieg: geschätzte Zahlen der Demenz-Kranken

Schätzung Region

2013

2030

2050

Europa

10,9 Mio.

14,8 Mio.

20,8 Mio.

Amerika

8,8 Mio.

15,8 Mio.

30,5 Mio.

Asien-Pazifik

21,9 Mio.

39,8 Mio.

71,8 Mio.

Afrika

2,8 Mio.

5,2 Mio.

12,4 Mio.

Quelle: Südwest Presse, 12.12.2013, afp, Alzheimer International

2013 genehmigte die US-Behörde FDA 25 % weniger neue Arzneimittel trotz höherer F&E-Ausgaben

Für die Gesundheitsbranche wird es immer schwieriger, nach der 15- bis 18-jährigen Entwicklungsphase einschließlich der klinischen Studien die begehrte Zulassung der US-Behörde FDA zu erreichen. Unter den Neuzulassungen befinden sich drei neue Krebsmittel und ein Bluthochdruckpräparat. Drei der 27 Erstzulassungen von 2013 erhielten den Status »Therapiedurchbruch«. Dies sind die beiden Leukämie-Medikamente Gazyva von Roche und Imbruvica von Johnson & Johnson sowie das Hepatitis-Arzneimittel von Gilead. Hier winken künftig milliardenschwere Umsatzerlöse.

Weniger FDA-Erstzulassungen für neue Wirkstoffe; höherer Anteil der deutschen Pharmabranche

Zulassungen

2009

2010

2011

2012

2013

Insgesamt

26

21

30

38

27

Deutsche Firmen

0

3

3

1

4

F&E Mrd. USD

129

131

138

137

135

Quelle: FDA-Grafik HANDELSBLATT, Nr. 03/2014, 06.01.2014

Was tun deutsche Firmen für die Gesundheit?

Auf der einen Seite erfordert es der demografische Wandel, eine vorurteilsfreie »Willkommenskultur« für qualifizierte Zuwanderer zu schaffen und im eigenen Unternehmen alles zu tun, damit Ältere länger fit und leistungsfähig bleiben. Trotz Fachkräftemangel suchten 2013 eine Million der über 50-Jährigen einen Job. Dies waren 3 % mehr als 2012.

Steigende Gesundheitsangebote deutscher Firmen

Gesundheitsgerechte Ausstattung am Arbeitsplatz

70 %

Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen

45 %

Sport und sonstige Bewegungsangebote

43 %

Angebote zur Stressbewältigung

24 %

Ernährungsangebote, vor allem eigene Kantine

24 %

Nutzung Steuerfreibetrag betriebliche Gesundheit

17 %

Quelle: HANDELSBLATT-Grafik, Nr. 06/2014, 09.01.2014

Forschungsaufwand für Krankheiten Mrd. US-Dollar 2013

Industrieländer

Summe

Schwellenländer

Summe

Krebs

74-84

Schmerz

22-25

Diabetes

34-39

Nervenkrankheiten

20-23

Autoimmun

32-37

Antibiotika

18-21

Schmerz

31-36

Krebs

17-20

Atemwege

31-36

Bluthochdruck

14-17

Quelle: FDA-Grafik HANDELSBLATT, Nr. 03/2014, 06.01.2014

Anmerkung: Während Industrieländer vor allem auf neue Behandlungsmethoden setzen, liegt der Schwerpunkt in den Schwellenländern noch auf herkömmlichen Arzneimitteln.

Quellen: Mehrere HANDELSBLATTausgaben, vor allem: »Die Reise ins Gehirn«, Siegfried Hoffmann/Maike Telgheger, Frankfurt, Nr. 36/2013; »Klagewelle gegen Boehringer«, Siegfried Hoffmann, Frankfurt, Nr. 241/2012; »Land der Simulanten?« Katrin Eiger, Peter Thelen; »Pharmabranche vor dem Comeback, Siegfried Hoffmann, Frankfurt, Nr. 164/2013; »Nachschub für die Dopingsünder«, Siegfried Hoffmann, Frankfurt, Nr. 197/2013. Außerdem »Sonntag aktuell«, Ausgabe 18.08.2013, Norbert Wallet, Berlin.

1.10 Wechselnde Favoriten in der Pharmawelt: US-Biotechfirmen wachsen zweistellig

Wissenschaftler, Analysten und Investoren wollen vor ihren Entscheidungen wissen: Wer beherrscht die Pharmawelt? Wer drängt nach vorn? Wer verliert an Boden? Die erfolgreichen amerikanischen Biotechfirmen wachsen zweistellig und arbeiten sich auch als Mittelständler in den Umsatzranglisten nach vorn. Dies geht zulasten von Pharma-Großkonzernen, es sei denn, durch Übernahmen und eigene Entwicklungen sind sie in beiden Feldern aktiv.

Top-Verdiener: Ertrag 2013 in Mrd. Dollar

1. Roche

17,7

2. Johnson & Johnson

15,9

3. Pfizer

15,7

4. GlaxoSmithKline

11,0

5. Novartis

10,9

6. Sanofi

10,7

7. Amgen

5,9

8. AbbVie

5,7

9. Novo Nordisk

5,6

10. Merck & Co. (USA)

5,5

Acht der gegenwärtig zehn umsatzstärksten Arzneimittel sind Biotechprodukte, also mithilfe von genmodifizierten Mikroorganismen produzierte neuartige Wirkstoffe. Mit sehr starkem zweistelligem Wachstum glänzen vor allem die vier US-Biotechfirmen Gilead, Celgene, Biogen und Amgen. Für Aufmerksamkeit sorgt auch der dänische Insulin-Spezialist Novo Nordisk, der seine Produkte biotechnisch herstellt. Bei den beiden Pharmariesen Johnson & Johnson (Dow Jones) und Bayer (DAX) stammt ein Drittel der Neuentwicklungen aus dem Biotechbereich. Der Schweizer Großkonzern Roche stellt fast nur noch Biotechprodukte her. Eine eindeutige Zuordnung Pharma – Biotech – Medtech ist oft nicht mehr möglich.

Die umseitige Tabelle zeigt, wer im Gesamtjahr 2013 die höchsten Pharma-Umsätze erwirtschaftet hat und welche prozentualen Veränderungen sich gegenüber einem Jahr zuvor ergaben. Dabei ist auffällig, dass sich sämtliche hier erfassten Biotechunternehmen im Vergleich zu 2012 verbessern konnten, während die meisten Pharmariesen beim Umsatz Federn lassen mussten.

Die Übersicht veranschaulicht eindrucksvoll die wachsende Bedeutung der Biotechbranche. Die Marktverschiebungen sind beachtlich – je nach Geschäftsmodell verbunden mit Freude oder Frust. Etliche Großkonzerne fallen umsatz- und ertragsmäßig zurück und verlieren den Patentschutz für ihre milliardenschweren Bestseller. Amerikanische Biotechunternehmen mit neuartigen Wirkstoffen und modernen Behandlungsformen, wie personalisierter Medizin, Immuntherapie in Kombination mit Antikörpern, drängen nach vorn, sofern sie nicht bereits von den Pharmariesen übernommen oder mit entsprechenden Angeboten beglückt wurden. Biotechnologisch hergestellte Medikamente erhöhen die Heilungschancen bei schweren Krankheiten wie Krebs und bieten zudem einen besseren Schutz vor Nachahmerpräparaten (Generika). Zu den Verlierern zählen die meisten japanischen Pharmaunternehmen. Deren Umsatzerlöse auf Dollarbasis schrumpften nicht zuletzt wegen der starken Yen-Abwertung.

Die 25 höchsten Arzneimittel-Umsätze 2013 rund um den Globus

Weltrangliste 2013: ­Pharma-Hersteller

WKN

Umsatz 2013 USD

Differenz zu 2012

1 Pfizer (USA)

852 009

47,9 Mrd.

-6,5 %

2 Novartis (Schweiz)

904 278

47,5 Mrd.

+1,6 %

3 Roche (Schweiz)

851 311

39,0 Mrd.

+3,9 %

4 Merck & Co. (USA)

A0Y D8Q

37,4 Mrd.

-7,8 %

5 Sanofi (Frankreich)

920 657

37,1 Mrd.

-2,9 %

6 GlaxoSmithKline

940 610

33,5 Mrd.

-1,3 %

7 Johnson & Johnson

853 260

28,1 Mrd.

+10,9 %

8 AstraZeneca (GB)

886 455

25,7 Mrd.

-8,1 %

9 ELI LILLY (USA)

858 560

21,0 Mrd.

+1,9 %

10 TEVA (Israel)

883 035

20,3 Mrd.

+/- 0,0 %

11 AbbVie (USA)

A1J 84E

18,8 Mrd.

+2,2 %

12 Amgen (USA)

867 900

18,7 Mrd.

+8,2 %

13 Bristol-Myers-Squibb

850 501

16,4 Mrd.

-7,0 %

14 TAKEDA (Japan)

853 849

15,3 Mrd.

-12,9 %

15 Novo Nordisk (DK)

A1X A8R

14,9 Mrd.

+10,5 %

16 BAYER (DAX)

BAY 001

14,9 Mrd.

+7,0 %

17 Astellas (Japan)

856 273

11,7 Mrd.

-7,5 %

18 GILEAD (USA)

885 823

11,2 Mrd.

+15,5 %

19 Otsuka (Japan)

502 503

10,3 Mrd.

-3,8 %

20 ACTAVIS (USA)

A1W 5NE

8,7 Mrd.

+46,7 %

21 Merck KGaA (DAX)

659 990

7,9 Mrd.

+2,6 %

22 Biogen Idec (USA)

789 617

6,9 Mrd.

+25,7 %

23 MYLAN (USA)

868 270

6,9 Mrd.

+1,7 %

24 BAXTER (USA)

853 815

6,6 Mrd.

+5,2 %

25 Celgene (USA)

881 244

6,4 Mrd.

+18,1 %

Quelle: HANDELSBLATT Nr. 43, 05. März 2014, Bericht von Siegfried Hofmann unter dem Titel:
»Die Favoriten wechseln«