Gespräch mit einem Weltenhüter
Eiskalt. Wie kleine Nadelstiche in ihre Haut. Lara kämpfte sich durch die Wellen. Immer wieder erreichte sie für Sekunden die Oberfläche. Gerade lang genug, um einen tiefen Atemzug zu nehmen, ehe sie von der nächsten Welle erneut unter Wasser gedrückt wurde.
Kein Feuer!
Wer sprach da? Ihre Lungen brannten. Lara hatte völlig die Orientierung verloren. Wo war oben? Wo unten?
Sie kämpfte sich in eine Richtung und stieß sich den Kopf an. Für eine Sekunde sah sie ihr eigenes Blut, ehe sie von der nächsten Welle weitergespült wurde. Ihr wurde schwarz vor Augen.
Ihr gehört nicht hierher.
Sie riss die Augen wieder auf. Ihre Lunge drohte zu platzen. Sie sah Licht und schwamm ihm entgegen. Gerade noch rechtzeitig schaffte sie es an die Oberfläche und sog gierig die Luft ein. Das Wasser hatte sich beruhigt. Sie schwamm in einem riesigen See und konnte kaum das Ufer sehen. Über ihr stand die Sonne am Himmel. War sie ohnmächtig gewesen? Unter Wasser? Ihr ganzer Körper zitterte vor Kälte.
Ihr müsst gehen.
Da! Sie hatte es sich nicht eingebildet. Ganz deutlich hatte sie eine Stimme gehört. Nicht von außen kommend. Sondern in ihrem Inneren.
»Wer bist du?«
Ich muss euch
vernichten.
»Nein! Das musst du nicht!« Sie versuchte, sich zu konzentrieren, doch das war angesichts ihrer Lage schwierig. »Du bist der Weltenhüter, richtig?«
Schweigen.
»Kann ich dich sehen?«
Einen Moment lang herrschte Stille, dann kräuselte sich das Wasser. Wind kam auf. Wolken zeigten sich am Himmel, wie aus dem Nichts. Erneut wurde Lara von einer großen Welle unter Wasser gedrückt. Und tauchte prustend wieder auf.
»Okay! Du bist der Wind. Und die Wellen. Ich habe es kapiert.«
Das Wasser beruhigte sich etwas.
»Hör zu. Wir sind nur aus Versehen hier. Wir wollen weg. Wir haben einen magischen Ort
gesucht. Vielleicht kannst du ihn mir zeigen?«
Leichte Wellen plätscherten um sie herum.
»Und vielleicht kannst du mir sagen, wo der andere ist? Der mit mir zusammen war?«
Er ist fort.
»Mit fort meinst du … Du hast ihn entsorgt?«
Fort. Nur du bist noch da.
Was bedeutete das? Sie musste dringend aus dem Wasser raus. »Kannst du mich zu diesem magischen Ort
bringen?«
Wieder herrschte Ruhe. Dann spürte sie einen Sog, der sie mit sich trug. Sie wurde durch das Wasser gezogen, bis sie endlich das Ufer wieder sehen konnte. Dort war der Berg, den sie hatten erreichen wollen.
Lara konnte es nicht fassen. Das ganze Land, durch das sie gewandert waren, stand unter Wasser. Der Sog
nahm etwas ab, und sie schwamm die letzten Meter bis zu einem Felsvorsprung. Dort schleppte sie sich auf den warmen Stein. Sie brachte das Zittern nicht unter Kontrolle, obwohl ihr langsam wärmer wurde. Da hörte sie eine Stimme.
»Lara?«
Zwei Hände packten ihre Schultern und zogen sie hoch.
»Lara! Bist du das?«
Sie öffnete die Augen. Und sah Timo ins Gesicht.