Als wir in Bremen ankamen, stiegen wir aus. Ich wartete in dem schmalen Gang, der an den Abteilen vorbeiführte, und ließ die Verlassene vor mir aussteigen. Ich wahrte Abstand. Ich war nur Zuhörerin, kein Familienmitglied, aber ich wollte mich vergewissern, dass sie in guten Händen war, bevor ich sie gehen ließ.
Auf dem Bahnsteig stand ihre Mutter, eine Frau im Hosenanzug, in Beige, mit braunen Schuhen und rotem Halstuch. Sie sah nicht aus wie jemand, die sich auf der Arbeit freinimmt, um ihre sitzen gelassene Tochter abzuholen, oder von Enkelkindern träumt, aber jetzt nahm sie die Tochter in den Arm und drückte sie, und kurz darauf sah ich sie die beiden schweren Koffer durch die Bahnsteighalle ziehen, sie gingen hinaus zum Parkplatz und steuerten auf eines der größten Autos zu, glücklicherweise, denn für das Gepäck hatten sie ordentlich Platz nötig.
Als ich gesehen hatte, dass sie sich in den Wagen gesetzt hatten und losgefahren waren, ging ich in die Stadt, wo ich ein Hotel fand, in dem ich ein Zimmer mit Blick zur Straße bekam. Ich ließ mir versichern, dass es in den letzten zwei, drei Tagen nicht vermietet worden war, nahm die Treppe zum Zimmer hoch und schloss auf.
Von meinem Zimmer konnte ich die Straße überblicken, die von Straßenbahnen und Autos befahren war, und ich erkannte einen Platz, wo man damit beschäftigt war, Lichterketten in die Bäume zu hängen. Ein bisschen früh, dachte ich, während ich in einem Kessel, der im Zimmer stand, Wasser kochte und die gut koordinierte Arbeit betrachtete, aber sicher unvermeidlich, wenn im Dezember die ganze Stadt erstrahlen sollte.
Ich war müde, aber seit dem Frühstück hatte ich nur zwei Tassen Tee getrunken. Ich ging in die Stadt, um etwas zu mir zu nehmen, und kaum war ich wieder in meinem Zimmer, kroch ich ins Bett. Ich dachte an Weihnachtsgeschenke und Wahlverwandtschaften und schlummerte ein.
Jetzt sitze ich am Fenster und schaue auf den leeren Platz gegenüber und auf die Straßenbahnen, die vorbeifahren. Am Bürgersteig auf der andern Straßenseite stehen Reihen von Abfallsäcken in verschiedenen Farben. Sie warten darauf, von einem Müllwagen abgeholt zu werden. Ich warte auf Elektriker und Hebekräne, die noch nicht da sind. Ich denke an Dezember. Ich denke an heute und an morgen und übermorgen. Ich denke an gestern und vorgestern. Und jetzt denke ich auch an Frühstück.