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Die Jagd
»Tearling ist kein großes Königreich, doch vielfältig in seiner geographischen und klimatischen Gestalt. Das flache Landesinnere wird von einem gemäßigten Klima bestimmt und besteht überwiegend aus fruchtbarem Ackerland. Im Westen grenzt das Königreich an den Golf von Tearling, dahinter erstreckt sich das Gottesmeer, das bis zur Machtergreifung der Glynn-Königin nicht überquert worden war. Im Süden, an der Grenze zu Cadare, wird das Land staubig und trocken. An der Nordgrenze, hinter dem Reddickwald, erheben sich kleine Berge zum unüberwindbaren Fairwitchgebirge. Und im Osten teilt bekanntlich eine schroffe Grenze Tearling von Mortmesne ab.
Im Laufe der Jahre und der Regentschaft der Roten Königin beobachteten die Herrscher von Tearling die Grenze im Osten mit zunehmender Sorge … und das aus gutem Grund.«
Tearling als Militärnation, Callow der Märtyrer
rüh am Morgen, noch bevor die Sonne überhaupt daran dachte, über den Horizont zu spähen, schreckte die Königin von Mortmesne aus einem Albtraum hoch.
Einen Augenblick lang lag sie wie erstarrt und rasch atmend da, bis sie das vertraute Scharlachrot ihrer Gemächer erkannte. Die Wände waren mit Teareiche verkleidet. Rot gemusterte Drachen zierten das Holz. Das Bett der Königin war riesig und mit nahtloser, weicher, scharlachroter Seide bezogen, das Kissen unter ihrem Kopf schweißdurchtränkt. Dieser Traum … Derselbe Traum, der ihr seit zwei Wochen den Schlaf raubte: das Mädchen, das Feuer, der Mann in Blassgrau und sein Gesicht, das sie nie wirklich erkennen konnte. Am Ende dann die Flucht zur Grenze ihres Landes.
Die Königin erhob sich und schritt zu den Fenstern, die zur Stadt hinausgingen. Die Scheiben waren am Rand von einer opaken Eisschicht überzogen, und das, obwohl es in ihren Gemächern eigentlich recht warm war. Die Glasmacher von Cadare bekamen eine so unglaublich gute Dämmung hin, dass viele behaupteten, Magie müsse im Spiel sein. Doch die Königin wusste, dass dem nicht so war. Sie hatte es den Cadarese nicht gestattet, ihr Glas oder irgendetwas anderes mit einem Zauber zu belegen, und ohne ihre Erlaubnis durfte in den benachbarten Königreichen keinerlei Magie praktiziert werden. Dennoch, dass es überhaupt Isolierungen gab, war schon eine beeindruckende Errungenschaft. Ein nicht unerheblicher Teil des jährlichen Cadaretributs wurde in Glas entrichtet.
Zu Füßen des Palastes lag die Kronstadt Demesne still und noch überwiegend dunkel da. Ein Blick in den Himmel verriet ihr, dass die vierte Stunde gleich anbrechen würde und nur die Bäcker bereits wach waren. Im Schloss hinter ihr herrschte Totenstille, denn alle wussten, dass die Königin nie vor Sonnenaufgang aufstand.
Bis jetzt.
Das Mädchen, das Mädchen. Sie war das geheim gehaltene Kind, Elyssas Kind, daran bestand kein Zweifel. In den Träumen der Königin war sie kräftig und dunkelhaarig, hatte ein derbes, entschlossenes Gesicht und die grünen Raleigh-Augen ihrer Mutter. Doch im Gegensatz zu Elyssa war sie ein unscheinbares Ding, und aus irgendeinem Grund war das am schlimmsten, denn es kündete von Wahrheit. Der Rest des Traumes bestand aus den verschwommenen Bildern einer Verfolgungsjagd. Momente, in denen sie an nichts anderes dachte als an ihre Flucht, daran, dass sie der Feuersbrunst entkommen musste. Und dem Mann in Grau … Sobald sie erwachte, blieb nur das Gesicht des Mädchens in ihren Gedanken haften: rund und gewöhnlich, so wie auch das ihre einst gewesen war.
Die Königin hätte sich den Traum von einer ihrer Seherinnen deuten lassen, wären sie nicht allesamt Betrügerinnen gewesen, die sich gerne in Schleier hüllten. Liriane hatte als Einzige wirklich Talent besessen, doch nun war sie tot. Abgesehen davon war eine Deutung auch gar nicht nötig. Die Botschaft des Traumes war klar und eindeutig: Unheil drohte.
Ein tiefer, kehliger Laut ließ die Königin herumwirbeln. Doch es war nur der Sklave in ihrem Bett. Den hatte sie ganz vergessen. Da er sich so geschickt angestellt hatte, hatte sie ihn die Nacht über hierbehalten. Guter Sex vertrieb die schlechten Träume sofort. Aber sie hasste Schnarchen. Einen Moment lang beobachtete sie ihn mit zusammengekniffenen Augen und wartete, ob er es noch einmal tun würde. Als er nur leise grunzte und sich auf die Seite drehte, wandte sich die Königin wieder dem Fenster zu. In Gedanken war sie bereits woanders.
Das Mädchen. Wenn es nicht schon tot war, würde es das bald sein. Doch es wurmte die Königin, dass sie die Steine all die Jahre nicht hatte finden können. Selbst Liriane hatte das Kind nicht aufspüren können, dabei hatte sie Elyssa gut gekannt, besser als sie selbst. Es war zum Verrücktwerden … Ein Mädchen, dessen Alter bekannt war und das eine derart auffällige Narbe am Arm hatte? Selbst wenn es den Schmuck verbarg, hätte man es ohne Probleme ausfindig machen müssen. Tearling war kein großes Königreich.
Wo hast du sie versteckt, du Schlampe?
Wahrscheinlich irgendwo außerhalb, doch eine solche Strategie hätte einen gewissen Einfallsreichtum erfordert. Abgesehen davon, hätte sich das Kind jenseits der Teargrenze im Hoheitsgebiet von Mortmesne befunden. Elyssa hatte bis zum Schluss geglaubt, die größte Gefahr für ihr Kind würde außerhalb von Tearling lauern. Wieder etwas, worin sie sich geirrt hatte. Nein, das Kind war noch in Tearling. Das musste einfach so sein.
Erneut drang ein lautes Grunzen zu ihr herüber.
Die Königin schloss die Augen und rieb sich die Schläfen. Sie hasste schnarchen. Sehnsüchtig blickte sie zum Kamin und überlegte, ob sie ihn anzünden sollte. Vielleicht würde ihr das Geschöpf der Dunkelheit ein paar Antworten geben, wenn sie nur den Mut aufbrachte, Fragen zu stellen. Andererseits wollte es nur in Zeiten größter Not herbeigerufen werden, und für Schwächlinge hatte es rein gar nichts übrig. Wenn sie um Hilfe bat, offenbarte sie ihre Zweifel, das Kind jemals selbst zu finden.
Sie ist kein Kind mehr. Ich darf sie nicht mehr so betrachten. Das Mädchen musste mittlerweile neunzehn sein, und Elyssa war keine komplette Närrin. Wo immer das Kind auch abgeblieben war, jemand hatte ihr beigebracht zu überleben. Zu herrschen.
Und ich kann die Steine nicht sehen. Dieser Gedanke beunruhigte sie. In ihren Träumen trug das Kind nie eine Halskette. Von den beiden Saphiren keine Spur. Was hatte das zu bedeuten? Hatte Elyssa die Steine an einem anderen Ort versteckt?
Der Sklave stieß inzwischen regelmäßige Schnarcher aus, die wie Wellen harmlos aufbrandeten, sich dann jedoch zu einer derartigen Lautstärke auftürmten, dass sie vermutlich noch in den Backstuben zwanzig Stockwerke unter ihr zu hören waren. Die Königin hatte ihn wegen seines dunklen Teints und der gebogenen Nase ausgewählt, ein klares Zeichen von Mortblut. Er war einer der Ausgestoßenen, ein Nachkomme der Mortverräter, die man in das westliche Protektorat Callae verbannt hatte. Obwohl es die Königin selbst gewesen war, die sie dorthin hatte verfrachten lassen, war die Vorstellung, einen Ausgestoßenen bei sich zu haben, seltsam aufregend. Ein Sklave, der schnarchte, war allerdings niemandem nützlich.
An der Wand neben dem Fenster gab es zwei Knöpfe, einen schwarzen und einen roten. Die Königin überlegte kurz und drückte dann auf den schwarzen.
Nahezu lautlos traten vier Männer der schwarzgekleideten Palastwache ein, allesamt mit gezogenem Schwert. Ghislaine, der Captain der königlichen Garde, war nicht unter ihnen, aber das war nicht weiter verwunderlich. Er war zu alt, um nachts noch Dienst zu tun.
Die Königin deutete auf ihr Bett, woraufhin die Wachen auf den schnarchenden Mann zustürzten und ihn an Armen und Beinen packten. Wild um sich schlagend, schreckte der Sklave hoch, trat erst nach einer Wache, um sich dann herumzuwerfen und sich bis zum Bettende vorzukämpfen.
»Majestät?«, fragte der Anführer mit zusammengebissenen Zähnen, während er den zuckenden Arm des Mannes festhielt.
»Bringt ihn runter ins Labor. Lasst ihm die Zunge und das Gaumenzäpfchen entfernen. Und trennt ihm zur Sicherheit noch die Stimmbänder durch.«
Der Sklave kreischte und wehrte sich noch heftiger, während der Gardist versuchte, ihn aufs Bett zu drücken. Eins musste man ihm lassen – Kraft hatte er. Es gelang ihm, seinen rechten Arm und das linke Bein freizubekommen, als ihm eine Wache den Ellbogen ins Kreuz rammte. Der Sklave stieß einen Schmerzensschrei aus und blieb reglos liegen.
»Und nach der Operation, Majestät?«
»Sobald er genesen ist, überbringt ihn mit den besten Wünschen Lady Dumont. Sollte sie ihn nicht wollen, schenkt ihn Lafitte.«
Während die königliche Garde den immer noch brüllenden Mann aus dem Raum zerrte, wandte sich die Königin wieder dem Fenster zu. Helene Dumont würde den Sklaven auf jeden Fall wollen. Da sie zu dumm war, ein Gespräch in Gang zu halten, bevorzugte sie schweigende Männer. Als die Garde die Tür hinter sich schloss, wurden die Schreie leiser und verstummten irgendwann ganz.
Die Königin trommelte mit den Fingern auf die Fensterbank und dachte nach. Der Kamin lockte sie, fast schien er darum zu bitten, sie möge ein Feuer in ihm entfachen. Doch sie wusste, dass dies der falsche Weg war. So ernst war die Lage nicht. Der Regent hatte die Caden in seine Dienste genommen, und obwohl sie alles verachtete, was aus Tearling stammte, unterschätzte sie deren Fähigkeiten nicht. Und wenn es Elyssas Tochter dennoch gelang, Neulondon lebend zu erreichen, würden sich Thornes Leute um sie kümmern. Was auch geschah, bis März würde der Kopf des Mädchens an der Wand ihres königlichen Gemachs prangen und sie selbst beide Halsketten in Händen halten. Und endlich wieder ruhig schlafen können. Sie streckte die Hände aus, drehte die Handflächen nach oben und schnipste mit den Fingern. Weit entfernt, an der westlichen Teargrenze, zuckten Blitze am Horizont.
Sie drehte sich um und ging wieder zu Bett.
Der dritte Reisetag begann weit vor Sonnenaufgang. Als Kelsea in der Dunkelheit Waffen vor ihrem Zelt klirren hörte, stand sie auf und zog sich an. Sie war entschlossen, ihr Zelt selbst abzubauen, bevor eine der Wachen versuchen würde, das für sie zu erledigen. Gerade wollte sie die Laterne anzünden, als sie bemerkte, dass um sie herum bereits alles zu erkennen war. Das Zeltinnere wurde von einem blassen Schein erleuchtet, und da entdeckte sie auch schon ihr Hemd in der Ecke. Aber es sah … blau aus.
Suchend blickte sie sich nach der Lichtquelle um. Erst als sie sich zweimal um die eigene Achse gedreht hatte, fiel ihr auf, dass sie keinen Schatten an die Zeltwand warf. Im Gegenteil, das Licht ging von ihr aus! Der Saphir um ihren Hals leuchtete, jedoch nicht in jenem glitzernden Kobaltblau, zu dem ihn der Schein des Feuers provozierte, sondern in einem tiefen Aquamarinblau, das aus seinem Inneren zu kommen schien. Als Kelsea eine Hand um den Anhänger schloss, machte sie eine zweite Entdeckung: Der Stein war warm, und zwar um gut zwanzig Grad mehr als ihre eigene Körpertemperatur.
Sie öffnete die Hand und sah, wie das blaue Licht über die Zeltbahnen tanzte. Ihr ganzes Leben lang hatte sie den Saphir um den Hals getragen, und abgesehen von seiner lästigen Angewohnheit, ihr aus dem Ausschnitt zu rutschen, war nie etwas Besonderes an ihm gewesen. Und nun leuchtete er plötzlich in der Dunkelheit.
Zauberei, dachte Kelsea verwundert, während sie auf das himmelblaue Licht starrte. Wie aus einem von Carlins Büchern.
Sie griff nach ihrem Umhang und kramte in dessen Tasche nach ihrer zweiten Halskette. Erwartungsvoll zog sie sie hervor, nur um sich gleich darauf enttäuscht zurückzulehnen. Der Zwillingsstein sah noch genauso aus wie vorher, ein großer, blauer Saphir in ihrer Hand – der nicht leuchtete.
»Galen! Hilf mir, die Pferde zu satteln!«
Die Stimme draußen vor dem Zelt, das barsche Knurren, das Kelsea inzwischen Mace zuordnen konnte, brachte sie wieder in die Gegenwart zurück. Sie hatte jetzt keine Zeit, das Licht zu bestaunen, sie sollte es lieber verstecken. Sie stöberte in ihrem Bündel, zog ihr dickstes, dunkelstes Hemd aus burgunderroter Wolle hervor und streifte es sich über, um ihre Halskette darunter verschwinden zu lassen. Dann band sie sich das Haar zu einem straffen Knoten und stülpte einen derben Strickhut darüber. Wie ein kleines Kohlestück hing der Stein zwischen ihren Brüsten und verströmte eine angenehme Wärme, welche die bitterkalte Morgenluft linderte. Trotzdem würde er sie nicht den ganzen Tag warmhalten können, also legte sie noch eine weitere Kleiderschicht sowie ihre Handschuhe an, bevor sie sich schließlich nach draußen wagte.
Im Osten hob sich nur ein schmaler, kornblumenblauer Streifen vor den dunklen Hügeln ab. Als sich Kelsea den Männern näherte, löste sich Galen aus einer Gruppe, die gerade dabei war, die Pferde zu bepacken. Er brachte ihr ein paar Stücke halbgaren Schinkenspeck, die sie gierig verschlang. Ihr Zelt baute sie allein ab und registrierte zufrieden, dass ihr niemand Hilfe anbot. Carroll nickte ihr kurz zu, als er über die schmale Lichtung zu den Pferden ging, doch sein Gesicht war immer noch ausgezehrt, und er sah aus, als hätte er keine Minute geschlafen.
Kelsea packte ihr Zelt auf Pens Pferd und kümmerte sich dann um ihre Satteltasche. Sogar May schien über Nacht sanftmütiger geworden zu sein. Als Kelsea ihr eine Karotte aus einem Bund hinhielt, den Mace ihr in die Hand gedrückt hatte, schien sie vollkommen einverstanden damit, ihr aus der Hand zu fressen.
»Habichte, Sir! Zwei im Osten am Horizont!«
Kelsea suchte den sich aufhellenden Himmel ab, konnte jedoch nichts entdecken. Die Totenstille zehrte an ihren Nerven. Sie war in einem Wald voller Habichte aufgewachsen, deren wilde, spitze Schreie einem das Blut in den Adern gefrieren ließen. Doch diese Ruhe hier war schlimmer.
Carroll war gerade dabei, ein paar Satteltaschen auf seinem Pferd festzuschnallen, als er innehielt und nachdenklich zum Himmel blickte. Dann rief er: »Kommt alle her! Pen, mach das Feuer aus!«
Sofort scharten sich die Männer um ihn, die meisten von ihnen schleppten noch Vorräte. Pen stieß als Letzter zu ihnen, sein Gesicht war von Asche verschmiert. Als die Wachen Anstalten machten, ihre Vorräte auf die Satteltaschen zu verteilen, befahl Carroll ihnen barsch: »Lasst alles hier!«
Er rieb sich die müden Augen. »Wir werden verfolgt, Männer. Und mein Gefühl sagt mir, dass sie nicht mehr weit sind.«
Einige der Gardisten nickten.
»Pen, du bist der Kleinste von uns. Gib der Königin deinen Umhang und deine Rüstung.«
Pens Miene verdüsterte sich, doch er knöpfte gehorsam seinen Umhang auf und begann, seine Rüstung abzulegen. Kelsea tastete nach ihrer zweiten Halskette und vergrub sie in ihrer Faust, bevor auch sie ihren Umhang abstreifte. Nacheinander legten ihr die Männer die Einzelteile von Pens Rüstung an. Das Eisen war unglaublich schwer, und Kelsea musste ein Stöhnen unterdrücken, sobald ihr ein neues Rüstungsstück aufgebürdet wurde.
Kelsea schwankte leicht, als Mhurn ihr schließlich noch den flachen, auf einen Mann zugeschnittenen Brustharnisch über die Schultern legte, und ihre Brüste pulsten schmerzhaft, als er ihn am Rücken zusammenschnallte.
»Wir teilen uns auf«, verkündete Carroll. »Wahrscheinlich ist es keine große Truppe, und sollten sie uns aufspüren, können wir nur hoffen, dass sie nicht vollzählig sind. Reitet, wohin ihr wollt, aber auf keinen Fall gemeinsam. Wir treffen uns auf dem Rasen vor der Festung.«
Er wandte sich an Pen: »Tausch dein Pferd mit dem der Königin. Wenn wir Glück haben, werden unsere Verfolger alle Energie darauf verwenden, ihre Stute ausfindig zu machen.«
»Wer bleibt bei der Königin?«, fragte Dyer und zog ein Gesicht, als würde er insgeheim beten, es möge jeden anderen treffen, nur nicht ihn.
»Lazarus.«
Kelsea sah zu Mace hinüber, der hinter Carroll am Rand der Truppe stand und so gleichgültig dreinblickte wie eh und je. Wahrscheinlich hätte man ihm genauso gut befehlen können, einen besonders wichtigen Baum zu bewachen. Kelseas Zweifel mussten ihr ins Gesicht geschrieben stehen, denn Mace musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen, sein Blick eine klare Herausforderung zum Streit.
Sie ging nicht darauf ein.
Carroll lächelte den Männern aufmunternd zu, doch auf seinem Gesicht lag ein gehetzter Ausdruck. Kelsea fühlte den Tod an ihm haften, ja, sie konnte förmlich sehen, wie er ihm als schwarzer Schatten im Genick saß. »Dies ist unser letzter und gleichzeitig wichtigster gemeinsamer Auftrag. Die Königin muss die Festung erreichen, und wenn es uns das Leben kostet.«
Als er das Zeichen zum Aufbruch gab und die Männer sich zum Gehen wandten, nahm Kelsea all ihren Mut zusammen: »Wartet!«, rief sie.
»Lady?« Carroll drehte sich um, und auch die anderen Männer verharrten auf dem Weg zu ihren Pferden. Kelsea musterte sie. Im fahlen Licht der Dämmerung wirkten ihre Gesichter hart und entschlossen. Sie wusste, dass einige sie tief in ihrem Inneren hassten, ihre Würde als Mitglieder der Königinnen-Garde es ihnen jedoch nicht gestattete, das zuzugeben.
»Ich weiß, dass sich keiner von Euch diese Aufgabe ausgesucht hat, dennoch danke ich Euch für alles. Ich würde jeden von Euch in meiner Garde willkommen heißen, aber für Eure Familien wird so oder so gesorgt, das schwöre ich …«
Sie wandte sich wieder an Carroll, der sie mit einem Ausdruck musterte, den sie nicht recht zu deuten wusste. »Wir können aufbrechen, Captain.«
»Lady.« Er nickte, und die Männer stiegen auf ihre Pferde. »Lazarus, auf ein Wort!«
Mace stapfte zu den beiden hinüber. »Mein Pferd nehmt Ihr mir nicht, Captain.«
»Das würde ich nie wagen.« Ein Lächeln kräuselte Carrolls Mundwinkel. »Bleib bei der Königin, Lazarus. Aber halte Abstand, sodass es aussieht, als wäre jeder von euch allein unterwegs. An deiner Stelle würde ich zum Caddell reiten und seinem Lauf bis zur Stadt folgen. Die Strömung wird eure Spuren verwischen.«
Mace‘ Nicken konnte Kelsea nicht täuschen. Eine seltsame, blitzartige Eingebung verriet ihr, dass er den Vorschlag in Sekundenschnelle abgewogen und verworfen hatte. Er würde einen anderen Weg einschlagen.
»Für lange Erklärungen ist keine Zeit, Lady, aber unser Lazarus ist dafür bekannt, noch den schwierigsten Situationen zu entkommen. Und wenn wir Glück haben, wird er heute sein größtes Wunderwerk vollbringen.«
Inzwischen war Kelseas Rüstung komplett. Pen warf sich den grünen Umhang des Mädchens über, der auf seinen Schultern spannte. »Gute Reise, Lady«, murmelte er. Einen Augenblick später war er weg.
»Captain.« Kelsea dachte an Carlin und Barty, wie sie im Türrahmen des Cottage gestanden hatten, an ihren entsetzlich unaufrichtigen Optimismus. »Ich sehe Euch vor dem Thron.«
»Nein, Lady, das werdet Ihr nicht. Ich weiß, dass ich auf dieser Reise sterbe. Aber es genügt mir zu wissen, dass Ihr dort sitzen werdet.« Carroll stieg auf sein Pferd. Die schreckliche Gewissheit und die Hoffnungslosigkeit hatten sein Gesicht gezeichnet. Mace reichte ihm die Hand, und Carroll ergriff sie. »Pass auf sie auf, Lazarus.«
Dann gab er seinem Pferd die Sporen und verschwand im Wald.
Kelsea und Mace blieben allein zurück. Der Atem ihrer Pferde dampfte in der Luft, und Kelsea merkte einmal mehr, wie kalt es eigentlich war.
Sie griff nach Pens grauem Umhang, entdeckte auf Brusthöhe eine Innentasche, ließ die zweite Halskette darin verschwinden und warf sich das Kleidungsstück über. Das Lager um sie herum wirkte verlassen, nichts als ein paar tote Blätter, dünne Rauchfäden, die sich aus der Feuerstelle erhoben, und die nackten Zweige der Bäume über ihren Köpfen.
»Wohin?«, fragte sie.
»Über die Lichtung zu Eurer Linken.« Mace half ihr, auf Pens Pferd zu steigen, einen dunkelbraunen Hengst, der gut eine Handbreit höher war als ihre Stute. Selbst mit seiner Hilfe ächzte Kelsea unter der Anstrengung, ihren Körper mitsamt Pens Rüstung in den Sattel zu hieven. »Ihr müsst nur ein paar hundert Meter nach Norden reiten, Lady, und dann einen Bogen nach Osten beschreiben, bis Ihr Richtung Süden unterwegs seid. Ihr werdet mich nicht sehen, aber ich bin in Eurer Nähe.«
Kelsea spürte die einschüchternde Größe des Pferds und gab zu: »Ich kann nicht besonders gut reiten, Lazarus. Und wirklich schnell geritten bin ich noch nie.«
»Das ist mir schon aufgefallen, Lady. Aber Rake ist einer unserer sanftesten Hengste. Wenn Ihr ihn mit losem Zügel dirigiert, wird er nicht versuchen, Euch abzuwerfen, selbst wenn er Euch nicht kennt.« Abrupt blickte Mace nach oben, sein Blick blieb an einer Stelle über Kelseas Kopf haften. »Geht, Lady. Sie kommen.«
Kelsea zögerte.
»Herrgott noch mal!« Mace gab dem Pferd einen Klaps auf das Hinterteil, und Rake preschte derart schnell los, dass es Kelsea beinahe die Zügel aus der Hand gerissen hätte. Hinter sich hörte sie Mace rufen: »Puppen und Kleidchen, Lady! Da müsst Ihr schon härter werden!«
Dann tauchte sie in den Wald ein.
Der Ritt war eine einzige Tortur. Sie ließ ihren Hengst einen weiten Bogen beschreiben, genau wie Mace es ihr aufgetragen hatte. Ihr ganzer Körper brannte darauf, endlich geradeaus reiten und eine schnellere Gangart anschlagen zu können. Als Kelsea glaubte, weit genug gekommen zu sein, prüfte sie das Moos auf den Steinen und dirigierte ihr Pferd Richtung Süden. Pens grauer Umhang flatterte hinter ihr her. Am Anfang wog die Rüstung noch schwer und schien ihren ganzen Körper durchzurütteln, wenn Rake auf den Vorderhufen aufkam. Doch nach einer Weile spürte sie das bleierne Gewicht nicht mehr. Nun zählte nur noch die Geschwindigkeit, das schiere Tempo, das sie mit Bartys alterndem Hengst nie erreicht hatte. Der Wald flog nur so an ihr vorbei. Ab und an schienen die Bäume weit weg und dann wieder so nah, dass die Zweige gegen ihren gepanzerten Körper peitschten. Ein eisiger Wind pfiff ihr um die Ohren, und tief in ihrer Kehle schmeckte sie bitteres Adrenalin.
Von Mace keine Spur, doch Kelsea wusste, er war in ihrer Nähe. Immer wieder kam ihr seine letzte Bemerkung in den Sinn und brachte ihr Gesicht zum Glühen, obwohl es eigentlich hätte taub sein müssen vom Wind. Sie hatte geglaubt, die ganze Reise über stark und tapfer gewesen zu sein, hatte sich eingeredet, die Männer beeindruckt zu haben. Carlin hatte immer gesagt, ihr Gesicht sei ein offenes Buch. Und wenn nun alle ihren Stolz bemerkt hätten? Könnte sie den Männern dann je wieder gegenübertreten?
Hör sofort mit diesem Blödsinn auf!
Carlins Stimme hallte in ihrem Kopf wider, lauter als je eine Demütigung, lauter als je ein Zweifel. Kelsea presste ihre Schenkel fester in Rakes Flanken und trieb ihn noch mehr an. Sobald ihr die Schamesröte wieder ins Gesicht steigen wollte, gab sie sich eine Ohrfeige.
Nachdem sie ungefähr eine ganze Stunde lang in rasantem Tempo galoppiert war, endete der Wald, und Kelsea fand sich plötzlich auf dem Ackerland der Almontebene wieder. Sie zügelte ihr Pferd und sah sich um. So weit das Auge reichte, dehnten sich sorgfältig gezogene grüne Reihen vor ihr aus. Die ebene Beschaffenheit und Gleichförmigkeit des Landes machte sie traurig. Zwar gab es ein paar vereinzelte Bäume, doch die hatten nur schwächliche, kahle Stämme, die sich gen Himmel wanden, und keiner von ihnen war stark genug, um Deckung zu bieten. Kelsea ritt weiter, wobei sie die schmalen Wege benutzte, die sie zwischen den Getreidereihen fand. Nur wenn es keine andere Möglichkeit gab, galoppierte sie direkt über die Felder. Niedrige, strohgedeckte Gehöfte aus Holz – im Prinzip nichts weiter als gewöhnliche Hütten – säumten das Ackerland. In der Ferne erspähte Kelsea ein paar höhere, massivere Holzbauten, vermutlich die Häuser der Aufseher oder Adeligen.
Unterwegs begegnete ihr eine Vielzahl Bauern. Einige reckten sich, um sie besser erkennen zu können, andere winkten, als sie vorbeiritt. Doch die meisten beschäftigten sich mit ihrer Feldarbeit und beachteten sie nicht weiter.
Tearlings Wirtschaft beruhte auf Ackerbau. Dafür, dass sie den Grund und Boden bewirtschafteten, wurde den Bauern Wohnrecht auf dem Land der Adligen gewährt. Doch mit Ausnahme der Steuern für die Krone strich der Adel den gesamten Gewinn ein. Kelsea hörte Carlin in der Bibliothek sprechen, ihren abfälligen Tonfall, der von den Bücherwänden widerhallte: »Leibeigenschaft, Kelsea – um nichts anderes geht es hier. Schlimmer noch, um eine vom Staat geduldete Leibeigenschaft. Man zwingt diese Menschen, sich für den komfortablen Lebensstandard der Adeligen aufzuarbeiten. Und wenn sie Glück haben, werden sie mit dem Überleben belohnt. William Tear kam mit der Vision von wahrer Gleichheit und Gerechtigkeit in die Neue Welt, und das ist nun daraus geworden.«
Carlin hatte ihre Meinung immer wieder unmissverständlich deutlich gemacht, doch die Realität nun mit eigenen Augen zu sehen war etwas ganz anderes. Die Menschen, die auf den Feldern arbeiteten, sahen hungrig aus. Die meisten steckten in ausgebeulter Kleidung, die um ihre mageren Körper schlackerte. Den Aufsehern hingegen, die hoch zu Ross über den Getreidereihen leicht auszumachen waren, schien es offensichtlich gut zu gehen. Sie trugen breite, flache Hüte, und jeder von ihnen besaß einen Holzknüppel, dessen Zweck schmerzlich offensichtlich war. Als sich Kelsea einem von ihnen näherte, stellte sie fest, dass das Ende des Knüppels rötlich braun verfärbt war.
Im Osten entdeckte Kelsea ein Haus, das Adligen gehören musste: ein hoher Turmbau aus rotem Ziegel. Echter Ziegel!
Ziegel aus Tearling war bekanntermaßen ein minderwertiger Baustoff im Vergleich zu Mortziegel, der aus besserem Mörtel gefertigt wurde und mindestens ein Pfund pro Kilo kostete. Barty hatte Carlin einen Ofen daraus gebaut, und Kelsea hatte sich mehr als einmal gefragt, ob Barty das Material auf dem Schwarzmarkt von Mortmesne erstanden hatte. Eigentlich war es Morthandwerkern nicht erlaubt, Waren an die Tear zu verkaufen, dennoch erzielten ihre Luxusgüter jenseits der Landesgrenzen hohe Preise, und Barty hatte gemeint, wenn man nur bereit war, genug zu zahlen, könne man alles bekommen. Doch nicht mal mit seinen gelegentlichen Schwarzmarktgeschäften hätten er und Carlin sich ein ganzes Haus aus Ziegeln leisten können. Die Adelsfamilie, die dort wohnte, musste unfassbar reich sein. Kelseas Blick wanderte zu den Menschen auf den Feldern, zu ihren ausgemergelten Wangen und dünnen Hälsen. Blanke Wut stieg in ihr auf. Einen Großteil ihres Lebens hatte sie Angst davor gehabt, Königin zu sein. Sie wusste, sie war schlecht vorbereitet, auch wenn Barty und Carlin ihr Bestes gegeben hatten. Sie war weder auf einem Schloss aufgewachsen, noch hatte sie ein privilegiertes Leben geführt. Die Weite des Landes, über das sie herrschen sollte, schüchterte sie ein, doch beim Anblick der Männer und Frauen, die hier auf den Feldern schufteten, regte sich ein Empfinden in ihr, das sich nun zum ersten Mal entfaltete: Sie trug die Verantwortung für all diese Menschen.
Links von Kelsea erhob sich die Sonne über den Horizont. Als sie sich im Sattel umwandte, um ihr beim Aufsteigen zuzusehen, erspähte sie einen schwarzen Schatten, der über den gleißenden Himmel flog und lautlos wieder verschwand.
Ein Morthabicht!
Abrupt stieß sie Rake die Hacken in die Flanken und ließ die Zügel so weit locker, wie sie es sich gerade noch traute. Der Hengst wurde schneller, doch es half nichts. Kein Pferd mit Reiter konnte einem jagenden Habicht entkommen. Ihre Blicke irrten umher, doch nicht mal die kleinste Baumgruppe war zu sehen, die ihr Schutz hätte bieten können. Nur endloses Ackerland und in der Ferne das blaue Glitzern eines Flusses. Hektisch tastete sie unter ihrem Umhang nach dem Messer.
»Runter!«, schrie Mace hinter ihr. Kelsea duckte sich und hörte Klauen durch die Luft pfeifen, wo gerade noch ihr Kopf gewesen war.
»Lazarus!«
»Flieht, Lady!«
Sie drückte sich eng an Rakes Hals und ließ die Zügel noch lockerer. In einer schnurgeraden Linie preschte der Hengst über das Land, so schnell, dass Kelsea die Bauern auf den Feldern nicht mehr erkennen konnte, sondern nur einen einzigen verschwommenen Streifen aus Braun und Grün. Es würde nur eine Frage der Zeit sein, dachte sie, bevor das Pferd sie abwarf und sie sich das Genick brach. Selbst dieser Gedanke hatte etwas seltsam Befreiendes … Wer hätte je gedacht, dass sie überhaupt so lange leben würde? Sie hörte sich lachen, ein wildes, außer Kontrolle geratenes Lachen, das ihr der Wind sogleich entriss.
Der Habicht schoss erneut auf sie herab. Wieder duckte sich Kelsea, doch diesmal eine Spur zu langsam. Seine Krallen streiften ihren Hals und rissen ihr die Haut auf, bevor er wieder in den Himmel stieß. Dickes, warmes Blut troff auf ihr Schlüsselbein. Kelsea blickte dem Habicht nach. Sie spürte, wie die Wunde an ihrem Hals pulsierte.
Sie hörte Hufgetrampel neben sich, doch sie wagte nicht, den Kopf zu wenden. Der Habicht kreiste nun direkt vor ihr und zielte auf ihre Augen. Er war größer als jeder andere Vogel, den sie je gesehen hatte, und tiefschwarz wie ein Geier, statt wie üblich braun. Wieder attackierte er sie mit ausgestreckten Klauen, woraufhin sich Kelsea zum dritten Mal duckte und sich schützend den Arm vors Gesicht warf.
Über ihrem Kopf erklang ein dumpfer Aufprall. Als der Schmerz ausblieb, riskierte sie einen Blick nach oben. Nichts.
Sie schaute zur Seite. Der Schmerz, den die Bewegung verursachte, trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie sah Mace und den Körper des Habichts, der an der dornigen Kugel seines Morgensterns baumelte. Ein matschiger Klumpen aus Federn und blutig glänzenden Innereien. Mace schüttelte die Waffe so lange, bis der Vogel abfiel.
»Ein Morthabicht?«, rief sie über den Wind hinweg und versuchte, ihre Stimme fest klingen zu lassen.
»Richtig, Lady. Sie sind anders als alle anderen Habichte, schwarz wie die Mitternacht und groß wie Hunde. Nur der Himmel weiß, wie die Königin sie züchtet.« Mace ritt näher heran und musterte Kelsea. »Ihr seid verletzt.«
»Eine kleine Schramme am Hals.«
»Diese Tiere sind nicht nur Killer, sondern auch Späher. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist uns inzwischen ein Mördertrupp auf den Fersen. Könnt Ihr noch reiten?«
»Ja, aber mein Blut wird eine Spur hinterlassen.«
»Ungefähr fünfzehn Kilometer südwestlich von hier befindet sich die Feste einer Edelfrau, die Eurer Mutter sehr ergeben war. Schafft Ihr es bis dorthin?«
Kelsea starrte ihn an. »Für wen haltet Ihr mich, Lazarus? Für ein schwaches Heimchen? Ich blute, das ist alles. Und ich habe mich noch nie so gut amüsiert wie auf dieser Reise.«
In Mace‘ Augen blitzte Begreifen auf. »Ihr seid jung und tapfer, Lady. Für einen Krieger ist das eine erstrebenswerte Eigenschaft. Für eine Königin jedoch nicht.«
Kelsea runzelte die Stirn.
»Lasst uns weiterziehen, Lady. Nach Südwesten.«
Die Sonne stand inzwischen voll über dem Horizont, und Kelsea glaubte, in der Ferne ihr Ziel ausmachen zu können – wieder ein Ziegelturm, der sich vor einem blau glitzernden Fluss abzeichnete. Aus der Entfernung wirkte er wie ein Spielzeug, doch sie wusste, dass er viele Stockwerke in die Höhe ragen würde, wenn sie ihm erst näher kam. Kelsea fragte sich, ob die Adlige, die dort wohnte, einen Zoll für die Furt verlangen würde. Carlin hatte ihr erzählt, dass es sich die meisten, die an einem Fluss oder einer Straße wohnten, nicht nehmen ließen, Reisende zu erleichtern, um sich so einen Zuverdienst zu verschaffen.
Als sie weiterritten, wandte Mace unablässig seinen Kopf hin und her, als rolle dieser auf einem Kugellager. Seinen Morgenstern hatte er einfach wieder in seinen Gürtel gesteckt, ohne sich vorher die Mühe zu machen, ihn abzuwischen. Die Überreste des Habichts schimmerten in der Morgensonne, und Kelsea wurde übel von dem Anblick. Sie wandte sich ab, um die Landschaft um sich herum zu betrachten. Sie tat ihr Bestes, die Schmerzen an ihrem Hals zu ignorieren. Zweifellos befanden sie sich im Herzen von Almont, der großen Ackerbauebene von Tearling. Flaches Land, so weit das Auge reichte. Bei dem Fluss vor ihnen musste es sich entweder um den Caddell oder den Crithe handeln. Ohne zu wissen, wie weit sie nach Westen geritten waren, konnte Kelsea das nicht genau sagen. Weit im Südwesten erspähte sie ein paar undeutliche braune Hügel und dahinter einen großen schwarzen Fleck – Neulondon vermutlich. Schweiß rann ihr in die Augen, und als sie endlich wieder sehen konnte, hatten sich die braunen Hügel wie eine Fata Morgana in Luft aufgelöst. Vor ihr nichts als grünes Land. Tearling kam ihr riesengroß vor, viel größer, als es je auf einer von Carlins Karten gewirkt hatte.
Als sie etwa die Hälfte der Strecke zum Turm zurückgelegt hatten, streckte Mace die Hand aus und versetzte Rakes Hinterteil einen kräftigen Schlag. Der Hengst protestierte wiehernd und preschte so abrupt auf den Fluss zu, dass Kelsea beinahe aus dem Sattel geflogen wäre. Sie versuchte, sich dem Rhythmus des Pferdes anzupassen, doch jedes Mal, wenn seine Hufe donnernd den Boden berührten, schien ihre Wunde am Hals ein Stück weiter aufzureißen. Tapfer versuchte sie, den Schwindel niederzukämpfen, der sie in Wellen überkam.
Eine Weile hörte sie nur Mace hinter sich, doch allmählich drang das unverkennbare Geräusch weiterer Hufe an ihr Ohr. Während sich ihre Verfolger näherten, schien der Fluss in atemberaubender Geschwindigkeit auf Kelsea zuzurasen. Als sie einen Blick über ihre Schulter warf, sah sie ihre schlimmste Vermutung bestätigt: Ungefähr fünfzig Meter hinter ihnen ritten vier Caden, leuchtend rot wehten ihre Umhänge im Wind. Als Kind hatte Kelsea Geschichten über sie gehört und wissen wollen, weshalb sich Attentäter in einer derart grellen und auffälligen Farbe zeigten. Bartys Antwort war wenig beruhigend ausgefallen: Die Caden seien so von sich und ihrer mörderischen Kunst überzeugt, dass sie es sich leisten könnten, mitten am Tag in flammend roter Kleidung aufzukreuzen. Und wirklich, ihre Umhänge sandten eine klare Botschaft. In Kelseas Innerem erstarrte etwas.
Hinter ihr stieß Mace einen Fluch aus. »Rechts von Euch!«, schrie er.
Kelsea drehte sich um und erblickte eine weitere Gruppe von vier oder fünf Männern mit schwarzen Umhängen, die rasend schnell von Nordwesten näher kamen, um ihnen den Weg zum Fluss abzuschneiden. Selbst wenn Rake beide Verfolgergruppen abschütteln konnte – am Fluss wäre Kelsea zur Umkehr gezwungen. Er war bestimmt zwanzig Meter breit. Schon aus der Entfernung sah sie die tiefgrüne, rasch dahinfließende Strömung sowie die hier und da aufspritzende Gischt, die auf Felsbrocken unter der Wasseroberfläche schließen ließ. Schwimmend würde sie den Fluss niemals durchqueren können, und Boote waren weit und breit keine in Sicht. Kelsea wusste keinen Ausweg. Hilflos streiften ihre Gedanken über das riesige, grüne Land, das sich in alle Himmelsrichtungen bis zum Horizont erstreckte. Zu den Menschen auf den Feldern. Für die sie die Verantwortung trug.
Wenn sie Richtung Westen am Fluss entlanggaloppierte, dachte sie, wären beide Verfolgergruppen gezwungen, ihr am Ufer zu folgen, und niemand könnte ihr mehr den Weg abschneiden. Wahrscheinlich würde man sie trotzdem einholen, aber immerhin konnte sie Zeit gewinnen. Zeit, in der vielleicht ein Wunder geschah. Sie straffte die Zügel und preschte geradewegs auf den Fluss zu, dabei spritzte ihr Blut aus ihrer Wunde auf Kinn und Wangen.
Als das Wasser nur noch zehn, fünfzehn Meter entfernt war, riss Kelsea an den Zügeln, um ihre Verfolger durch einen Rechtsbogen zu überraschen. Doch Rake verstand ihren Befehl nicht und blieb abrupt stehen. Mit einem Salto flog Kelsea vom Pferd, sah den Fluss erst unter, dann über sich, und landete schließlich unsanft auf dem Bauch. Alle Luft war aus ihren Lungen gewichen. Sie wollte sich aufrappeln, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht. Als sie versuchte, tief einzuatmen, brachte sie nur ein kraftloses Japsen zustanden. Das anschwellende Donnern der herannahenden Pferde schien die ganze Welt auszufüllen.
Zu ihrer Linken rief ein Mann: »Das Mädchen! Das Mädchen, verdammt noch mal! Um Mace könnt ihr euch später kümmern, holt euch das Mädchen!«
Etwas krachte vor ihr auf den Boden. Kelsea blickte auf und sah Mace, das gezogene Schwert in der einen Hand, den erhobenen Morgenstern in der anderen, wie er sich vier Männern entgegenstellte. Die Caden waren von unterschiedlicher Gestalt, dunkelhäutig und hell, größer oder kleiner. Einer hatte sogar einen Schnurrbart. Doch auf allen Gesichtern lag der gleiche harte, leere Ausdruck: antrainierte Grausamkeit. Der Hellhäutige versuchte, Mace‘ Abwehr zu durchbrechen, und bekam sogleich die Spitze seines Schwertes am Schlüsselbein zu spüren. Blut sickerte in das Scharlachrot seines Umhangs. Mace nutze die Verwundung des Caden und rammte ihm sein Schwert in die Kehle. Gurgelnd und röchelnd sackte der Mann in Rot in sich zusammen.
Mace trat zurück, um sich direkt vor Kelsea zu positionieren. In jeder Faust eine Waffe wartete er ab. Als ein weiterer Caden auf ihn zustürzte, ließ sich Mace auf die Knie fallen und sein Schwert durch die Luft sausen. Schreiend vor Schmerzen ging der Caden zu Boden. Das Schwert hatte sein Bein genau unterhalb des rechten Knies abgetrennt. Blut schoss in Fontänen aus dem Stumpf und färbte das Ufer tiefrot. Nach einem kurzen Moment des Schocks begriff Kelsea, dass sie den Pulsschlag eines sterbenden Mannes beobachtete, dessen Herz den Lebenssaft aus seinem Körper in den Sand pumpte.
In ihr regte sich der dumpfe Gedanke, etwas tun zu müssen, doch ihr versagten immer noch die Beine, und ihre Rippen schmerzten höllisch. Die beiden übrigen Caden griffen Mace aus verschiedenen Richtungen an, doch er duckte sich geschickt unter ihnen weg, drosch den Morgenstern gegen die Schläfe des einen Mannes und zerschmetterte ihm den Schädel zu einem Sprühregen aus Blut und Knochen. Mace kam nicht schnell genug zu Atem, und so erwischte ihn der andere Angreifer und durchtrennte in einem sauberen Schnitt das Lederband um seinen Bauch. Mace tauchte unter ihm hindurch, rollte über den Boden, kam behände wie ein Tier auf den Füßen auf und schwang den Morgenstern mit einer alles zermalmenden Wucht gegen die Wirbelsäule des Gegners. Kelsea hörte ein Knacken, das klang, als hätte Mace einen Ast entzweigebrochen. Mit einem dumpfen Schlag stürzte der letzte Caden zu Boden. Nun waren auch die Männer mit den schwarzen Umhängen bei ihnen angekommen und stiegen mit gezogenen Schwertern von ihren Pferden. Mace wirbelte herum und stürzte auf sie zu, während Kelsea die Szene mit einer Art enttäuschtem Erstaunen beobachtete … Es schien so eine Verschwendung, dass Mace ausgerechnet hier sterben sollte. Noch nie hatte sie gehört, dass jemand einen Caden bezwungen hatte, geschweige denn vier auf einmal. Kelsea nahm die Hand von ihrem Hals. Sie war blutverschmiert. Konnte man an einer oberflächlichen Wunde verbluten? Über den Tod oder das Sterben hatte Barty ihr leider nichts beigebracht.
Jemand packte sie unter den Armen und warf sie auf den Rücken. Schwarze Punkte tanzten ihr vor den Augen, ihre Wunde am Hals riss weiter auf. Zugleich kehrten die Empfindungen in ihre Beine zurück. Ein grausamer Schmerz meldete sich, als würden ihr Glassplitter in die Waden getrieben. Ein Gesicht beugte sich über sie, ein Gesicht so bleich wie der Tod. Wo andere Augen hatten, klafften zwei bodenlose schwarze Löcher, und der Mund war blutverschmiert. Kelsea konnte einen Schrei nicht unterdrücken, doch dann merkte sie, dass es sich nur um eine Maske handelte.
»Sir. Was machen wir mit Mace?«
Kelsea blickte auf und sah einen zweiten Mann vor sich stehen, dessen Maske glücklicherweise einfach nur schwarz war.
»Schlag ihn bewusstlos«, befahl der Mann mit der weißen Maske. »Wir nehmen ihn mit.«
»Sir?«
»Sieh dich um, How. Vier Caden, er allein! Er wird uns garantiert Ärger machen, aber es wäre eine Schande, einen so begnadeten Kämpfer hopsgehen zu lassen. Er kommt mit uns.«
Obwohl ihr Hals schmerzhaft protestierte, hievte sich Kelsea in eine sitzende Position und sah, dass Mace aus mehreren Wunden blutete und von den maskierten Männern umringt wurde. Flink wie ein Wiesel, machte einer von ihnen einen Satz, um das Schwert mit der flachen Klinge auf Mace‘ Hinterkopf sausen zu lassen.
»Nicht!«, schrie Kelsea, als er in sich zusammensackte.
»Der wird schon wieder, Mädchen«, sagte der Weißmaskierte über ihr. »Reiß dich zusammen.«
Mühsam kam Kelsea auf die Beine. »Was wollt Ihr von mir?«
»Du hast keine Fragen zu stellen, Mädchen.« Er hielt ihr eine Flasche Wasser hin, die sie ignorierte. Der Mann musterte sie und betrachtete eingehend ihren Hals. Hinter den Löchern seiner Maske schimmerten schwarze Augen.
»Sieht gemein aus. Wie ist das passiert?«
»Ein Morthabicht«, erwiderte Kelsea widerwillig.
»Gott segne deinen Onkel. Bei der Wahl seiner Verbündeten beweist er ebenso schlechten Geschmack wie bei der Wahl seiner Kleider.«
»Sir! Mehr Caden! Aus dem Norden!«
Kelsea wandte ihren Blick in die angegebene Richtung. Eine Staubwolke schwebte über den Feldern des Ackerlands. In der Ferne wirkte sie trügerisch klein, doch Kelsea schätzte die Verfolgertruppe auf mindestens zehn Mann. Ein rötliches Knäul, das sich immer deutlicher vom Horizont abhob.
»Noch mehr Habichte in Sicht?«, fragte der Anführer.
»Nein. How hat einen abgeschossen.«
»Na, Gott sei Dank. Fangt die beiden Pferde ein, die nehmen wir auch mit.«
Kelsea wandte sich zum Fluss um. Er war tief und wild. Das gegenüberliegende Ufer säumten Büsche und Bäume, die sich flussabwärts auf einer Länge von mindestens fünfhundert Metern über das Wasser beugten. Wenn es ihr gelang, durch den Fluss zu schwimmen, würde sie sich danach vielleicht an ihnen an Land ziehen können.
»Was für eine begehrte Trophäe du doch bist«, meinte der Anführer neben Kelsea. »Dabei siehst du eigentlich nach nichts aus.«
Kelsea sprang auf, wirbelte herum und sprintete Richtung Fluss. Sie kam nicht mal drei Schritte weit, als der Weißmaskierte sie auch schon am Ellbogen packte und zu einem zweiten Mann hinschubste, der groß wie ein Bär war und sie geschickt unter den Armen auffing.
»Versuch bloß nicht abzuhauen, Mädchen«, sagte der Anführer mit kalter Stimme. »Wir töten dich vielleicht, aber die Caden töten dich bestimmt, und deinen Kopf präsentieren sie dem Regenten auf einem Silbertablett.«
Kelsea wog ihre Optionen ab und kam zu dem Schluss, dass sie keine hatte. Fünf maskierte Männer standen um sie herum, und Mace lag in fünf Metern Entfernung auf dem Boden. Kelsea konnte ihn atmen sehen, doch sein Körper war schlaff. Als einer der Männer ihn an den Händen gefesselt hatte, hoben ihn zwei weitere hoch und banden ihn auf sein Pferd. Kelsea hatte kein Schwert, aber sie hätte es ohnehin nicht zu gebrauchen gewusst. An den Anführer gewandt, nickte sie.
»Morgan, sie reitet mit dir.« Der Anführer drehte sich um, stieg auf sein Pferd und sagte mit erhobener Stimme: »Und jetzt schnell weiter! Haltet nach berittenen Truppen Ausschau!«
»Hoch mit Euch, Lady«, sagte Morgan. Im Gegensatz zu seiner kräftigen Statur und der bedrohlich schwarzen Maske war seine Stimme überraschend sanft. »Hier.«
Kelsea stellte den Fuß in seine zu Steigbügeln verschränkten Hände und schwang sich aufs Pferd. Ihre Wunde am Hals blutete noch immer. Auf der rechten Schulter war ihr Hemd bereits blutdurchtränkt, und über ihren Unterarm liefen scharlachrote Rinnsale. Ein kupferartiger Geruch ging davon aus, ähnlich den alten Pennymünzen, die Barty daheim in seiner Andenkenschachtel verwahrte. Einmal in der Woche hatte er sie akribisch poliert und Kelsea gezeigt – langweilige, runde Geldstücke mit einem stattlichen, bärtigen Mann vorne drauf. Ein Überbleibsel längst vergangener Tage. Schon merkwürdig, dass der Geruch von Blut so schöne Erinnerungen auslösen konnte.
Morgan setzte sich hinter sie, und Kelsea spürte deutlich, wie der Rücken des Pferdes unter seinem Gewicht nach unten sackte. Seine Arme boten ihr zu beiden Seiten festen Halt. Sie trennte ein Stück Stoff von ihrem Ärmel ab und presste sich den Fetzen an den Hals. Die Wunde musste definitiv bald genäht werden, doch bis dahin wollte sie auf keinen Fall eine Blutspur hinter sich herziehen.
Eine Zeitlang galoppierten sie am Ufer entlang. Kelsea fragte sich, wohin sie wohl ritten, denn der Fluss war zu schnell und zu reißend, als dass die Pferde ihn hätten durchqueren können. Und eine Brücke war weit und breit nicht zu sehen. Als sie nach Norden blickte, sah Kelsea, dass ihre rotgewandeten Verfolger eine andere Richtung eingeschlagen hatten, um sich ihnen direkt in den Weg zu stellen. Die maskierten Männer um sie herum ließen nicht erkennen, wohin sie wollten und ob sie einen Fluchtplan hatten. Der Anführer ritt voran, auf Mace‘ Hengst folgten ein Mann und der quer über den Sattel geworfene Mace selbst, dessen Körper im Galopp ständig erschüttert wurde. Kelsea sah nur wenig Blut, allerdings verdeckte der graue Umhang ihn fast vollständig.
Die maskierten Männer schienen sich ausschließlich auf den Weg vor ihnen zu konzentrieren. Nicht einmal blickten sie hinter sich, um zu prüfen, wie nah ihnen die Verfolger bereits gekommen waren. Auch Kelsea würdigten sie keines Blickes. Ihre Hilflosigkeit versetzte ihr einen Stich. Auf sich allein gestellt, wäre sie im Handumdrehen gestorben.
»Jetzt!«, rief der Anführer.
Die Erde drehte sich unter Morgans Pferd, und plötzlich preschten sie geradewegs in den Fluss hinein. Kelsea schloss die Augen, hielt den Atem an und bereitete sich innerlich auf das eiskalte Wasser vor. Doch nichts geschah. Um sie herum donnerte die Strömung, eisige Tropfen sprühten durch die Luft und durchnässten ihre Hose bis zu den Knien. Doch als sie die Augen öffnete, stellte sie fest, dass sie den Fluss auf wundersame Weise unbehelligt durchquerten, und wenn auch die Gischt um die Hufe der Pferde spritzte, fassten sie doch festen Tritt.
Unmöglich, dachte sie und riss ungläubig die Augen auf. Doch der Beweis lag direkt vor ihr: Die Pferde zogen eine breite Schneise quer durch den Fluss, und jeder Schritt brachte sie näher ans gegenüberliegende Ufer. Sie ritten zwischen zwei aus dem Wasser ragenden Felsbrocken hindurch, denen sie so nah kamen, dass Kelsea smaragdgrüne Moosflecken auf ihnen erkennen konnte. Sie dachte an den leuchtenden Stein um ihren Hals und musste beinahe lachen. Der Tag hatte wirklich voller Wunder gesteckt.
Sobald sie festen Boden erreichten, galoppierten die Pferde in den nahen Wald. Zum zweiten Mal an diesem Tag peitschen Kelsea Zweige ins Gesicht. Sie zog den Kopf ein und gab keinen Mucks von sich.
Tief im Schatten einer kräftigen Eiche hob der Anführer die Hand, und die Männer brachten ihre Pferde zum Stehen. Durch die Bäume hindurch war der Fluss kaum noch zu erkennen. Reglos saß der Weißmaskierte auf seinem Pferd und starrte zum fernen Ufer zurück.
»Das sollte sie für eine Weile verwirren«, brummte einer der Männer.
Kelsea wandte sich um, ignorierte die aufsteigende Übelkeit und spähte durch die Zweige der Eiche. Außer dem Sonnenlicht, das auf dem Wasser glitzerte, sah sie nichts. Einer der Schwarzmaskierten kicherte. »Jetzt wissen sie nicht weiter. Das wird sie noch ein paar Stunden beschäftigen.«
Auch Kelsea konnte ihre Verfolger nun hören: aufgeregte Stimmen und die laut gebrüllte Antwort: »Ich weiß es doch auch nicht!«
»Die Lady muss genäht werden«, riss Morgan sie aus ihren Gedanken. »Sie verliert zu viel Blut.«
»Das stimmt wohl«, erwiderte der Anführer, während seine schwarzen Augen sie musterten. Sie erwiderte seinen Blick und versuchte, sich von der Maske nicht irritieren zu lassen. Sein Gesicht war das eines Harlekins, nur viel düsterer. Es war auf eine Art schrecklich, die sie nicht in Worte fassen konnte und die sie an die Albträume ihrer Kindheit erinnerte. Dennoch zwang sie sich, sich aufzurichten und ihn ungerührt anzustarren. »Wer seid Ihr?«
»Ich bin der lange Tod von Tearling. Vergib uns.« Er nickte über ihren Kopf hinweg, und bevor Kelsea sich noch umdrehen konnte, wurde es schwarz um sie.