Diese Geschichte des politischen Denkens hat mehr als zweieinhalb Jahrtausende durchschritten. Sie beginnt nämlich vor Platon und endet mit dem Denker, dessen Werk noch in unser Jahrhundert reicht. Politische Denker darzustellen, deren Werk noch nicht abgeschlossen ist, bleibt einer anderen Publikation überlassen.
Bei diesem Durchgang fällt auf, dass trotz aller Unterschiede der Zeit und des intellektuellen Temperaments gewisse Motive immer wieder auftauchen. Man darf sagen: zu Recht, denn für den Kern der politischen Grundfragen sind Gemeinsamkeiten kaum erstaunlich. Dazu gehören Überlegungen zu einer politischen Anthropologie, die Rechtfertigung von Herrschaft und die Frage, ob es ein überpositives Recht, ein Natur- oder Vernunftrecht, gibt, ferner die Verpflichtung der Herrschaft auf Gerechtigkeit, zumindest auf das Gemeinwohl statt des Herrscherwohls, und die Kritik an jeder Form von Tyrannis. Auch die Suche nach Kriterien für ein vorbildliches Gemeinwesen und für ideale Herrscher sowie die Frage, ob es gerechte Kriege geben kann und worin deren etwaige Gerechtigkeitskriterien bestehen, finden sich bei einem Großteil der politischen Denker. Der knappe Ausblick sei aber der Gegenrichtung gewidmet, einem Blick nicht auf die Tradition, sondern in die Zukunft.
Die Frage, wie sich das politische Denken, vor allem die politische Welt selbst in Zukunft fortentwickeln werden, bleibt naturgemäß offen. Erlaubt ist jedoch, eine Hoffnung auszusprechen, die ich einmal unter dem Titel Demokratie im Zeitalter der Globalisierung (1999) modo philosophico ausgebreitet habe:
Aus zweieinhalb Jahrtausenden politischen Denkens ist eine Errungenschaft von weltgeschichtlichem Rang hervorgegangen: eine Verbindung der «Freiheit der Alten» mit der «Freiheit der Moderne». Diese Errungenschaft, der demokratische Rechts- und Verfassungsstaat mit seinen Grund- und Menschenrechten, der Volkssouveränität, der Gewaltenteilung und den damit verbundenen Institutionen, mittlerweile auch Traditionen, bedarf der inter-nationalen, sogar globalen Fortsetzung. Sowohl ihre nähere Gestalt als auch der Weg dorthin bleiben offen, die Grundrichtung hingegen, so die Hoffnung, sollte unstrittig sein: eine Weltordnung, die auch in internationaler und globaler Perspektive von dem bestimmt wird, was der sonst nüchterne Aufklärer Kant den «Augapfel Gottes» nennt, vom Recht.
Es braucht daher eine auf der Grundlage von Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit errichtete Weltrechtsordnung. Diese, ein Rahmen für eine gewaltfreie Kooperation in Konkurrenz, darf allerdings nicht an die Stelle der politischen Einheiten treten, die sich über viele Generationen, mancherorts über Jahrhunderte ziemlich bewährt haben, die Einzelstaaten von der Qualität konstitutioneller Demokratien. Zusammenschlüsse auf großregionaler Ebene, sofern sie frei und umsichtig vorgenommen werden, können hinzukommen. Auf Dauer dürfen die Beziehungen dieser politischen Einheiten aber nicht – länger – von Willkür und Gewalt bestimmt sein, sondern von deren allein legitimer Alternative, eben dem Recht. Infolgedessen bedarf es einer subsidiären und föderalen, also die bewährten Einheiten nicht zerstörenden, wohl aber sie ergänzenden Weltrechtsordnung. Man mag sie schließlich, nach einer langen Phase vor- und umsichtiger Entwicklungen, eine – nicht alternative, sondern lediglich komplementäre – Weltrepublik nennen. Aus Anerkennung eines Rechts auf Differenz hält sich diese Weltrepublik für die Vielfalt menschlicher Persönlichkeiten und Gesellschaftsformen offen.