Kapitel 7

E inen Moment mal. Noch mal von vorne.« Ember lachte, als der Panamera auf dem Parkplatz ihres Wohnkomplexes wieder piepte. »Der Typ mit dem Stierkopf-Anhänger sah menschlich aus?«

Schmunzelnd schob Cheyenne den Rollstuhl ihrer Freundin den Außenflur der Wohnung im Erdgeschoss hinunter. »Ja. Wahrscheinlich eine Art Illusionszauber.«

Das Fae-Mädchen schaute über ihre Schulter zu ihrer Freundin und hob scherzhaft eine Augenbraue. »Sieh mal einer an. Bevor ich angeschossen wurde, hatte dieses Mädchen keine Ahnung von Magie, Grenzen und Zaubern und jetzt rollt sie mich zu meiner Haustür und redet von Illusionszaubern und O’gúl-Loyalisten.«

Sie hielten an der letzten Tür auf der linken Seite an und Cheyenne bückte sich, um den Ersatzschlüssel unter der Türmatte ihrer Freundin hervorzuholen. »Was soll ich sagen, Em? Es waren drei aufschlussreiche Wochen.«

»Ja, kein Scheiß.«

Die Halbdrow schloss die Tür auf, öffnete sie und trat dann wieder hinter den Stuhl, um Ember hineinzuschieben. »Für uns beide, wette ich. Aber sieh mal. Jetzt bist du wieder zu Hause und ich werde dir helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Ja, ich meine das wortwörtlich …«

Cheyenne blieb stehen, als sie von ihrer Freundin aufblickte. Beide starrten auf Embers zerstörtes Wohnzimmer. Die magielose Fae lachte, dann riss sie sich zusammen.

»Oh. Ja.« Die Halbdrow trat vom Stuhl zurück und betrachtete das zerbrochene Geschirr und den kaputten Schrank, die verkohlten Löcher in der Wand und die zerfetzte Couch, auf der noch immer lose Federn verstreut lagen, die aus Kissen kamen, die für Zielübungen benutzt worden waren. »Verdammt, Em. Ich habe das Chaos hier drin völlig vergessen.«

»Ja, ich auch.«

Als sie sich umdrehte und ihre Freundin entschuldigend ansah, fand Cheyenne nur ein amüsiertes Lächeln auf Embers Gesicht. »Es tut mir leid.«

»Muss es nicht.«

»Ich hätte das alles aufräumen sollen. Jetzt kommst du endlich nach Hause und alles ist zerstört. Du solltest dich damit nicht beschäftigen müssen …«

»Cheyenne.«

Die Halbdrow blieb stehen. Wenn sie mir sagt, dass ich abhauen und sie in Ruhe lassen soll, ist das fair.

»Zuallererst«, fing Ember mit einem kleinen Kichern an, »hör auf, dich zu entschuldigen. Es ist nur eine beschissene Wohnung. Okay, zugegebenermaßen nicht so beschissen wie deine.« Sie grinste und Cheyenne lachte. »Aber im Ernst, das ist mir wirklich egal. Mein Mietvertrag läuft sowieso bald aus und die Wohnung muss dringend renoviert werden.« Das Fae-Mädchen schaute sich im Wohnzimmer um und zuckte mit den Schultern. »Du hast ihnen nur einen Vorsprung verschafft.«

Die Halbdrow lachte leise. »Wenigstens habe ich deinen Fernseher gerettet.«

»Was?«

Cheyenne zeigte auf den Fernsehständer und Embers Flachbildschirm. »Das Ork-Arschloch hätte ihn fast zerstört.«

»Nun, danke, dass du das Wertvollste in meinem Wohnzimmer gerettet hast. Vermute ich mal. Was ist mit den Typen passiert, die hier eingebrochen sind und angefangen haben, umzudekorieren?«

»Ich, äh, ich habe eine Putzkolonne gerufen.« Die Halbdrow kicherte.

»Ich hatte keine Ahnung, dass es so etwas gibt.«

»Gab es auch nicht. Bis ich angerufen habe und mein eigenes FRoE-Agententeam für die Körperbeseitigung bekommen habe.«

Embers Augen weiteten sich. »Es waren FRoE-Agenten in meiner Wohnung?«

Cheyenne rümpfte die Nase und breitete die Arme aus. »Entschuldigung?«

Ember lachte wieder und blickte auf die Räder ihres Rollstuhls, bevor sie sich an ihnen festhielt und sich vorwärts schob. »Oh. Mit dem Teppich wird es hier ein bisschen schwierig, voranzukommen.«

»Hey, wenn dein Mietvertrag bald ausläuft, ist das doch der perfekte Zeitpunkt, um eine neue Wohnung zu suchen, oder? Eine ohne Teppichboden.«

»Cheyenne, ich kann nicht in eine neue Wohnung ziehen, in der überall Parkett liegt.« Ember hob die Augenbrauen und deutete mit der Hand auf das Wohnzimmer. »Ich komme mit der hier schon finanziell kaum über die Runden.«

»Streich ›kaum über die Runden kommen‹ von der Liste, Em.« Die Halbdrow trat wieder hinter den Rollstuhl und schob Ember zur Couch. Dann ließ sie sich auf die Couch fallen und nickte. »Ich war nicht nur höflich, als ich meinte, ich würde dir nach dem Krankenhaus bei allem helfen.«

Das Fae-Mädchen lachte. »Du bist nie einfach nur höflich.«

»Du kennst mich wirklich.«

Sie lachten noch einmal, dann schüttelte Ember den Kopf. »Ich kann mich nicht ewig bei dir durchschnorren, Cheyenne. Ich weiß deine Hilfe zu schätzen, aber du hast noch einen Haufen anderer Dinge zu tun und ich will dich nicht runterziehen …«

»Halt die Klappe.«

»Was?«

Cheyenne grinste. »Ich habe dir gerade gesagt, du sollst die Klappe halten. Soll ich es noch mal sagen?«

Ember legte ihren Kopf schief und holte tief Luft. Sie sagte nichts, aber ihr ungläubiges Lächeln verriet, dass sie kurz davor war, nachzugeben.

»Hör zu, Em. Einer der Gründe, warum du überhaupt im Krankenhaus warst, bin ich. Weil ich nicht mitgekommen bin, als du mich darum gebeten hast.«

Das Fae-Mädchen schnaubte. »Du wirst doch jetzt nicht sentimental werden, oder?«

»Dieses Mal nicht. Aber ich meine es ernst. Ich bin auch der Grund, warum deine Wohnung zerstört wurde und außerdem bist du meine beste Freundin. Ich brauche dich einfach.« Die Halbdrow klopfte auf das Sofakissen neben sich und nickte. »Wenn du also das Gefühl hast, dass du meine Hilfe nicht verdienst oder mich runterziehst, denk daran, dass ich dir gesagt habe, du sollst die Klappe halten und alles ist gut.«

Ember senkte den Kopf und starrte ihre Freundin an. »Du wirst damit nicht aufhören, oder?«

»Auf keinen Fall. Ich kümmere mich darum, Em. Wie ich schon sagte.« Cheyenne schaute sich noch einmal im Wohnzimmer um. »Du solltest dich auf die Suche nach einer neuen Wohnung machen, hm? Ich werde dir auch beim Umzug helfen. Achte darauf, dass sie Parkett hat.«

»Das ist zu viel.« Ember schüttelte den Kopf.

»Nein, ist es nicht. Irgendein Loyalisten-Arschloch hat heute Morgen mein Auto in die Luft gejagt und ich habe mir einen neuen Panamera mit Bargeld gekauft. Was spricht denn dagegen, mein Erbe jetzt anzubrechen? Das war nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.«

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass dein Erbe nicht dazu gedacht war, deiner frisch behinderten Freundin eine moderne Wohnung zu kaufen.«

»Em, ich kann es für alles verwenden, was ich will. Das ist es, was ich tun will. Es gibt nichts, was du tun kannst, um mich aufzuhalten.«

Ember versuchte, ihr Lachen irritiert klingen zu lassen, aber es gelang ihr nicht ganz. »Oh, ich weiß. Aber ich musste es wenigstens versuchen.«

»Okay. Du hast es versucht und bist gescheitert. Jetzt komm drüber hinweg.« Cheyenne konnte nicht anders, als wieder zu schmunzeln. »Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob du hier noch sicher leben kannst. Wer auch immer hinter mir her war, hat mich hier bei dir gesehen. Sie könnten zurückkommen.«

»Und sie wissen jetzt auch, wo du wohnst, nicht wahr?«

Das ließ die Halbdrow innehalten und sie verengte ihre Augen mit Blick auf das Fae-Mädchen, das vor ihr saß. »Ja. Das ist ein kleines Problem.«

»Weißt du, wenn du mir die ganze Zeit mit meiner Physiotherapie hilfst und mich wieder auf die Beine bringst, hoffentlich im wahrsten Sinne des Wortes, wäre es keine schlechte Idee, wenn wir für eine Weile Mitbewohnerinnen wären.« Ember zuckte mit den Schultern. »Nur so lange, bis ich mich an den Stuhl gewöhnt habe und wieder alles allein machen kann.«

Cheyenne blickte in die hoffnungsvollen Augen ihrer Freundin. Auch dieser Teil ist ihr peinlich. »Du willst wirklich nicht, dass ich dir eine brandneue Wohnung besorge, oder?«

Lachend strich sich Ember mit beiden Händen die Haare aus dem Gesicht. »Okay, ich denke mir eine andere Ausrede aus. Was soll’s? Es ergibt aber Sinn. Du musst dann nicht durch die Gegend fahren, um mir zu helfen. Ich bin gleich den Flur runter. Ich werde kein so schlechtes Gewissen haben, wenn du auch etwas davon hast …«

»Ich werde auf jeden Fall auch etwas davon haben, Em.«

»Das ist der Teil, wo du die Klappe hältst und mich ausreden lässt.« Grinsend deutete Ember auf ihre Freundin und die Halbdrow hob entschuldigend die Hände. »Gut. Der letzte Punkt meines Arguments ist, dass du nicht an dem Ort leben solltest, an dem irgendein Freak ein Symbol mit Blut auf deine Tür gemalt hat, bevor er dein Auto mit einer Bombe statt mit Magie in die Luft gejagt hat. Das ist zwar etwas verwirrend, ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich es auch nicht für sicher halte, wenn du weiterhin in deiner schäbigen Wohnung wohnst.«

Cheyenne öffnete den Mund, um zu protestieren, dann legte sie den Kopf schief. »Das ist ein gutes Argument.«

»Ich weiß.«

»Und ich kann keine Nachteile erkennen, also okay.«

»Okay?«

Die Halbdrow schürzte ihre Lippen und nickte. »Ja. Okay, dann lass uns nach einem neuen Ort suchen, der alles hat, was eine Halbdrow und ihre vorübergehend an den Rollstuhl gefesselte, beste Freundin brauchen, um klarzukommen.«

»Ha. Such dir eine neue Wohnung, die zu deinem glänzenden, neuen Drowmobil passt, das du draußen geparkt hast.«

Cheyenne konnte sich das Lachen nicht verkneifen. »Ich liebe dieses Auto wirklich sehr.«

»Das kann ich sehen.« Ember ließ die Reisetasche von ihrem Schoß auf den Boden fallen, kramte dann in ihrer Handtasche und holte ihr Handy heraus. »Ich fange an, zu suchen. Es ist ja noch nicht einmal drei Uhr. Wenn wir schnell genug einen guten Platz finden, können wir losfahren, mit dem Büro reden und etwas vorbereiten …«

Die Halbdrow ließ sich in die Kissen fallen, hob ihren Arm über die Rückenlehne der Couch und schnaubte.

Ihre Freundin sah sie mit einem verlegenen Lächeln an. »Was?«

»Ich finde deinen Enthusiasmus wirklich toll, Em, aber vielleicht sollten wir mit der Suche nach einer neuen Wohnung in Richmond bis morgen warten, oder?«

»Warum zum Teufel sollten wir das tun?«

»Oh, ich weiß es nicht. Vielleicht, weil du gerade erst nach Wochen aus dem Krankenhaus entlassen wurdest, nachdem du fast nie wieder herausgekommen wärst.«

Ember ließ ihr Handy in ihren Schoß fallen und schenkte ihrer Freundin ein wissendes Lächeln. »Aber ich bin rausgekommen. Dafür gebe ich hundertprozentig dir die Schuld.«

»Ja, okay. Ich nehme die Schuld auf mich, dein Leben gerettet zu haben.«

Das Mädchen lächelte und sah sich in dem zerstörten Wohnzimmer um, um das ganze Gespräch auf sich wirken zu lassen. Dann hob Ember ihr Handy und wackelte damit. »Also, soll ich jetzt anfangen, nach Wohnungen zu suchen oder …?«

»Du kannst suchen, was du willst.« Cheyenne klopfte sich auf die Oberschenkel, wobei die Ketten um ihre Handgelenke klirrten und richtete sich auf. »Ich werde hier so viel wie möglich aufräumen, denn das hätte ich schon längst tun sollen. Du musst nicht mit den Rädern an einem Stück Trockenmauer hängen bleiben oder so.«

Ember lachte. »Okay. Wenn ich dir im Weg bin, kannst du mich gerne durch den Raum schieben. Ich gehe nirgendwo hin und werde mich darauf konzentrieren, die perfekte Wohnung zu finden.«

»Ich glaube nicht, dass es die gibt, Em.«

»Glaub mir, die gibt es. Ich werde sie finden.« Ember presste die Lippen aufeinander und schaute ihrer Freundin zu, als Cheyenne in die Küche ging und anfing, große Stücke des zersplitterten Schranks aufzusammeln. »Du bist vielleicht unglaublich geschickt im Umgang mit Computern, Cheyenne, aber das bedeutet nicht, dass der Rest von uns keine Tricks im Ärmel hat.«

Die Halbdrow trat auf den Hebel, um den Mülleimer zu öffnen und kippte eine Handvoll Holz und zerbrochene Keramik in den fast leeren Müllsack. »Na so was. Immer wieder kommst du mit überraschenden Fähigkeiten an.«

Schmunzelnd blickte Ember auf ihr Handy und tippte mit ihren Fingern auf dem Bildschirm herum. »Wenigstens hat eine von uns etwas im Studium gelernt.«