Kapitel 14

C heyenne schloss die Fahrertür ihres Panamera, drehte sich zu Ember auf dem Beifahrersitz um und lächelte breit. »Ich habe das Gefühl, dass die harte Arbeit hinter uns liegt, Em. Heute gibt es nichts als Spaß. Den ganzen Tag.«

Ember schnaubte. »Ich weiß es zu schätzen, dass du die Uni schwänzt, um mit mir eine Wohnung zu kaufen und ich werde dir nicht sagen, dass du mich einfach irgendwo absetzen sollst, damit du zu deinen Vorlesungen gehen kannst.« Die Fae schnallte sich an und schenkte der Halbdrow ein dankbares Lächeln. »Aber bist du sicher, dass es dir nichts ausmacht, heute die Vorlesungen zu verpassen? Wird es dann nicht schwierig, deine Ziele zu erreichen?«

Cheyenne lachte. »Ich habe Ziele?«

»Ja, du weißt schon, so was wie einen Master-Abschluss.«

»Genau. Das Ziel aller Ziele.« Die Halbdrow zog die Augenbrauen hoch und täuschte Begeisterung vor. »Ich will es auf jeden Fall, aber es gibt viel wichtigere Dinge, als ein Stück Papier mit meinem Namen und dem VCU-Stempel darauf zu bekommen. Du gehörst dazu.«

»Nun, das ist sehr aufgeschlossen von dir.«

»Sehr witzig.« Cheyenne umschloss das Lenkrad und drückte den Startknopf, woraufhin der Motor aufheulte. »Heute haben wir beide etwas davon. Meine Vorlesungen wurden gestrichen.«

»Alle?«

»Ja.« Cheyenne parkte rückwärts aus der Parklücke vor dem Wohnhaus aus und fuhr vom Parkplatz auf die Straße. »Wenn du das komisch findest, dann versuche mal, eine E-Mail von deiner Lieblingsprofessorin zu öffnen, in der alle anderen Dozierenden in CC stehen und in der geschrieben wird, dass sie sich über deine Karriere in der Graduiertenausbildung unterhalten und beschlossen haben, die Dinge zu ändern, um ›im besten Interesse aller Beteiligten‹ zu handeln.«

Ember lachte. »Was zum Teufel soll das heißen?«

»Oder? Sie meinten, ich solle meine Kurse heute vergessen und stattdessen morgen Abend zu einem Treffen kommen.«

»An einem Samstag.«

»An einem Samstag um sechs Uhr, Em.«

Sie lachten beide, als Cheyenne sie in Richtung Stadtzentrum fuhr.

Ember strich sich die Haare hinter die Ohren und schüttelte den Kopf. »Das ist seltsam. Klingt aber nicht so, als wollten sie dich zwingen, die Uni abzubrechen. Hey, vielleicht lassen sie dich alle ihre Systeme aktualisieren. Oder neue Systeme schreiben. Eine Generalüberholung der Universitätsserver und sie nennen es nur Lernen, damit sie dich nicht bezahlen müssen.«

Der Panamera kam an der nächsten roten Ampel zum Stehen und Cheyenne drehte sich langsam um und warf ihrer Freundin einen Seitenblick zu. Dann brachen sie wieder in Gelächter aus. »Weißt du was? Wenn sie wollen, dass ich meinen Master in der IT-Wartung mache, ohne dass sie mich rausschmeißen müssen, dann nehme ich das Angebot an. In einer Woche ist alles erledigt und ich habe meinen Abschluss noch vor Weihnachten.«

»Und ein frohes neues Jahr, hm?«

»Einfach so.«

An der roten Ampel hielt ein Minivan neben ihnen an. Das Mädchen auf dem Beifahrersitz war wahrscheinlich noch in der Schule oder gerade fertig. Sie sah begeistert Cheyennes neuen Wagen an, zeigte auf ihn und sagte etwas zu der Frau am Steuer, die wie ihre Mutter aussah.

Cheyenne machte mit ihrer Hand die Pommesgabel und grinste das Mädchen an. Die Mutter beugte sich vor, um zu sehen, wer den Panamera fuhr und ihre Augen wurden groß, als sie Cheyenne sah. Sie schüttelte vehement den Kopf, redete viel zu schnell und riss ihre Tochter am Arm, damit sie sich wieder nach vorne drehte und aufhörte, die Goth hinter dem Steuer eines schicken Autos anzustarren.

»Kannst du das glauben?« Die Halbdrow lachte, als die Ampel auf Grün schaltete und der Minivan davonjagte. Sie drehte sich zur Seite und sah Ember an, die mit einer Hand an ihrem Mundwinkel zog und mit der anderen ihre Wange nach unten zog, um das Weiße ihrer Augen zu zeigen. Cheyenne brach in Gelächter aus. »Du bist diejenige, die sie verscheucht hat!«

»Was?« Ember lachte. »Dass ich hässliche Grimassen schneide, ist auf keinen Fall furchteinflößender als ein Goth-Mädchen, das einen Panamera fährt.«

»Ja, auf keinen Fall.« Cheyenne fuhr über die Kreuzung. Ihr Magen gab ein unangenehmes Knurren von sich und die jungen Frauen warfen dem Bauch der Halbdrow überraschte Blicke zu.

»Haben wir die wichtigste Mahlzeit des Tages vergessen?« Embers Finger trommelten auf die Armlehne.

»Nicht vergessen. Nur hinausgezögert.« Die Halbdrow schaute die Straße hinauf und nickte. »Bist du bereit, das in Ordnung zu bringen, bevor wir die Stadt nach der perfekten Wohnung durchsuchen?«

»Miss Summerlin!«

Cheyenne schüttelte missmutig den Kopf.

Ember kämpfte damit, nicht über ihre Worte zu lachen. »Ich dachte, es gibt keine perfekte Wohnung?«

»Das war, bevor ich eine Fae auf dem Vordersitz meines Panamera sitzen hatte. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es für jede Regel Ausnahmen gibt.«

»Dann verdammt, ja. Ich kann es kaum erwarten, mich mit etwas vollzustopfen, das ich selbst bestellen kann und das nicht in der Krankenhauscafeteria hergestellt wurde.«

Die Halbdrow nickte und trat auf das Gas. »Kriegen wir hin.«

* * *

Als sie damit fertig waren, den Rollstuhl aus dem Auto zu schaffen, um dann in den Bagel-Shop in der Innenstadt zu gehen, damit sie Spiegeleier, Speck, Bagels und Brötchen essen und den besten Kaffee trinken konnten, den Cheyenne seit Wochen getrunken hatte und dann wieder ins Auto zu steigen, sah Ember erschöpft aus.

Die Halbdrow startete das Auto und nahm einen großen Schluck Lavendel-Honig-Latte aus einem Becher zum Mitnehmen. »Okay. Neun Uhr dreißig.« Sie stellte den Kaffee in den Becherhalter und schnallte sich an. »Ich glaube, wir liegen ziemlich gut in der Zeit.«

Ember schnallte sich ebenfalls wieder an und lehnte ihren Kopf gegen die Kopfstütze. »Da ist ja schon der halbe Vormittag vorbei.«

»Woah, ganz ruhig.« Cheyenne drehte sich zu ihrer Freundin um und hob eine Augenbraue. »Das bedeutet auch, dass wir noch über sieben Stunden Zeit haben, um unsere neue Unterkunft zu finden. Das ist ein ganzer verdammter Tag!«

»Und die Hälfte davon werden wir damit verbringen, den Rollstuhl in das Auto hinein und wieder herauszubekommen und mich ebenso.« Das Fae-Mädchen schloss die Augen. »Meine Arme tun schon weh.«

Die Halbdrow lächelte. »Aber nicht davon, dass du dich hier selbst rumfährst.«

Ihre Freundin lachte schief. »Nein, Cheyenne. Davon, dass ich mich aufstütze, während du so tust, als wärst du ein dürrer Gothmensch, der versucht, seine Freundin überall rein und raus zu heben.«

»Hm.« Cheyenne stellte den Motor ab und Ember blinzelte, bevor sie ihre Augen wieder ganz öffnete.

»Was?«

Als sie sich auf dem Fahrersitz drehte, um ihrer Freundin so direkt wie möglich anzuschauen, hob die Halbdrow die Augenbrauen und beugte sich ein wenig vor. »Willst du weiterfahren?«

»Heute?« Ember zuckte mit den Schultern.

»Ich habe kein Problem damit, die Wohnung allein zu suchen.« Schmunzelnd tippte Cheyenne mit einem Finger auf ihre Lippen, mit einem übertrieben nachdenklichen Blick. »Ich denke an so etwas wie ein riesiges Lagerhaus, oder? Vielleicht eine umfunktionierte Garage, wie die, die man im Sommer in coole, neue Restaurants verwandelt, bei denen die Tür ganz offen steht. Aber wir werden alle Fenster verdunkeln. Ich bin mir sicher, dass ich ein paar Kronleuchter aus den 1800er-Jahren finden kann. Komplett mit Spinnweben. Ich fülle sie mit schwarzen Kerzen, dann brauchen wir nicht mal Strom.«

Ember lachte und verdrehte die Augen.

»Ich meine es ernst. Vielleicht sogar lilafarbener Samt an den Wänden. Also versteh mich nicht falsch, Schwarz ist meine Nummer eins. Lila ist knapp dahinter. Aber die Böden, natürlich, alles schwarz, kein Teppich. Wir könnten etwas glänzend Schwarzes finden und die Holzböden streichen. Aber keine Zimmer. Nur eine riesige, offene, unterirdische Goth-Box mit einer Falltür zur Toilette.« Die Halbdrow legte den Kopf schief und runzelte die Stirn. »Wir müssten allerdings eine Art Aufzug einbauen, um hinunterzukommen.«

»Okay, hör auf.« Ember sah Cheyenne schließlich an. »Das ist der schlechteste Last-Minute-Plan für eine Wohnung, den ich je gehört habe.«

»Hey, wer sagt, dass es in letzter Minute war? Ich könnte die ganze Sache seit Monaten geplant haben. Du hast ja keine Ahnung.«

»Cheyenne, du hast dir einen Panamera gekauft. Wir wissen beide, dass du einen besseren Geschmack hast als eine Gothic-Garage mit Kronleuchtern.«

Die Halbdrow hob unschlüssig eine Schulter und klimperte mit den Wimpern. »Dieses Auto ist Cheyenne von außen. Das tolle Bild, das ich dir gerade von unserer neuen Wohnung in den Kopf gemalt habe, Em? Das ist Cheyenne von innen

»Halt einfach die Klappe.« Endlich erlaubte sich Ember ein Lächeln.

Gut. Wenigstens hat sie das aus ihren dunklen Gedanken geholt.

Cheyenne konnte sich ein weiteres Lachen nicht verkneifen. »Spaß beiseite, wir müssen das heute nicht machen, wenn es zu viel ist. Ich weiß nicht, wie es ist, das durchzumachen, was du gerade durchmachst, aber ich weiß vielleicht etwas darüber, wie man sich selbst zu sehr unter Druck setzt, wenn man auf sein Bauchgefühl hören sollte.«

»Ich habe keine Probleme mit meinem Bauch, Cheyenne. Ich glaube, das Problem ist nur in meinem Kopf.« Ember tippte mit einem Finger gegen ihre Schläfe. »Im Moment jedenfalls viel mehr als in meinen Beinen.«

»Na gut. Willst du weitermachen oder war das Frühstück dir genug?«

Ember sah blinzelnd ihre Freundin an, schnappte sich dann den To-Go-Becher der Halbdrow und nahm einen großen Schluck Milchkaffee. Mit einem zufriedenen Lächeln hob sie den Becher in Richtung Windschutzscheibe und nickte. »Wir werden die Wohnung heute finden. Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass du uns eine Goth-Box besorgst.«

»Ausgezeichnete Entscheidung. Es tut mir tief im Herzen weh, aber ich werde darüber hinwegkommen.« Cheyenne startete das Auto wieder und fuhr vom Parkplatz des Restaurants. »Wenn du deine Meinung änderst …«

»Glaub mir, das werde ich nicht. Nicht nach diesem Bild in meinem Kopf.« Ember lachte und trank mehr von Cheyennes Kaffee.

Das ist mir völlig egal.

»Wie du willst, oh mächtiger Peiniger.«

Ember verdrehte wieder die Augen. »Ich glaube, du verwechselst uns, Halbdrow.«

»Nicht heute. Wir werden das richtig machen, Em. Wir ziehen in eine tolle, neue Wohnung, die sicher ist und alles hat, was wir brauchen.« Wenigstens das bin ich ihr schuldig.